Bayers Umstellungsherrlichkeit schaltet das Spiel um

1:5

Gladbach spielt den Ball gut durch die eigenen Reihen und führt nach einer kontrollierten Halbzeit mit 1:0. Dann bringt eine Umstellung hin zu einer passenden Asymmetrie den Leverkusenern reihenweise Balleroberungen.


gladbach-leverkusen-2017Geduldige Zirkulation in der Viererkette prägte die ersten Momente dieses Derbys im Gladbacher Borussia-Park. Sowohl Dieter Hecking als auch Heiko Herrlich schickten ihre Mannschaften in einem 4-4-2 ins Rennen. Im Mittelfeldpressing formierten sich die Sturmduos kompakt vor den hinteren Reihen und konzentrierten sich auf das Zustellen der Sechserräume. Beide Mannschaften spielten dann erst einmal auf den Außenverteidiger und mussten dann sehen, wie sie von dort weiterkamen oder eben nicht. Ideen dafür gab es auch: Bei Leverkusen zeigten sich etwas früher einzelne spezifische Maßnahmen, mit ambivalentem Erfolg, während Gladbach stärker über die eigene Positionsstruktur arbeitete. Herauskippende Bewegungen von der Doppel-Sechs brachten beide Teams in unterschiedlichem Umfang ein, wiederum die Bayer-Elf schon in den allerersten Minuten etwas forscher. Gladbach reagierte aber schnell und ließ Zakaria ebenfalls häufiger von halbrechts den Aufbau mitgestalten.

Legten die „Fohlen“ die Rollenverteilung noch etwas weiträumiger an, setzte der Gast stark auf die Aufteilung zwischen dem eher zentral bis halblinks pendelnden Lars Bender und dem vor allem nach halblinks kippenden Baumgartlinger. Speziell nach Rückverlagerungen während der tiefen Zirkulation konnte dieser punktuell gegen diagonale Pressingversuche von Thorgan Hazard andribbeln, um so dahinter etwas Aufrückraum an der Seite zu provozieren. Allerdings waren bei diesen unterschiedlichen Bemühungen jeweils die Voraussetzungen für beide Spielrichtungen unterschiedlich – mochten die 4-4-2-Grundformation auch ähnlich daherkommen. Während beidseitig der linke Sechser tendenziell herausrückender agierte, zeigte sich das besonders bei der Interpretation auf den offensiven Flügelpositionen. Dort versuchte Leverkusen noch etwas enger nach innen zu verteidigen, während bei Gladbach etwas stärker die Mannorientierungen hervortraten.

Leverkusen versucht es halbrechts und links

Bei ballnahen Vorstößen von Wendell und vor allem Retsos ließen sich deren nominelle Gegenspieler also zumeist in die Abwehrlinie zurückfallen. Auf der rechten Leverkusener Seite ergab sich daraus eine typische Aufbaustruktur, in der Tah gegen die anlaufende Doppelspitze diagonal nach außen andribbelte und dann versuchten musste, aus dem von Retsos frei geschobenen Halbraum den Ball in die gegnerische Formation zu bringen. Das gelang aber praktisch gar nicht, weil Gladbach sich – trotz einzelner riskanter Bewegungen von Cuisance – entsprechend diagonal gut aufstellte und über bogenförmige Staffelungsfindung die Anbindungen in den Zehnerraum versperrte. Dadurch wurde Havertz als potentielle Schlüsselfigur der Offensive entscheidend abgeschirmt, im ersten Durchgang spielte er gerade zwei Pässe in vorderen zentralen Zonen.

Von den anderen Positionen konnte Leverkusen wenig Dynamik entwickeln, da Bailey zunächst eher breit spielte, während die Balance zwischen Retsos Aufrücken und Volland nicht passte. Letzterer war in seiner Rolle eher auf einen anderen spezifischen Spielzug fokussiert, den Leverkusen in früheren Aufbauphasen auszulösen versuchte. Mit längeren Pässen bedienten sie einige Male gezielt Ausweichläufe von Havertz zum Flügel in den Rücken von Wendt, wenn Volland diesen zurückfallend herausgelockt hatte. Gegen Vestergaards Physis und das Nachschieben der lauffreudigen Gladbacher Sechser waren diese Bälle für den Zehner aber kaum festzumachen, so dass die Maßnahme am Ende fruchtlos blieb. Bei breiteren Angriffen über links brachte Leverkusen dann einzelne Horizontalpässe hinter die herausgerückten Sechser, aber da ließ sich Havertz wegen dessen rechtsseitiger und oft in der Rochade mit Volland zuarbeitenden Spielweise auch kaum einsetzen.

Dynamisches Spiel durch die Positionen

Vielmehr gingen die griffigen Angriffsaktionen letztlich über den gesamten ersten Durchgang eher von den Gladbachern aus, die schon in der Anfangsphase zügig das Kommando zu übernehmen versuchten. Insgesamt präsentierten sie einen fußballerisch gefälligen Vortrag und ließen das Leder phasenweise sehr sicher über das Feld laufen. Grundlage dafür waren das aufgefächerte 4-4-2 als Grundstruktur, innerhalb dessen dann weitgehend konsequent und flexibel die situative Besetzung der relevanten Positionen um den Ball herum erfolgte. Entscheidend ging es um den Viererblock aus der Doppel-Sechs mit ihren aktiven Freilaufbewegungen sowie davor Raffael und Stindl in gewohnt vielseitigen Rollen. Zwar gelangten die Hausherren auch nicht viel besser als Leverkusen in den Sechserraum, den Alario und Havertz verschlossen.

Aber sie kamen einige Male effektiv daran vorbei und dann aus den Halbräumen diagonal in die Formation hinein. Ein entscheidendes Muster der Pässe sah so aus (siehe auch Grafik zum 1:0 unten): Sie wurden bevorzugt während seitlicher Bewegungen des ballnahen Leverkusener Sechsers gegenläufig zur Verschieberichtung gespielt. Gladbach fokussierte den Ball in die entstehende Lücke zu dessen Partner und wollte einen überraschenden Rückstoß aus der Offensivabteilung bedienen. Per Ablage konnten dann im Mittelfeld neue Optionen hergestellt werden. Die ursprüngliche Besetzung der Zwischenräume wurde meist gar nicht bedient, sondern ein anderer Spieler, der sich dynamisch dort in eine angrenzende Zone bewegte. So zog häufig Raffael im linken Halbraum die Aufmerksamkeit auf sich und ermöglichte somit Zuspiele auf den einrückenden Hazard oder auf Stindl, der sich immer wieder fallen ließ.

Raumbesetzung und -öffnung

Teilweise schaltete er sich auch in den Aufbau ein, um anstelle von Zakaria aus dem rechten Halbraum neben den gegnerischen Stürmern zu eröffnen. Die Rollenverteilung der Sechser passte ganz gut in diesen Kontext: Zakaria war etwas präsenter im Aufbau und streute einige aufrückende Dribblings ein, Cuisance glänzte mit starken Ansätzen im Freilaufverhalten: Der junge Franzose löste sich mehrmals gut aus dem Deckungsschatten der gegnerischen Sechser und zeigte diagonale Sprints in Halbraumlücken. Über diese Aktionen zwischen den Zentrumsspielern forderte Gladbach die Bayer-Elf heraus: Leverkusen war in diesem Bereich immer wieder gezwungen, sich gegen die situative Positionsstruktur der Hausherren zusammenzuziehen. Vor diesem Hintergrund boten Ablagen dann die Chance, mit einem folgenden Wechselpass das Spiel wieder zu öffnen und große Freiräume auf den Flügeln zu schaffen.

Die Entstehung des Gladbacher Führungstors: Guter Pass von Vestergaard (auch Ginter zeigte sich unter anderem in dieser Beziehung stark [verbessert]), als Lars Bender sich im Verschieben nach links Richtung Raffael orientiert. Stindl läuft den sich bietenden Freiraum an, legt für Cuisance ab und dreht sich dann herausragend in direkter Folgebewegung wieder in offene Stellung, um dann durch die Schnittstelle der Mittelfeldlinie zu verlagern. Das Zentrumsspiel zieht Bailey nach innen, während Wendell zuvor zwecks Absicherung des Herausrückens von Sven Bender gegen Stindl zur Mitte schieben musste.

Die Entstehung des Gladbacher Führungstors: Guter Pass von Vestergaard (auch Ginter zeigte sich unter anderem in dieser Beziehung stark [verbessert]), als Lars Bender sich im Verschieben nach links Richtung Raffael orientiert. Stindl läuft den sich bietenden Freiraum an, legt für Cuisance ab und dreht sich dann herausragend in direkter Folgebewegung wieder in offene Stellung, um dann durch die Schnittstelle der Mittelfeldlinie zu verlagern. Das Zentrumsspiel zieht Bailey nach innen, während Wendell zuvor zwecks Absicherung des Herausrückens von Sven Bender gegen Stindl zur Mitte schieben musste.

Für diese Gesamtstrategie bot der Treffer zum 1:0 ein exzellentes Beispiel. Damit schlossen die Mannen von Dieter Hecking an eine gute Vorstellung in Bremen an, als sie nicht nur die gegnerischen Mannorientierungen systematisch bespielt, sondern auch noch in der Endphase die sich bietenden Räume hinter und um die Absicherung klug genutzt hatten – durch besonnenes Anspielen, ohne durch den Raum und die Vertikalität hektisch zu werden, und vor allem auch durch konsequente Besetzung. Unter verschiedenen Umständen funktionierte das an der Weser jeweils gut und tat es zunächst auch in dieser Begegnung. Neben dem Treffer durch Johnson gab es auch noch die eine oder andere weitere Gelegenheit. Der Lohn für einen gut strukturierten und konzentrierten Auftritt war die 1:0-Halbzeitführung.

Umgestelltes System und Pressingverhalten bei Bayer

Dass sich diese Lage nach dem Seitenwechsel so plötzlich und so radikal umdrehen sollte, war vor allem Verdienst der Umstellung von Heiko Herrlich, der damit nicht zum ersten Mal durchschlagenden Effekt durch eine taktische Anpassung erzielen konnte – man denke nur an das verrückte System der zweiten Halbzeit beim Ligaeröffnungsspiel. Diesmal drückte sich die Entfesselung der Bayer-Elf wesentlich drastischer aus. Beim frühen 1:1 über eine Standardsituationen hatten sie noch etwas Glück, aber schon in dieser Phase zeigten sich jene Faktoren, die dann die Entstehung der entscheidenden Torflut zum 1:4 innerhalb von nur wenigen Minuten bedingen sollten: Leverkusen konterte sich in einen Rausch und setzte die Szenen eiskalt in Treffer um. Möglich wurde das durch das neue Pressingsystem, welches sich nach den Umstellungen ergab.

Im Zuge der Einwechslung von Julian Brandt zur Pause hatte Herrlich nicht einfach nur die Offensivpositionen neu besetzt, Bailey zurück nach rechts gezogen und Volland anstelle von Alario in die Spitze gestellt. Auch im Mittelfeldzentrum gab es Neuordnungen: Havertz agierte nun wesentlich tiefer und linksseitig, quasi neben seine beiden vorigen Hintermänner gerückt und damit wie ein Achter als Pendant zu Lars Bender. Formativ entstand daraus aber kein klassisches 4-1-4-1/4-3-3, sondern vielmehr eine asymmetrische Angelegenheit: Auf halblinks nahm Brandt eine vielseitige Mischposition aus Außen- und Halbstürmer ein, startete im Pressing oft neben Volland. Hinter ihm agierte in dieser neuen Ausrichtung ohne klassischen Flügelstürmer dafür Wendell herausrückender und Havertz etwas breiter.

So ließ Letzterer in der Konsequenz seinem Partner Lars Bender eine vertikale Rolle, aus der der Bayer-Kapitän immer wieder in den offenen Halbraum vorstieß. Durch die Einbindung von Brandt wurden zunächst einmal der einfache Passweg zu Elvedi ebenso erschwert wie der Aufbauraum für mögliches Herauskippen blockiert, das in der ersten Hälfte bei der Borussia schwerpunktmäßig auf jener Seite stattgefunden hatte. Dadurch musste mehr über Zakaria als nun halblinken Sechser laufen, der um die verschobene Pressinglinie herum auch entsprechend Präsenz entwickeln konnte. An dieser Stelle kam die Rolle von Lars Bender ins Spiel, der sich bei den zahlreichen Herausrückbewegungen von der Körperdrehung fast immer so bewegte, dass er den Weg schräg nach innen anbot.

Leverkusens Pressing gegen den Gladbacher Aufbau nach der Umstellung zur Pause

Leverkusens Pressing gegen den Gladbacher Aufbau nach der Umstellung zur Pause

Zuschieben in den linken Halbraum – und Kontern

Dadurch ließen sich die Gladbacher einige Male in unangenehme Engen und die Dichte auf der eigenen rechten Seite gegen Brandt, Havertz und den teils riskant nachschiebenden Baumgartlinger leiten. Im richtigen Moment konnten diese lokal die Wege zu den im Zwischenlinienraum lauernden Gladbachern über die Ballorientierung kappen und dann den Verbindungsgeber isolieren – Paradebeispiel einer solchen Balleroberung war das 1:3. Versuchte die Borussia die offene linke Leverkusener Seite frühzeitiger zu bespielen, bestand für diese die Möglichkeit, über Wendell und die „doppelte“ Halbraumbesetzung davor sehr viel Personal nachzuschieben, um Gladbachs Versuche abzuschnüren.

Das Positionsspiel der Hausherren war nun aber kein gefundenes Fressen für Bayer: Abwechselnd versuchten Stindl und Raffael am Flügel zu unterstützen, teilweise vermochte der Gastgeber sogar Querpasskanäle in den Rücken von Baumgartlinger öffnen oder sich zumindest mit Dynamik am Flügel entlang spielen. Kleine Nachlässigkeiten konnten gegen die Leverkusener Asymmetrie aber schnell teuer werden, so geschehen beim vierten Treffer: Elvedi entschied sich etwas zu frühzeitig und unvorsichtig auf den Pass auf seinen breit postierten Vordermann, isolierte sich damit vor dem Hintergrund noch nicht aufgebauter Unterstützung aber selbst. Leverkusen gewann in klarer Überzahl den Ball und fuhr den nächsten Gegenangriff.

Die Gladbacher mussten sich in dieser Phase vorwerfen lassen, manchmal zu vorschnell und attackierend bestimmte Bewegungen angespielt zu haben, die sie noch gar nicht kontrolliert genug absichern und unterstützen konnten, wo nach Verlagerungen teilweise die ballfernen Akteure noch nicht so schnell hatten mit schieben können oder dies teilweise etwas zu langsam taten. Entsprechend ging also ein Stück an Kompaktheit in der Restverteidigung verloren. Vom 1:2 bis zum 1:4 fielen die Treffer der Werkself sämtlich aus dem Umschaltmoment: Über die durch Benders leitende Spielweise verstärkte horizontale Ballorientierung und nicht zuletzt die Halbraumrolle des glänzend aufgelegten Brandt hatten sie dafür nunmehr beste Voraussetzungen.

Gladbach war aber noch da

Ein paar Mal konnte sich Gladbach aus unangenehmen Szenen auf der rechten Außenbahn per Verlagerung befreien, entweder direkt oder über die Innenverteidigung. Darauf reagierte Bayer mit explosiven diagonalen Herausrückbewegungen von Bailey, die die Weiterleitung nach außen oder in die Tiefe verhindern sollten und teilweise konnten. Da nicht zuletzt auch Lars Bender viel in die Mitte, teilweise quasi in die Bereiche „vor“ Baumgartlinger arbeitete, ließ Leverkusen halbrechts auch mal größere Räume offen. Überhaupt war das weite Verschieben des Mittelfelds nicht ungefährlich und stellte an die Abwehrspieler mitunter hohe Anforderungen, um entsprechende Löcher zwischen den Linien zu stopfen.

Oft musste Sven Bender in seinem Halbraum Stindl aufnehmen, die restliche Abwehrkette weiterhin aufpassen, von Horizontalbewegungen eines Flügelstürmers nicht aus den Abständen gezogen zu werden. So kam Gladbach gelegentlich in die Räume neben Baumgartlinger, häufiger natürlich halblinks, wo Raffael oder Hazard für Halbraumverlagerungen lauerten. Daneben war Andribbeln von Zakaria gegen Benders Leiten ein probates, wenngleich riskantes Mittel, um die zweite Leverkusener Linie zum Ball zu ziehen und dann das Spiel zum Flügel zu öffnen. Insgesamt gelang dies zwar schon noch, da das neue Bayer-Pressing auch mal jene nicht so gut abgesicherten Lücken anbot und damit die entsprechenden Pässe zulassen musste.

Da sich das Pressing gleichzeitig aber eben deutlich druckvoller abspielte, konnten die Bälle nur unter Bedrängnis gespielt werden, nicht mehr so kontrolliert, in der Konsequenz erfolgten also die Raumöffnungen nicht mehr ganz so sauber und temporeich wie vor der Halbzeit. Zumindest reichte es den Gladbachern für ein Abschlussplus auch in Halbzeit zwei, mit einigen ordentlichen Szenen, und beispielsweise einer Riesenchance kurz vor dem 1:4, die genau so eingeleitet worden war. Mit Blick auf die enormen Unterschiede in der Chancenverwertung muss man das Endresultat doch klar relativieren, wenngleich die Leverkusener Treffer eindeutigen strukturellen Punkten entsprangen und absolut hochkarätig herausgearbeitet waren.

Fazit

Das 1:5 war letztlich brutaler Ausdruck einer gelungenen Leverkusener Umstellung, gepaart mit enormer Kaltschnäuzigkeit im Abschluss. Mit seinem neuen, asymmetrischen System und der Wahl der darin inkludierten Rollen traf Heiko Herrlich genau ins Schwarze und gewann damit die Partie. Demgegenüber hatten eigene Ballbesitzmomente – abgesehen von den entschleunigenden Zirkulationsphasen zum Ende der Partie hin – wenig Einfluss: Der offenbar verstärkte Rechtsfokus über unterstützendes Einrücken Brandts, Fokus auf raumgreifende Aktionen Lars Benders und einige lange Bälle musste nicht entscheidend in die Waagschale geworfen werden, trug aber zum fünften Tor bei.

So wirksam das angepasste Pressingverhalten der Leverkusener war, so viel Risiko trug es auch: Trotz der schmerzhaften Ballverluste erspielte sich Gladbach daneben ausreichend Torgelegenheiten für mehr als ein (weiteres) Tor. Sicherlich kann man das etwas forsche Aufrückverhalten und in der Folge die Absicherung thematisieren, aber ein so zustande gekommenes 1:5 erklärt sich zum Großteil aus dem Einzelspiel. An allgemeineren, grundlegenden Erkenntnissen ist daher für die Borussia der Auftritt in Ballbesitz – nicht nur in Halbzeit eins, sondern in manchen Facetten auch darüber hinaus – vielleicht sogar der noch „wichtigere“ Eindruck und der Aspekt, von dem man am meisten mitnehmen kann. Hier geht die Entwicklung, wie gegen Bremen angedeutet, eigentlich in die richtige Richtung. Bei Leverkusen bleibt die Frage zum Verhältnis von Standard-Spielweise und Alternativen – die Frage, ob Elemente der furiosen Ausrichtungen, die schon aus In-Game-Anpassungen erwuchsen, auch stärker ins Hauptsystem Eingang finden werden.

Frederik 24. Oktober 2017 um 14:07

Mir fällt auf, das Gladbach schon seit einigen Spielen eine enorme Abschlußschwäche an den Tag legt. insbesondere Hazard ließ diese Saison so einiges liegen – die Großchance in der ersten Hälfte, wo er Leno quasi aus 3 Metern anschiesst muß man machen. Da sowohl Stindl als auch Raffael eher ihre Stärken in der Vorbereitung haben, hat Gladbach da ein deutliches Defizit. Nun ist mit den verletzten Drmic, Bobadilla und auch dem jungen Nachwuchsstürmer Villalba Hecking keine Alternative für die vorderste Reihe gegeben – das erklärt zumindest die fehlende Chancenausnutzung ein wenig.

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tobit 24. Oktober 2017 um 14:24

Raffael und Stindl können beide herausragend gut abschließen, man muss sie dafür aber passend einsetzen. Stindl hat z.B. sein „signature-Tor“ aus dem Strafraumrückraum nach Cutbacks oder Querlagen – dafür muss man ihm aber genau da eine Lücke öffnen. Raffael wirkt auf mich noch nicht wieder voll in Form, der hat ja immer gute und schlechte Phasen. Bobadilla wäre da echt eine Verstärkung, weil er sich auch Mal durchtanken kann und aus dem „Nichts“ einen reinwühlt. Drmic braucht dagegen auch viel freie Wiese, damit er wirklich effektiv vor dem Tor wird (der Abschluss ist genauso wie sein restliches Spiel nichts für enge Räume).

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schwerti 22. Oktober 2017 um 10:55

Gestern konnte man wieder beobachten, dass In-Game-Coaching immer wichtiger wird. Wer es beherrscht, hat einen entscheidenden Vorteil, um auf den Spielverlauf adäquat zu reagieren. Dies beherrscht Herrlich immer besser, siehe vs. Bayern und gestern. Er hat erkannt, dass seine Mannschaft die Borussia mangelhaft angelaufen hat, zu große Zwischenräume in den Ketten gelassen und kein Gegenmittel gegen den permanent pendelnden Cuisance gefunden.
„Vorwurf“ an meine Gladbacher:
Aus der Überlegenheit der ersten Halbzeit kein gesichertes Kapital geschlagen in Form eines gesicherten Vorsprungs – Parallelen zum Spiel in Bremen unverkennbar.
In HZ 2 keine Alternativen gefunden zu den Leverkusener Pressingfallen. Mangelhafte Chancenverwertung von Wendt in der 47. Minute. Wie wäre das Spiel dann weitergegangen?
Abschließend noch was zum In-Game-Coaching: Wieso ist ein Gladbacher Trainerstab nicht in der Lage kurzfristig auf Herrlichs Umstellung zu reagieren?
Welche Alternativen gibt es zum eindimensionalen 4-4-2 und wären die Spieler dafür vom taktischen Verständnis in der Lage? Im Moment fehlt mir dafür jegliche Phantasie.

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ode. 22. Oktober 2017 um 13:07

Hallo!

Mir ist auch schon aufgefallen, dass Herrlich durchaus versucht noch Einfluss zu nehmen. Das hat in München gut geklappt (leider nicht mit Toren, aber die Leistung von Bayer wurde ja durchaus gelobt). Und auch jetzt gegen Gladbach. In Mainz hingegen hat Herrlich während des Spiels das in München spontan eingeführte (und in den folgenden Spielen weiter praktizierte) System mit 3er-Kette wieder zurück genommen und auf 4er-Kette umgestellt (nach dem Rückstand). Das hat in dem Spiel leider nicht gefruchtet. Mag aber dann auch am Momentum gelegen haben, dass sich Bayer nicht zurück erspielen konnte.

Ich glaube aber auch, dass im gestrigen Spiel einiges an der Einstellung gelegen hat. In Halbzeit 1 hat Bayer keinen Zugriff gefunden. Halbgar attackiert. Kaum Zweikämpfe gewonnen. Gladbach war immer einen Schritt schneller. Hat sich so auch viele Abpraller und zweite Bälle geholt. Das hatte sich mit Beginn der zweiten Halbzeit geändert. Bayer war viel aggressiver, hat dagegen gehalten.

Es mag auch an den Umstellungen gelegen haben – im Artikel wurde ja auch erwähnt, wie risikoreich die Umstellungen im Grunde waren. Trotzdem lag es auch an einer verbesserten Einstellung dem Spiel gegenüber.

Ich habe immer mehr das Gefühl, dass Herrlich durchaus weiß, was er da macht. Sowohl im Umgang mit den Spielern und dem Formen einer Mannschaft. Als auch mit seiner Taktik. Bei Bayer haben ja bisher einzig die Ergebnisse gefehlt. Die Leistungen waren ja durchaus überzeugend (mit Abstrichen bei den Auswärtsspielen). Viele Chancen erspielt. Seitdem Alario da ist, fallen sogar auch Tore (auch Volland trifft seitdem regelmäßig dank seiner ihm besser passenden Rolle).

Was bei Herrlich immer ein wenig komisch ist, sind seine Aussagen gegenüber der Presse. So hat er sich quasi selber in Frage gestellt – bereits vor dem Mainz-Spiel. So nach dem Motto: „Also, so langsam muss ich aber liefern!!“ Kein Wunder, dass nach dem Spiel schon wieder von Krise gesprochen wurde. Auf der anderen Seite nimmt er auch Druck vom Team… Leider klappt das nicht immer. Komische Auftritte wie die erste Halbzeit gegen Bayern, die zweite gegen Mainz, die erste Halbzeit gegen Hertha, die erste Halbzeit gegen Gladbach – irgendwie ohne richtige Einstellung innerhalb des Teams.

Zu Gladbach kann ich selber leider nicht so viel sagen, da ich diese Saison noch nicht soooo viel von ihnen sehen konnte. Ich finde sie erstaunlich flexibel dank Raffael und Stindl vorne im Zentrum, die ja nicht nur nach, sondern auch am Ball sehr stark. Raffael den Ball abzunehmen ist echt mal schwer. Sehr resistent gegen Pressing. Trotzdem scheinen die Bälle am Ende oft auf dem Flügel zu landen. Wenn beide Stürmer sich fallen lassen schieben die Flügelspieler nach vorne und sind die Anspielstationen eben dort.

Irgendwie ergeben sich auch bei Gladbach krasse Formschwankungen, teils innerhalb eines Spiels. Ginter und Westergard haben ja alles sauber abgeräumt in Halbzeit 1! Die Abwehr stand sehr sicher. In der zweiten Halbzeit, bsw. beim Tor von Volland, war eine unfassbar große Lücke mitten auf dem Platz zwischen den IVs! Da war überhaupt keine Konterabsicherung. Klar hat Bayer die Konter ziemlich gut ausgespielt. Brandt ist ziemlich gut bei so was. Aber Gladbach hat das aber auch super schlecht verteidigt. Problemzone Ginter.

Was kann man da machen? Gladbach mit 3er-Kette? Ein Mann mehr für die Konterabsicherung? Die Spieler haben sie. Elvedi kann IV spielen. Janschke kann das auch. Hat Hecking das schon mal in der Saison probiert? Ich hab nur gehört, dass er es in der Vorbereitung hin und wieder hat spielen lassen…

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TR 24. Oktober 2017 um 23:11

(@schwerti): Die abschließende Frage zu den Alternativen bezieht sich auf Gladbach, oder? In der aktuellen Interpretation finde ich jenes 4-4-2 gar nicht so „eindimensional“ und prinzipiell erstmal durchaus passend. Weitere Variationsmöglichkeiten sollten aber theoretisch möglich sein, zumindest würde ich da keine besonderen Probleme mit der „taktischen Eignung“ des Kaders sehen, die dem entgegensprechen sollte: Weitgehend ist Gladbach in der Richtung doch (sehr) gut besetzt.

(@ode.): Deine letzte Frage wiederum würde ich jetzt weniger allgemein auffassen als eher hier auf die konkrete Situation in dieser einen Partie in der zweiten Halbzeit gemünzt, korrekt? Dreierkette wäre in jener Konstellation sicherlich eine denkbare Variante gewesen aus meiner Sicht: Gegen eine asymmetrische Doppelspitze hat das sicherlich immer seinen „Sinn“ für vereinfache Zirkulation, wenngleich es hier auch nicht so akut war, da Leverkusen über die Brandt-Rolle praktisch keinerlei Druckaufbau schon in der ersten Linie bezweckte. Aber trotzdem: Eine Dreierkette mit Zakaria davor als passivem, optionalem, unterstützenden Verbindungsspieler wäre interessant gewesen, um dann sehr druckvoll aus der ersten Linie auf Leverkusen anzuspielen, auch um symmetrischer in die Übergänge zu kommen und die direkten Pässe zum Außenverteidiger einfach weniger zu benötigen. Allerdings hätte man dann hier wiederum gegen die präsente linke Seite von Bayer noch stärker mit der Anbindung an jenen Flügel aufpassen müssen, um sich dort nicht im Verbindungsraum vom Halbverteidiger eine Instabilität einzufangen. Im Mittelfeld wäre dann eine Doppel-Acht hinter einer Doppelspitze eine Idee gewesen, um sich so mehr Optionen für die Wechselwirkungen zwischen offensivem Mittelfeld und Sturm um die gegnerischen Achter herum zu ermöglichen. Ansonsten hätte man aber auch einen engen Dreierangriff wählen können, mit Cuisance als Achter wie zuvor, der sich dann eventuell hätte sehr weiträumig einbinden sollen – etwa mit dem Versuch, über Horizontalläufe vor allem direkte Passwege in die vorderen Zonen zu öffnen. Um den Zwischenlinienraum herum hätte man dann drei Spieler gehabt, während bei Leverkusen gerade die Absicherung zwischen Mittelfeld und Abwehr die riskante Stelle bildete. Daraufhin wäre die Reaktion von Bayer möglicherweise so ausgefallen, einfach das Nachrückverhalten aus der Kette aggressiv und mannorientiert durchzuziehen – angesichts einer dann eher vertikalen Gladbacher Anlage und der innerhalb der Formationsteile klaren Rollenverteilungen vielleicht gar nicht so ineffektiv. Zumindest hätte Leverkusen dann in letzter Linie aber nochmals wesentlich enger agieren müssen.

Als nicht ganz so „weitgehende“ Variante zu einer Dreierkette vielleicht noch ganz interessant: Die Aufbaustruktur etwas asymmetrisch umformen und so quasi nur für die Ballbesitzphase eine schiefe, angedeutete Dreierkette herstellen. Man hätte beispielsweise die linke Flügelbesetzung sehr weit aufrücken lassen können, um Retsos und Bailey zu „provozieren“ und eventuell nach hinten zu drücken. Hintergedanke wäre dann gewesen, mit einer solchen Asymmetrie – natürlich die umliegenden Position entsprechend daran angepasst – den Aufbauschwerpunkt auf die halblinke Seite verlagern und damit schon in der Auslösung der Aufbauszenen mit der eigenen Struktur Leverkusens leitende Versuche zu stören. Für die offensivere, linke Seite (und entsprechend die nachschiebende, prominente Rolle Vestergaards) wäre dann eben Elvedi etwas tiefer geblieben und leicht eingerückt in eine Mischposition. In dem Zusammenhang wäre eine kuriose Idee noch, bei einem starken Linksfokus in der Formation dann Elvedi in eben jener Mischposition eine Art „Manndeckung“ bei eigenem Ballbesitz auf Brandt spielen zu lassen. Ansonsten könnte man zumindest, wenn man solch eine Position aus einer eigentlichen Viererkette herstellt, natürlich noch über die Funktionen eines einrückenden Außenverteidigers nachdenken, aber der Kern des Vorgehens bezöge sich eben eher auf den Linksfokus. Da Leverkusen eben der tiefen Zirkulation doch gewisse Freiheiten ließ, bedeutete das Möglichkeiten, ein solches Vorgehen entsprechend vorzubereiten – und dann hätte man eben viel aktiver auf die gegnerische Asymmetrie zuspielen und beispielsweise auch die Bender-Rolle aus einem ganz anderen Kontext und einem anderen Ausgangsraum heraus, wo Bender als ballnaher Achter „normaler“ agieren musste, fordern können.

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tobit 22. Oktober 2017 um 10:19

Herrlich scheint interessante Ideen zu haben. Vor allem scheint er jeweils eine sehr zugriffsstarke Variante explizit für den jeweiligen Gegner vorbereitet zu haben, die dann aber nur bei Rückständen zum Einsatz kommt (wie gegen Bayern und jetzt gegen Gladbach). Ist das jeweils zu instabil für 90 Minuten oder fehlt ihm da „nur“ der Mut?

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