Ungeschlagen aber Unvollkommen
Kurz vor Ende der Hinrunde ist der 1. FC Union in der Zweiten Liga noch immer ungeschlagen. Beim zehnten Unentschieden der Eisernen in Magdeburg zeigt sich aber, welche Probleme Union trotzdem hat.
Seit Beginn der Saison wird Union von Urs Fischer trainiert, der nach einer langen Spielerkarriere beim FC Zürich in der Schweiz mit dem FC Basel zweimal Meister wurde. Seitdem haben sich die Berliner zur besten Defensivmannschaft der Liga entwickelt. Dominante offensive Leistungen konnten sie im von Fischer favorisierten 4-3-3 aber noch nicht zeigen. Im 1. FC Magdeburg traf Union am Sonntag auf einen Aufsteiger, der bisher erst ein Spiel gewinnen konnte, aber in seinen Leistungen durchaus wettbewerbsfähig ist. Unter ihrem neuen Trainer Michael Oenning, der vor einigen Wochen Jens Härtel nachfolgte, spielen die Magdeburger in einem auf kontrollierte Schnellangriffe ausgelegtem 3-5-2.
Unions schwächste Defensivleistung
Union machte in der ersten Halbzeit kein gutes Spiel, und lieferte insgesamt seine mit Abstand schwächste Defensiv-Leistung Saison. Dieser Abstand lässt sich mit expected Goals Werten (eine einfache Erklärung dazu findet sich hier anschaulich quanitfizieren: Die Spiele, in denen Unions Gegner zu den besten Chancen kamen, waren bisher die gegen den HSV (1,7 expected Goals nach Schüssen, 1,0 nach Situationen) und Regensburg (1,6 / 1,3). `Magdeburg kam gestern auf Schüsse, die für 2,7 Tore gut waren, und hatte genug Aktionen in Tornähe um 1,5 Tore erwarten zu dürfen.
Dass Union so viele Chancen zuließ, hatte mit dem verletzungsbedingten Ausfall von Sechser Grischa Prömel zu tun – oder um genauer zu sein damit, wie Union im Mittelfeld ohne Prömel spielte. Denn wie im Spiel gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth, als Prömel vor einigen Wochen schon einmal fehlte, spielte Union in seiner Abwesenheit mit zwei offensiv ausgerichteten Achtern, auch wenn diesmal Felix Kroos statt Marcel Hartel in dieser Rolle zum Einsatz kam. Anders als Fürth gelang es Magdeburg aber, die Konter, mit denen es die defensiven Schwächen in Unions Herangehensweise ausnutzte, zu Ende zu spielen; und Unions offensives Potential zu negieren statt in den ersten 30 Minuten drei Gegentore zu kassieren.
Mit dem genannten Personal und der beschriebenen 4-3-3-Ordnung verfolgte Union weiterhin, wie schon in der gesamten Saison oft, die Strategie, die vordersten Angriffslinien mit vielen Spielern zu besetzen und den Ball so direkt wie möglich dort hinein zu spielen. Doch diese Strategie hatte gegen Magdeburg a) relativ schlechte Erfolgschancen und deshalb b) große defensive Schwächen.
– Union ist das deutsche Burnley (und das ist nicht negativ gemeint): Fokussiert auf lange Bälle, Standards etc., stets viele Spieler an der letzten Linie, dort gut abgestimmte Bewegungen (Polter Zielspieler, umliegende Spieler gehen tief, lokale Gleichzahl)
— Eduard Schmidt (@EduardVSchmidt) November 27, 2018
Denn weil Kroos und Žulj sich oft und schnell nach vorn orientierten, Union aber wie immer Bälle mit hohem Fehlpass-Risiko nach vorn spielte, kam es zu vielen Ballverlusten im Mittelfeld, bei denen mindestens fünf Unioner (die drei Stürmer im 433 und die beiden Achter) vor dem Ball standen. Exemplarisch war das bei Magdeburgs Tor zu sehen, dass aber erst im ungefähr fünften Angriff aus einer ähnlichen Situation fiel, als Preißinger einen starken Schnittstellenpass spielte. Für solche Pässe war in Unions Hälfte aber eben oft viel Platz, weil Urs Fischers Mannschaft in vielen Situationen in zwei Teile zerbrach. Der vordere Mannschaftsteil kam dagegen kaum zu guten Szenen: die beiden nennenswerten Ausnahmen waren Ballgewinne im Gegenpressing nach 4½ Minuten und vor Žuljs Chance in der 37. Minute, als jeweils Kroos gute Pässe spielte.
Denn es gelang der Dreierkette Magdeburgs gut, die Räume zu schließen, in die Unions Außenstürmer geschickt werden sollten. Dazu musste der FCM nicht einmal die Flügelverteidiger zurück ziehen. Diese konnten so höher bleiben und eine Anspielstation für die Konter geben, vor allem aber Unions Außenverteidiger binden. Zusammen mit den beiden Stürmern hatte Magdeburg so vier eins-gegen-eins Duelle gegen Unions Viererkette. Wenn dann einer der Sechser des Aufsteigers schneller umschaltete als Unions Achter kam Manuel Schmiedebach, der allein im Mittelfeld absicherte, dort ebenfalls in eine 1v1 Situation etwa gegen den (guten) Türpitz, oder sah sich gar in einer 1v2 Unterzahl. Selbst für Schmiedebach, der ein Spiel mit herausragenden Szenen machte, war das nicht (immer) zu verteidigen.
Kaum Pressing
Dieses Muster war das allein spielbestimmende, weil auch Unions Pressing nicht stattfand. Wie meistens in dieser Saison, wenn der Gegner mit einer Dreierkette auftritt, behielt Union gegen den Ball die 4-3-3-Ordnung bei. Allerdings stand man dabei an diesem Sonntag oft sehr viel tiefer als zum Beispiel beim Sieg in Ingolstadt. Richtiger wäre es dann, die Staffelung der Eisernen als 4-3-2-1 zu beschreiben, da die Außenstürmer Abdullahi und Mees längst nicht immer auf der Höhe der zentralen Spitze Andersson anliefen. So hatte Magdeburgs Dreierkette viel Ruhe, die sie meist zu unbedrängten, langen, diagonalen Bällen auf die Flügelverteidiger oder ausweichende Stürmer nutzten.
Der Innenverteidiger der Dreierkette, Dennis Erdmann, machte manchmal Bewegungen, die die eines zurückfallenden Sechsers spiegelten und schob im Aufbau aus der Dreierkette nach vorn auf die Sechs. Hier wurde er von Andersson aufgenommen. In einzelnen Szenen, in denen Andersson Erdmann in seinen Deckungsschatten stellte und auf den Ball rückte, deutete sich an, dass Union hier einen Ansatzpunkt für effektiveres Pressing hätte finden können. Doch die Außenstürmer Unions liefen Magdeburgs Halbverteidiger aus zu großem Abstand an, um dieses Potential zu nutzen.
Zweite Halbzeit
In der zweiten Halbzeit änderte sich an der Struktur des Spiels zunächst wenig. Allerdings profitierte Union von der Einwechslung von Akaki Gogia für den gelb-rot-gefährdeten Abdullahi. Gogias Fokus liegt stärker als der von Abdullahi darauf, Schnellangriffe einzuleiten. Das tat Union gut, um kontrollierter Umschaltmomente in die Offensive herstellen zu können. Außerdem zog sich Magdeburg etwas weiter zurück als zuvor, sodass Union etwas mehr Spielanteile bekam und
Deutlich bessere Chancen erspielte sich Union dann, als nach einer Stunde Sebastian Polter für Felix Kroos kam. Schematisch sieht dieser Wechsel nach einer Umstellung auf ein flaches 4-4-2 aus. Doch das beschreibt sie Staffelungen, die sich in Unions Spiel nun ergaben, nur unzureichend. Denn häufiger als in einem 4-4-2 mit Andersson und Polter in der Angriffsmitte spielte Union in 4-3-3 Staffelungen mit Žulj als Achter und Andersson als Zehner. Über sie trug Union das Spiel nun öfter in der Mitte nach vorn. Die drei übrigen Offensivkräfte attackierten jetzt die Schnittstellen in Magdeburgs Dreierkette. Dabei profitierte Union von Polters Körperlichkeit, mit der er mindestens einen der Verteidiger band und so jene Schnittstellen vergrößerte.
Auch dieses Muster manifestierte sich mit dem 1-1 in einem Tor. In dieser Szene nahm Schmiedebach die Achter Rolle ein, begann den Angriff mit einem Außenrist-Flick und kombinierte mit Andersson im linken Halbraum. Dorthin hatte sich auch Polter fallen lassen und eineinhalb Innenverteidiger dabei mitgezogen. So hatte Gogia zwei Drittel der Breite des Feldes, um sich freizulaufen, von Andersson angespielt zu werden und den Ausgleich zu erzielen.
Fazit
Nicht erst dieses Spiel zeigte, das Union ein stabiles Ballbesitzspiel fehlt, um sich als absolute Spitzenmannschaft in der Liga zu etablieren. Die Köpenicker haben zwar zum Beispiel beim DFB-Pokalspiel in Dortmund, das sie erst in der 121. Minute durch einen Foulelfmeter 3-2 verloren, gezeigt, dass sie die technischen und gruppentaktischen Fähigkeiten dazu besitzen. Gefragt ist aber eine Entscheidung, sich auf diese Fähigkeit zu verlassen.
1 Kommentar Alle anzeigen
Daniel 12. Dezember 2018 um 11:03
Dennoch könnte Unions Ansatz-gerade diese Saison-vielleicht genau der richtige sein. Die beiden direkten Aufstiegsplätze kann Union kaum erreichen, die werden wohl an Köln und den HSV gehen. In einem Relegationsduell hingegen können sie für den favorisierten Erstligisten eben mit ihrem Fokus auf lange Bälle und Standards in Kombination mit ihrer individuellen Klasse ein sehr unangenehmer Gegner sein.