Sicherheitsfußball mit guten Spielern schlägt Sicherheitsfußball mit herausragenden Spielern – PF

2:1

Fast alle scheinen es vergessen zu haben, aber: Vor dem Turnier galt Frankreich zusammen mit England als der Topfavorit, Spanien hatte kaum jemand auf dem Zettel. In das Spiel gestern ging Spanien trotz der geringeren individuellen Klasse als Favorit. Dass es ein verhältnismäßig „einfacher“ Sieg für die Spanier werden sollte, lag daran, dass Deschamps den Spaniern mit seiner Herangehensweise einen Gefallen tat.

Wie Frankreichs zurückhaltendes Pressing ihnen das Spiel kostete

Vor dem Spiel war vor allem die Frage interessant, wie Frankreich in gegnerischem Ballbesitz verteidigen würde. Trotz mancher Phasen höheren Pressings verteidigten die Franzosen über weite Strecken eher tiefer und fokussierten sich auf Umschaltmomente über ihre herausragenden Offensivkräfte. Gegner Spanien hingegen, welches bisher jedes Spiel gewinnen konnte, hatte gegen den deutschen Defensivansatz bisher die größten Probleme. Woraus bestand der? Aus aggressiver Manndeckung.

Theoretisch hätten die Franzosen mit Spielern wie bspw. Saliba und Upamecano in der Viererkette oder Kanté, Tchouamení im Mittelfeld gegen die körperlich unterlegenen Spanier ideale Voraussetzungen, um den deutschen Ansatz zu kopieren und noch effektiver umzusetzen. Anders als die deutsche Mannschaft würden sie nicht einmal in Versuchung geraten, körperlich stärkere Spieler für technisch überlegene Mitspieler (Stichwort Can und Raum für Andrich und Mittelstädt) in die Startelf zu werfen – denn die französische Startelf kann eigentlich alles.

Wie man fast erwarten konnte, entschied Frankreich sich jedoch (leider) für den „vorsichtigen“ Ansatz.

Im tiefen Mittelfeldpressing erwarteten die Franzosen die Spanier ab der Mittellinie. Die Formation war meist etwas asymmetrisch verschoben. Mbappe zockte häufig höher, um für Kontersituation bereit zu sein und in den Rücken von Navas oder 1:1 – Situationen mit ihm zu kommen. Rabiot balancierte diese Rolle hinter ihm aus. Kolo Muani fokussierte sich überwiegend auf den 6er-Raum und lief sporadisch die IV an. Der Laufstarke Kanté unterstützte ihn situativ beim Anlaufen der IV, sodass 4-4-2-Ordnungen entstanden und orientierte sich sonst immer wieder sehr mannorientiert an Rodri. Dies führte zu kaum Ballgewinnen gegen die spielstarken Spanier. Diese legten das Spiel breit an, auch von den Flügelstürmern Yamal und Nico Williams rückte jeweils nur der ballnahe in den Halbraum, der ballferne wurde immer wieder über Diagonalbälle gesucht. Dazu konnten die andribbelnden IV immer wieder einen Spieler zwischen den französischen Ketten finden. Rodri nutzte die Mannorientierung Kantés gegen ihn immer wieder clever, indem er aus dem Zentrum weg zog. Ruiz besetzte seinen Raum, Spanien fand Ruiz und dieser konnte das Spiel dann nach vorne tragen. Nachdem zwei Geniestreiche von Yamal und Olmo die französische Führung umdrehten, war Deschamps unter Zugzwang. Er reagierte auch, die Handbremse blieb jedoch angezogen.

Die französische Pressinglogik nach dem Rückstand war simpel. Man lief nach Möglichkeit höher an und das Mittelfeld sollte in Manndeckung genommen werden. Hinten wollte man sich eine +1 Überzahl gegen Morata bewahren. Also hatte Kolo Muani die Aufgabe, die beiden spanischen IV so anzulaufen, dass er einen davon aus dem Spiel nimmt und man die Spanier auf eine Seite lenken kann, auf der man dann den Ball gewinnt. Eine simple, jedoch übliche Herangehensweise, die gegen viele Teams ja auch gut funktioniert. Der freie Spieler ist zunächst der ballferne IV. Über die Einbindung des Torwarts oder Dreiecksspiel mit den Mittelfeldspielern ist dieser grundsätzlich auch gut zu finden. Je nach Verhalten der umliegenden Spieler kann sich aber im Laufe des Angriffs ändern, wer der freie Spieler ist. Vielen Teams fehlt die spielerische Klasse, die Geduld oder der Mut um den jeweils freien Spieler konstant zu finden. Diese Art von Pressing mag simpel sein, ist deshalb jedoch nicht „einfach“ auszuspielen. Eine technisch unsaubere Spielfortsetzung kann reichen, um einen Ballverlust zu erzwingen. Wenn jedoch ein Team bei dieser Euro gut darin ist, diese Situationen konstant zu lösen, dann sind es die Spanier. Dementsprechend auch Nagelsmanns Ansatz im Viertelfinale, komplett Mann gegen Mann zu spielen und keinen freien Spieler zu lassen. Mehr Risiko, wenn man eines dieser Duelle verliert, da die zusätzliche Absicherung fehlt, aber auch mehr Chancen auf Ballgewinne. Insbesondere, wenn man individuell und vor allem Physisch überlegen ist, wie es die Franzosen waren.

So konnten die Spanier jedoch für den Rest der Partie von ihrem guten Positionsspiel gebrauch machen. Das nun meist höhere französische Pressing kam ihnen dabei sogar entgegen. Durch das hohe Anlaufen und die Mannorientierungen auf Ruiz und Rodri entstanden große Räume zwischen den Ketten, welche insbesondere Yamal, Olmo, aber auch der immer wieder zurückfallende Morata gut zu nutzen wussten.

Dabei gingen die Spanier bei aller „Ästhetik“ in ihrem Positionsspiel sehr pragmatisch vor. Oberstes Ziel schien zu sein, keine gefährlichen Konter zu bekommen. Dafür behielten sie mit der Führung im Rücken viele Spieler hinter dem Ball und spielten die meisten Angriffe eher risikoarm aus. Mit zunehmender Spieldauer verstärkten sich diese Tendenzen.

Diesen Sicherheitsansatz konnte man auch gut an den Statistiken ablesen. In der zweiten Hälfte kreierte Spanien ganze 0,02 (!) xG, hielten die Franzosen aber auch bei 0,58 (Hälfte 1: 0,7 zu 0,43). Genug, um mit einem Lucky Punch vielleicht noch zum Ausgleich zu kommen, aber eben nicht zwingend gefährlich. Dabei war Spanien durchaus verwundbar.

Ballbesitz Frankreich: Spanien wie eine gute Clubmannschaft, Frankreich trostlos im Frankreich-Modus

Frankreichs Schlussoffensive verpuffte abgesehen von zwei Chancen durch Theo und Mbappe fast komplett. Das lag einerseits an Spanien, aber auch an Frankreich selbst.

Bei Spaniens Spiel gegen den Ball sind zwei Aspekte hervorzuheben. Zum einen waren sie clever (und fit!) genug, auch spät im Spiel (wie auch schon gegen Deutschland) noch Phasen effektiven Angriffspressings einzustreuen. Folgende Szene ergab sich bspw. in der 82. (!) Minute.

Spanien im Angriffspressing, wie auch zuvor im Spiel in solchen Situationen wählen sie dafür ein 4-1-3-2. Mit dem Pass auf Upamecano schiebt Cucurella weiter mannorientiert auf Griezman vor. Spanier provoziert den langen Ball und kommt in Ballbesitz. Dies ist nicht ohne Risiko. Spanien riskiert hier, kurzzeitig im 3v3 in letzter Linie zu spielen. Die letzte Chance Frankreichs durch Mbappe entsteht auch aus einer ähnlichen Situation, in der Frankreich das Pressing umspielt. Spanien war aber bereit, dieses kalkulierte Risiko für mehr Spielkontrolle einzugehen und wurde letztlich belohnt. Frankreich spielte trotz Rückstands verhaltener im Pressing, was ihnen letztlich möglicherweise den Sieg kostete.

Der zweite Punkt war, dass sie Grundlagen des Verteidigers einfach auf hohem Niveau ausführten. Deschamps wechselte in der 62. Minute, brachte Barcola, Griezmann und Camavinga für Muani, Kanté und Rabiot. Mbappe rutschte ins Zentrum und wurde vermehrt über tiefe Bälle gesucht, ebenso wie Barcola. Die Besetzung des Zwischenlinienraums wurde vor allem durch Griezmann besser. Camavinga streute außerdem vermehrt Läufe in die letzte Linie und in den Strafraum bei Flanken ein. Infolgedessen zog sich Spanien in seinem 4-4-2 noch weiter zurück, um die Bälle hinter die Kette besser verteidigen zu können. Zur Verteidigung des Zwischenlinienraums wurden die beiden hinteren Ketten ausgesprochen kompakt und verteidigten diesen auch gut. Theoretisch bleiben in solchen Spielsituationen jedoch Räume am Flügel. Deutschland hat im Viertelfinale gut vorgemacht, wie man diese nutzen kann. Der Gegner steht so tief, dass man selbst viele Spieler in den Strafraum bringen kann, ohne allzu hohes Risiko eingehen zu müssen. Zudem hat man durch die sehr kompakten Viererreihen viel Zeit am Ball, um einen Flügelspieler frei zu spielen und dann mit Flanken, Pässen in die Halbspur oder Chipbällen gefährlich zu werden. Frankreichs 1:0 ist eigentlich ein Blueprint, um solche Abwehrreihen auszuspielen. Jedoch sah man diese Aktionen im Laufe des Spiels danach fast gar nicht mehr.

Stattdessen erzeugten Les Bleus kaum noch Gefahr. Zum einen lag das an Spaniens disziplinierter defensiver Strafraumbesetzung. Permanent schafften sie es, 7, 8, 9 Spieler in die eigene Box zu bringen. Frankreich hingegen hatte drei wesentliche Probleme

  • Sie Spielten oft zu direkt, suchte zu früh Bälle in den Strafraum
  • Schwache Strafraumbesetzung: Sie bekamen nicht genug Spieler in die gegnerische Box. Die Spieler, welche drin waren, standen außerdem zu nah am Flankengeber, statt ballfern einzulaufen.
  • Aufgrund ihrer geringen Spielkontrolle kamen sie zu selten in Situationen, in denen sie Spanien einschnüren und das Glück „erzwingen“ konnten (bspw. durch abgefälschte Bälle, Handspiele in der Box o.ä.).

So waren Frankreichs größte Chancen in der Schlussphase neben der Aktion durch Mbappé durch das umspielte Angriffspressing ein Schuss von Theo, welcher aus einer missglückten Abwehraktion der Spanier nach französischer Flanke entsteht. Solche Situationen entstehen häufiger, je mehr man den Gegner hinten einschnürt. Das gelang den Franzosen aufgrund ihrer geringen Spielkontrolle jedoch nicht. Mit mutigerem Pressing (Mann gegen Mann) und mehr Leuten in höheren Linien hätten sie mehr Spielkontrolle und so auch mehr Situationen nahe der gegnerischen Box erzwingen können. So gelang ihnen das jedoch nicht. Auch im Gegenpressing waren sie aufgrund ihrer ungeduldigen Spielweise und infolgedessen nicht optimaler Struktur im Ballbesitz nicht stark. Die technisch versierten Spanier konnten sich meist befreien.

Folglich plätscherte das Spiel bis zum Schlusspfiff fast vor sich hin, während die Spanier mit und ohne Ball die Uhr runterlaufen ließen.

Fazit und Einordnung: Individuelle Stärke kaschiert kollektive Schwäche

Bei aller Kritik an Frankreichs Ansatz kann erwidert werden, dass sie ja erneut ins Halbfinale kamen, dieses nur mit einem Tor verloren haben und nach xG sogar vorne lagen. Auch gestern wäre ein Ausgleich im Bereich des Möglichen gewesen. Dabei würde man aber zwei Dinge außen vor lassen. Zum einen der Unterschied in der individuellen Qualität der Teams. Dass man diesen gestern gar nicht mehr bemerkt hat, ist nicht unwesentlich den unterschiedlichen Herangehensweisen der Trainerteams zuzuschreiben. Zweitens konnten sich die Spanier mit der Führung im Rücken bewusst auf einen defensiveren Ansatz konzentrieren, während Frankreich unter Zugzwang war. Wenn man es dann nicht schafft, mit dem Spielermaterial mehr als 0,58 xG in einer Halbzeit zu kreieren, spricht das leider für vergeudetes Potenzial. Durch zu wenig Fokus auf Spielkontrolle ließen die Franzosen sich von den Spaniern letztlich auf ihr Level herunterziehen.

PF: PF ist jahrelanger NLZ-Trainer mit sportpsychologischem und analytischem Hintergrund.

Taktik-Ignorant 14. Juli 2024 um 15:26

Bei Spanien kam – nicht zum ersten Mal in diesem Turnier – ein alter Zug zum Tragen: Ballbesitz als Defensivstrategie. Da hatte die Mannschaft ihren Höhepunkt wohl 2010 mit jeder Menge 1:0-Siegen, hat dann aber in späteren Jahren offensiv die Durchschlagskraft verloren; klassisch die lähmenden spanischen Vorstellungen in den letzten beiden Weltmeisterschaften.
Inzwischen hat die Mannschaft wieder bessere Spieler für offensive Lösungen, die in Ballbesitz mit schneller Zirkulation mit großer Zuverlässigkeit Lücken in die gegnerische Abwehr spielen. Dieses „aktive“ Ballbesitzspiel ist jedoch kraftraubender als das „passive“ Ballbesitzspiel, das man bei eigener Führung zelebriert und lediglich darin besteht, den Gegner nicht an den Ball kommen zu lassen und den Weg zum gegnerischen Tor nur noch dann zu suchen, wenn man geradezu eingeladen wird oder der Gegner in den letzten Minuten alles nach vorne wirft und hinten große Räume lässt.
Frankreich wollte es ganz offensichtlich über die Physis versuchen (weshalb der formschwache Griezmann, eigentlich spielstärkster Mittelfeldspieler, geopfert wurde) und die Geschwindigkeitsvorteile ihrer Stürmer Dembelé, Mbappé und Kolo Muani nutzen – und hätte dazu insbesondere nach der eigenen Führung Gelegenheit gehabt. Die Meisterleistung der Spanier bestand darin, in der Phase zwischen Rückstand und eigener Führung den Franzosen kaum Luft gelassen zu haben, obwohl sie ins Risiko gehen mussten. Dass die Spanier ihr Spiel, auch das altbekannte Ballhalten in Halbzeit 2, so durchziehen konnte, spricht für die Spielintelligenz, die sich auch gegen die bessere Physis eines Gegners durchsetzen kann. Ich bin gespannt, welche Schlüsse Southgate aus diesem Spiel zieht, zeichnen seine Mannschaft doch ähnliche Qualitäten aus die die Franzosen: hochwertige Einzelspieler, überlegene Physis.

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Next Generation 14. Juli 2024 um 18:06

Sehr schön beschrieben.

Ich bin auch gespannt! Kann mir gut vorstellen, dass England nochmal etwas mutiger vorne pressen wird. Vielleicht nicht unbedingt Mann gegen Mann, aber vielleicht probiert man, Spaniens Zentrum mannorientiert zuzustellen und dann mit dem ballfernen Stürmer/10er im 5-2-3 den ballfernen IV zuzustellen. Könnte mir vorstellen, dass Spanien dagegen schon etwas mehr Probleme haben würde. Dann ist dann der ballferner AV der freie Spieler, der ist deutlich schwieriger zu finden und England könnte mit seinen schnellen Wingbacks auch immer wieder gut auf diese Spieler vorrücken, wenn es notwendig wird. (PF)

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Taktik-Ignorant 14. Juli 2024 um 23:20

Eine erste Reaktion, nachdem das Endspiel gerade vorbei ist: England dann doch im Spiel gegen den Ball erst einmal passiver als erwartet, aber hinten sicher, nicht zuletzt dank zweier starker Außenverteidiger, aber auch dank der etwas unsaubereren Pässe der Spanier im letzten Drittel selbst in den Momenten, wo sie einmal Raum hatten. In der zweiten Hälfte kam Spanien dann einmal gut durch (typischer Fall von „die englische Abwehr war noch beim Pausentee“) und England drehte dann, weil es musste, gut auf, unterstützt von passenden Wechseln Southgates. Zwei große Rätsel für mich: als die Engländer anfingen, besser zu spielen, kamen erst einmal die Spanier zu ordentlichen Torgelegenheiten (2xYamal, 1xOlmo), weil sie zielgenau und konsequent die englischen Lücken bespielten, aber das kippte so 5-6 Minuten vor dem Ausgleich, da hatte Spanien dann überhaupt keinen Zugriff mehr. Der englische Ausgleich war dann folgerichtig. Zweites Rätsel: wieso zogen die Engländer sich dann wieder zurück? Von Spanien war in den Minuten zuvor keine Gefahr mehr ausgegangen, das Momentum war eher für England. Durch die wieder passivere Herangehensweise haben sie die Spanier zurück ins Spiel gebracht.

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Koom 15. Juli 2024 um 09:29

Rätsel 1: Im Grunde wie beim Fechter: Eine Offensivaktion macht dich anfälliger für einen Angriff. Auch oder gerade beim Mannschaftssport Fußball, wo ein paar wenige Individualisten manchmal die Änderung herbeiführen. Spanien war gerade in der 2. Hälfte teils sehr solodribblingfokussiert.

2. Rätsel: Ich vermute mal: Wie Deutschland wollte man dann die Verlängerung holen. Man presste und drücke eine zeitlang, holte sich das „ergebnis“ dafür ab und vertraute dann darauf, dass man das in die Verlängerung tragen kann. Das funktioniert gegen Spanien aber IMO sehr schlecht, weil die eigentlich nie die Spielkontrolle wegwerfen. Wenn die das Spiel nach Hause tragen wollen, machen sie tikitaka. Was den Gegner entnervt und Spaniens Individualzocker da vorne dann immer noch für Tore nutzen können, wenn der Gegner „fickerig“ wird. Das traf uns, das traf England. Spaniens zutiefst grundlegende Spielphilosophie gewann diese EM.

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Taktik-Ignorant 15. Juli 2024 um 16:00

Spaniens Spielphilosophie hat nicht geholfen, gegen England die Kontrolle zu behalten. Die etwa 10 Minuten vor dem Gegentor sah Spanien hilflos aus, und das englische Tor fiel wie eine reife Frucht. Dass die Engländer nicht so weitergespielt haben, liegt m.E. tatsächlich an ihnen – wieso sich wieder zurückziehen, wenn man den Gegner im Griff hat? Und der spanische Siegtreffer war ja gerade kein Zufallsprodukt eines individuellen Geniestreichs eines Einzelkünstlers, sondern Resultat einer kollektiv herausgespielten Torchance ganz nach klassischem Muster. M.E. hätte England das vermeiden können, wären sie am Drücker geblieben.

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Koom 15. Juli 2024 um 20:14

Naja, das ist halt immer so die Frage. Deutschland hatte Spanien auch am Rand einer Niederlage und stellte sich in der Verlängerung dann irgendwann drauf ein, dass man jetzt das elfmeterschießen holen will. Klar, man war auch platt, aber es waren auch zahlreiche frische Offensivkräfte auf dem Feld.

Spanien fällt halt nie in einen passiven Status. Und klar, unter Druck kannst du sie auch kriegen, auch wenn sie gut verschieben, Struktur halten. DAs ist ein bisserl wie mit Guardiola Gegenpressing-Spinnennetz: Im Grunde bleibt alles hängen, aber mit genug Schwung kommst du doch durch. Aber das Netz steht danach immer noch.


Next Generation 13. Juli 2024 um 18:45

Klar, ist spekulativ. Aber durchaus naheliegend, wenn man sich das Spanische Viertelfinale anschaut.

Zum letzten Abschnitt: Gehe ich komplett mit. Artikel war auch nicht direkt kritisch gegenüber der spanischen Herangehensweise gemeint. Ich denke, die holen aus ihren Möglichkeiten schon sehr, sehr viel raus.

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WVQ 13. Juli 2024 um 19:29

Naheliegend insofern, als es für Deutschland über weite Strecken gut funktioniert hat und insofern als allgemein mögliches Mittel gegen den spanischen Ballbesitz bekannt war. Aber auch Deutschland hat dann ja (v.a. in der ersten Hälfte) nicht wild gekontert, sondern wiederum das eigene Ballbesitzspiel aufgezogen. Ich bezweifle, daß das französische Ballbesitzspiel Spanien vor ebenso große Probleme hätte stellen können wie das deutsche.

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tobit 12. Juli 2024 um 18:00

Ja, Frankreich ist insgesamt individuell stärker. Aber im Herzen des Spiels, dem Mittelfeld, sehe ich Spanien individuell klar vor ihnen. Rodri ist deutlich besser als Tchouameni (und als jeder andere Mittelfeldspieler). Und Fabian, Olmo und Pedri sind sicherlich mindestens gleichauf mit Camavinga (den ich von den vier Franzosen für den stärksten Spieler halte), Griezmann, Kanté und Rabiot. Wenn dann noch akute Formschwächen bzw Verletzungen der Stürmer dazukommen, wird es halt schwer für die Franzosen ihr Spiel durchzuziehen wie man es gewohnt ist.

Dass die Spanier fitter sind als andere Nationalmannschaften war mir schon 2021 (und auch bei der Frauen-WM) aufgefallen. Die können ihr Tempo als fast einzige konsequent über 90 oder 120 Minuten gehen. Sie haben es bei diesem Turnier selten gebraucht, aber gerade 2021 sah man, dass sie in engen Spielen am Ende nochmal eine Schippe drauflegen und den Gegner da fast schon überrennen konnten.

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Next Generation 13. Juli 2024 um 14:13

Spanien hat super Spieler, keine Frage. Der Titel war vielleicht auch etwas reisserisch gewählt (auch, wenn ich Frankreich insgesamt trotzdem schon klar vorne sehe). Vor allem ist Frankreich den Spaniern aber körperlich komplett überlegen. Das hätten sie mit gutem 1:1-Pressing nutzen können und ich könnte mir gut vorstellen, dass sie Spanien dann klar dominiert hätten. Gegen die Physis und dann Mbappe und Co im Umschaltmoment muss man erstmal Lösungen finden. Was denkst du?
Fitness: Hat auch was mit der Spielkontrolle zu tun. Spanien hat viel den Ball, das ist nicht so anstrengend und dann haben sie mehr Kraft, wenn sie nicht den Ball haben.

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Next Generation 13. Juli 2024 um 14:15

Rodri, Fabian, Olmo ist sehr stark, aber gegen Deutschland musste Spanien dennoch überwiegend zum langen Ball greifen, wenn sie zugestellt wurden. Und da könnte ich mir vorstellen, dass Frankreich diese besser verteidigt kriegt als unsere Nationalmannschaft.

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WVQ 13. Juli 2024 um 17:11

Da kommen halt sehr viele spekulative Faktoren zusammen. WENN Frankreich GUTES 1:1-Pressing gespielt hätte… Hat es halt nicht. Und dazu gehörte freilich auch mehr, als bloß Manndeckung auszurufen und Kanté und physisch starke Spieler zu haben. Man kann sich genauso fragen, ob das für Frankreich nicht am Ende deutlich schlechter ausgegangen wäre, als weitgehend weiter Plan A zu spielen.

Zudem, wen hat man lieber, wenn man (über hohes 1:1-Pressing oder sonstwie) im Zentrum den Ball gewinnt – Tchouaméni, Rabiot und Kanté oder Rodri, Fabián und Olmo? Wenn bei Frankreich dann nicht sehr schnell ein Außenstürmer an den Ball kommt, ist das Gefahrenpotenzial sehr überschaubar. Selbiges für den hypothetischen Fall, daß man Spanien zu langen Bällen zwingt und diese abfängt – die Konter müssen dann im wesentlichen über die Stürmer durchgehen. Hätte wiederum fürs spanische Gegenpressing durchaus aussichtsreich werden können.

Und daß „Sicherheitsfußball“ bzw. Spielkontrolle sehr verschiedentliches bedeuten kann, hatte ich neulich schon geschrieben – eine 2:1-Führung mit nur 0,02 xG zu verteidigen, ist nicht sonderlich schick, aber wenn man dann über 70 Minuten auch nur 0,51 xG zuläßt und eben wirklich 2:1 gewinnt, bewegt sich Kritik schlimmstenfalls auf hohem Niveau. Das Risiko aber zu scheuen, wenn man noch gar kein Tor geschossen hat (oder im Extremfall sogar schon hinten liegt), ist etwas anderes.

Denke Frankreich hatte in der gegebenen personellen und taktischen Verfassung einfach nur noch wenig Luft nach oben, obwohl das Potenzial seitens der Spieler eigentlich noch sehr groß wäre. Bei Spanien scheint mir eine derartige Diskrepanz überhaupt nicht zu bestehen – die spielen im wesentlichen da, wo sie gemäß Spielermaterial sein können.

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