Türchen 8: Makoto Hasebe
Dieser Veteran regiert in den hinteren Reihen von Eintracht Frankfurt. Selbst in schlechten Zeiten ist Verlass auf Makoto Hasebe, denn er ordnet und repariert.
Wer behauptet, dass sich der 114-fache Nationalspieler Japans im Herbst seiner Karriere befindet, wird wohl in Teilen des Waldstadions der Gotteslästerung bezichtigt. Und das vollkommen zurecht, denn Makoto Hasebe ist trotz seiner 37 Jahre, 637 Profipartien und 50.415 Einsatzminuten auf dem Tacho immer noch einer, der Frankfurt hinten drin zusammenhält. Er ist nicht mehr der Schnellste, war noch nie unheimlich kopfballstark und spektakulär schon gar nicht, aber gerade als Mittelmann der Eintracht-Dreierkette bringt Hasebe immer noch Stabilität.
Es sind die kleinen Dinge, die ihn so wichtig und damit systemrelevant machen. Da wären beispielsweise die positionellen Verschiebungen nach außen, um seine Nebenmänner abzusichern, die vielleicht nicht bei lapidarem Hinsehen auffallen, aber bei genauerem eben schon. Zumal Frankfurts Halbverteidiger in der jüngeren Vergangenheit ein Faible dafür entwickelt haben, wie wild herauszurücken und sich im offenen Feld überrumpeln zu lassen.
Ohnehin ist Hasebe so eine Art Problemlöser der Hintermannschaft. Man muss sich das in etwa so vorstellen: In einer Fabrik klemmt und kracht es überall, dort stottert die Maschine, dort gibt es Notstopps am Fließband, dort rammt ein Lastwagen die Lieferrampe. Währenddessen läuft Hasebe umher und bringt alles wieder so halbwegs in Ordnung. Es mag nicht unbedingt ästhetisch ansprechend sein, aber wenigstens läuft die Fabrik wieder.
Anderes Beispiel gefällig? Die Frankfurter Spieleröffnung war unter Adi Hütter fast berüchtigt für ihre mangelnde Zentrumspräsenz. Aus für diesen Autor unerfindlichen Gründen drifteten die zentralen Mittelfeldspieler ständig nach außen und brachten sich selbst unter Pressingdruck. Hasebe schob deshalb in den richtigen Momenten nach vorn und füllte die Lücke, ohne jedoch zu früh seinen angestammten Posten zu verlassen und keinen Rettungsanker mehr für die Nebenleute bilden zu können. Problemlösungen sind gerne mal komplex.
Kovač machte ihn zum Verteidiger
Bekanntlich begann Hasebe sein Bundesliga-Abenteuer, nachdem er 2008 von Felix Magath nach Wolfsburg geholt wurde, als Mittelfeldspieler und fand zunächst Erfolg in einer Zentrale voller Arbeitstiere, denn neben ihm spielten in den besten Tagen der Wölfe Josué und Christian Gentner, die allesamt Spielmacher Zvjezdan Misimović assistierten oder um ihn herum für die Dynamik in den mittleren Zonen sorgten. Das Ergebnis dieses Zusammenspiels war der bislang einzige Deutsche Meistertitel Wolfsburgs im Jahr 2009.
Hasebe fiel damals schon als intelligenter Positionsspieler auf, obwohl er sich in jenen Tagen noch vornehmlich in den Halbräumen oder sogar mal auf dem Flügel bewegte. In jedem Fall brachte er Stabilität und Absicherung. Eine Ausnahme war ein Spiel gegen Hoffenheim in der Saison 2011/12, als Hasebe für ein paar Minuten ins Tor musste und von Roberto Firmino überwunden wurde. Auf dem Rasen hatte er dem heutigen Liverpooler bei weitem mehr Gegenwehr geboten.
Niko Kovač war es dann, der Hasebes Potenzial für die zentrale Verteidigung erkannte und ihn während seiner Amtszeit in Frankfurt erstmals dort ausprobierte. Ob dies auch geschehen wäre, hätte die SGE damals eine Viererkette präferiert, bleibt zu bezweifeln. Aber in Kovač‘ Augen war der Weg von der Sechs in die Mittelposition der Dreierkette ein kurzer. Für Hasebe änderte sich trotzdem so einiges, denn er musste sich fortan vor allem auf das fokussieren, was vor und neben ihm geschah. Aus dem 360- wurde mehrheitlich ein 180-Grad-Blick, trotzdem half Hasebe die starke Wahrnehmung, die er zuvor entwickelt hatte, um beispielsweise Stürmerläufe besser zu antizipieren und Lücken in der Dreierkette zu erkennen.
Publikums- und Trainerliebling
Mit Bezug auf die Fragen, inwieweit Hasebe ein Systemträger ist, lässt sich festhalten, dass er aufgrund seiner Antizipations- und Lösungsorientiertheit dem Frankfurter Spiel nicht nur Stabilität gibt, sondern es auch von hinten heraus anschiebt. Würde Hasebe beispielsweise nicht präventiv Angriffe unterbinden, könnte die SGE auch nicht ohne Weiteres ins Umschaltspiel gelangen oder Tempogegenstöße kreieren. Darüber hinaus hat er in den vergangenen Jahren ein teils durchwachsenen mannschaftliches Aufbauspiel um einige Prozentpunkte verbessert und so die spielerische Variabilität des Teams erhöht.
Sicherlich ist Hasebe in erster Linie eine ordnende Hand – wohl nicht ohne Grund trägt sein japanischer Buchbestseller übersetzt den Titel „Die Ordnung der Seele“ –, aber er ist eben mehr als das und deshalb auch noch ein Stückchen wichtiger für den Frankfurter Erfolg, als viele vermuten. Dass Hasebe einen Kultstatus erreicht, liegt an seiner Arbeitsethik, seiner „Langlebigkeit“ und nicht zuletzt seiner bescheidenen Art. Dass er sogar noch mit Mitte 30 ein Trainerliebling ist, liegt aber auch an seiner systemischen Relevanz.
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