Die Phrasendrescher, Folge 9: Nicht konsequent genug

Konsequent Podcasten: So lautet das Motto der Phrasendrescher in dieser Woche. Wir widmen uns der Phrase: „Nicht konsequent genug!“

Was sind moderne Fußballphrasen? Wie sind sie entstanden? Und wie erkennt man sie? Im neuen Podcast „Die Phrasendrescher“ debatieren Sportjournalist Tobias Escher (Spielverlagerung-Autor TE), Trainer Martin Rafelt (MR) und Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Simon Meier-Vieracker die Tücken der Fußballsprache. In jeder Ausgabe analysieren sie eine neue Fußballphrase, aus fußballanalytischer, sprachlicher wie journalistischer Sicht. Dabei soll es nicht in erster Linie um klassische Phrasen gehen, sondern um Begriffe aus der modernen Fußballanalytik, die mehr und mehr zu Phrasen verkommen.

Die Phrasendrescher bleiben konsequent! Ganz im Gegensatz zu vielen Fußballmannschaften. Ein häufig gehörter Vorwurf ihrer Trainer lautet nämlich, die Mannschaft habe „nicht konsequent genug“ gespielt. Doch was wollen sie damit überhaupt sagen? Worauf bezieht sich diese Phrase? Und hat sie einen tieferen Inhalt? Tobias Escher, Martin Rafelt und Prof. Dr. Simon Meier-Vieracker besprechen die Phrase in aller Ausführlichkeit und – natürlich – Konsequenz.

Der Podcast ist zunächst auf zehn Ausgaben angelegt. Jeden Dienstag soll eine neue Ausgabe erscheinen; aber nagelt uns nicht darauf fest. „Die Phrasendrescher“ ist ein Freizeitprojekt, das wir unentgeltlich neben unserer eigentlichen Arbeit durchführen. Trotzdem wollen wir versuchen, den wöchentlichen Rhythmus einzuhalten. Auf Ideen und Feedback eurerseits freuen wir uns sehr!

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rb 29. Mai 2021 um 09:57

Wundert mich garnicht, dass die Folge so umfassend geworden ist, denn wenn konsequent, dann konsequent konsequent, oder? 😉

Eine der letzten Einordnungen von MR möchte ich noch einmal aufgreifen für eine Ehrenrettung der Phrasenverwendung durch Trainer. Das stößt auch in ein ähnliches Horn wie mein damaliger Kommentar zur Phrase „Wir haben uns nicht belohnt.“
Meine These: Öffentlich sichtbare Trainer-Aussagen neigen zur Phrasenhaftigkeit, weil Aussagen damit in einer kommunikativ herausfordernden, weil vielschichtigen Situation auf bewährten Grund getätigt werden können. Was ich meine: Trainer-Aussagen gehen ja meist auf Pressekonferenzen zurück, finden also an der Schnittstelle zwischen Innen und Außen statt (wobei dieses Außen auch noch sehr, sehr vielfältig ist: allgemeine Öffentlichkeit, Fußballöffentlichkeit, Sympathisanten, verfeindete Lager, Hardcore-Fanbase, Fußballnerds usw.). Die Anforderungen an die Aussagen sind auch inhaltlich-strategisch vielfältig: Sie liefern inhaltlich-analytische Inhalte ebenso wie Botschaften zur Mannschaftsführung und zum „Crowd Management“, außerdem noch Einladungen zur Wahrnehmung des Trainers in der Fach- und allgemeinen Öffentlichkeit. Alles gleichermaßen befriedigend abzudecken, ist unheimlich schwer (selbst für Jürgen Klopp :D). Mal wird man kritisiert für zu unanalytische Aussagen (cf. Robert Klauß: „Was war eigentlich Ihr Matchplan“), dann wieder für zu analytische Aussagen (cf. Robert Klauß: „Verstehen Sie noch Fußballtaktikdeutsch?“), dann wieder für eine zu laxe, dann wieder für eine zu strenge Botschaft an die Mannschaft, dann fühlt sich wieder die Fanbase unverstanden, dann wieder … you know what I mean.
Ich finde es in dieser Gemengenlage nur zu verständlich, dass Trainer in dieser Situation auf weniger angreifbare Lösungen zurückgreifen. „Wir waren nicht konsequent genug“ sendet positive Botschaften nach innen und haut keinen in die Tonne, fordert aber weiteres Engagement, gibt Häppchen und Ansatzpunkte für Erklärungsversuche, versucht die Fanbase für die Wahrnehmung der eigenen Anstrengungen zu gewinnen usw. – insgesamt für eine Aussage in der Öffentlichkeit eine absolut befriedigende Lösung.
Problematisch ist das m.E. nur dann zum einen, wenn sie intern durch diese Trainer nicht in konkretere Aussagen übersetzt wird. Das haben MR und TR ja auch angedeutet. Problematisch ist das dann zum anderen, wenn Beobachter diese Formulierung in einem vollkommen anderen Zusammenhang (z.B. Spielanalyse) verwenden und sich darauf beschränken – denn Kommentatoren usw. sind ja gerade nicht in dieser Kommunikationssituation und haben darum viel andere Möglichkeiten uhd Chancen zur Spezifizierung und Konkretisierung (cf. Spielverlagerung).

Daran anschließend, fände ich es spannend, wenn im Podcast SMV einmal etwas ausführlicher über die Funktionen von Phrasen referieren würde: Welche Situationen/Konstellationen provozieren die Entstehung von Phrasen? Welche Vorteile bieten Phrasen, für Sender bzw. für Empfänger? usw.

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osch@d 31. Mai 2021 um 17:14

Ich möchte auch mal etwas Grundsätzliches ansprechen: es wird von einem Trainer oder Spieler gerade nicht erwartet in der öffentlichen Darstellung, dass sie intern bekannte Probleme nach außen tragen. Man will doch seinen Gegnern nicht offenlegen, wo es hakt und auch der Presse kein Futter liefern.

Dann haben wir den Bereich der Medienleute, die ein Spiel anschauen und bewerten. Da würde ich erstmal unterscheiden, ob es eine Live-Berichterstattung ist oder eine Analyse. Während das erste doch eher unterhaltende Elemente hat und sogar vorrangig der Unterhaltung dient, während gleichzeitig auch die Kommentatoren nicht immer tief in der Fußballmaterie drin sind, so wird in der Analyse ja auch immer wieder ein Fußballer/Trainer ausgewählt, der dann auch fachlich sprechen kann.

Lustigerweise fallen mir oft sehr konkrete Szenen-Beispiele zu euren Phrasen ein, die gar nicht so phrasenhaft sind: da wird damit das fehlende Nachrücken im Konter oder fehlende Strafraumbesetzung kritisiert mit einem Pass ins Leere oder eine Flanke, die niemand bekommen kann oder aber ein zu schnelles Vertikalspiel, wo zuwenig Leute nachrücken konnten und die Passwege ausgehen.

Im wesentlichen sind das also Probleme der Position/Raumbesetzung, die damit kritisiert werden und Spielzüge, die genau deswegen scheitern. Ich erinnere mich aber gerade nicht daran, dass die Phrase für sämtliche scheiternde Offensivbemühungen verwendet würde.

Ich glaube, was ein wenig hier fehlt, ist das Übereinanderlegen von Spielszene zu Verwendung von Phrasen.

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rb 2. Juni 2021 um 21:27

Und auch von mir noch ein Nachtrag: Bei Pressekonferenzen orientieren sich Trainer in der (oben beschriebenen) schwierigen Kommunikationssituation natürlich auch an die für sie dargelegte Erwartungshaltung. Und wenn die Fußballjournalisten phrasenhaft fragen, werden sie auch phrasenhaft abgespeist. 2016 haben Spiegel-Redakteure mal das „Pep-Guardiola-Experiment“ gestartet und begonnen, bei jeder Pressekonferenz fußballtaktische Fragen mit Substanz zu stellen – und in einem Artikel aufgearbeitet, wie Pep im Laufe der Zeit immer weiter aufgetaut ist: https://www.spiegel.de/sport/fussball/pep-guardiola-schweigen-als-taktik-a-1093866.html (wird bei euch der Text dargestellt?) … fand ich damals schon hochspannend!

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