Türchen 17: Doppelt herausgekippt und viel zirkuliert

von TR am 17.12.2023 in den Kategorien Adventskalender mit 5 Kommentaren

Welche Effekte haben viele in die Breite herauskippende Positionen und Bewegungen für Ballbesitz und Pressing?

Das heutige Türchen kommt nicht ohne amüsante Elemente aus: Wenn man viel und gezielt U-Zirkulation spielt, dann kann man auch mal beide Sechser gleichzeitig herauskippen lassen.

Eine solche Szene gab es beim Auftritt Real Madrids gegen Napoli in der diesjährigen Champions League. In diesem Fall verwaiste der eigene Sechserraum dadurch komplett (und wurde zunächst vom weit zurückfallenden Ceballos nur ansatzweise aufgefüllt). Der Vorteil dafür: Man ist in erster Instanz schwierig zu pressen und zwingt dem Gegner enorm viele Wege in die Breite auf.

Noch wirksamer gelänge das natürlich, wenn man die vielen herauskippenden Aktionen mit einer Prise Sechserraumbesetzung verbinden würde. Das dachte sich schließlich auch Toni Kroos, der im Verlauf der Szene wieder klar vor die Kette ging. Zu Beginn stand er auf Sprung für seine typisch herauskippende seitliche Position halblinks und gleichzeitig hatte sich gegenüber Valverde bereits nach außen gezogen. Dafür schob Rechtsverteidiger Carvajal hoch bis an die letzte Linie, dessen Pendant Mendy links als Reaktion auf Kroos zunächst interessanterweise die Position hielt.

Die Struktur Reals mit flachen und breiten Positionen von Valverde, Kroos und Mendy zog Napoli in eine ebenfalls breite, passive 4-1-5-Struktur, bei der man Gefahr läuft, die Halbräume zu öffnen. Grundsätzlich hatte Napoli die typische unangenehme Herausforderung gegen Real: Wenn man Druck auf die breit angelegte Zirkulation machen will, muss man mit vielen Leuten fast zwangsläufig weit herausschieben und seinerseits vergleichsweise breite, flache Staffelungen riskieren, wenn man keine guten und komplexen Asymmetrien einsetzen möchte.

Als Alaba Rüdiger anspielte, versuchte Simeone diagonal herauszurücken und die Innenverteidiger abzuschneiden, was Rüdiger aber gerade noch mit einem Querpass verhindern konnte. Anschließend ließ sich Kroos bei erneutem Ballbesitz Alabas endgültig weiter seitlich zurückfallen. Alaba dribbelte kurz an und daraufhin reagierte Mendy erstmals auf die Situation, indem er es aus der Breite, wo zumal noch Bellingham noch vor ihm positioniert war, in den Halbraum einrückte.

Alaba brach ab und verlagerte nochmals auf den anderen Innenverteidiger. Etwa zwölf Sekunden nach seinem letzten Ballbesitz hatte Rüdiger das Leder wieder. Die Situation stellte sich aber anders dar als zuvor, weil Kroos ins Zentrum zurückkehrte und Ceballos sehr hoch geschoben war.

Zwischen Simeone und Anguissa war es für Kroos alleine schwierig, ins Spiel zu kommen, zumal wenn er noch überhaupt erst dort hineinlaufen musste. Ein Querpass Rüdigers auf die flache Position Valverdes, deren einziger Effekt darin bestand, den gegnerischen Flügelstürmer etwas unkompakter zu binden, würde gerade dessen Anlaufen auslösen. Insgesamt stellte sich die Situation für Real also gar nicht so gut dar, weil wenige Optionen erreicht werden konnten. Wie würde sich die Spielfortsetzung gestalten?

Ganz gut von Rüdiger war es zunächst einmal, dass er zwischenzeitlich verzögerte und kleine lockende Ballkontakte versuchte. Eine simple Möglichkeit wäre der Flugball auf Carvajal hinter die Kette gewesen. Napolis Linksverteidiger hatte sich provisorisch frühzeitig abgesetzt, musste dann aber wieder ein Stück nach vorne und es drohte im Folgemoment so ein Bewegungsnachteil.

Ansonsten gab es nach vorne nur die effektive Option, sowohl mit dem hochgeschobenen Ceballos als auch mit Carvajal gleichzeitig wieder kurz in den Raum hinter dem gegnerischen Flügelspieler entgegen zu kommen. Am nachhaltigsten wäre aber die nochmalige Verlagerung nach (halb)links gewesen, wo Real viele Spieler hatte und durch Kroos´ Freilaufbewegung mit Anguissa einen potentiellen Gegenspieler weit hatte nach innen ziehen können – bei der gleichzeitig flacheren Position des Rechtsaußen also ein großer Dribblingraum für Alaba als Ergebnis. Da Simeone beim Anlaufen aufgrund seiner Startposition nur Kroos zuverlässig mit schließen konnte, wäre der neuerliche Querpass auf Alaba für Rüdiger auch möglich gewesen.