Christian Streich kann auch 5-1-4
Nach schwierigem Bundesligastart versucht es der SC Freiburg aktuell mit einem weiteren Fünferkettensystem – einem flexiblen und unorthodoxen. Inwiefern der Schuh bei den Breisgauern vor allem offensiv drückt und warum die Lage insgesamt aber nicht so verfahren ist, wie man vielleicht befürchten könnte.
Man hätte sich den Saisonbeginn im Breisgau besser ausmalen können: Die Europapokalbelohnung für die starke letzte Spielzeit kam gar nicht richtig zustande und auch in der Bundesliga hakt es für die noch sieglose Mannschaft ein wenig. Lange war Trainer Christian Streich auf der Suche nach der richtigen Aufstellung und der richtigen Ausrichtung, erprobte nach einer abermals von personellem Aderlass gezeichneten Sommerpause über die Wochen hinweg verschiedene Varianten. Auffällig häufig agierten die Freiburger in der noch jungen Spielzeit dabei mit einer – von Julian Schuster als Libero angeführten – Fünferkette, die schon letztes Jahr gelegentlich als Alternative zum bekannten 4-4-2 auftrat. Im Anschluss an die deutliche Niederlage in Leverkusen wählte Streich abermals diesen Weg und setzte in den beiden vergangenen Partien auf ein 5-3-2-artiges System. Auf dieses fokussiert sich die folgende Analyse.
5-1-4-Pressingphasen aus breitem 5-3-2
Trotz derselben Personalwahl kennzeichnete sich die Anordnung stark durch die zwei unterschiedlichen Interpretationen in den Begegnungen mit Hannover und dann Bremen. Das bezog sich sowohl auf die Positions- als auch auf die Rollenverteilung, zudem war die Formation gegen die Niedersachsen wesentlich breiter angelegt. In dieser Begegnung agierten die beiden Mittelfeldakteure an der Seite von Höfler eher wie Flügelspieler statt als Achter, Freiburg praktizierte damit im Grunde genommen also ein 5-1-3-1 oder von der Systematik her fast schon 5-1-4. Das war übrigens gerade im Pressing besonders deutlich zu sehen und machte das Vorgehen entsprechend unorthodox wie erwähnenswert.
Tatsächlich verhielten sich die beiden seitlichen Akteure gegen den Ball von der Systematik her wie Flügelspieler, blieben teilweise sogar ballfern etwas breiter und lauerten auf Verlagerungen. Als alleiniger Sechser dazwischen presste Höfler nicht nur weit nach außen, um den Gegner dort zu isolieren, sondern rückte auch mutig bis in dessen Sechserraum vor. In dieser forschen und riskanten Anlage versuchen die Freiburger also viel defensive Breite zu erzeugen und fokussieren sich auf die Flügelverteidigung. Potentiell können die Mittelfeldmannen aber auch wesentlich enger, quasi wie Halbspieler agieren. Das kam im Pressing auch schon vor, wenngleich selten: Dann ändert sich die Aufgabenverteilung für die Flügelläufer dahingehend, dass sie neben dem weniger raumgreifenden Mittelfeldtrio quasi vorbei nach vorne schieben, um an der Außenlinie zu attackieren.
Defensive Variation gegen Werder
Eine weitere Pressing-Variation war die Interpretation als 5-2-3(-0) gegen Bremen: Terrazzino hatte zwar schon gegen Hannover teils aggressiver agiert als Frantz, nun wurde er jedoch aus dem bei Ballbesitz übrigens weiter grundlegenden 5-3-2 eine Reihe nach vorne neben die Angreifer geschoben. Aus dieser Grundstaffelung heraus ließ sich dann sauber und balanciert das Pressing einleiten. Dabei harmoniert der vordere Fünferblock gut: In 5-2-3-Ausgangsstaffelungen besetzen die zwei mittigen Akteure konsequent die Schnittstellen hinter den drei Stürmern, bewegen sich aus dieser Position sehr weiträumig raumstopfend und individueller hinter der geschlossenen Vorderlinie. Gegen ausweichende Bewegungen versuchen sie Räume am Flügel zu schließen und nehmen auch manche aggressive Mannorientierung auf, ohne sich dadurch aber zu weit nach hinten drücken zu lassen. Von rechts schob Niederlechner einige Male höher auf den Halbverteidiger, um den Aufbau auf die andere Seite zu leiten, wo Terrazzino in einer Mischposition lauerte.
Längerfristige taktische Pressingübung äußert sich etwa in der Ausführung von Mannorientierungen gegen zwei Gegner im Sechserraum. Wenn diese lose zugestellt werden, halten die Freiburger dabei oft den Körper schräg zum Ball gedreht, um so weitere Zurückfallbewegungen aus ihrem Rücken früher erkennen und zügiger darauf reagieren zu können. Ein weiteres Beispiel ist das Anlauf- und Auslöseverhalten. Beim passiven Zustellen einer Abwehrdreierkette – wie jene der Bremer – aus dem höheren Mittelfeldpressing wartete der Mittelstürmer aufmerksam auf das Vorlegen des Leders oder gar mögliche Unsauberkeit in der Ballführung des Zentralverteidigers, um plötzlich individuell aggressiv vorzusprinten. So sollte schon der erste eröffnende Ball zum Halbverteidiger als unruhige Ausführung erzwungen und der Gegner gewissermaßen „ins Reagieren“ gebracht werden.
Aus dem 5-2-3-Schema heraus lässt sich schnell in 5-3-2-hafte Ordnungen umformen und das bietet sich in vielen Situationen als nützlich bzw. ganz natürlich an. Der prägende Unterschied zum Hannover-Spiel war also vor allem das Ausmaß der Breite des vorderen Blockes. Wenn Terrazzino bei Pressingszenen gegen Bremen am linken Flügel wie ein Außenspieler Druck machte und die Sturmreihe breiter blieb, schob Frantz als ballferner Mittelfeldmann weiter nach innen, so dass eine enge zweite Linie geschaffen wurde. Beim Duell mit Hannover war das in vergleichbaren Szenen noch anders, blieb Frantz häufiger wie ein Außenspieler breiter und höher, dafür Haberer aus der Sturmreihe tiefer. Gleichzeitig unterstützte Ersterer gegen Werder deutlich häufiger die Abwehr. Auch wenn das Zuschieben nach außen in die Flügelverteidigung bisweilen riskant erfolgt: Mit den guten Gesamtabläufen bietet das aktuelle Fünferkettensystem in der für Streich typisch konsequenten Ausführung nach Freiburger Modell insgesamt eine stabile Grundlage.
Was Freiburg ausmacht
Tatsächlich stehen die Breisgauer in der Defensive auch insgesamt recht gut, abgesehen von der Partie in Leipzig und dem verrissenen Auftritt in Leverkusen außer der Reihe gab es nur wenige Gegentore. Letztere Partie bestritten sie übrigens im 4-4-2, das an jenem Tag nicht gut ausgeführt wurde: Da hatte Freiburg mal ungewohnte Unsauberkeiten in den horizontalen Abständen der Sechser (und auch von denen nach außen), die sie zudem auch nicht gut genug beobachteten. Vor diesem Hintergrund scheiterten sie bei der Bayer-Elf an überambitionierten Herausrückbewegungen, mit denen einzelne Spieler schon bei kleinsten Anflügen von technischen Ungenauigkeiten in die aggressive Zugriffsfindung schalten wollten. In den letzten beiden Partien agierten die Breisgauer wieder wesentlich balancierter, insgesamt haben sie statistisch mit der Fünferkette bisher die besseren Werte (wenngleich auf reichlich dünner Datenbasis).
Schon allein in den allerersten vielleicht zehn Minuten gegen Hannover konnte man merken, was die Freiburger unter Christian Streich auszeichnet und wie klug sie als Gruppe aufeinander abgestimmt sind: Von asymmetrischen Staffelungen, in denen der ballferne Außenspieler höher auf die Verlagerung zum aufgefächerten Innenverteidiger lauerte, über klare 3-1-Anordnungen mit tiefer mannorientiertem Halbstürmer bis hin zu typischen 4-4-2-Mechanismen bei Deckungsschattennutzung der Angreifer war in diesem kurzen Phase im Pressing alles dabei. Entscheidend: Die Freiburger spulten das nicht ab, sondern wählten sehr aufmerksam situationsbezogen, welche Bewegungen Sinn machen würden. Sie coachten sich gegenseitig, bei temporären Wechseln aus der Dynamik heraus wurden Positionsverhalten und Aufgaben des Kollegen recht balanciert übernommen.
4-4-2-Logik in der Fünferkette bei Flügelisolation
Obwohl die Gäste aus Hannover mit dem Zurückfallen Schweglers oder Antons oft aus einer weiträumigen Dreierkette eröffneten, konnten Streichs Mannen das großteils kontrollieren und mit Flexibilität sowie individualtaktisch geschickten Bewegungen (Haberer) den Gegner mehrfach am Flügel isolieren. Im Grunde genommen besteht der Clou der neuen Formation darin, dass die Breisgauer tatsächlich zunächst einmal fast wie im 4-4-2 zu pressen versuchen. Wenn die beiden Stürmer sich vor dem gegnerischen Sechserraum positionierten, probierten sie im weiteren Verschieben nach außen, auch noch die größere Schnittstelle zwischen den zwei ballnahen Mittelfeldleuten hinter ihren Deckungsschatten zu bringen.
Mit den seitlichen Kräften der zweiten Reihe konnte man dann klassisch selbst am Flügel Druck machen – immer mit der Option in der Hinterhand, auf das Vorrücken der Flügelläufer umzustellen. Das Nachschieben des Sechsers dahinter nach außen war dafür schwächer abgesichert – und entsprechend die wunde Stelle der Vorgehensweise. Von Hannovers breitem 4-3-3 wurden die offenen Bereiche aber – wie auch, so könnte man hypothetisch ergänzen, von manchen anderen Bundesligisten – nur bedingt besetzt. Sie lassen sich unter Druck vom Flügel nicht so einfach bedienen. Gleichzeitig grenzte der Sportklub dieses hohe Risiko dadurch zu einem gewissen Grad ein, dass der tiefere Stürmer oder der ballferne Mittelfeldmann sehr viele gute Rückwärtswege mitmachten.
Mittelfeldsicherung durch Rückzugsbewegung und Herausrücken
Insgesamt arbeitete Terrazzino fast etwas häufiger in diese Lücken zurück als Frantz, für den das teilweise Haberer sehr gut übernahm. Bei solchen Ballgewinnen wäre übrigens der ballferne äußere Mittelfeldspieler eine wirklich interessante Option für die Einleitung von Kontermöglichkeiten. Zur Verteidigung von Lücken in oder hinter der zweiten Linie kann die Fünferkette auch noch selbst einschreiten: Schließlich kommt der „aus dem 4-4-2 geopferte“ Sechser gerade ihr zugute, in Form eines zusätzlichen Akteurs. Der alte Vorteil dieser Defensivreihe ist ihre verstärkte Präsenz, die nicht nur zur Flügelverteidigung nützlich sein kann, sondern auch eine hohe Bandbreite an möglichen Herausrückbewegungen bietet – um genau solche Räume zu schließen.
Aus der Abwehr heraus nehmen die Freiburger zudem immer wieder Mannorientierungen auf. Wenn sich gegnerische Angreifer in offene Bereiche um Höfler herum fallen lassen, versuchen sie das konsequent über die direkte Deckung zu verteidigen. Da Freiburg von diesen Positionen immer schon mit – teils etwas unbalancierten – Mannorientierungen arbeitete, macht für sie der zusätzliche Spieler in der letzten Reihe Sinn – zur weiteren Absicherung. Wenn ein Gegner aber sehr konsequent – auch nur „zufällig“ situationsbedingt – die ballnahen Bereiche besetzt, kann er die im Mittelfeld verbleibende Dreier- oder je nach Situation nur Zweiereihe aggressiv überladen und dann punktuell schon mit so viel Dynamik die Abwehr unter Druck setzen, dass das auch für eine Fünferkette richtig unangenehm wird.
Viele Reaktionsmöglichkeiten
Ein Vorteil dieses speziellen Freiburger Systems ist sicherlich, dass man schnell reagieren kann, wenn es irgendwelche – wie auch immer gearteten – Probleme gibt: Die Umstellungsmöglichkeiten sind sehr leicht und intuitiv. Beim Verschieben nach außen kann man beispielsweise den ballnahen Flügelverteidiger aggressiver und weiter herausrücken lassen. Dafür muss sich der offensive Block nur etwas enger – dadurch fast automatisch auch schon diagonaler – formieren und schon hat man das 5-3-2 in der Rollenverteilung mit 5-2-3-Übergängen. Viele der besten Freiburger Pressingszenen kamen in der Tat dadurch zustande, dass der Flügelläufer neben seinem nominellen Vordermann aufrückte und dieser innen mit Höfler die gegnerischen Sechser zustellte.
Die Stürmer koordinierten quasi das Vorgehen, deckten zunächst die direkten Wege ins Zentrum zu und zogen sich aus dieser Grundstaffelung zunehmend enger zum Ball hin, wo sie dem Gegner die Optionen weiter abschnüren und Rückpässe oder lange Schläge erzwingen wollten. Hier entwickelten sie dann eine geschickte Ballorientierung. Gegen Hannover reagierten sie auf Verlagerungen mehrmals mutig mit dem neuerlichen Herausrücken des anderen Flügelläufers. Im besten Falle konnte das dem Gegner einiges an Dynamik nehmen, zumal durch die breite Organisation der eigenen Formation der zuvor ballferne Außenspieler schnell schon wieder mit helfen und doppeln konnte – speziell bei Frantz funktionierte das gut.
Noch unkomplizierter ist die Option, Schuster von der nominellen „Libero“-Position einfach wieder ins defensive Mittelfeld neben Höfler aufrücken zu lassen. Mit einer sehr simplen Verschiebung kann Freiburg also das gewohnte 4-4-2 wiederherstellen, ohne dass sich dadurch die Aufgaben der anderen Spieler massiv ändern würden – nur in Nuancen etwa beim Verhalten in der Absicherung. Der Weg von einem unorthodoxen System wie gegen Hannover zum früheren „Plan A“ ist also ein kleiner Eingriff. Ein Zwischenschritt wäre es, Schuster quasi während der laufenden Spieldynamik auch mal aufrücken und wieder zurückfallen zu lassen, also als 4-1-1-2-2-Systematik. Das wurde bisher nur ganz vereinzelt und ganz leicht angedeutet, mit ihrer autonomen Organisation könnte eine solche 1-1-Anordnung eine komische, aber spannende Facette bringen.
Lange Bälle über das dünn besetzte Mittelfeld
Wenn diese Verschiebung mal stattfand, geschah das bisher – wie es etwas „klassischer“ ist – hauptsächlich bei eigenem Ballbesitz, in der Defensivarbeit dagegen praktisch gar nicht. Für Ersteres ist diese Maßnahme zumindest im derzeitigen Freiburger Kontext auch noch hilfreicher – oder dringender, könnte man beim Blick auf die bisherigen Offensivprobleme des Teams sogar sagen. Dass die Freiburger sich aktuell vor allem mit dem Toreschießen schwertun, verdeutlicht schon ein bloßer Blick auf die Zahlen: nur zwei Treffer nach sechs Partien. Für die beiden vergangenen Begegnungen lässt sich das von der neuen Formation nicht ganz abkoppeln: Aufgrund ihrer teils speziellen Interpretation haben sie verglichen mit dem lange bekannten 4-4-2 effektiv fast einen Sechser weniger in dieser Konstellation.
Zwar wurde früher häufig ein abkippender Sechser zum Aufbau aus einer Dreierkette genutzt, nun findet sich dieser Posten aber quasi dauerhaft weiter hinten. Das könnte eigentlich durch die beiden nominellen Achter ausgeglichen werden: Nur orientieren diese sich in der derzeitigen Ausrichtung bei Aufbauszenen der Freiburger häufig sehr früh nach vorne in die Spitze. Sie formieren sich zwar prinzipiell eng, aber in hohen Zonen, so dass Einrückbewegungen zur Füllung der Verbindungsbereiche schwierig werden. Ein wenig erinnert diese Sachlage an manche Frühphasen der vorigen Spielzeit. In diesen Verbindungsbereichen wiederum fand sich dann in den beiden vergangen Partien häufig nur – teilweise mit Schuster dahinter – Höfler, der trotz Verbesserungen in Sachen Technik und Orientierung nicht der optimale Spielmacher oder Passgeber wäre.
Diese geringe Zwischenpräsenz hängt auch damit zusammen, dass die Freiburger bei eigenem Ballbesitz gar nicht zwingend darauf angelegt sind, unbedingt geduldig und kontrolliert durch das Mittelfeld zu eröffnen. Noch stärker als letzte Saison gehören lange Bälle auf die beweglichen, ausweichenden Angriffskräfte zu den entscheidenden Mitteln ihrer Vorgehensweise. Wenn die Breisgauer nach Eroberungen umkämpfter Bälle das Leder mit Rückpässen zum Torwart sichern, rückt Schuster teilweise zu schnell Richtung Sechserraum in eine gestreckte Aufbauraute auf, so dass dadurch die Unterstützung für die auffächernden Halbverteidiger etwas leidet und man wieder auf die Eröffnung über den langen Ball festgelegt wird. Insgesamt könnte man argumentieren, dass dieses Element aktuell fast zu sehr Überhand bei den Freiburgern zu nehmen droht.
Zweite Bälle und ihr Gehalt
Momentan gelingt es Freiburg zudem nicht entscheidend, aus den Abprallern bzw. aus den entstehenden Folgeaktionen für sich offensiven Effekt zu erzielen. Auch in dieser Hinsicht sind Präsenzprobleme in den Übergangszonen um Höfler herum und hinter den vorderen Kräften nicht unbedeutend – obwohl jene Bereiche zunächst überspielt werden. Springen Abpraller dorthin, kann Freiburg trotz der kompakt formierten Offensive nicht so schnell Präsenz und Unterstützung in der zweiten Reihe anschließen. Insgesamt ist die Verbindung durch das Mittelfeld hindurch in dieser personellen Konstellation eben etwas dünner besetzt – was sich dann auch mal auswirkt. Um die vordere Kompaktheit herum gibt es in der zweiten Welle dann keinen direkten Anschluss, um beispielsweise kleine Unsauberkeiten schnell zu korrigieren und zu verhindern, dass der Gegner sich löst. Strukturell ist die balancierte Anbindung von Ballungen an das Gesamtkonstrukt aktuell eine Kernfrage.
Insgesamt kommt Freiburg nach zweiten Bällen schon dann und wann zu seinen Szenen, wenngleich nicht in besonders großem Umfang. Dabei wirken sie immer gefährlich, sorgen mit ihrer bewegungsstarken Offensive für viel Unruhe, können aus diesen umkämpften Szenen, bei denen die Offensivabteilung bisweilen auf sich gestellt ist und im ersten Moment wenig Ausweich- oder Abbruchmöglichkeiten hat, aber keine Klarheit in die Aktionen bringen. Von daher hat es schon seine Bedeutung, wenn Schuster sich bei Ballbesitz weiter nach vorne in eine 4-4-2-hafte Logik schiebt. Dadurch lässt sich mehr Mittelfeldpräsenz hinter der Ballungszone generieren. So agiert Freiburg noch geschlossener und erhöht die Chance, zweite Bälle zu gewinnen.
Mehr offensive Ambition gegen Bremen
Gelingt das häufiger, profitiert logischerweise auch das Angriffsspiel davon. Ausgangspunkt vieler Folgeszenen ist die linke Seite, wo Terrazzino im Mittelpunkt steht, aber auch Niederlechner oder Haberer nach ausweichenden Bewegungen mal ankurbeln. Wenn die Breisgauer in solche Situationen erst einmal hinein gekommen sind, zeigt sich auch ihr spielerisches Potential – das sie ansonsten über den Aufbau aktuell einfach kaum zum Vorschein bringen können. Die Sturmspitze kann sich kompakt nach außen verschieben, die Flügelläufer machen beidseitig diagonale Wege, Dribblings werden gut genutzt, Frantz kann von rechts für Zug zum Tor sorgen.
Vereinzelt gehen von Niederlechner und vor allem Haberer aus der Angriffsreihe zudem Versuche aus, das Spiel durch die Übergangszonen mehr zu entwickeln. Dabei lassen sie sich schräg nach hinten fallen, m gegenläufige Diagonalpässe der Flügelverteidiger zu erhalten und sich im Optimalfall aufzudrehen. Gelegentlich können die aufrückenden Bewegungen von Frantz oder eventuell Terrazzino gegen den Rückzug des Gegners Raum dafür frei drücken. Besonders gegen Bremen in der letzten Partie war dies zu sehen und ging einher mit allgemeinen Bemühungen in diese Richtung. Christian Streich schien den nächsten Schritt vorbereiten und nach begonnener Stabilisierung quasi den Ausbau einer zusätzlichen „Stufe“ im Offensivspiel einleiten zu wollen.
Gegenpressing als Glanzpunkt
Wichtige Grundlage dafür war die Tatsache, dass Freiburg nun wieder wesentlich engagierter versuchte, den Ball auch mal in der ersten Reihe zirkulieren zu lassen – um eben dann genau solche Aktionen von Haberer oder Niederlechner einsetzen zu können. Mannschaftsstrategisch wurde das gegen die Werderaner zudem mit einem Linksfokus und Überladungsversuchen kombiniert. Teilweise agierte Terrazzino weit links, auch die Sturmreihe schob kompakt herüber. Da sich der Restblock bei Flügelangriffen ähnlich kohärent anschloss, hatte Freiburg direkt eine sehr gute Absicherung. Ganz allgemein ist das übrigens wiederum eine sehr wirkmächtige Stärke des Teams in dieser Saison.
Wie gewohnt agieren sie sehr engagiert im Gegenpressing, unterstützen sich gut, nutzen die engen Ausgangsstaffelungen dafür konsequent und – ein wichtiges Detail – begleiten bei Dribblings in der Folgeaktion den Mitspieler recht kompakt. Entscheidend in der aktuellen Formation ist zudem das aufmerksame, konsequente Herausschieben des ballnahen Flügelläufers (vor allem Stenzel) auch aus tiefen, nicht so weit aufgerückten Positionen oder diagonal, um höher Druck zu machen. Nachdem Freiburg den linken Flügel erreicht und besetzt hatte, konnte dann Frantz aus dem rechten Halbraum seine typischen Vorwärtsbewegungen in die Spitze einbringen, um Gegner zu binden oder als potentielle Verlagerungsoption zu dienen – und nicht schon vor dem eigentlichen Spielaufbau.
Anbindungsfragen noch nicht abschließend geklärt
Nur: Genau das blieb auch weiter problematisch. Erneut rückten auch die beiden nominellen Achter schon frühzeitig mit in die höheren Zonen (siehe Szenengrafik oben) und formten dort einen kompakten Block. So versuchte Freiburg zwar konstruktiver aufzubauen und das Leder mehr laufen zu lassen. Es war für die Verteidiger aber oft schwierig, Optionen zu finden. Wollte man den langen Schlag vermeiden, mussten viele Eröffnungen über die Flügelläufer erfolgen. Wenn das gelang und die Breisgauer beispielsweise über Günter die geplanten Linksüberladungen erreichen konnten, war man aber – wie auch bei Einleitungen über Abpraller – sehr breit auf den Flügel gedrückt. So fand also die Einleitung der Überladungen in gedrängter Umgebung statt.
Wenn Freiburg in Bremen über den Flügel entlang nach vorne spielte, taten sie sich insgesamt schwer, dort aus den engen Szenen wieder kontrolliert heraus zu kombinieren. Zu dieser Schwierigkeit trug auch die Einbindung von Frantz mit dessen aufrückenden Läufen bei. Einerseits sorgten diese für Präsenz vorne und theoretisches Durchschlagskraftpotential. Andererseits wurde so die Zugänglichkeit des ballfernen Halbraums, den Frantz nicht mehr besetzte und in den man nicht so gut mehr verlagern konnte, kompliziert. Das hätte eine wichtige Station sein können, um das Spiel von links zu öffnen, und konnte von den diagonalen Bewegungen Stenzels nur in Teilen aufgefangen werden. Im Mittelfeld wird sich Freiburg wohl noch steigern und präsenter sein müssen, um wieder mehr Torgefahr zurück zu gewinnen. Sie können 5-1-4, in dieser Hinsicht passt es aber nicht so.
Fazit
Christian Streichs Freiburger praktizieren aktuell ein sehr interessantes und vielseitiges System, das zum einen ziemlich ungewöhnlich und zum anderen recht gut in Schuss ist. Ein Pressing wie gegen Hannover sieht man so eigentlich selten bis gar nicht. Von einer wirklichen Krise oder Abnutzungserscheinungen ist bei den Breisgauern nichts zu erkennen. Wie gewohnt, sind sie fast immer sehr gut im Spiel, können den Gegner beschäftigen und gefallen mit ihrer klugen Abstimmung. Nur: Zwar versprüht der Sportklub mit seiner Bewegung stets eine gewisse Gefahr, die ganz große Schwierigkeit liegt aber momentan darin, sich klare und saubere Torchancen zu erspielen. Nach dem zuletzt sehr umfassenden Fokus auf lange Bälle und Abpraller versuchte Streich jüngst gegen Bremen, mit angepasster Rollenverteilung und Linksüberladung die Gewichte neu zu justieren.
Das war ein erster Schritt für eine weitere Belebung des Offensivspiels, muss in Sachen Verbindungspräsenz aber ausgebaut werden. Allerdings stehen den Breisgauern in den beiden nächsten Partien mit den Gegnern Hoffenheim und Bayern zwei undankbare Herausforderungen ins Haus, gegen die mit etwas Pech eine Negativdynamik entstehen könnte. Spannend wird zunächst einmal, wie sich Streich taktisch auf diese beiden Spiele einstellt: Die 5-1-4-Pressingtendenzen wird man gegen Hoffenheims hohe Achter sicherlich nicht sehen. Wird es dann ein kompakteres 5-3-2 oder eher die Variante aus dem Bremen-Spiel? Würde man bei einer flachen Dreierreihe in der ersten Linie versuchen, die gegnerischen Aufbauakteure in Gleichzahl zuzustellen oder sich etwas anders orientieren? Da bleibt noch Raum für Gedankenspiele und man kann sich von den Partien der Freiburger – so oft zuletzt auch die meist nicht so gern gesehenen 0:0-Ergebnisse dabei waren – einiges erwarten.
18 Kommentare Alle anzeigen
Zerstreuung-Fußball 1. Oktober 2017 um 20:44
Irgendwie scheint mein letzter Kommentar verloren gegangen zu sein…
Danke für diese hervorragende Analyse. Ich bin sehr beeindruckt.
Mir gefällt Streichs flexibles System sehr. Allerdings ist es gerade diese anspruchsvolle Flexibilität, die auch ein kleines Problem darstellt. Die Rollen von Schuster, Höfler und Frantz scheinen mir ziemlich auf diese Spieler zugeschnitten zu sein. Schuster, der zwischen IV und Sechser wechselt oder Frantz, der defensiv teilweise in der ersten Pressinglinie oder neben Höfler agiert, oft aber auch rechts offensiv zu finden ist. Wie gesagt, das System gefällt mir, aber ich bin unsicher ob ich es gut finden soll, dass es auf den drei Säulen Schuster, Höfler und Frantz aufgebaut ist. Ich hoffe Streich schafft es auch Ravet, Kent und Kath etwas besser zu intigrieren.
Wäre Stenzel auf Sicht ein Kandidat für die Höflerposition? Haberer könnte in die Rolle von Frantz schlüpfen, wäre meiner Meinung nach damit aber nicht perfekt eingesetzt.
Mal sehen, was in dieser Saison noch passiert. Prinzipiell vertraue ich Streich von Jahr zu Jahr mehr.
Zerstreuung-Fußball 1. Oktober 2017 um 13:03
Vielen Dank für diesen tollen Artikel! Soweit ich mich erinnern kann, ist es der erste grundsätzliche Text zum Sportclub seit Dezember 2012 (https://spielverlagerung.de/2012/12/18/der-sc-freiburg-unter-streich/), den ich aber immer noch sehr empfehlen kann.
Ich versuche mich selbst seit ca 2 Monaten an kleineren Analysen zum SC Freiburg (http://zerstreuung-fussball.de/) und bin nun etwas ernüchtert, wie viel mehr TR aus der Analyse von (hauptsächlich) zwei Spielen herauslesen konnte. Das ist beeindruckend.
Fragen zum Text:
1. Es fällt auf, dass Höfler in diesem Text gar nicht die Bundesligatauglichkeit abgesprochen wird. Da wollte ich fragen ob RM (der das in den Podcasts häufiger erwähnte) diese Meinung bei Spielverlagerung.de exklusiv für sich hat oder allgemein geteilt wird? Selbst als SC-Fan muss ich zwar einsehen, dass er unter Druck seine Probleme hat, aber sonst halte ich ihn für recht solide.
2. Anschließend daran: Siehst du Stenzel in näherer Zukunft als eine potenzielle Alternative für Höflers Position?
3. Dieses Herausrücken Schusters in der ersten Halbzeit gegen Hannover kam mir sehr unorthodox vor. Hat aber meiner Meinung nach sehr gut funktioniert, gerade weil Höfler somit noch weiter aufrücken konnte. Ich hatte das Gefühl, dass Streich sich dabei ein wenig von Breitenreiters „Anton-shuffle“ hat inspirieren lassen. Interpretiere ich da zuviel hinein?
4. Letzte These: das Problem an dem flexiblen Freiburger System ist, dass man sich damit etwas unflexibel bei der Aufstellung macht. Die Rollen von Schuster, Frantz und Höfler erfordern einerseits ein hohes taktisches Verständnis und die Fähigkeit fluide und sicher zwischen Positionen zu wechseln. Also Schuster als zentraler Innenverteidiger und dann als absichernder Sechser hinter/neben Höfler. Oder Frantz, der zwischen rechtem Mittelfeld im Angriff, erster Pressinglinie im 5-2-3 und zweiter Pressinglinie im 5-3-2 wechseln muss.
Ich bin mir unsicher, ob Kent, Ravet oder Kath solche Rollen übernehmen können. Mir gefällt sehr, was Streich sich da ausgedacht hat, finde es aber etwas Problematisch, dass das System ausgerechnet auf Schuster, Höfler und Frantz als Grundpfeiler aufbaut.
Danke nochmal für die hervorragende Analyse. Hat mir sehr geholfen.
TR 3. Oktober 2017 um 00:13
Hallo, schönen Dank für die lobenden Worte und interessant auch, von einem weiteren vereinsbezogenen Taktikblog zu hören.
Zu den Fragen und Anmerkungen:
1. Eine allgemeine Redaktionsmeinung gibt es da gar nicht wirklich, ich für meinen Teil gehe von der Tendenz her auch in Richtung der Podcastaussagen (waren aber von MR und nicht RM), sehe Höfler jedoch nicht ganz so „negativ“ und finde, dass er sich zuletzt etwas gesteigert hat, wie das im Text auch detaillierter an einer Stelle angesprochen wurde (recht agil beispielsweise ist er ohnehin). Die Probleme etwa in der Spielgestaltung sind aber schon weiterhin vorhanden: Gerade jetzt in der neuen Systematik kann sich das auch wieder stärker auswirken, da er prinzipiell der einzige Verbindungsspieler innerhalb des Mittelfelds ist. Nun hatte Freiburg in den Partien, die hier im Artikel hauptsächlich abgedeckt sind, wenig Aufbauszenen durch den Sechserraum, aber gerade wenn beispielsweise Abpraller etwas sauberer kontrolliert und von den umliegenden Kollegen in Höflers Zonen zugeliefert werden konnten, hatte er entsprechende Verantwortung für die Neueinleitung der Angriffe aus mal seltenen wertvolleren Ausgangslagen. In solchen Szenen hatte er dann mal wenig Druck, fand aber mögliche Freiräume nicht, sondern entschied sich für sehr seltsame Zuspiele. Das auch als Antwort auf den Kommentar von @ Paladinus.
2. Schwierig, habe eigentlich eher das Gefühl, dass seine Art der Weiträumigkeit generell für eine dauerhafte Rolle als Sechser nicht ganz optimal ist, finde Stenzel daher in diagonaler Einbindung als Flügelläufer doch etwas besser aufgehoben vermutlich. In bestimmten Konstellationen wäre es langfristig vielleicht eine Option, zumal sich die Gegenpressingqualitäten Stenzels natürlich sehr gut eignen würden und man auch seine Laufstärke gut einbinden könnte, aber bzgl. einer tragenden Führungsrolle bin ich mir da unsicher.
4. Dieser Problematik würde ich so zustimmen. Zu den Personalien Kent und Ravet ergab sich weiter unten auch ein ähnliches Meinungsbild. Vor dem Hintergrund, dass sich Streich da also schon auch in einer gewissen Zwickmühle befindet, und der Tatsache, dass eben gerade einzelne und auch ältere Spieler die „Grundpfeiler“, wie du schreibst, der Ausrichtung bilden, werden die weiteren Maßnahmen und entwicklungstechnischen Entscheidungen von Streich nochmals zusätzlich interessant (ebenso wie mögliche Wintertransfers).
Zerstreuung-Fußball 3. Oktober 2017 um 09:36
Vielen Dank für die schnelle Antwort. Der Doppelkommentar tut mir leid. Da war ich wohl zu ungeduldig, bis der erste freigeschalten wurde.
Zu Stenzel. Ich beziehe mich da auf eine recht ungenaue Aussage von Streich auf einer PK in der letzten Saison. Dort wurde Stenzel als sehr lernwilliger und reflexionsfähiger Spieler beschrieben. Streich sagte, dass er für die nächste Saison etwas umdenken müsste und auf die Veränderungen (Abgänge des SCF und Aufstieg von Stuttgart und Hannover) reagieren müsse. Er sprach von einem 3-Jahreszyklus, den man unterbrechen müsse. Stenzel solle dabei eine zentrale (also eher wichtige) Rolle erhalten. Da hatte ich schnell an die Sechs oder den zentralen Innenverteidiger gedacht. In den Testspielen sah es dann aber eher so aus, als ob er diese Rolle als Rechtsverteidiger ausüben sollte:
Bei eigenem Aufbau blieb Höfler im Mittelfeld, aber Stenzel ließ sich neben die beiden Innenverteidiger fallen und baute mit ihnen in einer Dreierkette auf. Das war eigentlich ganz interessant, da man so tatsächlich Präsenz im Mittelfeld hatte.
Dieses Muster war nun aber während der Bundesliga nicht mehr zu sehen.
Bin mal gespannt, was Streich mit Stenzel noch vor hat. Ich würde ihn gerne mal auf einer anderen Position sehen, gerade auch weil er defensiv gegen schnelle Flügelläufer etwas Probleme hat. Trotzdem gefällt es mir auch, dass der SCF jemanden als rechten Verteidiger hat, der auch von dieser Position einen gewissen Einfluss auf das Spiel hat und nicht einfach nur die Linie hoch und runter rennt.
P.S.: Hast recht. War natürlich MR. Eure komischen Kürzel…
tobit 3. Oktober 2017 um 23:21
Könnte Stenzel vielleicht in die Frantz-Rolle schlüpfen oder fehlt ihm dazu die Durchschlagskraft? Die Vertikalität und Laufstärke hätte er dafür und seine kleineren Tempodefizite auf Außen könnte man auch kaschieren.
Als ZIV fände ich ihn auch interessant, da müsste er aber im Zweikampf nochmal deutlich zulegen, gerade in der Luft fehlt ihm einiges zu einem IV von Erstligaformat.
Auf der Solo-Sechs hätte ich ihn spontan nicht gesehen, gerade hinter so vielen aufrückenden und rochierenden Spielern.
Kann jemand Kapustka genauer einschätzen? Wäre der passend auf einer der Halbpositionen?
Zerstreuung-Fußball 4. Oktober 2017 um 00:09
Ich traue Stenzel mit einiger Eingewöhnungszeit fast alles zu. Gerade die Option als Innenverteidiger wurde von Streich auch schon mal angesprochen. Eigentlich wurde Stenzel nicht als RV geholt.
Deine Idee mit der Frantz-Rolle überzeugt mich.
Kapustka ist wohl noch nicht wirklich fit. Streich erwähnte auf einer Pressekonferenz, dass er in Leicester kaum trainiert hat. War eigentlich ein ganz interessanter Gedanke von ihm. In England gäbe es ein großes Problem für diejenigen, die nicht im Kader für die Spiele sind. Da es so viele Spiele gibt, können die Mannschaften nur selten in der ganz großen Gruppe trainieren. Kaderplatz 18 hat somit keine Spiele und nicht einmal mehr ein geregeltes Training unter der Woche. In den Testspielen fiel Kapustka vor allem durch seine Schnelligkeit auf. Wurde aber häufig von Streich in seiner Positionierung gegen den Ball korrigiert, soweit ich das im Stream mitbekommen konnte.
Die Leihe von Kent (ohne Kaufoption) scheint aber ein klares Signal zu sein Kaputska (mit KO) langsam aufzubauen. Ich rechne eher ab der Rückrunde mit ihm.
Wie schon erwähnt, wird es sehr spannend, ob es Streich schafft die etwas vertikaleren Spieler Kent, Kapustka, Kath und auch Ravet einzubinden.
tobit 4. Oktober 2017 um 15:27
Könnte man nicht Haberer, der ja ein guter Spielmacher zu sein scheint, auf eine der Halbpositionen verschieben und dann z.B. Ravet (um Mal den zu nennen, den ich schon gesehen habe) als ausweichenden Stürmer zu bringen? Dann könnte man vielleicht auch noch besser zwischen 5-12-2 und 5-2-3 wechseln.
Wie sähe es denn mit Kent (z.B.) als linkem Linienläufer aus? Sowas finde ich immer sehr interessant, da die meisten AV doch spielerisch Probleme haben. Gerade die sehr vertikale Günter-Rolle mit Söyüncü als Aufräumer dahinter könnte sich für einen gelernten Offensivspieler anbieten.
Paladinus 3. Oktober 2017 um 11:04
Danke auch von mir für die sehr schlüssig klingende Antwort!
MR 4. Oktober 2017 um 00:46
Ich finde übrigens, dass sich Höfler sehr gesteigert hat. Macht den Eindruck, dass er ein Musterschüler ist und halt sehr viel mitdenkt, sehr viel lernt und bestimmt auch sehr viel kommuniziert auf dem Platz. Vor allem seine Orientierung ist sehr gut geworden, dadurch hat er hier und da echt gute Szenen. Gerade in anspruchsvollen Szene und in der Summe seiner strategischen Entscheidungen find ich ihn aber immer noch problematisch. Und technisch wie athletisch ist er halt nur Zweitliganiveau.
Zerstreuung-Fußball 4. Oktober 2017 um 10:21
Ich stimme übrigens auch größtenteils zu, dass Höfler (wie auch Schuster) einige Defizite hat. Gerade gegen Leipzig konnte man sehen, wie beide wenn sie Zeit haben eigentlich gute Entscheidungen treffen, aber große Schwierigkeiten bekommen, wenn sie unter Druck gesetzt werden. Das ist auch exemplarisch für die ganze Freiburger Mannschaft in den letzten Jahren, die zu individuellen Fehlern neigt, wenn ein Gegner aggressiv stört. Vielleicht auch der Grund dafür, dass Streich davon abgewichen ist flach aufzubauen und seit der Winterpause in der zweiten Liga vermehrt auf lange Bälle setzt.
Die Rolle von Höfler ist in diesem Ausbildungsverein trotzdem sehr wichtig. Es gibt nicht so viele Stützen, die wirklich lange bleiben. Man braucht halt doch ein paar Spieler, die auch über Jahre Stammpersonal sind und die anderen Spieler, die nach zwei Jahren wieder gehen, mit integrieren. Ein Spieler, der über Jahre beim SCF bleibt, hat halt leider seine Defizite. Sonst wäre er schon in Gladbach oder Berlin. Das wird man als Freiburg-Fan akzeptieren müssen.
Trotzdem ist es absolut legitim Höflers Schwächen zu benennen. Ohne zu vergessen, dass er auch sehr gute Tage und Aktionen hat.
Paladinus 1. Oktober 2017 um 11:41
Vielen Dank für diese detaillierte Analyse, über die ich mich als Freiburgfan sehr gefreut habe – sehr interessant, die Mechanismen so aufgezeigt zu bekommen. Falls du, TR, noch mal Lust hast, eine Frage zu beantworten: Wie siehst du denn die Entwicklung von Höfler als Ankerpunkt des SC-Spiels? Unter Anhängern von Freiburg ist er recht umstritten. Einerseits wird er als beruhigender und ballsicherer Faktor geschätzt, andererseits für seine Pirouetten am Ball, seine Querpässe und Tempoverschleppungen gerügt. Kannst du mehr zu ihm sagen?
studdi 30. September 2017 um 14:48
Habe die spiele leider nicht gesehen. Dieses 5-1-3-2 gegen Hannover hört sich aber doch so an das da durchaus lücken in der mitte waren und diese nur nicht zum tragen kamen da Hannover nicht durchs Zentrum gespielt hat, oder verstehe ich das falsch?
Könnte man diese Taktik nicht recht gut aushebeln, da sie ja scheinbar hauptsächlich flügelangriffe gut verhindert oder führt das „rückwärtspressen“ der Stürmer dazu dass man vom flügel nicht gut zurück ins Zentrum kommen kann?
tobit 30. September 2017 um 15:03
Sie scheinen die Flügel mit Aussenverteidiger, Halbverteidiger, Halbaussen (Frantz bzw. Terrazzino) und Höfler sehr gut zuzuschieben. Da bekommen dann die meisten Aussenverteidiger (oder linearen Flügelstürmer) ziemliche Probleme, den Ball erfolgsstabil zu verlagern. Wenn man das nicht stabil hinbekommt, lädt man die Freiburger aus der Struktur ziemlich zum Kontern ein. Wenn da einer wie Guerreiro angespielt wird, könnte der das eventuell (wie letzte Saison gegen Leverkusen) sehr gut aushebeln und große Durchschlagskraft entwickeln.
Ein weiteres Problem der Liga ist, dass viele noch nicht bewusst genug den ballfernen Halbraum besetzen, sondern ballfern meist breit oder in die Spitze orientiert sind. Gerade die ganzen 5221-Systeme neigen da zu einem Loch, wenn der ballferne Zehner den Raum nicht besetzt (der zieht bei vielen Teams entweder in die Spitze oder versucht ballnah zu überladen)
TR 1. Oktober 2017 um 10:35
Ja, genau, das versucht der Artikel eben anzusprechen: Wie Freiburg aus einer ohnehin schon eher breiten Formation noch mal Personal nach außen dazu schiebt, ist das natürlich riskant, weil eben entsprechende Lücken in der Mitte bleiben. Umgekehrt ist es aber für den Gegner, vom zugestellten Flügel unter Druck dort kontrolliert hineinzuspielen. Denn: Wenn Freiburg den eigenen Plan gut durchzieht, ist der Gegner (speziell bei der Besetzung auf den Außenpositionen, wie @tobit anspricht) aufgrund des begrenzten Raumes und der eigenen Unterzahl unter starkem Druck. Zudem können genau jene nach außen gerückten Spieler, die sich zwischen den Wegen ins potentiell offene Zentrum befinden, noch versuchen, diese Wege während des Druckaufbaus dichtzumachen. Wie du selbst erwähnst, kommt dann noch etwaiges Rückwärtspressen hinzu. Kurz gesagt: Freiburg macht das riskant und lässt entsprechende Lücken, die sind aber nicht so leicht zu bespielen. In vielen der Grafiken kommt diese Zweischneidigkeit oft zur Geltung.
BS 30. September 2017 um 13:13
Ebenfalls vielen Dank für die sehr detaillierte Analyse. Ich für meinen Teil hoffe nur, dass sie nicht zu früh veröffentlicht wurde, sodass JN von Hoffenheim sich nicht auf dieser Basis einen Plan B,C,D,… für das Spiel am Sonntag zurechtlegen kann : P
Generell hoffe ich sehr, dass Streich das mit dem Offensivspiel bald hinbekommt. Aber, so sehr ich M. Philipp seinen Erfolg beim BVB gönne, er fehlt eben sehr in Freiburg.
RadicalEd 30. September 2017 um 07:58
Toller Artikel, sehr interessant und tiefgreifend wie üblich ;). Wie siehst du denn die potentielle Rolle der beiden spät verpflichten Hoffnugnsträger für die Offensive, Kent und Ravet in einem solchem System?
Nach dem was ich gesehen habe ist Kent doch ein relativ geradliniger, durchbruchorientierter Flügelstürmer (meinetwegen auch ein Mittelfeldspieler) aber sehe ihn weder in der Sturmspitze (jedenfalls nicht als Zielpunkt für lange Bälle) noch auf einer Halbposition wie Terazzino und Frantz (unausgereift in der Defensivbewegung, kann da seine enorme Schnelligkeit da auch nur bedingt ausspielen). Ähnliche Probleme sehe ich auch bei Ravet, auch der ist mir bisher als klassischer, dribbelstarker Rechtsaußen mit ordentlichem Abschluss in Erinnerung geblieben, siehst du da eine sinnvolle Einbindung als zweiter Stürmer, oder Achter?
TR 1. Oktober 2017 um 10:42
Die Frage macht Sinn, ja. Zu Ravet kann ich leider nichts sagen, habe ihn bisher noch nicht spielen sehen und er war für die Freiburger auch tatsächlich noch kaum/nicht im Einsatz, oder? Bzgl. Kent hatte ich bei seinen bisherigen Kurzeinsätzen einen ähnlichen Eindruck wie du: recht geradliniger Tempospieler, aber auch interessanter Dribbler. Wenn man die Halbpositionen ähnlich hoch interpretieren würde wie gegen Hannover, ließe sich Kent da vielleicht einbinden: Fokus auf aggressives Anlaufen im Pressing, dazu einzelne explosive und aggressive Rückwärtspressingbewegungen, bei Ballbesitz würde er ohnehin weit in den Pulk aufrücken und dort Folgeaktionen nach Abprallern suchen. Das könnte funktionieren, etwas unbalanciert wäre es schon. Zumal mit Kent und Ravet jetzt noch zwei weitere Offensivspieler einzubinden wären, ließe sich das möglicherweise als Hinweis darauf interpretieren, dass Streich demnächst generell mehr in eine 5-2-3-Richtung gehen (und das nicht nur als Defensivformation wie gegen Bremen nutzen) könnte. Mal sehen.
Abschließend vielen Dank für das Lob und für den Beitrag, dies ebenso auch an die anderen Kommentarschreiber hier.
tobit 1. Oktober 2017 um 11:17
Ravet hat bisher nur 30 Minuten bis zu seiner Roten Karte gegen Dortmund gespielt. Da wirkte er eher nicht so passend für eine Achter-Rolle auf mich. Zumindest nicht für ganze Spiele – in einer Schlussphase könnte ich mir das eher vorstellen, da dann seine Dribblingqualität und aggressive Ballverteilung da gut hinpassen könnte. Ins 523 passt er als Außen ziemlich gut, weil er (so zumindest mein Eindruck in den 30 Minuten) ganz gut zwischen breiten und eingerückten Positionen variiert und aus beiden Bereichen gute Ansätze Richtung Tor hatte.