Chelsea belohnt sich nicht
Trotz einem deutlichen Chancenplus kam der FC Chelsea im Hinspiel des Achtelfinals der UEFA Champions League gegen den FC Barcelona in einem ansonsten ausgeglichenen Spiel nicht über ein Unentschieden hinaus. Umso spannender wird das Rückspiel.
In taktischer Hinsicht lässt sich das Spiel folgendermaßen zusammenfassen:
- Chelsea legte den Fokus auf die Sicherung der zentralen Räume sowie des eigenen Tores und agierte im Spiel gegen und mit dem Ball entsprechend angepasst.
- Aufgrund der ungünstigen personellen Konstellation in der Spielfeldmitte gelang es dem FC Barcelona zwar eine vor allem in der zweiten Halbzeit sehr stabile Ballzirkulation in den Halbräumen und auf den Flügeln aufzubauen, dennoch schafften es den Spaniern nur selten, daraus wirkliche Torgefahr zu erzeugen.
- Weil auch Barcelona gegen den Ball nicht besonders aktiv presste und in der Folge vor allem die Engländer bei Rückzugsbewegungen vom Flügel nicht unter Druck zu setzen vermochte, kamen die Londoner zwar nicht konstant, aber doch immer wieder nach Dribblings und Spielverlagerungen zum Abschluss.
Chelsea mit Ball: Stabilität im Spiel nach vorne und für den defensiven Umschaltmoment
Im Spiel mit Ball agierten die Londoner aus einer 3-4-3-Grundordnung heraus. Auffällig: In vorderster Front verzichtete Conte auf Giroud oder Morata und bot dafür mit Hazard, Pedro und Willian drei schnelle und dribbelstarke Akteure auf, auf welche die Herangehensweise in der Offensive abgestimmt war.
Im Aufbauspiel stellte Chelsea die Breite im Spiel über die beiden Halbverteidiger Rüdiger und Azpilicueta her, während Christensen im Zentrum als zentraler Spielmacher auflief. Mit Alonso und Moses gab es auf den beiden Flügelpositionen zwei Akteure, die früh aufrückten und die für die Breite im zweiten Drittel sorgten. Während die beiden Sechser Kante und Fabregas sich in der Regel im Zentrum und nahe der ersten Aufbaureihe aufhielten, waren es Willian und Pedro, die gemeinsam mit den beiden Außenspielern für den Übergang nach vorne sorgen sollten.
Chelsea wollte offene Räume auf den Außen und in den Halbräumen wo immer möglich nutzen, um so möglichst risikoarm aufzurücken. Um Angriffe weiter in die Tiefe zu treiben, waren anschließende langen Diagonalbälle oder diagonal zur Mitte angesetzte, gegnerbindende Dribblings von Willian oder Hazard ein häufig verwendetes Mittel.
Im Angriffsspiel lag der besondere Fokus auf dem diagonalen Attackieren des Zwischenlinienraums Barcelonas nach dem Rückzug von hohen Räumen am Flügel. Das funktionierte Stellenweise relativ gut, weil Barcelona aufgrund der eigenen Strategie im Spiel gegen den Ball hier oftmals keinen Druck auf Chelseas Akteure ausüben konnte. Gerade Willian kam so immer wieder in aussichtsreiche Positionen, aus denen er andribbeln und zum Abschluss kommen konnte.
Barcelona gegen den Ball: Probleme im eigenen Drittel
Aus einer 4-4-2-Grundordnung heraus fand Barcelona nur selten wirklichen Zugriff auf Chelseas Spielaufbau. Messi und Suarez liefen die beiden Halbverteidiger der Londoner zwar durchaus auch hoch an, um das Spiel auf die Außen zu lenken. Wirklich Druck bekam Barcelona aber anschließend nicht auf den Ball, weil aufgrund der personellen Konstellation am Flügel weder ein aktives Lenken zur Mitte, noch das Lenken nach Außen, sondern einzig das Stellen des jeweiligen Gegenspielers sinnvoll war.
Messi agierte im normalen Mittelfeldpressing oder in späteren Phasen der Angriffe Chelseas relativ passiv und weiter zurückgezogen, während Suarez die Arbeit im Anlaufen der englischen Aufbauspieler übernahm. Problematisch daran: Hatte sich Chelsea einmal auf dem Flügel bis ins letzte Drittel nach vorne gespielt, konnte Barcelona die angesprochenen Rückzugsbewegungen der Blues vom Flügel nicht unter Druck setzen.
Chelsea gegen den Ball: Hoch gegen den Mann, tief im Raum
Im Spiel gegen den Ball wurde aus der 3-4-3-Grundordnung der Blues aus dem Spiel mit Ball je nach Pressinghöhe eine Mischung aus 5-2-3- und 5-4-1-Grundordnung.
Befand sich Barcelona im Aufbau, verzichteten die Londoner auf das Anlaufen von Torhüter ter Stegen und der Innenverteidiger Umtiti sowie Piqué, wenn diese den Ball am Fuß hatten. Bei Anspielen auf die Innenverteidiger rückten die beiden Halbstürmer oder Hazard allerdings unter Nutzung der Passlaufdauer weit heraus, um die Spanier bereits im ersten Drittel unter Druck zu setzen. Während Kante und Fabregas die beiden Sechser Barcelonas in diesen Situationen mannorientiert zustellten, ließen Moses und Alonso den beiden Außenverteidigern der Spanier zunächst Raum, um entsprechende Anspiele wahrscheinlicher zu machen und pressten erst anschließend.
Ähnliche Abläufe – vor allem das Pressen der gegnerischen Außenverteidiger durch die eigenen Flügelverteidiger – gab es auch in den langen Spielphasen zu sehen, in denen sich Barcelona im Spielaufbau befand und Chelsea in einer Mischung aus passivem Mittelfeld- und Abwehrpressing agierte. Hier hielten sich Kante und Fabregas dann verstärkt im Raum auf, während die Dreierreihe im Angriff sich horizontal sehr eng staffelte, um Angriffe nach außen zu leiten. In tornahen Räumen formierte sich Chelsea dann häufig in 5-4-1-Staffelungen.
Barcelona mit Ball: Wenig Zug zum Tor, aber stabil in der Ballzirkulation und im defensiven Umschaltmoment
Im Wesentlichen wählte der FC Barcelona gegen diese Art der Verteidigung Chelseas eine 4-4-2- / 4-2-3-1-Grundordnung, die allerdings auf die Stärken der eigenen Spieler abgestimmt interpretiert wurde.
In der ersten Phase des Spiels rückten Jordi Alba und Sergi Roberto auf den beiden Außenverteidigerpositionen schnell nach vorne, um die Breite für das Übergangsspiel herzustellen. Während Busquets und Rakitic nahe an Piqué und Umtiti in der Innenverteidigung agierten, waren es die nominellen Flügelspieler Iniesta und Paulinho, die fast durchgehend in die Halbräume eingerückt waren und über die das Spiel nach vorne getragen werden sollte. Auf rechts war es auch immer wieder Messi, der im Aufbau oftmals weit zurückfiel und von der nominellen Position des rechten Stürmers insgesamt sehr frei agierte.
Barcelona gelangte durch diese grundsätzliche Raumaufteilung in eine stabile Ballzirkulation, tat sich aber schwer Räume in der Mitte über die Außen zu öffnen oder zu attackieren. Zentrale Elemente, die hier zum Einsatz kommen sollten, waren zum einen viele Anspiele im Aufbau auf Busquets im Zentrum, mit denen man Chelsea zum lokalen Zusammenrücken zwingen wollte, um anschließend dagegen anspielen zu können. Zum anderen versuchte Lionel Messi von der rechten Seite wenn möglich immer wieder gegnerbindende und raumgreifende Dribblings anzusetzen, um denselben Effekt zu erzielen. Mit Iniesta gab es im Übergangsspiel zudem einen Spieler, der viele Anspiele am Gegner verarbeitete, um diesen zu binden und für Alba ein anschließendes Aufrücken am Flügel einfacher zu machen.
So gut diese Strategie für das Auf- und Übergangsspiel funktionierte – Barcelona kam trotzdem kaum zu Torchancen, denn mit Suarez gab es im Zentrum nur einen zentralen Akteur, mit dem man die gegnerische Abwehrkette belegen konnte und der sich für Läufe hinter die Abwehr anbieten konnte. Auf den Außen fehlte Barcelona außerdem die Möglichkeit die direkten Duelle zu suchen und so einmal zur Grundlinie durchzubrechen. Chipbälle boten sich aufgrund der tiefen letzten Linie Chelseas weniger an.
Über die gesamte Spieldauer gab es in diesen Aspekten auch kaum Anpassungen. Die beiden Außenverteidiger spielten zwar ab Mitte der ersten Halbzeit deutlich tiefer und auf rechts auch vermehrt im Halbraum. Das war allerdings eher als Anpassung auf das Pressingverhalten Chelseas zu sehen und im Endeffekt darauf ausgelegt das Übergangsspiel stabiler zu gestalten. Dass Valverde die grundsätzliche Problematik erkannte, diese aber aufgrund der Stabilität im Spiel mit Ball nicht aufgeben wollte, äußerte der Spanier nach dem Spiel im Interview.
Fazit
Auch wenn Chelsea insgesamt die besseren Chancen hatte – hier sind unter anderem die beiden Pfostentreffer Willians zu nennen – war die Partie doch einigermaßen ausgeglichen. Beide Mannschaften agierten in Bezug auf taktische Grundausrichtung relativ vorsichtig, was für die Londoner lange Zeit auch aufzugehen schien. Zwei individuelle Fehler im Aufbauspiel bescherten Barcelona aber schlussendlich doch noch den wichtigen Auswärtstreffer.
12 Kommentare Alle anzeigen
Peter Faber 26. Februar 2018 um 19:20
P. S. wenn ich schon dabei bin : kommt die Ergänzung zur Advents-Tűrchen # 24 : Busquets ? Kann es nicht aushalten, so warte ich auf dies. Meiner Meinung nach der beste Súpieler, vielleicht sogar űber Messi, bzw. bedeutendste und nicht besser als Messi. Dabei verfolge ich Barcelona seit 1960 !
Peter Faber 26. Februar 2018 um 19:15
Bestreite nicht dass ich Barca-Fan bin. Verstehe aber trotzdem nicht fűr was „hat sich Chelsea nicht belohnt?“. Das einzige ausser 3 ofensiven Atakken war Chelsea nur mir Mann und Maus hinten. Barca musste danach Handball rum um den Sechzehner spielen. Und das war´s. Interessant fűr Trainer als Schulung und viellecht fűr taktische Komentare. Aber warum sollte Chaelsea gewinnen ? Wodurch ? 3 Angriffe ? Barca immer am Ball, leider ohne Torgefahr. 1:1 wae verdient eher fűr Chelsea und zu Hause wird es barca klären. Hoffentlich mit klareren Torchancen als in London.
Bernhard 28. Februar 2018 um 15:52
Weil Chelsea die besseren Torchancen hatte. Barcelona hatte viel mehr Ballbesitz, aber kaum Aktionen in den gefährlichen Räumen.
tobit 28. Februar 2018 um 16:43
In den Expected Goals spiegeln sich die „besseren“ Chancen Chelseas überhaupt nicht wieder. Da liegt Barca nach 90 Minuten sogar vorne, was aber hauptsächlich auf den Messi-Moment zum 1:1 zurückgeht.
https://twitter.com/11tegen11/status/966068755112525824
Unter 1 bei den xG auf beiden Seiten zeigt, wie stark beide Seiten sich auf dei absicherung fokussierten und wie gut diese funktionierte. Bei Sevilla vs. United gab es trotz xG von 0,68 zu 1,77 ein 0:0 als Ergebnis.
Nebenbei: Bayern hat beim 5:0 gegen Besiktas einen xG-Wert von exakt 5,0 erreicht. Sieht man sehr selten, dass das so genau passt.
P_N_M_123 28. Februar 2018 um 17:52
xG war bei Barça höher (allerdings fast ausschließlich durch das Messi-Tor).
Liegt wohl daran, dass die Schüsse von Willian sehr gefährlich waren, aber vor allem, weil es sehr gute Schüssw waren, nicht, weil es sich objektiv um eine gute Chance gehandelt, die Chelsea sich toll rausgespielt hätte.
Peter Faber 1. März 2018 um 16:46
Es war doch das erste un dazu noch ein Auswärtsspiel. In Camp Nou warten och 90″ am breiten Platz, nicht am „Schulhof“. Da zeigt sich die Stärke der Chelsea – Abwehr und Barcas Angriffes.
rodeoclown 22. Februar 2018 um 18:10
Da ich das Spiel nicht gesehen haben: War das wirklich so statisch wie beschrieben? Das liest sich so abwechslungsreich wie ein neunzig minütiges Armdrücken, bei dem keiner Bereit ist von seiner Strategie abzurücken und daher einfach nichts passert.
tobit 22. Februar 2018 um 19:18
Also Shakhtar gegen die Roma war deutlich spannender und abwechslungsreicher. Ich fand es trotzdem interessant, wie sich zwei Topteams permanent belauerten und dabei einfach (anders als bei PSG vs. Real) fast keine Fehler machten.
Das Duell Messi gegen Kanté, der ersteren immer wieder mannorientiert aufnahm und verzögerte, hatte seine ganz eigene Spannung. Ich habe dasganze Spiel auf den einen, überambitionierten Moment gewartet, den Messi dann klinisch ausnutzen würde – aber er kam nicht und so blieben Messis Dribblings zwar ein effektives Mittel für Raumgewinn, erzeugten aber kaum Durchschlagskraft.
@RT:
In der Anfangsphase war Messi im Pressing immer wieder ziemlich (also für seine Verhältnisse) aktiv und aggressiv, zeigte einige gute Läufe von innen nach außen. Nach dieser offeneren Phase hatte sich das aber schnell erledigt und er kehrte in sein normales Geschlurfe zurück.
Gegen den Ball gab es fand ich sehr viele Rautenmomente bei Barca, in denen Iniesta und Paulinho neben Busquets standen und Rakitic klar höher Chelseas Sechser zu stören versuchte. Bei Abstößen stellten sie auch mal die gegnerischen IV halbwegs mannorientiert zu, wobei der zentrale „Stürmer“ (meist Messi) tiefer stand als „LA“ Suarez und „RA“ Paulinho.
Daniel 22. Februar 2018 um 17:53
Mal ne Frage an die Leute, die regelmäßig die PL verfolgen: wie ist denn Rüdiger momentan einzuschätzen mit Blick auf die WM-was ist er genau für ein Spielertyp und wie gut ist er? Ich hab ihn nie genauer verfolgt, weiß nur dass viele VfB-Fans in ihm bis heute einen Fehlerteufel sehen, wobei die ganze Struktur der damaligen Stuttgarter Mannschaft völlig daneben war. Da Löw wohl vier IV nominieren wird ist hinter Hummels, Boateng und Süle ja noch ein Platz frei, der sich wohl zwischen Ginter, Mustafi und Rüdiger entscheiden wird. Von denen spielt Rüdiger zumindest für den mit Abstand schillerndsten Verein, aber das muss natürlich nichts heißen…
kalleleo 22. Februar 2018 um 19:10
Warum siehst du Süle als gesetzt? Rüdiger hat auch bei Chelsea manchmal noch derbe Fehler drin, aber wer hat das schon nicht. 😉 Sehe ihn vor Ginter und Mustafi momentan.
Daniel 22. Februar 2018 um 19:40
Süle ist mit dem Großteil der Defensive (Hummels, Boateng, Kimmich, wenn er fit wird Neuer) aus dem Verein eingespielt. Seine bisherigen Leistungen dort sind in Anbetracht seines Alters und seiner fehlenden Erfahrung sehr beeindruckend, der qualitative Unterschied im Vergleich zu den arrivierten ist erstaunlich gering. Wie schwer das ist sieht man daran, dass der deutlich ältere Rudy auf einer im Bayernkader eigentlich schwächer besetzten Position völlig untergeht. Süle ist bereits jetzt vom Leistungsvermögen mindestens auf Augenhöhe mit zumindest Ginter und Mustafi (Rüdiger kann ich wie gesagt schlecht einschätzen), hat dabei aber deutlich mehr Potential. Insofern müsste er dabei sein.
Mustafi fand ich beim letztjährigen Confed-Cup ziemlich daneben, er passt taktisch nicht rein, insofern ist er in meinen Augen raus. Ginter seh ich doch einigermaßen klar hinter Süle, und wenn Rüdiger nicht mal den bisher wirklich hinter sich lassen konnte…Ich fände es auch überlegenswert, alle drei zu Hause zu lassen und entweder Kehrer oder Tah zu nominieren, die gleichfalls ein ähnliches aktuelles Leistungsvermögen bei langfristig größerem Potential bieten, Kehrer würde mit seiner Flexibilität darüber hinaus zusätzliche taktische Möglichkeiten anbieten.
P_N_M_123 22. Februar 2018 um 17:29
Mag die Struktur deiner Artikel mit der Aufteilung in die klassischen Spielphasen sehr gerne.
Bin auf das Rückspiel gespannt – meinst du, wir werden wir mehr der typischen Barça/Messi – Chipbälle sehen?
Chelsea stand zwar, wie du ja auch sagst, sehr tief, weshalb die Bälle natürlich sehr schwierig waren, das ist in der Liga aber oft nicht anders. Da versucht zumindest Messi sie dann aber trotzdem zu spielen. Und ab zu kommt dann auch mal ’n scheinbar unmöglicher Ball an (siehe Video).
Aber gegen Chelsea hat Alba die Läufe nichtmal angeboten.
Sah für mich so aus, als wäre das Teil des sehr großen Stabilitätsfokusses von Valverde.
Generell ist das System von Barça diese Saison aber ein bisschen zu sehr darauf ausgerichtet bzw. davon abhängig, dass Messi sehr, sehr schwierige Aktionen machen muss.
Irgendwer hat es bei Twitter ganz gut ausgedrückt: Es gibt einen Unterschied dazwischen, ein System für Messi zu machen, damit er seine Stärken optimal ausspielen kann (so wie früher häufig) und ein System (offensiv) komplett auf ihm aufzubauen.