Die Phrasendrescher, Folge 6: Ein Spiel für Taktikliebhaber
Die Phrasendrescher packen endlich ein Thema an, das Spielverlagerung-Fans seit Jahren auf der Seele brennt. In der aktuellen Ausgabe geht es um die Phrase „ein Spiel für Taktikliebhaber“.
Was sind moderne Fußballphrasen? Wie sind sie entstanden? Und wie erkennt man sie? Im neuen Podcast „Die Phrasendrescher“ debatieren Sportjournalist Tobias Escher (Spielverlagerung-Autor TE), Trainer Martin Rafelt (MR) und Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Simon Meier-Vieracker die Tücken der Fußballsprache. In jeder Ausgabe analysieren sie eine neue Fußballphrase, aus fußballanalytischer, sprachlicher wie journalistischer Sicht. Dabei soll es nicht in erster Linie um klassische Phrasen gehen, sondern um Begriffe aus der modernen Fußballanalytik, die mehr und mehr zu Phrasen verkommen.
Jeder kennt es: Ein Spiel dümpelt vor sich hin, es gibt keine Chancen auf beiden Seiten. Da kommt plötzlich der Kommentator daher und adelt die Partie als „ein Spiel für Taktikliebhaber“. Die „Phrasendrescher“-Crew beschäftigt sich in dieser Folge mit dieser Phrase und erklärt, warum sie praktisch immer ironisch gemeint ist. Außerdem weiten Tobias Escher, Martin Rafelt und Prof. Dr. Simon Meier-Vieracker den Blick auf weitere Phrasen mit dem Begriff „Taktik“. So besprechen sie etwa die Phrase „taktische Fesseln“.
Der Podcast ist zunächst auf zehn Ausgaben angelegt. Jeden Dienstag soll eine neue Ausgabe erscheinen; aber nagelt uns nicht darauf fest. „Die Phrasendrescher“ ist ein Freizeitprojekt, das wir unentgeltlich neben unserer eigentlichen Arbeit durchführen. Trotzdem wollen wir versuchen, den wöchentlichen Rhythmus einzuhalten. Auf Ideen und Feedback eurerseits freuen wir uns sehr!
9 Kommentare Alle anzeigen
osch@d 3. Mai 2021 um 12:42
… und pi-pa-po 😉
rb 19. Juni 2021 um 14:40
@MR (bezugnehmend auf Folge 10): Das hier ist kein Geflame … wir mögen „pi-pa-po“ 😀
rb 1. Mai 2021 um 17:18
Wieder eine klasse Folge!
Ich weiß, dass es unheimlich wichtig für die Zielgerichtetheit der Folge ist und eine der unangenehmsten Aufgaben eines Moderators, ein Davongaloppieren der Beiträge zu verhindern.
In dieser Folge war es wieder zweimal der Fall, dass MR wieder richtig Fahrt aufgenommen hat und dann etwas ausgebremst werden musste. Ich finde das ja immer hochspannend und verfolge MRs Assoziationsfeuerwerke immer mit viel Freude.
Nicht ganz ernst gemeinter Vorschlag: Könnte man diese Teile nicht trotzdem aufnehmen und den Podcast in zwei Formaten veröffentlichen, eine in der normalen Länge mit Cuts und eine in der extended version ungebremst? Falls ihr für letzteres Format dann die Bezeichnung „Rafelt-schwafelt-Version“ verwendet, möche ich aber gerne Tantiemen bekommen 😉
savona 1. Mai 2021 um 18:23
Das sich in jeder Folge offenbarende Spannungsfeld ist ja grundsätzlich interessant: MR befasst sich am liebsten mit der Frage, welchen realen Gehalt eine Phrase hat; das ist ja auch in der Tat ein wichtiger Aspekt. TE muss als Moderator SMV mit den linguistischen und statistischen Gesichtspunkten einbinden und zudem zur Kernfrage zurückkommen: handelt es sich bei der betreffenden Redensart überhaupt um eine Phrase, woran lässt sich das festmachen und was ist sozusagen ihr unsichtbarer Subtext. Eine gelungene Aufgabenverteilung.
rb 19. Juni 2021 um 14:42
Ja, finde ich auch. Und genauso, wie MR gerne viel assozieren darf – genauso darf SMV gerne „Vorlesungen“ halten – es war ihn in Folge 10 ja scheinbar etwas unangenehm…. der Selbst-Eindruck ist weit gefehlt: substantielle Wissensvermittlung an anschaulichen Beispielen – super!
pitbullgiraffe 29. April 2021 um 17:06
Danke für diesen Podcast! Klassischer Fall von „Bedürfnisse befriedigt, von denen man gar nicht weiß, dass man sie hat“ – Vielen Dank!
Ich bin sicher, dass ihr schon genug Einsendungen für 3 Staffeln bekommen habt, möchte aber dennoch zwei Phrasen mitgeben, die evtl. analysiert werden könnten:
„Aufgeben ist keine Option“ – ich habe vorhin eigentlich zu Vehs Rücktritt damals beim VfB recherchiert und bin über eine Suchmaschinensuche „kicker aufgeben ist keine option“ darauf gestoßen, dass alleine bei kicker online mehrere Artikel mit genau dieser Überschrift als Zitat von verschiedenen Akteuren (z.B. Ibrahimovic, Gondorf) zu finden sind – die Aussage erfüllt zumindest für mich alle Kriterien einer inhaltsleeren Phrase.
„Reaktion zeigen“ – 10 Millionen Mal in Post-Match-Interviews (vor allem mit Beteiligung David Wagners) nach einer Niederlage gesagt worden, erfüllt diese Aussage für mich auch alle Kriterien einer inhaltsleeren Phrase. Was konkret soll das bedeuten? Hat schon mal ein siegreicher Trainer/Spieler eine Reaktion gefordert?
„Der Erfolg gibt ihm Recht“ – Wäre theoretisch ein herrlicher Aufhänger, um über Gesellschafts- und Machtstrukturen im Allgemeinen zu philosophieren, auch wenn das (zum Glück) nicht Ziel des Podcasts ist; aber auch hier sehe ich einen zu mindestens 95% inhaltlich nichtssagenden Satz, welcher fast ausschließlich in einem bestimmten Kontext verwendet wird und dem ja auch ein gewisser absolutistischer Ansatz unterliegt, den man auch zumindest mal hinterfragen könnte.
LG und viel Spaß bei den weiteren Sendungen!
savona 1. Mai 2021 um 18:13
Schön ist auch das mühsam verbrämte Eigenlob von Spielern: „Kompliment/Respekt fürs Team“ und „Ich bin froh, dass ich dem Team helfen konnte.“ Im Klartext: „Ich hab heute einen Superjob gemacht.“ Häufig als Antwort auf die Frage: „Wie bewerten Sie Ihre Leistung?“
studdi 28. April 2021 um 10:24
Kommt diese Phrase bzw. der begriff nicht doch noch mehr aus der Trainerschiene? Ich glaube früher hies es doch öfters „das ist ein spiel für Trainer“ wohin gegen ein 4:3 oder sio dann ein Spiel „für die Zuschauer“ war.
Glaube das wort Trainer ist dann irgendwann durch Taktikliebhaber ersetzt worden, weil man evtl. festgestellt hat das es auch Menschen gibt die sich für Taktik interessieren und keine Trainer sind. Ich glaube aber auch das Trainer diese Phrase vielleicht etwas mitgeprägt haben, da nach Spielen mit viel Toren auch von Trainern schon das Wort gefallen ist das dies ein Spiel für die Zuschauer war Sie jedoch viele Fehler gesehen haben die abgestellt werden müssen.
Es wird somit ja schon unterstellt (prinzipiell stimmt es ja auch) das die Trainer zu null Spielen wollen bzw. von Ihrer Mannschaft möglichst wenige Fehler sehen wollen. Wenn ein Tor fällt und analysiert wird guckt man ja auch meistens wer hat wo ein Fehler gemacht, anstatt zu gucken was hat die Offensive Mannschaft gut gemacht um den Fehler zu Provozieren.
Denke daher kommt dieser begriff so ein bisschen. Da Taktikliebhaber doch sehr mit Trainern verglichen werden und Trainer es eben „geil“ finden wenn in einem Spiel keine Fehler passieren und somit geht das Spiel dann 0:0 aus.
savona 28. April 2021 um 17:59
Wenn ich am Fernseher mit dieser Phrase beglückt werde, empfinde ich sie als passiv aggressiv. Es kann durchaus sein, dass ich das Spiel bis dahin aus irgendeinem Grund als nicht uninteressant empfinde. Fällt dieser Satz, kann ich nicht umhin, mich – überspitzt gesagt – zu fragen, ob ich nicht der verlogene, angepasste Volltrottel bin, der die schönen neuen Kleider des in Wahrheit nackten Kaisers bejubelt. In der Regel denke ich dann sowas wie: du kannst mich mal, du willst doch nur deine oberflächliche Sicht auf das Spiel mit diesem dämlichen Spruch kaschieren; sag doch gleich: ein Tor würde dem Spiel gut tun, das wäre ehrlicher als dieses Gefrozzel über eine Person, die es überhaupt nicht gibt.