Aspektanalyse: Positionsspiel mit Freiheit – MX
Ajax Amsterdam gewinnt den „De Klassieker“ gegen Feyenoord Rotterdam mit 2:1. Francesco Farioli ist unter Taktikinteressierten für seine ausgeprägte Ballbesitzorientierung bekannt – eine Philosophie, die auch Ajax verfolgt. Dies spiegelte sich auchh im wohl bedeutendsten Spiel des Landes wider. Doch wie gestaltete sich die Aufbaustruktur gegen Feyenoord genau?
Disclaimer: Angesichts des Fokus auf Ajax und Farioli habe ich mich für eine klare Aufbauspiel-Aspektanalyse anstelle einer klassischen Spielanalyse entschieden. Daher entfällt auch eine Spielgrafik.
Grundsätzlich agierte man im Aufbauspiel wie gewohnt aus einem 2-3-2-3-System heraus, das aus einer 4-3-3-Grundformation hervorgeht, während Feyenoord versuchte, mit einem aggressiv anlaufenden 4-2-4 die Muster von Ajax Amsterdam früh zu neutralisieren. Die Pressingmechanismen sahen wie folgt aus:
- Der ballnahe Stürmer läuft mit seitlichen Pressingwinkel (= Isolation des Querpasses) den ballführenden Innenverteidiger an, während der ballferne Stürmer Sechser Henderson markiert
- Die Flügelspieler rücken aus einer halbräumigen Grundposition auf die Außenverteidiger von Ajax heraus
- Klaassen und Taylor werden von Moder und Hwang eng gedeckt
- Die Verteidigungslinie schiebt ballnah weit ein, während die Außenverteidiger die Abkippbewegungen der Amsterdamer Flügelspieler Traoré und Berghuis konsequent verfolgen
Pressing = Freund oder Feind?
Was das Spiel von Anfang an prägte, waren die Muster der Innenverteidiger Šutalo und Baas. Immer wieder suchten die beiden den Moment der Übergabe des Doppelsturms von Feyenoord.
Grundsätzlich presst Rotterdam im Doppelsturm nicht direkt auf die Innenverteidiger durch, sondern erst beim Querpass von einem Innenverteidiger zum anderen. Doch besonders Šutalo dribbelte immer wieder extrem weit auf den linken Stürmer Ueda zu, um das Pressing bewusst zu erzwingen und den Trigger auszuhebeln.
Warum das Ganze? Um dies zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die begleitenden Bewegungen in diesem Rahmen.
- Die Außenverteidiger Hato und Gaaei agierten tiefer und bildeten dadurch eine flache Viererkette (insgesamt ein 4-3-3) –> dadurch später mehr
- Henderson orientierte sich weit tiefer und ballnah, suchte dabei fast die Nähe zum anlaufenden Stürmer
- Zentrumsspieler Taylor und Klaassen schoben breiter
Einerseits zog Henderson durch seine tiefen, ballnahen Bewegungen auch den ballfernen Stürmer mit, wodurch dessen Pressingweg auf den ballfernen Innenverteidiger länger wurde. Dadurch hatte der ballführende Innenverteidiger beim planmäßigen Übergabemoment – also beim Pass von einem Innenverteidiger zum anderen – deutlich mehr Raum und Zeit am Ball.
Zudem veränderte Ajax den Pressingwinkel entscheidend: Anstatt aus einer zentralen Position wie gewöhnlich für einen Sechser anzulaufen, musste Feyenoord nun aus einer weit ballnahen Position diagonal auf einen Innenverteidiger pressen. Dieser veränderte Winkel führte dazu, dass Querpässe zwischen den Innenverteidigern nicht mehr isoliert waren.
Dieser extrem diagonale Pressingwinkel, besonders verbunden mit dem langen Pressingweg, führte zudem dazu, dass die Innenverteidiger mehrfach die erste Pressinglinie schlichtweg überdribbeln konnten. Feyenoord wurde vor ein Entscheidungsdilemma gestellt: Pressen wir von hinten auf den Innenverteidiger an (wenig Druck) oder lösen wir die Mannorientierungen im Zentrum auf (situative Unterzahl)? Meist entschied man sich für die zweite Option, wodurch Taylor mehrmals als „freier Spieler“ tief durchschiebend im Halbraum gefunden wurde, nachdem Hwang die Orientierung aufgelöst hatte, um Baas anzupressen.
Dynamische Flachheit statt systematische Flachheit
In diesem Rahmen ergibt sich eine interessante Thematik, denn in der obigen Szene erkennt man die flache Viererkette – ein zunehmend verbreitetes Element im Aufbauspiel –, die auch Ajax verstärkt einsetzt.
Bemerkenswert war dabei, wie diese Flachheit hergestellt wurde. Anders als in herkömmlichen Varianten starteten die Außenverteidiger zunächst in einer höheren Position innerhalb eines 2-3-Aufbaus. Erst wenn der Ball beim Innenverteidiger landete und dieser sich mit seinem Körper zur Seite orientierte, kippten sie dynamisch in eine tiefere und flachere Position ab.
Auffällig war zudem, dass Ajax nie in maximaler Breite agierte, sondern die Außenverteidiger stets leicht eingerückt blieben. Dies könnte mit ihrem markanten Aufdrehen zusammenhängen. Außenverteidiger neigen oft dazu, nur halb aufzudrehen, um nicht an der Seitenlinie isoliert zu werden. Durch den leichten Sicherheitsabstand minimierte Ajax diesen Effekt und schuf bessere Bedingungen für eine saubere Weiterverarbeitung.
Dieses Bewegungsmuster war gegen Feyenoord Rotterdam besonders interessant, denn die Außenstürmer aus dem 4-2-4 verfolgten diese tieferen Bewegungen zunächst nicht, sondern sprangen erst auf die Außenverteidiger, sobald der Ball zu ihnen gespielt wurde. Durch das tiefere Zurückfallen der Außenverteidiger verlängerte sich jedoch der Pressingweg der Außenstürmer, gleichzeitig verbesserten sich durch die Flachheit die Passwinkel von den Innen- zu den Außenverteidigern. Insgesamt ergab sich dadurch deutlich mehr Zeit und Raum für Hato und Gaaei.
Die meisten Mannschaften würden in diesen Szenen wohl immer oder sehr oft den direkten Pass auf den weit außen positionierten Flügelspieler spielen. Ajax hingegen wählte diese Option auf der linken Seite nur äußerst selten für Berghuis, der mit direktem und intensivem Gegnerdruck im Rücken Schwierigkeiten hat – insbesondere beim Aufdrehen oder im Ablagenspiel, was hier erforderlich gewesen wäre.
Stattdessen suchte man häufiger den Diagonalpass auf Taylor im Halbraum, der – wie bereits mehrfach erwähnt – immer wieder durchschieben konnte, da Feyenoord mit den Außenverteidigern sehr aggressiv herausrückte. Dieses Anspiel erwies sich jedoch oft als zu ungenau oder zu lang, wodurch Innenverteidiger Trauner die Breite sichern und den tiefen Ball abfangen konnte. Gelegentlich suchte man auch Henderson im Sechserraum, wenn Feyenoord durch die Stürmer-Übergabe dessen ballnahe Bewegungen nicht abfangen konnte. Vorrangig versuchte Ajax jedoch, die Tiefe zu bespielen, anstatt einen Pass in eine verdichtete Zone zu riskieren.
Interessanterweise spielte Ajax auf der rechten Seite deutlich häufiger Pässe in die maximale Breite auf den Flügelspieler. Das geschah wohl auch in Hinblick auf die Spielerprofile:
- Traoré besitzt starke Fähigkeiten im Spiel mit dem Rücken zum Gegner sowie im Wandspiel und ist zudem beidfüßig. Dadurch ergeben sich für ihn bessere Möglichkeiten im Passspiel.
- Klaassen schob – anders als Taylor – nicht so direkt und tief in den Halbraum, sondern suchte mehr den Zwischenlinienraum zwischen Abwehr und Mittelfeld. Dadurch war der Passwinkel von Traoré ins Zentrum besser gegeben, wodurch das Aufdrehen oder die Suche nach einem 1-gegen-1 nicht so notwendig war wie auf der linken Seite.
- Gaaei hatte mit Paixão einen direkten Gegenspieler, der Probleme hatte, über den weiten Pressingwinkel Druck zu erzeugen. Mehrmals konnte Gaaei ihn überdribbeln und dadurch mehr Dynamik entwickeln – unter anderem in Kombination mit Traoré.
- Brobbey scheint generell die rechte Seite für Tiefenläufe zu bevorzugen – auch weil Taylor auf der linken Seite extrem oft in die Tiefe stößt. Durch seine zusätzliche Präsenz band er einen weiteren Innenverteidiger, was die Übergaben für Feyenoord erschwerte und Ajax mehrmals ermöglichte, über ihn die Tiefe zu bespielen.
Immer wieder suchte man das Muster „Breite Traore, Klatsch Klaasen, Tief Brobbey“ und immer wieder kam man darüber zu Chancen. Rotterdam schaffte es kaum, dass man dieses Muster unterbindet.
Nahezu hilflos wirkte Linksverteidiger Bueno gegen Traoré von Ajax. Immer wieder verteidigte er zu spät heraus, Traoré setzte seinen Körper geschickt ein und konnte den Ball ablegen. Zudem fehlte der nötige Druck auf Klaassen. Dies lag vor allem daran, dass die Außenspieler von Feyenoord ihre Markierungen an Klaassen und Taylor aus einer breiten Position heraus verfolgten.
Dieses Problem trat bereits im Spiel gegen Istanbul am Donnerstag auf. Mannorientierte Spieler (hier: Moder auf Klaassen) neigen dazu, die Breite zunächst nur geringfügig anzupassen, anstatt sie vollständig zu verfolgen. Wenn der Ball jedoch in die Breite – wie hier auf den Flügelspieler Traoré – gespielt wird und der Zentrumsspieler sich zum Ball bewegt, entsteht ein erheblicher Zeit- und Raumnachteil. Der verteidigende Spieler ist dann weiter vom Ball entfernt als der direkte Gegenspieler. Ajax nutzt diese Situation extrem gut aus.
…aber nicht in Überdribbel-Momenten…
Interessanterweise wurden die oben beschriebenen Muster besonders sichtbar, wenn Feyenoord aggressiver und direkter presste. Diese Intensität konnte Rotterdam jedoch nicht immer aufrechterhalten, insbesondere nach Verlagerungen und weiten Übergaben der Stürmer.
In diesen Momenten veränderte sich das positionelle Bild bei Ajax radikal: Hato rückte dann deutlich höher auf – statt in eine flache Position abzukippen –, oft in den Halbraum. Dadurch wurde der direkte Passweg von Baas auf Berghuis freigezogen, da Hato den gegnerischen Außenstürmer nach innen zog und so dessen Deckungsschatten aus der Breite entfernte.
Zusätzlich stellte Ajax Taylor systematisch in die letzte Linie, um den gegnerischen Außenverteidiger weiter zu binden. Diese Anpassung funktionierte jedoch zunächst nur bedingt. Die Idee dahinter war, Berghuis mehr Raum und Zeit zu verschaffen, damit er sich aufdrehen und das Spiel vorantreiben konnte – gerade weil er direkte Gegenspieler im Rücken eher meidet.
Brobbey suchte in diesen Situationen fast permanent den Zwischenlinienraum und kippte teils extrem weit bis in den Sechserraum ab. Das lag auch daran, dass der diagonale Pressingwinkel des Feyenoord-Doppelsturms den Passweg der Innenverteidiger fast durchgehend offen ließ, das Zentrum aber nur durch Brobbey besetzt war – weshalb er diese Bewegungen aufbringen musste. Einige seiner Abkippbewegungen wirkten jedoch zu weit und oft auch zu vorhersehbar, wodurch er in manchen Angriffen in der Tiefe oder in der Box fehlte.
Für meinen Geschmack waren die Zuspiele auf Brobbey in den Zwischenlinienraum oft zu isoliert. Durch die hohe Höhenstaffelung im Spielaufbau war er häufig gezwungen, sich unter Druck aufzudrehen – etwas, das trotz seines herausragenden Wandspiels nicht immer funktionierte. Feyenoord reagierte gut, indem entweder ein Innenverteidiger herausschob oder eine situative Übergabe erfolgte.
Besonders in der Breite fehlten häufig Anspielstationen, da Taylor sehr hoch positioniert war und der Außenverteidiger oft im Deckungsschatten stand. Dadurch blieb als einzige Option oft nur der Rückpass.
Diese Muster funktionierten besser, als Taylor etwas breiter agierte. Dadurch konnte Feyenoord ihn nicht mehr so einfach über die Innenverteidiger übergeben. In dieser Position band er regelmäßig den Außenverteidiger und erzielte so zumindest teilweise den gewünschten Effekt für Berghuis. Gelegentlich rotierte Taylor auch mit Hato, der dann auf der letzten Linie agierte.
Jordan Henderson „spürt“
Die Rolle von Jordan Henderson im System von Ajax ist von zentraler Bedeutung – man könnte fast sagen, dass er einen systemrelevanten Charakter besitzt. Nicht ohne Grund weigerte sich der Verein, ihn wie in den Medien berichtet nach Monaco abzugeben.
Wie bereits mehrfach erwähnt, ermöglichte Henderson durch sein ballnahes „Pinnen“ den Außenverteidigern weite Pressingwege und Übergaben bei Rotterdam, was einige positive Effekte hatte, die oben beschrieben wurden. Andererseits hat er ein überaus gutes Gespür für die Positionierung in diesen Szenen.
Mehrmals bot er sich im richtigen Winkel und mit der richtigen Körperstellung an, sodass Ajax über das Dreieck mit Henderson die Isolation des ballfernen Innenverteidigers durch den anlaufenden Stürmer aushebeln konnte. Die Kunst eines Sechsers im Aufbauspiel besteht darin, zu erkennen, wann er lose markiert wird, wann und wie er sich anbieten kann und wann er eng markiert wird und daraus den Vorteil zieht. Henderson zeigt in diesem Bereich herausragende Fähigkeiten.
Besonders interessant war, dass Henderson in Szenen, in denen sein Gegenspieler – häufig Milambo – extrem locker markierte und sich fast ausschließlich zentral sowie ballorientiert verhielt (was in diesem Fall auch als eine Art 4-2-3-1 anstatt des üblichen 4-2-4 interpretiert werden könnte), gezielt Bewegungen einsetzte, um diese Lücke auszunutzen. Wiederholt positionierte er sich ballfern im Halbraum, wodurch er besonders bei den eher konservativen Pressingansätzen von Rotterdam diagonal anspielbar wurde. Diese Situation war bemerkenswert, weil sie eine Halbraumüberladung und eine Überzahlsituation generierte.
Oftmals musste der direkte Gegenspieler – der ballferne Stürmer – weit in den Halbraum herausrücken, wodurch Henderson die Möglichkeit bekam, ihn zu überdribbeln. In einigen Szenen nutzte Henderson den dadurch gewonnenen Raum und Zeit, um Taylor im ballfernen Halbraum zu bedienen, der – wie so oft – durchschob. Dank seiner hohen Passpräzision wurden diese Anspiele äußerst gefährlich.
Zudem stellte die Halbraumüberladung eine ausgezeichnete Ausgangssituation dar, da Henderson auf diesem Weg Klaasen mehrfach in die Tiefe anspielen konnte – bedingt durch die Innenorientierung der Rotterdammer Zentrumsspieler auf ihre direkten Gegenspieler. Darüber hinaus ermöglichte Henderson Gaaei eine deutlich höhere Position, als es normalerweise der Fall gewesen wäre. In der Regel nahmen die Außenverteidiger ballfern eine eher flachere, tiefere Position ein. Durch Hendersons Positionierung im Halbraum wurde dieser Bereich jedoch weitgehend abgedeckt, sodass Gaaei weiter aufrücken konnte. Dies führte dazu, dass er den Außenspieler von Feyenoord mit nach hinten zog, wodurch dieser nicht in der Lage war, Henderson aktiv anzuarbeiten. Folgende Effekte traten dadurch ein:
- Mehr Breite für die Innenverteidiger Baas und Sutalo: Die erhöhte Breite der Innenverteidiger führte zu einem erweiterten Pressingweg für Rotterdam, was deren Pressing deutlich reaktiver machte. Erst als Henderson auf einen der Stamm-Innenverteidiger spielte, wurde die Pressingaktion ausgelöst.
- Bessere Anbindung der Außenverteidiger: Durch das 3v2 gegen den Doppelsturm wurde das Pressing von Rotterdam weniger effektiv, wodurch es den Außenverteidigern leichter fiel, Zugriff auf den Ball zu bekommen.
- Mehr Zugriff auf die Außenverteidiger: Die Breitenbesetzung über die Innenverteidiger und der lange Pressingweg der gegnerischen ersten Pressinglinie machten den Progressionszugriff auf die Außenverteidiger deutlich einfacher.
- Verbindung zwischen Außenverteidigern und Flügelspielern: Die tiefere Breitenbesetzung über die Dreierkette sorgte dafür, dass die Außenverteidiger höher aufrückten und damit der Abstand zu den Flügelspielern verringert wurde, was die Verbindung zwischen den beiden Gruppen stärkte.
- Vorteile für Klaasen und Taylor: Durch das Abkippen von Henderson blieb das Zentrum zunächst unbesetzt, was Klaasen und Taylor dazu zwang, etwas einrückender und tiefer zu agieren. Diese tiefere Positionierung machte sie jedoch besser für Triangel- und Ablagespiele erreichbar.
Dies wand man aber nur phasenweise (bspw. um Minute 20 herum) an und nie dauerhaft. Das oberste Gebot bei Ajax bzw. Farioli gilt sowieso der geplanten Dynamik, also dass man zwar bewusst gewisse Handlungsstränge anzieht, aber diese nie zu einem System werden lässt, um auch den Gegner keine Einstellung darauf zu gewähren. Farioli ist eher Fan eines situativ anpassenden Positionsspiels und einer sehr fluiden Basis. Spieler agieren nicht in starren Zonen, sondern bewegen sich auf Basis der gegnerischen Bewegungen und möglicher Passwinkel. Ein gutes Beispiel ist diese Dreierlinie.
Einordnung
Farioli steht für ein Positionsspiel, das auch stark vom Individualismus geleitet ist. Im Mittelpunkt stand stets die Frage: Wie bringe ich welchen Spieler in welche Situation? Diese Überlegung wurde einerseits von einzelnen Akteuren scheinbar selbst getroffen, etwa Jordan Henderson in seinem Abkippverhalten, andererseits ergaben sich klare individualtaktische Muster – insbesondere im Anspiel der Flügelspieler. Er selbst beschreibt es so: „Fokus darauf, was das Beste für die Mannschaft ist. Das Spielfeld ist ein Ort, an dem Regeln (Anm.: bspw. Positionsspiel) und die Praxis der Schönheit zusammenkommen.“
Auffällig war, dass Feyenoord zur zweiten Halbzeit kaum Anpassungen gegen den Ball vornahm. Vielmehr spielte Ajax die eigene Führung in die Karten: Die Amsterdamer mussten insgesamt etwas häufiger gegen den Ball agieren, was zu weniger kontrollierten Ballbesitzphasen führte. Es wirkte, als wolle Fariolis Mannschaft den Gegner bewusst locken, um dann vertikaler und direkter in die Tiefe zu spielen. Dadurch litt phasenweise die Kontrolle über das Spiel.
Mit Fitz-Jim wurde in der zweiten Halbzeit ein Spieler eingewechselt, der in Sachen Ballkontrolle im Halbraum und aus dem Abkippen heraus über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügt. Durch seine Aufdrehbewegungen konnte Ajax wieder mehr Ruhe im Aufbau finden und zudem die Breite gezielter nutzen. Farioli forderte in dieser Phase mehrfach mehr Geduld ein – auch die Innenverteidiger zeigten bewusst la pause, um das Tempo gezielt zu variieren. Dennoch kassierte Ajax in genau dieser Phase den Ausgleich – eine Folge der mitunter eingepflegten Dynamik durch Freiheit, die Fariolis Ansatz mit sich bringt.
Unterm Strich zeigte Ajax jedoch eine starke Leistung, was sich auch in der xG-Verteilung (3,6 zu 0,83) widerspiegelte. Besonders in dieser Partie wurde deutlich, dass Farioli zwar grundsätzlich dem Positionsspiel nahesteht, aber weniger Wert auf eine wiederkehrende Ballzirkulation um den gegnerischen Block herum legt. Stattdessen integriert er freiere Strukturen, die er selbst als eine Kommunikation durch Kunst beschreibt. Wie sich dieser Ansatz weiterentwickelt, bleibt spannend – gegen Feyenoord führte er jedenfalls zu einem verdienten (und zu niedrigen) Last-Minute-Sieg.
MX machte sich in Regensburg mit seiner Vorliebe für die Verübersachlichung des Spiels einen Namen. Dabei flirtete er mit der RB-Schule, blieb aber heimlich immer ein Romantiker für Guardiolas Fußballkunst. Aktuell ist er als Analyst in einem NLZ tätig.
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