Von Büffeln und Bienen
Respektier‘ meine Intensität.
Eintracht Frankfurt begann wie üblich in einem 3-4-1-2/3-4-3, das vor allem über die drei Spieler an vorderster Front definiert wird: Haller, Rebic und Jovic. Oder wie Lucien Favre sie nennt: „Büffel“. Von außen wurden sie auch dieses Mal vom dribbelstarken Kostic auf links sowie vom dynamischen Da Costa auf rechts unterstützt. Fernandes und Rode bildeten zudem eine lauf- sowie kampfstarke Doppelsechs. Die Dreierkette wurde wie üblich zentral von Hasebe zusammengehalten. Links spielte N’Dicka, während Taktikfuchs Hinteregger sein Debüt auf rechts als Ersatz von Abraham gab.
Borussia Dortmund hielt im ebenso standardmäßigen 4-2-3-1 dagegen. Vor Torhüter Bürki musste Weigl erneut als rechter Innenverteidiger neben Diallo ran. Hakimi verteidigte auf links, Piszczek auf rechts. Die Sechserpositionen besetzten Witsel und Delaney. In der offensiven Dreierreihe liefen Sancho, Reus und Guerreiro auf. Der eigentlich Edel-Joker Alcacer startete statt Götze im Sturmzentrum.
Die Büffel ins Spiel bringen
Das Spiel der Gastgeber zeichnete sich durch ein hohes Maß an Direktheit aus. Stets ging es auch in geordneten Aufbaumomenten darum, den Ball möglichst schnell nach vorne zu bringen, wo sich die drei Angreifer eng vor der Viererkette des BVB anordneten und diese somit komplett besetzten. Die Eintracht nutzte vermehrt auch einfach lange Bälle, in deren Folge sie aggressiv auf den zweiten Ball pressten.
Das schnelle und vielzählige Gegenpressing ist ein entscheidendes Merkmal, das sich unter dem ehemaligen Red Bull-Trainer Adi Hütter als Markenzeichen herausgebildet hat. In dieser Hinsicht fand im Vergleich zur Vorsaison eine deutliche Weiterentwicklung statt. Provoziert werden Gegenpressingsituationen nicht nur aus dem Spielaufbau heraus, sondern auch nach offensiven Standardsituationen wie Einwürfen oder eben auch Ecken. So fiel der letztlich entscheidende Ausgleichstreffer zum 1:1 nach erfolgreichem Gegenpressing von Da Costa. Dortmund orientierte sich bereits nach vorne. Am zweiten Pfosten bestand eine deutliche Überzahl für Frankfurt. Da Cotsa fand Jovic, der vollstreckte.
Abseits des Gegenpressings unterscheidet sich das Aufbauspiel der Frankfurter von dem anderer Mannschaften zudem dadurch, dass die Dreierkette häufig sehr breit aufgefächert steht oder dass die Halbverteidiger offensive Positionen einnehmen. Somit agiert Hasebe häufig zurückgezogen wie ein Libero. Dadurch kann er mittels aggressivem Pressing durchaus auch einmal isoliert werden – deutlich zu sehen direkt bei der ersten Szene des Spiels, als es den Gästen unmittelbar gelang, ihm den Ball in einer solchen Situation abzunehmen und eine Chance zu kreieren.
Grundsätzlich staffelten sich die Dortmunder wie üblich in einem sauber organisierten, kompakten Mix aus 4-4-2 und 4-2-3-1. Sie variierten dabei die Höhe ihres Anlaufens: Manchmal wurden schon die Verteidiger unmittelbar unter Druck gesetzt, manchmal startete das Pressing tiefer.
Gerade zu Beginn war auffällig, dass die Viererkette sich schwer damit tat, alleine gegen die drei Offensivspieler sowie die nachrückenden Flügelverteidiger zu agieren. Später fokussierten sie sich eher darauf, aus leicht zurückgezogener Position die Tiefe zu sichern. Die Sechser (meist einer von ihnen, der sich zurückfallen ließ) sollten Bälle davor abfangen.
Für Diallo ist es dank seiner herausragenden physischen Fähigkeiten ohnehin kein Problem, Bälle in den Rücken zu verteidigen und im Zweifel direkte Duelle zu gewinnen. Aber auch Weigl zeigte hier einige herausragende Aktionen und bestand seine (endgültige) Feuertaufe als Innenverteidiger durchaus mit Bravour.
Neben dem direkten langen Ball konnten die Frankfurter etwa auch über tiefere Positionierungen der Flügelverteidiger aufbauen. Dadurch wurde der jeweilige Außenverteidiger der Borussia zum Pressing herausgelockt. Der ballnahe Stürmer lief in die entstehende Lücke am Flügel. Allerdings sicherten die Sechser hier gut durch, sodass zumeist wenig Gefahr davon ausging, wenngleich Halbfeldflanken dank der beiden übrigen Stürmer weiter vorne durchaus unangenehm werden konnten.
Alternativ staffelte Frankfurt sich in einer Viererkette. Das funktionierte so: Die Halbverteidiger rückten noch ein Stückchen weiter auf und gingen ganz bis an die Seitenauslinie, sodass sie letztlich zu Außenverteidigern wurden. Demgegenüber füllte zumeist Fernandes die offene Position neben Hasebe auf. Rode blieb als einziger Spieler im Zentrum.
Vorne staffelten sich Kostic und Da Costa entweder weiterhin breit und gingen noch höher. Dadurch war etwa ein direktes flaches Anspiel auf einen zurückfallenden Stürmer und abschließende Ablage zu ihnen nach außen möglich. Oder sie rückten weiter ins Zentrum ein, so dass sich eine Art 4-breite Raute-2 oder ein 4-3-3 mit breiten „Achtern“ und engen Stürmern herausbildete.
So gab es natürlich wiederum eine enorme Präsenz für zweite Bälle. Das Risiko über Abpraller neben Rode ausgespielt zu werden, verringerte sich zudem etwas, wenngleich es dem BVB dennoch häufig gelingen sollte, sich aus dem Druck zu befreien.
Die Bienen schwirren
Bei den Dortmundern fiel ganz grundsätzlich auf, wie gut, schnell und zielgerichtet ihr Passspiel häufig war. Dadurch gelangen ein ums andere Mal beeindruckende Kombinationen auf engem Raum und unter hohem Gegnerdruck durch die Eintracht. Mitunter wurde dieses Kombinationsspiel vielleicht sogar etwas zu schnell, was aber auch von Seiten der Gastgeber provoziert werden sollte.
Frankfurt presste zu Beginn hoch und mannorientiert im 3-4-1-2. Die Flügelverteidiger attackierten ballnah die Außenverteidiger des BVB. Ballfern hielten sie sich enger neben dem Sechser, ließen sich also nicht neben die Dreierkette zurückfallen. In dieser deckten die beiden ballnahen Spieler ebenfalls ihren jeweiligen Gegner mehr oder weniger eng.
Direkte Zuordnungen mit wenig bis gar keiner Absicherung sind in der Abwehr natürlich schon mal ziemlich riskant. Hier muss die Rolle Hasebes herausgehoben werden, der Situationen häufig hervorragend antizipiert und es so doch noch im richtigen Moment schafft, hinter oder neben dem jeweiligen Mitspieler brenzlige Situationen zu lösen. Mit mittlerweile 35 Jahren spielt der Japaner wohl so gut wie selten zuvor in seiner Karriere.
Der jeweils ballferne Halbverteidiger blieb zudem häufig als freier Mann übrig, wenn der ballferne Flügelspieler der Borussia sich breiter hielt und es wenig sinnvoll erschien, ihn direkt zu decken. Spielte Dortmund also auf der anderen Seite durch, konnte er auch noch mit herüberschieben und der jeweilige Flügelverteidiger oder einer der Sechser füllte freie Räume auf.
Gelang eine Verlagerung, befand er sich jedoch ebenfalls in einem (dynamischen) 1 gegen 1, vor allem, wenn der Flügelverteidiger eben nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte. Für Sancho stellt aber auch ein 1 gegen 2 keine enorme Herausforderung dar.
Dortmunds Doppelsechs agierte zu Beginn etwas nach links versetzt. Witsel und Delaney waren nicht so klar einer Seite zugeordnet, sondern konnten diese auch immer wieder einmal wechseln. Es wurde deutlich, dass dem Belgier eher der spielmachende Part obliegt. Das heißt, dass er grundsätzlich derjenige war, der in Ballnähe unterstützte.
Im tieferen Aufbauspiel konnte dies bedeuten, dass er sich zwischen oder kurz vor die Innenverteidiger zurückfallen ließ. Weiter vorne geschah dies aber auch in der Form von attackierenden Läufen. Delaney nahm demgegenüber eine eher balancierende und unterstützende Rolle ein. Beide zusammen bilden einen wichtigen Stabilitätsfaktor für das Spiel der Borussia.
Staffelten sich die Sechser nun so, dass einer im Halbraum höher war und der andere tiefer blieb, so musste für eine gute Verbindung der ballferne Halbraum auch noch besetzt werden. Dies tat Reus häufig über zurückfallende Bewegungen, wodurch dann eher 4-3-3-artige Staffelungen entstanden. Alternativ übernahmen aber auch andere Spieler, vor allem Guerreiro oder auch Alcacer, manchmal Sancho, diesen Part.
Wie allzu häufig überlud Dortmund die linke Seite mit vielen Spielern. Erst nach Einwechslung von Pulisic gab es auch häufiger Überladungen auf rechts. Hakimi startete zwar breit, konnte jedoch mit Ball am Fuß oft nach innen dribbeln. Die Kombination aus seinem Tempo und den ansonsten klaren Zuordnungen wurde für Frankfurt gefährlich. Guerreiro konnte zwar direkt vor ihm zunächst ebenfalls breit bleiben. Meist ging er aber spätestens im Laufe der Angriffe eher ins Zentrum, während Reus ebenfalls auf der Seite unterstützte.
Neben dem Überladen war beim BVB darüber hinaus zu beobachten, wie sie konsequent drei oder vier Spieler an der letzten Linie hielten. Das konnte auch bedeuten, dass sie sich in einer Position leicht vor der Abwehr im Rücken der Sechser hielten. Ein bloßes Verfolgen durch die Verteidiger nach vorne wurde so erschwert oder konnte unmittelbar bestraft werden.
Darüber hinaus war es für die beiden Sechser enorm schwer, diesen zentralen Raum ihrerseits konsequent abzudecken, da sie gleichzeitig oft nach vorne verteidigen mussten. Gerade Rode wurde im höheren Pressing durch seine Mannorientierung häufig eher zum Achter und es entstand situativ ein 3-1-4-2.
Je länger das Spiel dauerte, desto häufiger musste Frankfurt das eigene Pressing tiefer starten, aus einer Art 5-2-1-2/5-2-3, das manchmal auch zum 5-3-2 wurde (Zurückfallen des Zehners) oder in der zweiten Halbzeit ganz vereinzelt zum 5-4-1 (Stürmer seitlich tiefer). Doch diese tiefere Grundausrichtung wurde individuell weiterhin aggressiv ausgeführt. Das heißt: Flügelverteidiger schoben aggressiv vor, Halbverteidiger verfolgten ihre Gegenspieler.
Auch die Sechser blieben darauf bedacht, nach vorne zu pressen. Zwar konnten die Stürmer auch situativ mit Rückwärtspressing helfen, aber grundsätzlich hielten sie ein 2 gegen 2 mit den Innenverteidigern des BVB. Dadurch war nach Ballgewinn ein direktes Spiel in die Tiefe möglich. Insbesondere der ballfernste Spieler blieb höher, um die unmittelbar eingebunden werden zu können. Dadurch blieb Frankfurt stets gefährlich.
Aber es ergaben sich so eben auch deutliche offene Räume für Dortmund. Das beste Beispiel liefert der Treffer zum 1:0. Reus lief sich im Rücken der Sechser frei. Alcacer und Sancho banden derweil ballfern Hasebe, N’Dicka und Kostic.
Guerreiro startete breiter. Da Costa orientierte sich aber nicht an ihm, sondern an Hakimi, der direkt neben Witsel anspielbar war. Dadurch konnte Guerreiro hinter ihm ebenfalls nach innen ziehen. Gemeinsam mit Reus kreierte er ein 2 gegen 1 mit dem herausstürmenden Hinteregger. Die beiden können sich nach Witsels gutem Zuspiel hinter ihn durchkombinieren.
Die Aggressivität der Frankfurter hatte einen deutlichen Hang zum Ungestümen. Das nutzte Dortmund ein ums andere Mal und spielte sich insgesamt die besseren Chancen heraus. Für einen Sieg reichte es dennoch nicht.
Wie es weitergeht
Am Ende war es ein teils spektakuläres Duell zweier Mannschaften, die konsequent ihren jeweiligen Stil verfolgten. Auch wenn es keinen Sieger gab, so gewann man sicherlich den ein oder anderen glücklichen Zuschauer für sich.
Unabhängig vom Ergebnis (oder Ergebnissen überhaupt): Dortmund spielt mit der Selbstverständlichkeit, Konstanz und Qualität eines echten Spitzenteams. Strategisch und taktisch kohärent, individuell meist herausragend. Da kann man schon mal 7 Punkte Vorsprung auf die nächsten beiden Verfolger haben.
Bei Frankfurt dreht sich derweil vieles um Wucht, Tempo und direktes Spiel nach vorne. Das ist mitunter ebenfalls hervorragend anzuschauen – vor allem dank der drei Spieler an vorderster Front. Es kann auf jeden Fall für viele Gegner sehr unangenehm werden. An Details und ein paar strategischen Anpassungen wird freilich noch zu feilen sein, wenn es dieses Mal über den Weg der Bundesliga (oder Sieg in der Europa League) wieder für das internationale Geschäft reichen soll.
6 Kommentare Alle anzeigen
pad_mz 4. Februar 2019 um 14:03
Der Stil der Eintracht erinnert mich ein wenig an das Spiel von SD Eibar, welches meines Erachtens auch stark auf die Stürmer ausgerichtet ist. Durch den sehr direkten Ansatz gelingt es solchen Teams oft, den Ball weit vom eigenen Tor wegzuhalten und kann mit einem entsprechenden Gegenpressingansatz gegnerischen Mannschaften empfindlich wehtun. Welche Mannschaft in Europa wäre denn noch zu nennen, die so auf (robuste) Stürmer fixiert ist? Scheint ja mittlerweile wieder ein Gegentrend zu werden…
mananski 6. Februar 2019 um 14:09
Interessant, ich werde mir Eibar mal anschauen. Levante fand ich auch ganz nett mit Doppelspitze von Mayoral und Boateng. Prinzipiell will Bilbao glaube ich auch schon so vertikal und robust spielen, allerdings klappt das seit etwa 2 Jahren nicht mehr so wirklich und die bolzen teilweise ganz schön. Und Bielsa Teams sind immer über-vertikal, aber ich glaube bei Leeds macht er das nicht mehr so stark, er spielt ja auch mit einem eher kleineren Mittelstürmer mit Roofe
Peda 4. Februar 2019 um 13:02
Danke für die Analyse!
Kannst du dir erklären warum Hütter die beiden Halbverteidiger invers aufgestellt hatte? Hinteregger spielt ja eigentlich ausschließlich links (in seiner Karriere von LIV bis LAV) und N’Dicka ist ja Rechtsfuß. Das ist ja gerade in breiterer Aufbaustaffelung eher suboptimal.
Daniel 4. Februar 2019 um 14:45
N’Dicka ist Rechtsfuß? Bist du sicher? Vielleicht verwechsel ich ihn grad mit irgendwem, aber ich hab ihn als Linksfuß im Kopf…
tobit 4. Februar 2019 um 16:08
N’Dicka ist definitv Linksfuß. Zumindest hat er fast nur mit dem gespielt. In ein paar Situationen hat er sich den Ball extra noch auf den Linken gelegt und dann erst den (mit rechts vom Winkel her eigentlich einfacheren) Pass gespielt.
Hinteregger ist von der Spielanlage wohl einfach reifer und dribbelstärker (was man in inverser Aufstellung von außen potentiell gut nutzen kann), weshalb er dann auf rechts gespielt hat. Der Kommentator hat auch was davon gesagt, dass er in der einen(!) Trainingseinheit sehr gut mit da Costa harmoniert hat.
Maddux 4. Februar 2019 um 16:08
N´Dicka ist Linksfuß, hat aber auch einen recht guten rechten Fuß.