Türchen 16: Wie der FC Girona durch sein Dribbelspiel seinen Offensivspiel aufwertet 

Der FC Girona hat in der vergangenen Saison für Aufsehen gesorgt. Mit mutigem und kreativem Offensivfußball gelang dem Team der überraschende Einzug in die Champions League. Während häufig das kleinräumige Kombinationsspiel, die Überladungen auf der Ballseite und die positionelle Fluidität lobend Erwähnung fanden, wurde ein weiteres zentrales Element bisher kaum beleuchtet: der untypische Dribbelfokus im Spielaufbau. 

Die Dribblings im Spiel von Girona lassen sich (vereinfacht) in 4 Funktionskategorien einteilen: 1. passvorbereitende Dribblings, 2. strukturdisruptive Dribblings, 3. ballsichernde Dribblings und 4. progressive Dribblings. In der Praxis wirken Dribblings allerdings oft auf mehrfache Weise — das heißt sie sind zum Beispiel sowohl progressiv als auch passvorbereitend. Besonders wichtig und deutlich ausgeprägter als bei anderen Teams sind bei Girona 1. passvorbereitende Dribblings und 2. strukturdisruptive Dribblings. Nachfolgend wird die Funktionsweise dieser Dribblings anhand von Szenen aus Champions League Spiel gegen PSV Eindhoven erläutert.

1. Passvorbereitende Dribblings 

Passvorbereitende Dribblings sind (oftmals kleine) Dribblings, die dazu dienen optimale Voraussetzungen für den nachfolgenden Pass zu schaffen. Diese Art des Dribblings ist die auffälligste im Offensivspiel Gironas. Immer wieder verzichten die Spieler auf ein schnelles Abspiel und starten stattdessen ein kleines Dribbling, um einen besseren Pass spielen zu können. 

1. Beispiel: Krejci täuscht einen Pass entlang der Linie an und dreht dann mit einem Cruyff-Turn ab. Der Gegenspieler läuft ins Leere und Krejci kann den sich mittlerweile freigelaufenen Lopez anspielen. Das Dribbling bereitet den Pass hier in zweierlei Hinsicht vor: Zum einen eröffnen sich Krejci durch seine Drehung und die vorherige Manipulation der Position seines direkten Gegenspielers durch seine Passfinte neue Passwege und zum anderen verzögert das Dribbling den Moment des Abspiels und erlaubt Lopez sich freizulaufen. 

2. Beispiel: Oriol Romeu wird vom Innenverteidiger angespielt und erhält mit dem Pass Druck von hinten. Anstatt den Ball mit einem Kontakt abzulegen nimmt er den Ball mit und startet einen kleines horizontales Dribbling, welches ihm erlaubt einen sehr progressiven Pass zu spielen. Das Dribbling wirkt in dieser Szene primär auf zwei Weisen: Zum einen kontrolliert die Ballannahme den Pass und die Mitnahme verändert die Orientierung Romeus und zum anderen versteckt das Dribbling die Intention des nachfolgenden Passes im Vergleich zu einem Aufdrehen. 

3. Beispiel: Durch ein kleines negatives Dribbling (d.i. ein Dribbling entgegen der Spielrichtung) lockt Clua den gegnerischen Stürmer und schafft damit Raum für Krejci. Außerdem gibt das Dribbling Krejci Zeit in eine offensivere Position zu laufen.

2. Strukturdisruptive Dribblings

Strukturdisruptive Dribblings sind Dribblings, deren primäre Funktion das Destabilisieren des gegnerischen Blocks ist. Oft sind diese Dribblings großräumig und bewegen den direkten Gegenspieler des Dribblers weit aus dessen angestammter Position. Gerade wenn diese Dribblings über mehrere Defensivzonen hinweg gehen, ziehen sie weitere Spieler aus ihrer Position und setzen den Gegner somit noch mehr unter Stress. Eine weitere Möglichkeit wie Dribblings strukturdisruptiv wirken können ist, wenn sie Gegenspieler in Pressingaktionen locken: Ein Spieler bleibt sehr lange in einer Dribbelaktion und gibt dem Gegner das Gefühl geben, dass ein Spieler nicht ausreicht um den Dribbler zu verteidigen. Strukturdisruptive Dribblings sind in ihrem Effekt weniger individual- / gruppentaktisch sondern stärker mannschaftstaktisch.

1. Beispiel: Durch eine lange Dribbelaktion an der eigenen Eckfahne lockt Bryan drei gegnerische Verteidiger auf sich und kreiert somit freie Mitspieler. Girona kann sich so über den Innenverteidiger aus der Pressingsituation befreien. Diese Szene ist auch ein deutliches Beispiel für die Überschneidungen verschiedener Dribblingtypen: Das Dribbling ist sowohl strukturdisruptiv als auch passvorbereitend.

2. Beispiel: Blind zieht seinen Gegenspieler durch ein negatives Dribbling weit aus seiner Startposition und schafft somit Platz für Lopez, der seinen Dribbelweg kreuzt. Blind spielt den Ball zurück zum Torwart welcher den jetzt freien Lopez anspielt. 

3. Beispiel: Miguel dribbelt vom Flügel ins Zentrum und zieht somit sowohl seinen direkten Gegenspieler Mauro Junior als auch einen weiteren Gegenspieler aus seiner Position und verursacht so eine Disruption im gegnerischen Blocks. 

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Girona Dribblings im Spielaufbau nutzt um bessere Pässe zu spielen, den Gegner zu desorganisieren, weniger häufig den Ball zu verlieren und um in Richtung gegnerisches Tor vorzudringen. Besonders prägnant sind die passvorbereitenden Dribblings und die strukturdisruptiven Dribblings. Progressive1 und ballsichernde Dribblings2 sind schon bei anderen Teams ein gängiges Mittel und deshalb bei Girona, auch wenn vorhanden, weniger auffällig.

Gerade vor dem Hintergrund, dass viele Teams im Verteidigen mannorientierter werden und somit zunächst oft alle Passoptionen zugestellt sind, scheint ein Dribbelfokus wie von Girona praktiziert (gerade in Kombination mit einem fluiden Positionsspiel) eine vielversprechende Alternative für den Spielaufbau zu sein. Er ermöglicht auch gegen diese Gegner gute Pässe zu finden und den gegnerische Block zu destabilisieren.

Autor: AB ist seit sechs Jahren Jugendtrainer und interessiert sich besonders für Taktiktheorie und Trainingslehre. Auf Twitter findet man ihn unter @false_pivot.

  1. Progressive Dribblings sind die wohl verbreitetste Art von Dribblings im Spielaufbau. Der Gegner bietet dem ballbesitzenden Team einen offenen Raum in Spielrichtung und das ballbesitzenden Team erobert diesen mithilfe eines Dribblings. ↩︎
  2. Ballsichernde Dribblings sind relativ weit verbreitet bei ballbesitzorientierten Teams. Spieler dribbeln hier aus einer Drucksituation raus, um einen Ballverlust zu verhindern. Ein Beispiel wäre ein Außenverteidiger, der nachdem er vom gegnerischen Außenstürmer unter Druck gesetzt wird, abdreht und in Richtung eigenes Tor dribbelt.
    ↩︎

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