Türchen 19: Der zugestellte Freistoß

Was macht man mit einem Freistoß in der eigenen Hälfte kurz vor der Mittellinie?

Darauf gab es schon so einige Antworten, aber auch reichlich Gleichgültigkeit. Prinzipiell kann die verteidigende Mannschaft solche Situationen sehr unangenehm zustellen, allein durch aggressive 1gegen1-Zuteilungen im unmittelbaren Umkreis – so ähnlich, wie das Lecce in dieser Szene gegen Frosinone machte.

Für das ausführende Team ein besonders unangenehmer Fakt und eine Schlüsselkomponente: Die Ballposition kann sich nicht bewegen und damit der Schütze auch nur sehr eingeschränkt (maximal in einem kleinen Radius um den Ball herum zuzüglich Körpertäuschungen). Das heißt auch, dass die Aktion Dribbling zunächst komplett herausfällt aus dem Repertoire möglicher Aktionen. Insgesamt werden damit Passwege deutlich einfacher versperrbar, weil das eine Ende des ersten Passwegs automatisch unbeweglich ist.

Deswegen hat die verteidigende Mannschaft ferner eine effektive Überzahl, weil den Schützen eben niemand verteidigen muss. Wenn das, wie in dieser Szene, einer der beiden Innenverteidiger ist, kann man schon mit einem einzelnen Stürmer zustellen, der den anderen Innenverteidiger blockiert – gegebenenfalls zusätzlich etwas zur Kompaktheit verschoben, wenn man sehr flache Freilaufbewegungen von Innenverteidiger und/oder Torwart für unwahrscheinlich hält.

Eine naheliegende Lösung für die Mannschaft, die den Freistoß hat, ist eine sehr plötzliche und überraschende Freilaufbewegung aus einer mittleren Entfernung – nicht aus unmittelbarer Nähe des Balles, damit der Gegner sie nicht sofort auf dem Schirm hat, aber auch nicht zu weit weg, damit der Weg noch kurz genug ist, um dem Gegner möglichst wenig Reaktionszeit zu lassen.

Frosinone machte das in dieser Szene ganz gut und einfach: Die hinteren Spieler ihres nominellen 4-3-3 waren allesamt zugestellt und so kam einer der Stürmer kurz entgegen, der ballnahe Flügel Soulé. Das Timing passte: Okoli wartete kurz, Brescianini als ballnaher Achter und Rechtsverteidiger Lirola zogen synchron nach vorne weg und Soulé kam wenige Meter vor Okoli entgegen. So schnell konnte sein Gegenspieler nicht folgen und direkt mit dem ersten Kontakt spielte er einen öffnenden Pass auf den anderen Innenverteidiger.

Eine Gefahr bei dieser Lösung kann jedoch entstehen, wenn die verteidigende Mannschaft gut hochschiebt und durchjagt. Das passierte hier ebenfalls: Vor allem Oulin löste sich gut von Barrenechea und rückte sehr weiträumig gegen Romagnoli nach vorne, seinen Gegenspieler im Deckungsschatten behaltend. Grundsätzlich hätte Frosinone die Szene dennoch lösen können, schnell über den Linksverteidiger und dann je nach Entwicklung der Situation schnell weiter in der Breite oder diagonal hinter den Deckungsschatten Oulins.

Beides funktionierte aber nicht – vor allem weil viele Ausführungsthemen dies verhinderten. Schon Romagnoli war angesichts des Spins im Pass von Soulé unsicher, dem Zuspiel entgegenzugehen, und verlor dadurch Zeit, hatte zudem kleine koordinative Schwierigkeiten. Bei Oyono war schon die Entscheidung für die Art der Ausführung nicht optimal: Er setzte den ersten Kontakt nach rechts, aber nutzte dies weder, um den Ball nach innen zu legen und damit gegen die Verschieberichtung des Gegners arbeiten zu können, noch, um ihn nach außen mitzunehmen und beispielsweise auf den linken Fuß zu bringen, sondern stoppte die Bewegung sehr stark.

Auch auf dieser Grundlage hätte er die Szene noch lösen können, aber die Folgeaktion war ebenso wenig optimal. Nach dem ersten Kontakt mit rechts hatte Oulin diagonal nach hinten zurückfallen müssen, um den diagonalen Pass auf Barrenechea zu schließen. Dadurch musste er zwangsläufig aber Romagnoli offen lassen, der als Rückpassoption blieb. Dagegen kamen die Mittelfeldspieler für Oyono nicht mehr infrage: Barrenechea war von Oulin zugelaufen worden und auch der breit ausweichende Gelli nicht anspielbar. Blin hatte bei Lecce richtig reagiert und Gellis ausweichenden Lauf frühzeitig mannorientiert verfolgt, bis er im Deckungsschatten von Strefezza verschwand. Dieser fand einen guten Winkel bei der Körperdrehung im Anlaufverhalten und vielleicht verunsicherte dies Oyono.

Dem Linksverteidiger blieben nur zwei Optionen: Entweder der Pass nach außen auf den weit entgegenkommenden Ibrahimovic, der aber ebenso weiträumig von dessen Gegenspieler verfolgt wurde und den Oyono somit unter einen gewissen Druck gebracht hätte, oder der eigentlich einfache Rückpass auf Romagnoli. Diese Möglichkeit erkannte er aber nicht oder wollte sie nicht wählen. Stattdessen griff Oyono zu einer ambitionierten Lösung und suchte das 1gegen1 mit Strefezza, den er durch einen überraschend mit dem linken Fuß gesetzten Folgekontakt ausmanövrieren wollte. Strefezza bekam aber den Fuß an den Ball, der diagonal in den Rücken Oyonos rollte, zu Frosinones Glück letztlich ins Seitenaus ging.

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