Türchen Nummer 15: Magdeburg Christian Tietz und die Torwartkette – VR

Wie alles begann

Der 1. FC Magdeburg hat sich unter Christian Tietz mittlerweile zu einem Zweitliga-Club etabliert. Zuvor gab es nur einen Aufstieg in die zweite Liga, gefolgt von einem direkten Wiederabstieg. Aktuell spielen die Magdeburger schon in der dritten Saison in der zweiten Fußball-Bundesliga. In der Saison 20/21 kam Christian Tietz zu den Blau-Weißen, nachdem er vorher den Hamburger SV trainiert hatte. Tietz wurde in der Saison 2017/18 für die letzten acht Spiele von der zweiten Mannschaft zum Cheftrainer befördert, um den Abstieg zu verhindern. Leider konnte der 53-Jährige das nicht mehr verhindern. Doch er hat der Mannschaft eine neue taktische Identität verpasst. So hat der HSV nach zuvor dreizehn sieglosen Spielen an den letzten acht Spieltagen vier Siege geholt. Tietz setzte dabei auf Ballbesitzfußball. Dabei war ihm wichtiAlso hat er einfach mal den Torwart ausgetauscht. In seiner Idee von Fußball sollte der Keeper eine tragende Rolle spielen. Also tauschte er kurzerhand den Torwart. Der zuvor gesetzte Mathenia wurde durch den Jungen Julian Pollersbeck ausgetauscht Der Grund dafür: Pollersbeck war einfach besser am Ball. Tietz wollte das unbedingt ändern, weil der HSV den Torwart extrem in den Spielaufbau mit eingebunden hatte. So kam es schon mal vor, dass der Torwart im eigenen Ballbesitz bis zur Mittellinie vorgeschoben wurde. Damit hatte er einen Spieler mehr im Aufbau und die Innenverteidiger konnten weiter nach vorne rücken. Für diese neue taktische Idee musste erst mal ein Name her. Man hat sich für „Torwartkette“ entschieden.

Magdeburgs Weg nach oben

Tietz hat den ersten FC Magdeburg in der Saison 2020/21 am 23. Spieltag in der dritten Liga übernommen. Nach drei Niederlagen in Folge konnte er die Negativserie nicht stoppen und verlor die ersten drei Spiele. Doch ab diesem Zeitpunkt verlor die Mannschaft aus Magdeburg nur noch ein einziges Mal, im Spiel gegen den KFC Uerdingen, bis zum Saisonende. Diesen Schwung konnte das Team mit in die neue Saison nehmen. Man entwickelte sich als ernstzunehmender Aufstiegskandidat. Die offensive Spielweise von Tietz führte zu den entsprechenden Ergebnissen: Magdeburg hatte am Ende der Saison 83 Tore geschossen. Allerdings kassierte die Mannschaft auch 39 Gegentore. Ein Spieler, der besonders von dieser Spielweise profitierte, war Baris Atik. Der Deutsch-Türke hat am Ende der Saison in 35 Ligaspielen 19 Tore und 22 Vorlagen auf dem Konto. Auch dank ihm hat der Verein zum zweiten Mal in der Geschichte den Aufstieg in die Zweitklassigkeit geschafft. Beide Male haben sie dabei die Drittligameisterschaft gewonnen.
Im ersten Zweitligajahr nach der Saison 2018/19 mussten sich die Magdeburger erstmal an die neue Liga gewöhnen. Am Ende stand ein guter elfter Platz zu Buche. Und dabei blieb man seiner Linie treu. Als Zuschauer war klar: Wenn Magdeburg spielt, fallen Tore. In der gesamten Saison gab es gerade einmal zwei Spiele mit Magdeburger Beteiligung, in denen kein Tor fiel. Diese Saison hat aber auch gezeigt, dass die Blau-Weißen in der Defensive anfällig sind. Trotz 48 geschossener Tore kassierte man insgesamt 55 Gegentore. Die zweite Zweitliga-Saison lief gut an. Auch hier gab es viele spannende Spiele mit Magdeburger Beteiligung. Zum Beispiel die beiden Spiele gegen Hertha (Hinspiel: 6:4 / Rückspiel: 3:2) oder gegen Schalke (Hinspiel: 4:3). In der aktuellen Spielzeit wirkte die Defensivabteilung der Magdeburger stabiler und das spektakuläre Spiel wurden weniger. So spiel man vorne mit und hat aktuell in einer engen zweiten Liga drei Punkte Rückstand auf Platz 1.

Magdeburgs Spielaufbau: Überzahl durch die Torwartkette

Christian Tietz hat eine klare Vorstellung, wie seine Mannschaft Fußball spielen soll. Schon beim HSV konnte man sehen, dass die äußeren Umstände wie Gegner oder Tabellensituation kaum einen Einfluss auf die Spielweise hatten. Tietz will den Gegner mit Ballbesitz dominieren. Im Schnitt hat Magdeburg den meisten Ballbesitz in der Liga. Mit 57,3 % liegen sie deutlich vor dem Zweitplatzierten Köln mit 55,4 % (Quelle: Footmob). Der Plan ist, den Gegner durch Locken des Ballbesitzes und einer breiten Positionierung auseinanderzuziehen, um Räume zu schaffen. Tietz hat ein klares Positionsspiel, bei dem die vorderen Spieler die Freiheit haben, auch mal die Positionen zu tauschen. Auch der Torwart hat eine klare Rolle und ist aktiv eingebunden. Das bringt den gegnerischen Trainer oft dazu, tagelang nachzudenken, wie Christian Fiel, Trainer von Hertha BSC, auf der Pressekonferenz nach dem Aufeinandertreffen erklärte:

Christian (Tiezt) ich mag es nicht gegen dich zu spielen, die Vorbereitung auf die Spiele sind einfach anstrengend…. Wir wussten genau was kommt dann überlegst du gib ihn nicht zu sehr den Ball, weil sonst kann es schwierig werden, aber wenn du den Torwart anläufst dann finden sie immer (den Freien Mann)… Dann haben wir uns in der Halbzeit besprochen wollten ein bisschen Früher anlaufen, ein bisschen anders anlaufen

PK nach dem Spiel

Die Hertha hat in diesem Spiel in der ersten Halbzeit in einem tiefen 4-4-2-Block verteidigt und Magdeburg den Ball überlassen. In der zweiten Halbzeit hat sich Hertha dann getraut, wie Fiel beschrieben hat, auch mal ins hohe Pressing überzugehen. Auch die Struktur haben die Hauptstädter ein wenig angepasst. Meistens hat Maza den Sechser kontrolliert, während Niederlechner die alleinige Spitze gebildet hat. In diesen Situationen wurde klar, warum es so schwer ist, gegen Magdeburg im hohen Pressing Zugriff zu bekommen. Magdeburg spielt in der Regel aus einem 4+1, wenn der Gegner früh stört. Reimann gilt hier als zusätzlicher Spieler und bildet mit Ganak die Innenverteidigung, während die beiden Innenverteidiger zu Außenverteidiger werden. So hat Magdeburg immer einen Spieler mehr im vorderen Aufbaubereich. Um in Gleichzahl anzulaufen, müsste der Gegner in der letzten Linie -1 stehen, da der Torwart das Tor schützen muss und nicht bis zur Mittelinie vorschiebt. Fußball ist eine Sportart mit wenigen Toren. Deshalb ist kein Gegner Bereit das Risiko zu gehen in letzter Linie permanent in Unterzhall zu stehen. Denn dann könnte Magdeburg jeden Ball lang in eine Überzahl schlagen. Also ergibt sich zwangsläufig die erwähnte Überzahl in der ersten Aufbaulinie.

Beispielhafte Szene gegen die Hertha. Niederlechner versucht Druck auf die Reimann zu erzeugen. Doch der Angreifer ist alleine im 2 gegen 1 und kann mit einem pass einfach überspielt werden.

Überzahl in die nächste Ebene tragen

Doch eine Überzahl in der ersten Aufbaulinie heißt noch lange nicht das daraus zwangsläufig gefährliche Situationen entstehen. Das Verteidigende Team das in Unterzahl anlaufen muss, versucht in der Regel mit Hilfe des Deckungsschatten Druck auf den Ballführenden zu erzeugen und gleichzeitig den Passweg zum dadurch frei gewordenen Spieler zuzustellen. Magdeburg hat wie viele anderen Mannschaften dafür eine Lösung gefunden. Wenn der Freie Spieler nicht mit einem direkten Pass angespielt werden kann, muss versucht werden ihn über Umwege freizuspielen. Läuft der Gegner wie Bsp. die Hertha den Torwart im Bogen an, um den ballnahen Innenverteidiger aus dem Spiel zu nehmen, nutzen viele Teams das Spiel über das kleine Dreieck. Dabei löst sich der Sechser mit einer Auftaktbewegung vom Gegner und bildet mit TW und IV ein Dreieck. So kann mit einer Passkombination über den Dritten der Freie Spieler „gefunden“ werden. Dabei hilft Magdeburg die sehr breite Positionierung im Aufbau, um weite Wege für den Gegner zu generieren. Presst der Gegnerische Flügel sehr aggressiv auf den ballnahen Innenverteidiger, überspielt Reimann das Pressing mit einem Chip auf den Außenverteidiger, der durch das Hochschieben des Flügels frei ist. Wurde nun der Freie Spieler gefunden, kann die Gegnerische Mannschaft nur noch auf die Dynamik reagieren und nicht mehr agieren. Der Freie Mann kann sich nun am Verhalten des Gegners orientieren, wobei er eine bessere Ausgangslage hat. Wird er nicht angelaufen kann er ohne Druck andribbeln. Entscheidet sich der Gegner durchzuschieben, wie es die Hertha im Hohen Pressing versucht hat, so entsteht zwangsläufig ein freier Spieler eine Linie höher. Es entsteh also eine Kettenreaktion. Die Überzahl, die durch Einbindung des Torwarts entstanden ist, wird im Idealfall bis ins letzte Drittel getragen.

Hier zeigt sich die Überzahl durch den Torspieler. Der Stürmer der Hertha läuft Reimann an. Dieser spielt per Spiel über den Dritten Hugonet frei der nun blank steht.

Torwartkette gegen einen Tiefen Block

Um nicht im Hohen Pressing überspielt zu werden, gehen viele Teams das Risiko gar nicht ein und verteidigen im Tieferen Mittelfeldpressing bzw. Abwehrpressing. Doch Magdeburg wäre nicht Magdeburg, wenn sie dort keine Lösung hätten. Die Generelle Idee ist auch hier den Gegner mit Ballbesitz und einer breiten Positionierung auseinanderzuziehen und so müde zu spielen.

Im Spiel gegen die Hertha schob Hugonet ins Mittelfeld und bildete mit Gnaka in der Anfangsphase eine Doppelsechs. Die beiden Innenverteidiger nehmen eine sehr breite Position ein. Das geht allerdings nur dank, wie sollte es auch anders sein, die Einbindung von Reimann. Der Torspieler bildete die Zentrale Anspiel Station und ist die Verbindung, bzw. der Verlagerungsspieler zwischen den beiden Innenverteidiger. Das macht es für den Gegner sehr schwer Zugriff auf die erste Aufbaulinie zu erzeugen. Die Doppelspitze von der Hertha hatte vor allem nach Verlagerung Probleme Zugriff auf die Innenverteidiger zu erzeugen, da die Wege sehr weit sind. Also muss entweder ein Flügelspieler den Innenverteidiger attackieren, wodurch der Außenverteidiger ohne Gegenspieler steht, oder der Innenverteidiger kann ohne Druck die erste Pressinglinie des Gegners bis ins Mittelfeld überdribbeln. Ist der Angriff ausgelöst rückt der Ballferne Innenverteidiger ein, um Zugriff auf den Gegnerischen Stürmer herzustellen und Gnaka kippt in die letzte Linie ab um hinten +1 zu stehen.

Die Positionierung gegen Paderborn war etwas anders. In diesem Spiel spielte Hugonet nicht auf der Sechserposition, sondern auf der rechten Außenverteidigerposition. Die Magdeburger bauten nicht wie üblich in einem 3+2, sondern in einem 3+1 auf. Atik und Hercher wechselten auf der rechten Seite die Positionen dynamisch und schoben immer wieder in die letzte Linie als zweiten Stürmer. Warum? Paderborn spielte nicht wie Preußen Münster und Hertha mit einer Viererkette, sondern mit fünf Spielern in der letzten Reihe. So konnte Magdeburg mehr Präsenz in der letzten Linie zeigen und Gleich bzw. Überzhalsituationen generieren.

Reimann fungiert als zusätzliche Anspielstation. Die beiden Innenverteidiger Hugonet und Heber können so sehr breit schieben und den Zugriff für die Gegnerischen Stürmer erschweren.

Dynamische Dreierkette

Magdeburg zeigt, aber auch dass sie es nicht nur mit der Torwartkette können. Wen wir erneut das Spiel gegen die Hertha als Beispiel nehmen, wird dies deutlich. Die Herthaner agierten wie erwähnt aus einem 4-4-2 flach in einem Kompakten Abwehrpressing. Da Magdeburg aus einem 3+2 aufbaute (mit Reimann), konnten die Berliner das Mittelfeld um Gnaka und Hugonet in den Deckungsschatten nehmen, so war das Spiel durchs Zentrum nicht möglich. Doch Magdeburg zeigte, das sie auch anderen Varianten im Aufbau haben. So kippte Gnaka in eine Dreierkette ab und aus dem 3+2 Aufbau wurde ein 3+1. Das hatte zur Folge das anderen Passwinkel ins Zentrum entstanden und der alleinige Sechser zwischen den Beiden Stürmer Anspielbar war, da er nicht mehr auf der gleichen Vertikalelen Linie wie die Stürmer positioniert war. So konnte durch ein lockendes Anspiel auf den Sechser, ein Mittelfeldspieler der Gäste aus der Position gezogen werden. Wichtig dabei: Die Positionierung des Sechsers. Dabei sollte der Mittelfeldspieler so nah wie möglich bei dem Stürmer positioniert sein, aber auch so weit weg wie möglich von der Mittelfeldkette. Die Magdeburger hatten in diesem Spiel eine sehr gute Positionierung, was ein weiteres Beispiel für die Detaillierte Arbeit von Christian Tietz ist. Durch das Heraustreten eines der beiden Sechser öffnete sich ein Korridor zwischen den Flügelspieler und dem verbleibenden Sechser in Aufbaulinie 2. Dabei versucht Magdeburg diese Freien Räume immer wieder aufzufüllen. Diese Rolle hat der Mittelfeldstratege El Hankouri der sich in diese Offenen Räume clever Reinbewegte.

Gnaka kippt Dynamisch in eine Dreierkette ab. Krempicki ist zwischen den beiden Stürmern anspielbar. Durch ein lockendes Anspiel wird der Gegnerische Sechser rausgezogen und es entsteht ein Raum in den sich El Hankouri reinbewegt.

Übergangsspiel: Dynamik über die Außenpositionen

Wir wissen jetzt, dass die Magdeburger in der ersten Linie sehr schwer zu pressen ist. Doch eines sollte klar sein: Ein gutes Aufbauspiel in Linie 1 garantiert dir keine Tore. Allerdings erleichtert es dir, in dynamische Situationen hineinzukommen. Magdeburg löst die Dynamik im Übergangsspiel in der Regel über die Flügel aus. Die beiden Außenverteidiger ziehen dabei dynamisch in den Halbraum. Der gegnerische Flügelspieler wird deshalb ins Zentrum gezogen. Die Passlinie auf den Flügelspieler von Magdeburg öffnet sich und macht ihn durch ein Entgegenkommen anspielbar. So kann der Flügelspieler ohne Gegnerdruck angespielt werden. Wenn der Flügelspieler nun nach außen attackiert, hat er aufgrund der Tatsache, dass er in die Mitte gezogen wurde, eine schlechte Position für einen Zweikampf. Die beiden Außen Xavier Amaechi und Livan Burcu nutzen den Bewegungsvorteil und ziehen entweder im Eins-gegen-eins außen bzw. ins Zentrum vorbei oder spielen im Zwei-gegen-eins den Außenverteidiger im Halbraum in der Tiefe an. Besonders interessant ist hier, dass die beiden Flügel fußverkehrt spielen.

Das heißt, Bucu ist als Linksaußen rechtsfuß und Amachi auf der rechten Seite Linksfuß. Damit kann die Spielfortsetzung erfolgen, sobald das Pressing des Gegners durchbrochen ist – und zwar auf dem starken Fuß. Das macht die Spielfortsetzung deutlich einfacher. Sobald der Flügel in die Mitte zieht, hat Magdeburg ein klares Muster. Die Blau-Weißen spielen von außen diagonal ins Zentrum und in die Rote Zone. Das passiert entweder über den Sechser, der als Anker fungiert, oder direkt auf den Zehner El Hankouri. El Hankouri hat gegen Hertha eine interessante Bewegung gezeigt, meist diagonal entgegen der Schiebebewegung. Diese einfache Bewegung ist für den Gegner ein Problem. Wenn der gegnerische Mittelfeldspieler El Hankouri mannorientiert verfolgt, öffnet er die rote Zone. Schließt der Gegner die rote Zone raumorientiert (wie die meisten Gegner es tun), kann Magdeburg das Spiel einfach diagonal flach ins Zentrum fortsetzen.
Als Baris Atik wieder fit war, ging gegen Preußen Münster viel über die linke Seite. Baris Atik schob von der Linksaußenposition ins Zentrum, um eine zusätzliche Anspielstation zu bieten.
Wenn der Gegner den Außenspieler sehr breit positioniert, um den Ball auf den Außenspieler im 1-gegen-1 zu verhindern und Magdeburg nicht ins Zentrum ziehen zu lassen, hat Christian Tietz auch dafür eine Lösung parat. In diesem Fall öffnet sich der Halbraum. Und genau diesen gilt es zu bespielen! Die Blau-Weißen machen das mit einem Tiefenlauf des Außenverteidigers, der einen gezielten Chipball hinter die Kette bekommt.

Flügeldynamik von Magdeburg. AV zieht ins Zentrum und Flügel kommt flacher.
Durch diese Bewegung hat Burcu eine gute Spielfortsetzung. El Hankouri bewegt sich hier Diagonal und kann so freigespielt werden.
Variante 2. Hier wird ins Zentrum auf den Sechser, der als Anker fungiert gespielt. Dadurch muss der Gegnerische Sechser rausverteidigen und die Rote Zone öffnet sich.
Hier verteidigt der Gegner mit dem Flügel sehr Breit. Magdeburg spielt in diesen Situationen gerne einen Chip auf den AV der Im Halbraum tief geht.

Potenzialzone letztes Drittel

In der letzten Instanz haben die Magdeburger zuletzt enttäuscht. Zwar dringen sie häufig ins letzte Drittel ein, doch es springt zu wenig dabei heraus. Das sollte sich ändern! Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Magdeburger sind viel zu ungeduldig. In Situationen, in denen die Möglichkeit besteht, noch einmal flach entlang der Strafraumkante zu verlagern, wird zu schnell in die Box gespielt. Die Mitspieler können sich noch nicht richtig positionieren und die Besetzung der Box ist oft nicht optimal. Hier muss auch die Frage gestellt werden, ob Magdeburg überhaupt mit so vielen Flanken arbeiten sollte. Denn eines ist klar: Bei einer Flanke muss alles perfekt laufen. Das Timing im Einlaufverhalten muss passen, die Flanke muss perfekt sein, das Timing im Hochspringen des Stürmers für den Kopfball usw. Zudem hat Magdeburg mit Atik (1,69 cm), Burcu (1,78 cm) und Kaas (1,83 cm) nicht die Übermacht im Kopfballspiel. Das mag zwar gegen Münster mit zwei Kopfballtoren funktioniert haben, aber auch nur dank dem defensiverhalten der Münsteraner. So kan Atik beim ersten Tor komplett frei ohne Gegnerdruck das Leder ins Netzt befördern. Wenn mit Flanken gearbeitet werden soll, dann mit abgestimmten Varianten wie dem 2:1 gegen Münster. Da wurde nach einer Ecke der zweite Pfosten überladen und ungehindert eingenetzt. Doch genau das fehlt dem Team von Christian Tietz, es wirkt noch zu oft unabgestimmt und ohne klaren Plan.

Burcu bekommt den Ball und zieht ins Zentrum. Es gäbe die Möglichkeit, flach der Strafraumkante lang über El Hankouri das Spiel nochmal zu verlagern. Hercher macht einen guten Laufweg und bindet den ballfernen AV. Doch Amaechi bleibt stehten und so endet die Situation mit einem chip auf den zweiten Pfosten wo kein Spieler durchläuft.

Hohes Pressing oder auch Mann gegen Mann

Die Jungs von Christian Tietz sind gegen den Ball relativ einfach gestrickt Die Magdeburger setzen auf ein aggressives Angriffspressing. Dabei stellen sie Mann gegen Mann auf dem ganzen Feld zu. Dieser Trend ist also auch in der Landeshauptstadt angekommen. Im Gegensatz zu Mannschaften wie Liverpool unter Klopp, die pressen, um in eine gute Umschaltaktion zu kommen, will Magdeburg den Ball zurück, um in ihr Positionsspiel zu gelangen. Das Mann-gegen-Mann-Zustellen hilft, denn so hat der Gegner wenig Ballbesitzphasen in den ersten beiden Aufbaulinien und versucht stattdessen, Linien zu überspielen.. Zudem ist es von den Abläufen her viel einfacher (das ist mitunter ein Grund, warum so viele Teams Mann gegen Mann zustellen), denn im Endeffekt hat jeder seinen klaren Gegenspieler und man muss nicht mit Deckungsschatten etc. arbeiten, Dinge, die normalerweise einstudiert werden müssen. Das gibt Tietz dann wiederum Zeit, sich im Training auf sein Kernelement (Ballbesitz) zu konzentrieren. Zudem ist es sehr effektiv, da man als Gegner in der Regel immer einen Spieler im Rücken hat. Doch im Spiel gegen Hertha BSC wird deutlich, dass der 1. FC Magdeburg gegen den Ball noch einiges an Potential nach oben hat.

Magdeburg läuft nämlich permanent den Torwart an. So Hertha hat einen Spieler mehr und findet immer wieder per Spiel über den Dritten mit dem Sechser den freien IV. So besiegt Hertha Magdeburg mit den eigenen Mitteln. Und genau da liegt das Problem, wenn man Mann gegen Mann verteidigt. Sobald ein Spieler durch ein gewonnenes Eins-gegen-eins oder wie hier durch eine Passkombination über den Dritten aus dem Spiel ist, entsteht automatisch eine Unterzahl bzw. ein freier Fuß im Aufbau.
Die Herthaner waren perfekt eingestellt und stellten Magdeburg damit vor große Probleme. Die Offensiven Mittelfeldspieler von Hertha und Paderborn waren sehr hoch positioniert. Das führte dazu, dass die Abstände zwischen den Pressinglinien von Magdeburg viel zu groß waren. Wenn es Hertha bzw. Paderborn gelang, den Ball in der letzten Linie festzumachen, konnte ein Spieler aus der letzten Linie abkippen und mit Tempo auf die letzte Linie dribbeln. Ein Szenario, das jeder Trainer unbedingt vermeiden will. So kam Hertha immer wieder zu guten Momenten in der ersten Halbzeit.
Mannorientiertes Zustellen bedeutet, dass in der letzten Linie immer eine Gleichzahl herrscht – das ist die Logik des Spiels. Läuft man beispielsweise vorne -1 an, ist hinten ein freier Spieler, der im Notfall eingreifen kann und das Spiel macht. Dieser fehlt Magdeburg, denn die Blau-Weißen sind bei hohen Bällen nicht so sattelfest, wie beim ersten Tor sichtbar wurde. Da hat Loric einen langen Ball zum Gegner geklärt. Vor allem mit Tiefenläufen aus dem Mittelfeld kann man Magdeburg immer wieder gefährlich werden. Der Offensivspieler hat einen Bewegungsvorsprung, weil er selbst entscheidet, wann er tief geht, während der Verteidiger erst die Situation erfassen muss. Lässt sich beim Gegner im selben Zuge ein Spieler fallen, also eine klassische Entgegenbewegung, so muss die Übergabe erfolgen. Doch genau da muss Magdeburg unbedingt besser werden, sonst führt das immer wieder zu einfachen Chancen für den Gegner wie beispielsweise der erste Abschluss der Herthaner in der 7. Spielminute.

Die Hertha schlägt Magdeburg mit den eigenen Waffen. Atik läuft den TW an und per Spiel über den Dritten kann der IV gefunden werden.
Große Abstände zwischen Mittelfeld und Angriff. Herhta und Paderborn positioniert sich mit den Offensiven Mittelfeldspielern sehr hoch. So entstand Raum der bespielt werden konnte.

Fazit

Christian Titz hat den 1. FC Magdeburg seit seinem Amtsantritt 2021 von den Tiefen der 3. Liga bis in die 2. Bundesliga geführt – und das mit Bravour! Unter seiner Leitung hat der Verein einen beeindruckenden Aufschwung erlebt, der in der Saison 2021/22 mit dem Aufstieg in die 2. Liga gipfelte. Auch die Fans erlebten einen Aufschwung und sorgten in den letzten Jahren mit starken Auswärtsleistungen, wie beispielsweise in Hannover und Berlin, für Aufsehen in den Medien. Aktuell spielen die Magdeburger sogar ganz oben mit.

Ob es dieses Jahr für den Aufstieg reicht, wird sich zeigen.
So sehr ich den Fußball von Tietz mag, doch gibt es aktuell noch Baustellen. Der Übergang von Spielaufbau ins Übergangsspiel passt aktuell noch nicht. Und im letzten Drittel ist man zu ungefährlich. Doch das sich, dass ändern kann zeigte sich in den letzten beiden Spielen. Die Wiedergenesung Baris Atik brachte wieder Schwung ins Team. Ich würde es den 1. FC Magdeburg und vorallem Christian Tietz wünschen mal in der ersten Bundesliga aufzulaufen.

VR hat vor Jahren angefangen, sich tiefgründiger mit dem Fußball zu beschäftigen und arbeitet seither neben der Ausbildung zum Sportkaufmann beim Bayrischen Rundfunk in der Sportredaktion. Er analysiert gerne und verfasst Artikel über das Spiel. Mittlerweile treibt er sein Unwesen bei einem Traditionsverein in der Regionalliga Südwest und hat dort ein Teil seines Herzens verloren.

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