Nagelsmanns Anpassungen als Vorgeschmack für Dänemark?
Mit sieben Punkten steht Deutschland ungeschlagen im Viertelfinale gegen Dänemark. Ungarn und die Schweiz stellten die deutsche Mannschaft jedoch durchaus vor Probleme. Nagelsmann fand allerdings jeweils passende Lösungen. Diese könnten auch im morgigen Achtelfinale gegen Dänemark relevant sein.
Nagelsmanns Brechstange bringt den Gruppensieg gegen die Schweiz
Gegen die Schweizer Mannorientierungen tat sich Deutschland vor allem in der ersten Halbzeit wieder schwer. Sowohl nach xG, als auch nach echten Toren lag Deutschland hinten. Nagelsmann konnte jedoch mit klugen Anpassungen das Ruder herumreißen. Das Wichtigste in Kürze:
- Schweiz spiegelt Deutschlands Formation, presst klug mannorientert im hohen Mittelfeldpressing und schiebt bei Rückpässen immer wieder in komplette Manndeckung über das ganze Feld vor
- Deutschland bespielt zunächst die Tiefe zu wenig und probiert, das Pressing mit kurzen Pässen zu überspielen. Das ist wenig durchschlagskräftig und führt zu gefährlichen Ballverlusten, unter anderem vor dem 0:1
- In der zweiten Hälfte passt Ausrichtung und Personal an: Mehr Bälle hinter die Kette, vor allem diagonal von Rüdiger
Auch die Schweizer wählten eine 5er-Kette, verfolgten jedoch einen deutlich mannorientieren Ansatz als die Ungarn. Die obige Szene aus der 8. Minute verdeutlicht gut die Idee des Schweizer Pressings. Grundsätzlich besteht über das ganze Feld eine 1:1 – Zuordnung. Bei Rückpässen und Abstößen versuchte die Schweiz auch immer wieder, diese direkt herzustellen. In Phasen des tieferen Pressings arbeiteten sie darüber hinaus aus dem 5-2-3 mit einigen gut gewählten Deckungsschatten. Rieder und Ndoye schlossen den Halbraum und zentrale Passwege auf Deutschlands hohe Zehner. Ndoye wählt eine zentrale und hohe Position, um zwei Aufgaben zu erfüllen. Den Passweg zu Wirtz schließen und gleichzeitig Rüdiger attackieren zu können. Das Ziel sind Rückpässe zu erzwingen und in kompletter Manndeckung vorzuschieben. Geht dabei irgendwann mal ein Passfenster zu Wirtz auf, ist Rodriguez auf dem Sprung, um aus der Kette herauszurücken.
Embolo probierte außerdem möglichst den Passweg zu Kroos zu schließen. Im besten Fall sollte er gar nicht an den Ball kommen. Das lässt sich natürlich nicht komplett verhindern. Durch den von Emobolo oft gewählten Winkel muss Kroos jedoch häufig auf eine Linie mit Rüdiger zurückfallen, um anspielbar zu werden. Dadurch war er einige Meter weiter hinten und in etwas ungefährlicheren Räumen aktiv. Zudem konnte er oft nur über das Spiel über Ablagen von Andrich und Co. gefunden werden. Diese Bälle sind tendenziell schwieriger als einfache Verlagerungen der IV und erlauben seinem Gegenspieler (Rieder) außerdem mehr Zeit, um Druck auszuüben. Resultat: Kroos hat mehr Druck und ist in weniger gefährlichen Räumen.
Die zentrale Position von Ndoye und Rieder führt natürlich dazu, dass Deutschlands Schienenspieler Kimmich und Mittelstädt tendenziell anspielbar sind. Deshalb spielten die jeweiligen Schweizer Schienenspieler sehr mannorientiert gegen ihre deutschen Pendants, wie man hier an der vorgeschobenen Position von Aebischer gegen den zurückgefallenen Kimmich gut erkennt.
Warum tat sich Deutschland gegen diese Ausrichtung zunächst schwer? Ein bisschen wurde ihnen ihre Identität fast zum Verhängnis. Als ballbesitzstarke Mannschaft suchen sie viele „spielerische“ Lösungen mit Kurzpasskombinationen über die Mittelfeldspieler. Genau für solche war der Schweizer Ansatz jedoch optimal ausgerichtet.
Durch die Mannorientierungen hatte jeder deutsche Offensivspieler permanent einen Gegenspieler im Rücken, wenn er angespielt wurde. Das sind Situationen, in denen auch Topspieler leiden. Vor allem, wenn schnell von vorne gedoppelt wird, was die hohe Kette der Schweizer erlaubte.
Stichwort hohe Kette: Genau diese war eine entscheidende Schwachstelle der Schweiz. Das wurde von Deutschland jedoch erst in Hälfte zwei genutzt.
„Bruder, schlag de Ball lang“
Die Stärken des Schweizer Systems, Manndeckung und hohe Linie, waren zeitgleich auch seine Schwächen. Nagelsmann nahm direkt in der Halbzeit Anpassungen vor und Deutschland wurde schrittweise immer direkter. Die meiste Durchschlagskraft gab es in der Schlussphase, als neben Raum, Beier und Schlotterbeck auch Sané und vor allem Füllkrug in die Partie kamen.
Die obige Graphik Szene aus Minute 83 verdeutlicht schön Deutschlands gut durchdachte Brechstange. Die Angriffsformation wurde asymmetrischer. Ballfern wurde die Tiefe überladen und man sucht lange Diagonalbälle hinter die Abwehr. Die drei im Halbraum auf Höhe der Schweizer Abwehrlinie positionierten Angreifer Havertz, Füllkrug und Beier binden die Kette. Nach der Schweizer Manndeckungslogik wäre Freuler für einen der „10er“ zuständig, die gibt es aber nicht mehr so richtig. Er bleibt im Mittelfeld, die Schweiz ist dadurch in der Kette unterladen. Beier Laufswege und Geschwindigkeit binden Widmer – es entsteht links Raum für David.
Da die Schweiz wie oben beschrieben das Spiel von Kroos weglenken wollte, hatte Rüdiger deutlich mehr Zeit am Ball als Kroos. Insofern auch eine gute Entscheidung von Nagelsmann, die linke Offensivseite zu überladen.
Neben den langen Diagonalbällen auf die ballferne Seite konnte Deutschland aber auch ballnah durchbrechen. Kimmich nahm häufig eine tiefere Position ein, was Aebischer aus der Kette zog. Die rechte Seite der Schweizer Fünferkette sowie Aknaji sind ballfern durch die hohen deutschen Angreifer gebunden. Dadurch musste Rodriguez ziemlich viel Raum im 1v1 gegen Sané oder vor dessen Einwechselung Havertz oder Musiala) verteidigen. Auch durch solche Angriffe über die ballnahe Seite konnte Deutschland gefährlich werden.
Deutschland Probleme im Pressing gegen Ungarn und Anpassungen gegen die Schweiz
Schon zur ersten Hälfte gegen die Schweiz veränderte Nagelsmann das deutsche Pressing im Vergleich zum Ungarnspiel. Ungarn erspielte sich gegen Deutschland 1,29 xG (Deutschland: 1,65) und ein Abseitstor von Sallai. Immer wieder kamen sie zu gefährlichen Chancen und Standards in Deutschland Hälfte. Wie? Vor allem recht simple Flügelangriffe aus 3-1-4-2 und 3-4-2-1 – Staffelungen, welche die die formativen Lücken am Flügel von Deutschlands 4-2-3-1 gut nutzte.
Ungarn in asymmetrischer 3-1-4-2 – Ordnung, Deutschland mit eher passivem Mittelfeldpressing. Das Zentrum ist fast zu gut verteidigt, sowohl durch die drei 10er als auch durch die beiden 6er. Der linke Flügel ist dadurch frei. Ungarn linker Schienenspieler mit guter Positionierung. Hoch genug, um in Musialas Rücken zu kommen und dennoch nicht im Deckungsschatten und anspielbar. Kimmich ist durch Sallai gebunden.
Mit dem Pass auf Ungarn Wingback Kerkez würde deshalb Musiala attackieren. Dieser hatte aufgrund seiner sehr zentralen Startposition im Halbraum einen weiten Weg. Erschwerend kam hinzu, dass die deutschen 6er ebenfalls recht zentral und pressnah an den ungarischen zentralen Mittelfeldspielern positioniert waren. So gelang es Ungarn immer wieder, über die Flügel in den Rücken der deutschen Mittelfeldreihe zu gelangen.
Situativ, vor allem im Gegenpressing, presste Deutschland auch höher. Der ballnahe der drei 10er würde dann Druck auf den ungarischen Halbverteidiger ausüben. Dies zwang zwar den ungarischen Wingback ebenfalls in eine tiefere Position, brachte aber andere Probleme mit sich.
Mit Musialas Anlaufen schiebt auch Andrich aus der 6er-Position pressnah an den ballnahen ungarischen Mittelfeldspieler. Der ungarische linke Schienenspieler kommt kurz, zieht damit Kimmich heraus. Das öffnet Raum in dessen Rücken für simple Longline-Bälle. Schiebt Rüdiger früh mit raus, steht die restliche Kette im 2v2. Schiebt Andrich nicht mit raus, ist der gegnerische 6er über das Dreieck IV-Wingback-6er anspielbar.
Der Gegner ist zwar in der ungünstigen Position an der Außenlinie, jedoch ist Deutschlands Kette unterladen. Tah und Mittelstädt sind durch Ungarn Stürmer, 10er und den ballfernen Schienenspieler gebunden, können deshalb nicht weiter durchschieben. Da sie nicht weiter durchschieben können, ist der Halbraum offen, den Ungarn auch prompt bespielt. Die Situation endet mit einem potenziell gefährlichen Abschluss, den Tah blocken kann.
Mit Fünferkette gegen die Schweiz – und gegen Dänemark?
Auch die Schweiz wählte eine 3er-Kette, zwei Schienenspieler und wechselte außerdem dynamisch zwischen 2-1-2, 1-2-2 und 2-2-1 Staffelungen im Zentrum. Alle Staffelungen brachten potenziell die oben beschriebenen Gefahren mit sich: Die deutsche Kette könnte überladen und Flügel und Halbraum schwer zu verteidigen sein.
Nagelsmann griff daher in der ersten Hälfte zum 5-3-2 gegen den Ball. Andrich wurde dritter IV, Wirtz, Kroos und Musiala bildeten das Dreiermittelfeld hinter der Doppelspitze Havertz und Gündogan. Das 5-3-2 war deutlich aggressiver ausgelegt, als es das 4-2-3-1 gegen Ungarn (insbesondere am Anfang des Spiels) war. Die untenstehende Graphik verdeutlicht Deutschlands Pressingidee.
Havertz und Gündogan würden zunächst den/die 6er der Schweizer per Deckungsschatten verteidigen. Bei pressingauslösenden Pässen oder wenn sich Akanji zu einer Seite dreht, attackiert einer der 9er von der anderen Seite. Deutschlands 8er Wirtz und Musiala schließen den Halbraum und attackieren den Pass auf den HV. Kroos rückt mannorientiert auf den ballnahen Schweizer Mittelfeldspieler, hier Freuler. Durch die 5er-Kette kann Deutschlands Wingback den Schweizer Wingback attackieren und die restliche Kette problemlos Läufe der Schweizer Angreifer in den Halbraum verteidigen, indem sie durchschiebt. Durch den zusätzllichen Spieler ist man in der Kette nicht mehr unterladen.
Das Pressing funktionierte über weite Strecken auch gut. Die Schweizer wurden fast ausschließlich durch Umschaltmomente gefährlich, kaum aus dem geordneten Aufbau.
Dennoch stellte Nagelsmann im Laufe des Spiels um.
Dies war vermutlich dem Spielstand geschuldet. Die Schweizer legten ihr Spiel sehr breit an, wodurch die Deutschen weite Wege hatten, und zirkulierten außerordentlich geduldig. Während Deutschland wenig zuließ, konnten die Schweizer den Ball durch ihr gutes Ballbesitzspiel und die breite Spielanlage oftmals lange halten. So stellte Deutschland in Hälfte zwei ebenfalls mannorientert zu. Dies führt ezwar zu mehr Spielkontrolle, aber auch zu der Situation des (sehr knappen) Abseitstors von Vargas. Fraglich, ob Nagelsmann das Risiko bei einem anderen Spielstand eigegangen wäre. Die Fünferkette könnte gegen die Dänen jedoch auch ein probates Mittel sein.
Dänemark im Ballbesitz und wie Deutschland dagegen pressen könnte
Gegen Dänemark wird es aller Vorrausicht nach im vierten Spiel den vierten Gegner mit Fünferkette geben. Die Frage ist natürlich, wie Dänemark diese auslegt.
Gesichert scheint bei Dänemark der Dreieraufbau Christensen, Vestergaard Andersen mit den Schienenspielern Maehle und Bah. Offen ist die Aufteilung des Zentrums davor, diese ist durchaus variabel. Auch 2-2-1 Staffelungen mit Erisken und Wind im Halbraum hinter Manchester Uniteds Højlund sind zu beobachten. In den meisten Fällen tendiert sie aber am ehesten zu einer 2-1-2 Ordnung mit Eriksen als 10er hinter Wind und Højlund. Auf der Doppelsechs fällt Hjulmand neben Højjbjerg aus, Brentfords Nörgaard oder der Bundesliga-Bekannte Delaney sind die wahrscheinlichsten Ersatzkandidaten. Deutschlands 5-3-2 aus dem Spiel gegen die Schweiz könnte dafür eine passende Grundstruktur bieten und folgendermaßen ausgelegt werden.
Die Doppelspitze Havertz-Gündogan schließt die gegnerische Doppelsechs und attackiert den ZIV, je nach Körperstellung rückt Gündogan oder Havertz heraus. Wirtz und Musiala belauern Pässe auf die Halbverteidiger und auf die dänische Doppelsechs. Beim Herausrücken schließen auf den HV probieren sie, Passwege in den Halbraum zu schließen. Kroos und die deutschen IV belauern mögliche Pässe zwischen die Ketten. Insbesondere die herumdriftenden Eriksen und Wind sollten am Aufdrehen gehindert werden. Der ballnahe Schienenspieler kann Pässe auf den gegnerischen Schienenspieler attackieren. Im Grunde also eine ähnliche Logik wie gegen die Schweiz.
Die Dänen zirkulieren zwar auch sehr geduldig, solange Deutschland aber nicht zurck liegt und dringend ein Tor braucht, scheint es unwahrscheinlich, dass Nagelsmann direkt Mann gegen Mann pressen wird.
Dänemark gegen den Ball, Deutschland mit dem Ball
Im Mittelfeldpressing gab es bei Dänemark 5-4-1 und 5-3-2 Staffelungen zu beobachten. Sie probierten jedoch durch immer wieder, Übergänge ins Angriffspressing zu finden. Anders als die Schweizer werden behalten sie dabei jedoch überzahl in der letzten Linie. Die grundlegende Idee ist recht simpel. Ballnah mannorientert zu pressen, in der letzten Linie mindestens +1 zu stehen und dafür ballfern einen Spieler frei zu lassen. Gerne verteidigt Hjulmand dabei vor allem die gegnerischen zentralen Mittelfeldspieler sehr mannorientert. Spannend wird sein, wie er das gegen Deutschlands 1-3 – Staffelung mit Andrich hinter den drei Zehnern Musiala, Gündogan, Wirtz anstellen wird. Mit fünf Leuten die vier deutschen Aufbauspieler + die drei Zehner zu pressen wird kaum möglich sein, sodass die dänschen Halbverteidiger viel herausrücken müssen. Gut möglich daher auch, dass Dänemark sich zunächst aus einer zentral sehr kompakten 5-2-2-1 Ordnung heraus darauf fokussiert, Pässe zu den deutschen Schienenspielern zu provozieren und von dort aus erst ins Angriffspressing überzugehen.
Für Deutschland wird es unter diesen Umständen wichtig sein, eine gute Mischung zu finden. Auch hier kann man sich gut am Spiel gegen die Schweiz orientieren. Dänemarks oftmals hohe Kette lädt ebenso zu tiefen Läufen und Bällen aus der Aufbaureihe hinter die Abwehr ein. Kai Havertz sollte daher starten und der deutsche Spielansatz sollte direkter sein als in der ersten Hälfte gegen die Schweiz.
Die komplette Brechstange wie in Hälfte zwei macht jedoch auf des etwas vorsichtigeren dänischen Ansatzes auch wenig Sinn. Stattdessen sollte viel die schnelle Verlagerung auf die freie ballferne Seite gesucht und von dort aus direkteres Spiel forciert werden.
Sollte Dänemark wie erwartet auftreten könnte es zwar ein kleines Geduldsspiel werden, den Riegel zu knacken. Tendenziell sollte so ein Spiel der deutschen Mannschaft jedoch eher liegen als das gegen die Schweiz. Mit (vermutlich?) Schlotterbeck hat man außerdem einen weiteren sehr spielstarken Innenverteidiger auf dem Feld, welcher sowohl gegen hohes Pressing gut Lösungen findet, als auch gegen tiefere Dänen für gefährliche Bälle hinter die Abwehr gut ist.
Die größte Waffe der deutschen Mannschaft bei diesem Turnier ist außerdem Julian Nagelsmann. Dieser hat gezeigt, dass er sehr pragmatisch vorgeht (Stichwort Brechstange gegen die Schweiz) und während der Spiele schnell adäquate Anpassungen vornehmen kann. Dies kann in der KO-Runde für Deutschland noch Gold wert sein.
PF
PF ist langjähriger NLZ-Trainer mit sportpsychologischem und analytischem Hintergrund.
8 Kommentare Alle anzeigen
FR 1. Juli 2024 um 09:11
Guten Morgen
und vielen Dank für die Analyse(-n). Es macht richtig Spaß diese durchzulesen.
Wird es einen Vorbericht zum Spanien – Deutschlandspiel geben? Ich wäre sehr Dankbar und würde meine Vorfreude nochmal steigern 🙂
Next Generation 2. Juli 2024 um 19:33
Nicht von mir (PF) selbst, aber es kann sein, dass noch etwas kommt.
Taktik-Ignorant 30. Juni 2024 um 17:27
Die Schweiz hat ihre gute Arbeit gegen den Ball gegen die Italiener noch einmal eindrucksvoll bestätigt und hat realistische Möglichkeiten, in diesem Turnier noch weit zu kommen. Es gelingt der Mannschaft, ihr taktisches Konzept und das kohärente Verschieben sehr lange in einem Spiel durchzuhalten.
Zu Deutschland-Dänemark: Der BT hat letzten Endes deutlich mehr Veränderungen vorgenommen als von den meisten vermutet. Der Einsatz von Sané war möglicherweise genau dem angesprochenen Aspekt geschuldet, dass man mehr Anspielstationen für Bälle hinter die letzte dänische Linie haben wollte (auch wenn der Idealfall erst in der zweiten Halbzeit bei dänischem Rückstand ein paarmal eintraf, modellhaft beim 2:0 durch Musiala).
Was die Ausnutzung der Breite und die Verlagerung auf den ballfernen Außenspieler betraf, so habe ich diese Variante deutlich öfter bei den Dänen gesehen. Die dänische Mannschaft konnte damit die eigenen Ballbesitzzeiten steigern und sich immer wieder dem Zugriff der deutschen Abwehr entziehen. So ist es ihr in der Halbzeit 1 gleich zweimal (nach den ersten furiosen 15 Minuten der deutschen Mannschaft und nach dem fast ebenso furiosen Wiederbeginn nach der Regenunterbrechung) gelungen, das Spiel abzukühlen.
Was mir nicht aufgeht, ist die Einwechselung Füllkrugs bei deutscher Führung. Wären nicht Führich oder Beier als schnellere Spieler für lange Bälle hinter die Kette der notgedrungen immer riskanter vorrückenden Dänen die bessere Option gewesen? Oder sollte er „Bälle festmachen“?
tobit 30. Juni 2024 um 17:40
Füllkrug hat einen sehr guten Instinkt für Laufwege und Timing in Kontersituationen. Ergibt finde ich durchaus auch bei Führungen Sinn, ihn einzuwechseln. Mal davon ab ist er ein guter Verteidiger, gerade auch bei gegnerischen Standards. Beier ist gegen die Schweiz sehr blass geblieben, da kamen nicht viele Tiefenläufe von ihm, obwohl quasi jeder einzelne den Havertz und Gündogan machten bedient wurde. Und Führich ist eher kein Konterspieler, dafür kombiniert er zu gerne über viele Stationen und vergisst darüber manchmal die Direktheit. Klar kann der seinen Speed im Konter einsetzen, aber das können ein Wirtz und Musiala auch. Füllkrug kommt eben nicht übers Tempo oder die Technik und stellt den Gegner dann nochmal vor sehr andere Aufgaben. Und in offensiver Unterzahl ist so ein Brecher halt auch immer richtig was wert um zumindest mal 40-60 Meter Raum zwischen Ball und eigenes Tor zu bringen.
Koom 30. Juni 2024 um 20:57
Kasper Hjulmand habe ich ein halbes Jahr in Mainz beobachten dürfen. Leider war damals Heidel im Geiste schon auf dem Weg nach Schalke, weswegen ihm die Geduld fehlte, für diesen gewieften Trainer – und dann Martin Schmidt installierte.
Hjulmand ist ein cleverer Schachspieler und er macht das mit Dänemark sehr gut. Die kleinen Anpassungen nach der Anfangsviertelstunde waren sehr gut: Breiter stehen, gute Übergaben – es war kein so krasses Ding wie die Schweizer es gemacht haben, aber man sah, dass Dänemark an sich gut zurechtkam mit den Deutschen. Letztlich war dann die Qualität der Individualisten höher, wodurch der Sieg dann auch zustandekam.
Hjulmand erinnert in seiner Herangehensweise insgesamt etwas an Favre, hat aber einen etwas dynamischeren Ansatz.
Next Generation 29. Juni 2024 um 18:27
Guter Hinweis mit den Deckungsschatten/Graphiken, die sollte ich verbessern.
Bezüglich der ersten Hälfte bin ich auch bei dir. Tippe, wir werden heute mehr Gegenbewegungen in letzter Linie, aber auch mehr Spielverlagerung und ballfernes Einlaufen sehen. Dann sollten wir ganz gut Durchschlagskraft erzeugen können.
WVQ 28. Juni 2024 um 23:18
Die Deckungsschatten scheinen mir bei allen entsprechenden Illustrationen außer der allerersten gründlich verrutscht zu sein (falls überhaupt wirklich gewollt…?). Ansonsten aber gut ausgewählte Szenen, die die Anpassungen gegen die Schweiz (nach der ersten Hälfte und v.a. gegenüber dem Ungarn-Spiel) sehr schön vor Augen führen. Auch der Ausblick auf Dänemark ist gelungen. Trotz der „3-in-1“-Natur und entsprechenden Komplexität ein sehr runder und flüssiger Artikel.
Der Ansatz mit der „durchdachten Brechstange“ in der zweiten Hälfte war sicherlich nicht verkehrt, allerdings hatte Deutschland auch schon in der ersten Hälfte immer wieder Gelegenheiten, hinter die (da sogar noch höher in der letzte halben Stunde stehende) Schweizer Kette zu spielen, insbesondere wenn aus dem 3-1-4-2 auf Rüdiger verlagert wurde, Rodriguez aggressiv auf Musiala rausschob und dahinter Havertz neben dem zentralen Gündogan im rechten Halbraum lauerte. Diese Gleichzahl-Situationen gegen die Schweizer letzte Linie hat man aber schlicht nicht direkt angespielt. Dadurch steckte man dann ständig in den Schweizer Mannorientierungen und teilweise (gerade wenn – wie oben angedeutet – Bälle ins Mittelfeld sowohl von hinten als auch vorne attackiert wurden, siehe bspw. 0:1) sogar in lokaler Unterzahl. Spielt man da früh im Spiel ein paar mal lang auf Havertz und/oder Gündogan, bin ich nicht sicher, wie lange die Schweiz die aggressiven Mannorientierungen durchhält – entweder muß sie dann das Risiko sogar noch steigern und den deutsche Aufbau vom langen Ball abhalten oder sie sichert eben doch mit der Dreierkette in Überzahl ab, wodurch Räume davor entstehen. So aber hat man die Schweizer Schwachstelle tatsächlich sehr lange ungenutzt gelassen.
Für Dänemark würde ich entsprechend übrigens auch wieder stark für den Zweier-Sturm Havertz-Gündogan plädieren, um den dänischen Halbverteidigern das Rausschieben gegen Musiala und Wirtz schwerer zu machen und die Tiefe konsequenter zu bedrohen… vorausgesetzt eben, man nutzt das dann auch wirklich.
Ralf 28. Juni 2024 um 22:30
Tolle Erklärung.
Freue mich schon auf beide Spiele morgen…