Blick über den Tellerrand – Folge 40

Themen der 40. Ausgabe: Die Ajax-Talenthoffnungen Kasper Dolberg und Justin Kluivert machen sich gut in der Eredivisie. Southamptons Herangehensweise im Pokal gegen Arsenal ging schief und wurde unter anderem von langen Bällen düpiert. In Frankreich versucht Rudi Garcia mit Marseille den Anschluss an die Spitzengruppe herzustellen.

Spieler der Woche: Justin Kluivert und Kasper Dolberg

Vater und Sohn im Profifußball: Das ist immer ein sehr spezielles und häufig ungleiches Phänomen mit mehr oder weniger glücklicher Ausprägung. Ein weiteres Kapitel dieser Geschichte wird derzeit in Amsterdam bei Ajax geschrieben: Wo Patrick Kluivert – einer der großen Namen auf der internationalen Fußballbühne – schon als Youngster zum Champions-League-Sieger wurde und die Grundlagen für eine schillernde Karriere legte, steht nun Sohn Justin auf dem Sprung. In den Jugendteams des niederländischen Rekordmeisters sorgte er bereits für Aufsehen, trainierte im Laufe des letzten Jahres mehrmals bei der ersten Mannschaft mit und durfte nun zum Rückrundenstart sein Eredivisie-Debüt feiern – mit 17 Jahren.

Beim Auswärtsmatch bei PEC Zwolle war Justin Kluivert in der ersten Halbzeit als Linksaußen für den verletzten Younes aufs Feld gekommen, an diesem Wochenende gab es dann gegen ADO den ersten Startelfeinsatz. Jeweils lieferte er einen vielversprechenden Auftritt. Zunächst einmal ist der (noch?) kleingewachsene Justin schon von der Statur ein anderer Spielertyp als sein Vater, dessen Stil schon früh auch von einer gewissen Wuchtigkeit und Athletik geprägt war, und kommt viel mehr über seine wendige, flinke Natur. Recht beeindruckend an der Spielweise des jungen Dribblers ist seine Ruhe: Weder sah man allzu hektische noch überambitionierte, wild-ungezügelte Entscheidungen.

Insgesamt wirkte Kluivert junior schon rational in seinen Aktionen. Das äußerte sich etwa in einigen sauberen Ballsicherungen und logischen Lösungen am Flügel. Auch im Passspiel fand er gute Entscheidungen, Varianten und suchte grundsätzlich das Zusammenspiel. Allerdings machte sich auch eine recht starke Prägung durch vermutlich zu klare Rollen- und Aktionsvorgaben aus der Jugendausbildung bemerkbar: In bestimmten Situationen griff er etwas mechanisch und „erfüllend“ zu frühzeitigen, mit Schnitt in den Strafraum geschlagenen Bällen oder vorgefertigten Auftaktbewegungen. Als Rechtsaußen, wie es in der Jugend (zu) häufig vorgekommen ist, ist er nicht ganz so gut eingesetzt.

Dass er bei seinem ersten Match in der Eredivisie schon viele gefährliche Szenen heraufbeschwören und das Spiel des Rekordmeisters an sich ziehen konnte, wurde von zwei weiteren Punkten entscheidend getragen: Zum ersten sorgte seine enorme Explosivität für eine vergleichsweise hohe Durchsetzungsfähigkeit des Jungstars im Dribbling, der auch in Unterzahlen sich bietende Räume zielstrebig und sauber nutzte. Wenn er auf größere Umformungen seiner Teamkollegen im mannschafts- oder gruppentaktischen Rahmen reagieren muss, zeigt er im Zuge dieser Anpassung zudem schon eine gute Positionsfindung. Diesbezüglich ist er ansonsten aber noch recht vorsichtig, verharrt teilweise zu lange in breiten Räumen.

Zum zweiten spielte eine Rolle, dass Justin Kluivert bei seinen Drehungen und Richtungswechseln sehr schnell zu sauberer Neuorientierung im Raum kommt. Im Detail ist die technische und auch koordinative Ausführung von solchen Moves und Dribblings noch gar nicht so gut, etwas inkonstant, unkontrolliert und ungeschärft. Jedoch schafft er es, seine flinke Art auf die Schwerpunktverlagerungen und die Neuorientierung zu übertragen. Dadurch kann er sich dann entscheidende Vorteile verschaffen. Sehr vielseitig und anpassungsfähig zeigt sich beim 17-Jährigen die Pass- und Schusstechnik, die plötzliche Überraschungsmomente ermöglicht, so aber auch eine gewisse Inkonstanz und dabei einige grobe Elemente beinhaltet.

Übrigens ließe sich aktuell vermuten, dass Justin Kluivert potentiell auch ein ganz guter Pressingspieler werden könnte. Sowohl in den ersten Pressingphasen als auch in der Rückzugsbewegung danach zeigte er sich bisher engagiert und aufmerksam. Zum einen positionierte er sich grundsätzlich recht gut in (diagonalen) Passwegen. Zum zweiten stocherte er gegen gegnerische Zentrumsdribblings einige Male recht geschickt aus dem Rücken den Ball weg. Insgesamt scheint er ein ganz gutes Timinggefühl bei der Zugriffswahl zu haben bzw. das auch durch seine wendigen Bewegungsabläufe effektiv nutzen zu können. Bei ersterem ist er in der Positionsfindung aber noch inkonstant, bei letzterem noch etwas unbewusst. Das Potential deutet sich aber an.

Wenn man schon einmal bei den Stichworten Ajax und Kluivert ist, kann man auch noch ein paar Sätze zu Kasper Dolberg verlieren – dem aktuellen Mittelstürmer der Amsterdamer. Längst hat sich der 19-jährige Nachwuchsmann im Team etabliert, ist aber überhaupt erst seit der Sommervorbereitung im Profikader – um dann zum Saisonstart direkt in die Stammelf zu gelangen und dort zu bleiben. Das passt sehr gut zur Spielweise des jungen Dänen, die von flüssigen Bewegungsabläufen geprägt ist und technisch ansprechend daherkommt, vor allem aber von einer „unterkühlten“ Qualität lebt:

In seiner Entscheidungsfindung ist Dolberg sehr konstant und lässt sich von der Umgebung oder besonderen Dynamiken in Situationen kaum beeinflussen. Technisch ruft er seine Aktionen gleichförmig und konstant ab. Das hilft ihm bei seinen starken Drehungen und Ballmitnahmen. Insgesamt bindet sich Dolberg mit zurückfallenden Bewegungen vergleichsweise häufig und präsent ein, sucht  tendenziell auch die klaren, unangenehmen Zweikämpfe, wo er mit gegnerschlagenden Aktionen potentiell viel Wirkung entfalten kann – gerade gegen die Mannorientierungen in der Eredivisie gelingt das auch und macht Sinn.

Selbst mit Rücken zum Tor aus der Dynamik heraus versteht es Dolberg, sich geschmeidig und pointiert in Räume hineinzudrehen und Bälle unter Druck zu sichern. Elegantes Festmachen des Leders und harmonische Drehungen sind seine Markenzeichen. Zudem bringt er viele schöne Ablagen oder Hackenweiterleitungen, und bewegt sich dann schnell weiter. In dieser Spielzeit haben sich direkte Eröffnungen der spielstarken Verteidiger direkt auf den Neuner mit potentieller Anschlussverbindung in das offensiv besetzte Mittelfeld zurück als bedeutende, fast schon als primäre Aufbau- und Vorwärtsroute beim Team von Peter Bosz etabliert: Viele erste Bälle gehen auf Dolberg.

Teilweise wählt dieser jedoch noch die falschen Situationen oder bindet sich etwas zu viel ein. Erkennt er eigene Fehler, wird er aber kaum hektisch oder aktionistisch, sondern geht die „Reparatur“ rational und kühl an. Schon mehrfach wurde also eine bereits recht hohe Erfolgsstabilität Dolbergs angesprochen: Essentiell dafür ist sein herausragendes Timing, wie er sich in seine Lieblingsszenen hinein bewegen muss, wann genau er welche Aktionen machen, wann er die Drehungen oder Mitnahmen genau starten und welche kleinen Zwischenschritte oder Zusatzbewegungen er im Detail noch einbauen muss. Problematisch sind noch einige Folgeaktionen, nachdem er sich Raum verschafft hat: Hier legt er sich den Ball häufiger unsauber und unaufmerksam vor.

Potentiell kann Dolberg sehr wertvoll als Übergangsakteur sein, der so auch individuell Verbindungen – wenn nicht struktureller, so doch situativer Art – herstellen kann. Weiter vorne im Angriffsdrittel wusste er bisher ebenfalls zu überzeugen: Im Abschluss hat er sich schon gut entwickelt, wirkt bei finalen Aktionen gezielt und nutzt besonders seinen großen Gefahrenradius: Auch aus größeren Distanzen oder schwierigen Positionen kann er spektakuläre Bälle aufs Tor bringen und macht sich das auch für punktuell überraschende, etwa frühzeitig gewählte Schussentscheidungen zu eigen. Bisher stehen neun Saisontreffer in der Liga und drei in den europäischen Wettbewerben zu Buche.

Für das Alter und eine Debütsaison auf Profiniveau hat sich der junge Däne bisher beeindruckend geschlagen – vor allem mit hoher Erfolgsstabilität. In einer schwierigen Rolle ist er passend eingebunden und holt dabei viel Potential heraus. Natürlich gibt es auch noch einige Schwachstellen: Entscheidungsfindung etwa in der Fortführung von Dribblings, Konstanz in der Risikoeinschätzung mancher Mitnahmen oder Weiterleitungen, gewisse Aspekte im Passspiel. Ansonsten gibt es bei fast allen den Aspekten, die man bei Dolberg so ausführlich loben kann, natürlich in der Leistungsspitze der Umsetzung weiterhin noch Luft nach oben. Es scheint aber nicht unwahrscheinlich, dass er da in die höchsten Sphären einer Fußballerkarriere aufsteigen kann.

Interessant zu beobachten: Southamptons „gescheiterter“ Ansatz gegen Arsenal

Mit einer in Teilpunkten ungewöhnlichen Ausrichtung trat Claude Puels Southampton im FA-Cup gegen Arsenal – ohne den gesperrten Wenger, sondern mit dessen Co Steve Bould auf der Bank – an. Personell bezog sich das auf die zahlreichen Umstellungen des französischen Trainers: Zwei Nachwuchskräfte, viele zuletzt wenig eingesetzte Spieler und auch der nach enorm langer Verletzungszeit wieder genesene Gardos standen in der Anfangself. Auch taktisch entwickelten sich einige durchaus kuriose Wechselwirkungen und Gegebenheiten. So bedeutete die Menge der neuen Namen keine konservative, auf Stabilität, einfache Abläufe und Grundmechanismen fokussierte Sicherheitsspielweise. Vielmehr versuchte Southampton einen recht ambitionierten Plan.

blick über den tellerrand 40 southampton-arsenalAus ihrer 4-3-3/4-1-4-1-Formation heraus zielten etwa die offensiven Flügelspieler beim Pressing auf die gegnerischen Außenverteidiger nicht primär darauf ab, diese weiter nach außen zu leiten, um deren Bemühungen dort im Verbund festnageln zu können. Stattdessen versuchten sie gerade die Passwege am Flügel entlang in den meisten Fällen zuzustellen und die Bälle in die zentrale Rückzirkulation zu forcieren. Im Mittelfeld stellten die Hausherren ein prinizpiell recht komplettes Trio auf, das in flexiblen, losen Mannorientierungen um die gegnerischen Zentrumsspieler durch den Raum kreisen und so die verschiedenen Bewegungen der „Gunners“ kontrollieren sollte.

In der Umsetzung funktionierte das auch recht anpassungsfähig, indem immer mal einzelne Deckungen aufgegeben wurden und sich Spieler wechselnd weiter nach vorne lösten. Damit entstand aber auch ein Modell, das zwar grundlegende Gegnerzuteilungen organisieren und dabei auch verschiedene Staffelungen bilden, aber nur selten mal mit mehreren Spielern kollektiven Vorwärtsdruck aufbauen konnte. Vor dieser Mittelfeldabteilung hatte Arsenal in der ersten Aufbaulinie also potentiell viel Raum. Da Southampton im Pressing eher nach innen lenkte und sich Long oft sehr einseitig am spielstarken Mustafi orientierte, stand dieser Raum auch tatsächlich für ruhige Spielkontrolle in ausgedehnter Form zur Verfügung.

Das führte aber zu einem teils unerwarteten Effekt: Diese Zeit im Aufbau für Holding oder den mal tiefer zurückfallenden Maitland-Niles nutzte Arsenal – trotz der vielseitigen Anlage auch im eigenen Mittelfeld – oft für lange Bälle in die Spitze. Dass diese höheren Zuspiele in vergleichsweise großer Anzahl hinter die letzte Linie forciert wurden, dürfte eine gezielte Anpassung gewesen sein: zum einen an die uneingespielte Viererkette des Gegners mit dem Rückkehrer Gardos und dem normalerweise nur selten eingesetzten Stephens zentral, zum anderen auf die Rollenverteilung in der eigenen Sturmreihe.

Als zentralen Neuner boten die Londoner den spanischen Neuzugang Lucas Pérez auf, der häufig weit ins Mittelfeld zurückfiel. So konnten die sprintstarken, diagonalen Angreifer Walcott und Welbeck von den Flügeln einrücken, die Schnittstellen attackieren und ihr Tempo einbringen. Nach den langen Bällen gegen die Koordinationsprobleme der Gastgeber schossen sie einige simple Chancen und eine 3:0-Halbzeitführung heraus, die die Partie quasi entschied. Der erste Treffer zeigte aber auch das schnelle Flachpasskombinationsspiel, das Arsenal aus längeren Ballstafetten aus dem Mittelfeld ebenfalls gelegentlich einstreute – nur nicht so prägend wie sonst.

Die prinzipiell flexiblen Mannorientierungen im Feldzentrum der Hausherren ließen sich über Bewegungen – und einzelne Dribblings aus der Tiefe – recht gut zurückdrängen. Bei den eigenen Achtern zeigte sich Oxlade-Chamberlain deutlich präsenter, wechselte zwischen ankurbelnden und weiträumig verbindenden Phasen. Dagegen versuchte Adelaide stärker, Gegner aus der Position zu ziehen und ohne Ball Raum zu schaffen. Davon profitierte Lucas Pérez, der den Zehnerraum besetzte und sich so quasi als zusätzlicher Mittelfeldmann einband. Er wurde zum Schlüsselspieler für die – nach alter Arsenal-Art auch mal zu zwanghaften – Weiterleitungen zum Durchbruch auf die erneut einstartenden Außenstürmer. Arsenal brannte kein Chancenfeuerwerk ab, aber erspielte sich sauber ein gesundes Maß an ausreichenden Möglichkeiten.

Mit ihrer wieder stärker 4-3-3-haften Grundsystematik wirkten die Gäste übrigens etwas schärfer im Pressing als in den 4-2-3-1-Ordnungen der letzten Jahre. So gab es einige ganz gute Herausrückbewegungen zu sehen. Southampton hatte auch bei Ballbesitz ein zwar recht flexibles, aber untereinander zu unverbundenes Mittelfeld mit zu inkonstanter Unterstützung. Der ballnahe Achter bot sich mit außen an und gelegentlich konnte man einen Querpass auf den Sechser öffnen, aber allzu komplexe Mechanismen innerhalb des Trios entwickelten sich nicht – was man aufgrund der Ausgangslage vielleicht auch nicht unbedingt erwarten konnte.

Zu Beginn der eigenen Aufbausequenzen formierten sich die Flügelstürmer der „Saints“ teils recht eng. Da sie ohne die Mittelfeldbindungen nicht sofort eingesetzt werden konnten, liefen sie sich oft schnell mit Läufen nach außen wiederum für ihre Hintermänner frei, was aber viele isolierte Passmuster Richtung Seitenlinie hervorbrachte. Machte stattdessen Long ausweichend diesen Laufweg in den Rücken von Bellerín bzw. Gibbs, war das vielversprechender und brachte nach Vorarbeit Martinas eine ganz gute Chance. Die Außen, vor allem Isgrove, kamen nach der Umstellung auf 4-2-3-1 (Höjbjerg nach rechts) besser ins Spiel: Der Waliser erhielt Vertikalpässe zentral in Engstellen und deutete dort Potential an, indem er einige Bälle ansatzweise durchfädelte. Die letzte Vollendung fanden aber nur Arsenals Angriffe: Endstand der Partie war ein heftiges 0:5.

Wo es (meistens) gut läuft: Olympique Marseille

blick über den tellerrand 40 marseille

OM im Januar 2017. Auf der Linksverteidigerposition gab Neuzugang Evra am Wochenende sein Debüt. Auch Sanson ist erst seit der Winterpause dabei (kam von Montpellier), könnte aber noch eine etwas offensivere Option sein. In der „Stammbesetzung“ gibt es auch häufigere Seitenwechsel zwischen den Sechsern. Links offensiv wäre der zuletzt leider kaum eingesetzte N´Jie noch eine gute Variante.

Seit Oktober hat der ehemalige Lille- und Roma-Coach Rudi Garcia das Traineramt bei Olympique Marseille inne – Zeit für eine kleine, zwischenbilanzierende Situationsanalyse. Grundsätzlich kann der neue Verantwortliche ein positives Fazit konstatieren, hat er das Team doch vom damals 12. auf den nun 6. Tabellenrang geführt. Personell bildete sich bereits eine weitgehend feste 4-2-3-1-Grundstruktur heraus. Trotz des Aufschwungs legen die Südfranzosen aber noch eine etwas komische Spielweise an den Tag, die schon zu größeren Wechselhaftigkeiten führen kann und neben einer Siegesserie auch zwei bittere Niederlagen gegen die vor ihnen liegenden Monaco (1:4) und Lyon (1:3) führte. Wie sich die Situation nun Ende Januar nach dem Rückrundenstart darstellte, soll nun kurz anhand dreier Teilaspekte angerissen werden: Mittelfeldspiel, Defensivrollen der Flügelstürmer und Zielstrebigkeit am Ball.

1. Im Aufbau zeigt sich bei Marseille eine recht weiträumige Anlage. Sie versuchen mit vielen Verlagerungen und öffnenden Bällen nach außen zu arbeiten. Auf ordentlichem Niveau bringen zudem die Sechser ein aktives, recht anpassungsfähiges und geschicktes Freilaufverhalten ein. Wenn der Gegner zum Flügel gezogen wurde, bewegen sie sich prinzipiell gut für tiefe Querpässe. Bei den entscheidenden Angriffsaktionen beteiligen sie sich dann aber nur selten aufrückend.

Schließlich wechselt der junge, potentiell kreative und in seiner kleinräumigen Orientierung interessante Zehner Maxime López – etwas willkürlich – zwischen hoher, raumschaffender Einbindung und sehr weitem Zurückfallen ins Mittelfeld. So holt er sich teilweise in seltsam gewählten Situationen den Ball sogar hinter den Sechsern ab oder kippt im zweiten Drittel hinter Aufrückbewegungen am Flügel, um in einer simplen, aber stabilen 4-3-3-artigen Positionsstruktur anzukurbeln und Bälle zu verteilen.

Als von Ambivalenz und vor allem Weiträumigkeit geprägt erweist sich auch das Pressingverhalten im Mittelfeld. Eigentlich formieren die Sechser eine sehr saubere Grundstruktur und agieren beim Verschieben nach außen kohärent. Wenn sie aber aus einem etwas erhöhten Mittelfeldpressing agieren und der Gegner sich in seiner Struktur umtriebiger bewegt, führen sie verstärkte Rückgriffe auf Mannorientierungen oft direkt sehr großräumig aus.

2. Bestimmte rochierende Läufe werden dann über lange Strecken verfolgt. Der Grat zwischen tieferem und höherem Mittelfeldpressing kann bei ihnen also viel ausmachen. Die weiträumigen Phasen und gelegentlichen Mannorientierungen durch die Zentrumsspieler werden potentiell von den Außenstürmern aufgefangen oder zumindest ausgeglichen. In leicht eingerückter Position orientieren sich diese zwar lose an ihren nominellen Gegenspielern bzw. eher den Passwegen auf diese.

Überdurchschnittlich häufig achten sie aber auf die Gemengelage im Mittelfeld und versuchen dort punktuell lückenstopfend zu agieren. Das wirkt im Gesamten keineswegs rein situativ, sondern schon eingeübt und vorgegeben. Vor allem wenn der Gegner im Vorwärtsgang mit einzelnen großräumigen Dribblings durch Lücken innerhalb des Mittelfelds vorzustoßen versucht, sind es häufig die Flügelstürmer, die diagonal (rückwärts)pressen und diese Läufe vergleichsweise weiträumig verfolgen.

3. Innerhalb der weiträumigen Aufbauanlage holen sich die Offensivdribbler Marseilles die Bälle häufig in sehr seitlichen Zonen. Dabei werden Thauvin und Co. gelegentlich schon im zweiten Drittel gesucht, um Schnellangriffe zu fokussieren. Insgesamt laufen aber auch andere Offensivaktionen hauptsächlich rein über die vordere Abteilung, optional mit Support noch der Außenverteidiger. Die nicht so präsente Grundstaffelung ist also schon zunächst einmal ziemlich breit aufgezogen.

Verschiedene typische Muster scheinen für die Abläufe im Angriffsspiel zugrunde zu liegen: Häufig sind andribbelnde Aktionen vom Flügelstürmer, gepaart mit zur entsprechenden Seite ausweichenden hohen Bewegungen sowohl von ausweichend-raumschaffendem Zehner als auch vom ablegendem Mittelstürmer. Gomis soll dann mit seiner Physis den diagonal startenden Initiator der Szene wieder ins Spiel bringen, während der ballferne Außen sich einrückend zur letzten Linie orientiert. Von rechts her geschieht das deutlich präsenter und häufiger, allein schon aufgrund der offensiveren Ausrichtung des dortigen Außenverteidigers.

Insgesamt verfügt die Offensive somit über gute Basismechanismen, die zwar nicht überragend sind, aber eine gute Rahmenorientierung für die Spieler geben können. Ein entscheidender Pluspunkt liegt darin, wie das ausgespielt wird: Ungewöhnlich für eine eher wechselhafte Mannschaft ist die rationale und zielstrebige Entscheidungsfindung eine wichtige Stärke Marseilles. Nach Aufrückaktionen über die Flügel lassen sie sich mit nüchterner Art doch nicht so leicht festzurren, nutzen Gomis konzentriert als Fokuspunkt und vermeiden zu viel Unruhe, die sie manche Option in den Schnittstellen oder im Halbraum vielleicht übersehen ließe.

Schorsch 31. Januar 2017 um 14:05

Vielen Dank an TR, dass er auf Kasper Dolberg eingegangen ist. Ich beobachte den jungen Mann in dieser Saison immer etwas genauer, wenn ich mir Ajax-Spiele anschaue. Die Ausführungen von TR kann ich nur unterstreichen. Gut, Ajax ist nicht mehr europäische Spitze und die Eredivisie gehört nicht zu den allerstärksten Ligen Europas. Aber für ein Talent sind Ajax und die Liga immer noch und nach wie vor sehr gut, um sich zu entwickeln und gleichzeitig ernsthafte Wettkampferfahrung / Spielpraxis zu sammeln. Wer ist schon mit 19 in seiner ersten Profisaison Stammspieler bei einem nationalen Spitzenclub? Dolberg bringt viel Talent und Potential mit und zeigt auch bereits viel auf dem Platz mit einer erstaunlichen Konstanz (bis jetzt). Noch vielleicht 2 Jahre (wenn nicht Verletzungen oder andere Probleme dazwischenkommen), dann dürfte er nicht mehr zu halten sein für Ajax. Ich halte es für wenig wahrscheinlich, dass er seinen Vertrag (geht bis 2021) erfüllen wird. Schade für Ajax, aber so ist halt auch das Geschäftsmodell und eine erkleckliche Ablösesumme dürfte man ja auch erzielen. Ich hätte ihn gern beim BVB gesehen statt Isak, weil er (trotz seines Alters und der Tatsache, dass er in einer schwächeren Liga spielt) mMn eine sofortige Verstärkung der Offensive sein dürfte, zumindest als Alternative zu Aubameyang nach dem Abgang von Ramos.

Schaun mer mal…

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mh 31. Januar 2017 um 10:08

Das weite Zurückfallen von Maxime Lopez hängt halt auch damit zusammen, dass er der einzige Spieler ist, der einen vernünftigen Ballvortrag garantiert. Weder die IVs Rolando und Fanni, noch Vainqueur oder Anguissa sind da stark genug. Sieht man ja auch, wenn sich Lopez in etwas höheren Zonen aufhält. Dann kommen kaum Vertikalpässe, sondern es wird viel hinten rumgespielt. Daraus resultiert dann auch die frühe Einbindung der Außenstürmer, vor allem auf Thauvin der rechten Seite. Da rückt Lopez ja gerne in den Halbraum, oder wie gesagt sogar komplett auf den Flügel, um sich mit Thauvin und dem aufrückenden Sakai ins letzte Drittel zu kombinieren. Gleiches passiert auch auf Links mit Cabella, wenn auch nicht ganz so oft.

Die Wintertransfers machen da aber Hoffnung auf eine Weiterentwicklung im Aufbau und allgemein im Angriffsspiel. Mit Sertic aus Bordeaux hat man einen Spieler verpflichtet, der sowohl IV, wie auch DM spielen kann und durchaus Qualitäten im Aufbauspiel mitbringt. Ähnliches gilt für Sanson, der ein sauberers Passspiel und eine weitaus bessere Übersicht mitbringt im Vergleich zu den vorhandenen Optionen. Dadurch kann man Lopez im Aufbauspiel etwas entlasten, das zu tiefe abkippen verhindern, und dadurch auch etwas mehr Präsenz im Zehnerraum schaffen. So müssen die Flügelstürmer weniger zurückfallen und man tut sich evtl leichter ins letzte Drittel zu gelangen.

Was passiert wenn der Gegner Lopez aus dem Spiel nimmt, hat man ja gegen Lyon gesehen. Nach 20 Minuten hatte man sich ganz gut auf das regelmäßige Abkippen eingestellt und ihn weitestgehend unter Kontrolle gehabt. Als Konsequenz daraus, kam OM kaum noch kontrolliert ins letzte Drittel.

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