Blick über den Tellerrand – Folge 39

Die erste Ausgabe des neuen Jahres mit folgenden Schlaglichtern: Ein ausgewogener Stabilitätsfokus reicht dem kleinen Eibar derzeit zum sicheren Mittelfeldplatz in La Liga. In Italien liefern sich Genoa und die Roma ein kurioses Duell zweier asymmetrischer Dreierketten mit Mannorientierungen. Ein kleines Porträt gibt es zu Lyons Corentin Tolisso.

Wo es gut läuft: SD Eibar

In gewisser Weise ist Eibar unter José Luis Mendilibar ein Phänomen: In einer stabilen und gefestigten, aber auch durchgehend unspektakulären und gleichförmigen Spielweise gelingt es ihnen auch in dieser Saison wieder, diese Konstanz in den Resultaten umzusetzen. Als finanziell und individuell eher schwächer aufgestelltes Team sind die Basken erneut im sicheren Mittelfeld zu finden, nach der ersten Saisonhälfte abermals sogar etwas weiter oben als im Durchschnitt. An den wesentlichen Merkmalen ihrer Spielweise hat sich über die letzten ein, zwei Jahre nicht so viel geändert – weiterhin ein ähnliches Bild.

Es sind jedoch durchaus einige kleinere Anpassungen und Weiterentwicklungen erkennbar: Dazu gehört etwa die nochmalige Abnahme von Mannorientierungen. Formativ geht der Trend wieder stärker zum 4-2-3-1, so dass sich die Mannschaft zunehmend auf die (seitlich) kompakten Anschlussbewegungen der Doppel-Sechs stützt. Das Duo im defensiven Mittelfeld fokussiert sich fast durchgehend auf die sichere Stabilität und hält – bis auf Herauskippen von Dani García und einzelne Vorstöße Fran Ricos – enge Abstände zueinander.

blick-ueber-den-tellerrand-39-eibarSo bleiben die Basken beispielsweise auch im Pressing häufig im 4-2-3-1, wenngleich der nominelle Zehner phasenweise vorne ein 4-4-2 bildet (mit Rubén Peña häufiger) und sich andererseits – vor allem in Person Adriáns – recht weit nach hinten zurückziehen kann. Gerade bei dieser Interpretation hält sich der jeweils ballferne Flügelspieler Eibars eigentlich immer etwas höher – ein Element, das bisher gegen Seitenwechsel und Verlagerungen gut funktionierte. Insgesamt gestaltet sich das Defensivspiel der Basken derzeit als sehr konstant, diszipliniert und mit hoher Grundintensität – speziell bei Bedarf gegen stärkere Gegner. Rückzugsbewegung und Doppeln werden konsequent abgerufen.

In Folge dessen hat sich im Vergleich mit 2015 die Grundkompaktheit nochmals erhöht, dafür wirkt Eibar aktuell – auch aufgrund der wieder stärkeren 4-4-2-Tendenz – nicht mehr so vielseitig und harmonisch in der Staffelungsfindung, wie es in einigen Phasen schon einmal der Fall war. Zum Preis von mehr mechanischer Gleichförmigkeit – und vielleicht in der Spitze: Anpassungsfähigkeit – hat man sich sozusagen eine Effizienzsteigerung erkauft. Mendilibars Mannen sind unspektakulär, aber eben konstant, konsequent und ohne größere Fehler in den Abläufen: Nur Barca und Real lassen in der spanischen Liga durchschnittlich weniger gegnerische Abschlüsse zu als Eibar.

Eine kleine Schwäche entsteht als Nebenwirkung der hohen Grundintensität – wenn diese übertrieben wird: Teilweise agieren die Basken in der Verteidigung zu intensitätsgeleitet in ihrer Entscheidungsfindung. Einzelne Spieler rücken dann beispielsweise überdreht zur Zugriffsherstellung heraus oder fokussieren sich insgesamt etwas zu verkrampft darauf, potentielle Löcher (zurückfallend) zuzulaufen, auch wenn diese gar nicht wirklich angespielt werden könnten. Zu erwähnen ist jedoch, dass sich bei der häufigeren Nutzung von 4-4-2-Phasen – nicht erst seit diesem Jahr – kleine Nachlässigkeiten in der Rückzugsbewegung und Grundintensität nach hinten einschleichen.

Speziell in Verbindung mit einem Angriffspressing hat diese Formation ihre Tücken, weil den Basken hier in den Folgeaktionen noch die richtige Balance bei der kollektiven und gruppentaktischen Risikoabwägung abgeht. Die Sauberkeit bei der Verteidigung der Schnittstellen könnte man noch als konkrete Defensivschwäche benennen, aber ansonsten bietet Eibar in der Umsetzung ihrer gleichförmigen Anlage nur wenige klare Wundpunkte. Sie machen letztlich zwar kaum etwas auf herausragendem Niveau, aber fallen dafür auch in keinem Bereich unter den Durchschnitt. Bei Flügelangriffen haben sie ein ganz gutes Gefühl für die Strafraumverteidigung und das defensive Mittelfeld konzentriert sich im Zweifel lieber auf die tiefe Präsenz als auf die umfassende Rückraumkontrolle.

Die Grundstabilität, die von der Spielweise der Doppel-Sechs fokussiert wird, ist ein Gut, von dem Eibar in verschiedensten Situationen zehren kann. Auch gegen lange Bälle und bei losen, umkämpften Mittelfeldszenen unterschiedlichster Art ist das potentiell sehr wertvoll, ebenso für die Absicherung in Ballbesitz. Was den Aufbau angeht, gibt es innerhalb des Duos insofern eine eindeutige Verteilung, dass Kapitän Dani García der klare Ankerpunkt und präsenter ist. Er versucht die Bemühungen des Teams zu führen und forciert – gerade gegen Teams aus dem unteren Tabellenbereich oder bei eher defensiver Ausrichtung Escalantes – herauskippende Bewegungen nach links, um von dort die Bälle zu verteilen.

Gegen vorsichtige Teams zeigt Eibar auch mal dominantere Auftritte und sucht längere Ballbesitzphasen. Noch mehr als ihre baskischen Nachbarn von Deportivo Alavés sind sie in der Lage, die eigene strategische Ausrichtung sehr klar und zielgerichtet zu wechseln. Denn wenn sie mal mehr auf Ballbesitz gehen, zirkulieren sie auch wirklich sehr ruhig und geduldig. Im Normalfall sucht Eibar aber ansonsten gerade sehr zügig den Weg nach vorne und lässt das Leder kaum hinten laufen. Neben vielen längeren Pässen auf den Mittelstürmer oder auf einfache Läufe der Außen in den Raum  spielen sie häufig von Beginn weg den Flügel hinunter. Kein anderes Team der Liga verbucht so viele Flanken (zusammen mit Real Madrid) und so viele lange Bälle wie Eibar.

Die Sechser binden sich offensiv nur wenig ein und konzentrieren sich – abgesehen von einzelnen Vorstößen Fran Ricos in den Strafraum – darauf, im Zuge des kollektiven Aufrückens balanciert in die Sicherungsräume nachzuschieben. Statistisch gesehen hat Eibar bei Angriffen durch das Zentrum mit 20 % Häufigkeit den geringsten Wert aller Teams in Spaniens Oberhaus. Die Außenbahn schon als Ausgangspunkt – gerade die linke Seite tut sich dabei hervor. Hier stellt Eibar insbesondere durch ausweichende Bewegungen von Zehner und Mittelstürmer viel Präsenz für Überladungen her. Neben Dani García agiert vor allem der teils unsauber-überkonstruktive Linksverteidiger Luna als Antreiber.

Die Mechanismen und Mittel, die Eibar zum Ausspielen anwendet, sind einfach gestrickt. Simple gegenläufige Bewegungen zwischen den beteiligten Offensivspielern bilden die Grundlage. Viele Pässe von Luna und Co. gehen direkt in die vorderste Reihe und sollen dann für Kreuzbewegungen abgelegt, noch häufiger aber irgendwie in die Tiefe verlängert werden. Zunächst will man also über den Halbraum schnell vorrücken, um dann auf einen von außen startenden Spieler zur Grundlinie durchzustecken. Beispielsweise lässt sich oft ein zentraler Akteur fallen, fordert den Pass und versucht dann den hohen Flügelspieler in Szene zu setzen.

Alternativ gehen häufig Zehner und Neuner nach außen, einer als Vorbereiter, während der andere erst die Breite besetzt und dann schnell wieder in die Spitze startet. Der gerade ballferne Außenstürmer bleibt jeweils konsequent breit. Wenn sich der ballnahe Flügelakteur kurz für eine Ablage zurückfallen lässt, startet er oft sofort wieder zu Tiefensprints: Nach der Ablage und folgendem Direktpass auf den ballnahen zentralen Offensivkollegen soll dieser den Ball nach außen weiterleiten. Insgesamt erzeugt Eibar mit dieser simplen Methodik nicht allzu viel Kreativität. Zumal können die Gegner sich durch den klaren, schon in den einleitenden Momenten vorhandenen Flügelfokus frühzeitig auf jene Zone fokussieren und zuschieben.

Jedoch verfügen die Basken mit mehreren wühlenden, athletischen Dribbeltypen über passendes Personal für diesen Stil, um an der letzten Linie noch zu improvisieren. So spielen sie häufig „auf gut Glück“ in den Flügelzonen nach vorne, lauern auf unsaubere Abpraller- und Gegenpressingszenen, sind mit der stabilen Doppel-Sechs ohnehin gut abgesichert. Bei den durchschnittlichen Schüssen pro Spiel (gerade so in der oberen Hälfte des Klassements) und dem durchschnittlichen Ballbesitz (mit 48,7 % nahe am Mittel) liegt Eibar quasi genau im statistischen Mittelfeld – jedoch ist ihre Passquote demgegenüber die drittniedrigste in La Liga.

Über rechts unterstützen Zehner und Mittelstürmer bei den Flügelangriffen nicht so stark in die Breite, so dass hier vieles von der individuellen Durchschlagskraft Ander Capas abhängt. Auch links enden viele Szenen einfach mit Flanken von der Grundlinie. Diesbezüglich hat Eibar noch einige Arbeit vor sich, ebenso wie in der 4-4-2-hafteren Besetzung mit der Balance. Zwischen Sergi Enrich und Rubén Peña entsteht dann zu oft eine flache Viererlinie vorne und zu große Abstände dorthin, woraufhin sich die Kollegen zu frühzeitig auf die Vertikalpässe einlassen. Dass die Basken sich abermals bisher so erfolgreich in der Liga verkaufen, fußt zu entscheidendem Anteil auf der in fast allen Phasen stabilen Gleichförmigkeit ihrer Anlage.

Spiel der Woche: Genoa – Roma 0:1

Für ein kurioses Match sorgten am Sonntag CFC Genoa unter Ivan Juric und die – mal wieder an zweiter Tabellenposition hinter Juve stehende – Roma unter Luciano Spalletti. Beide Teams traten mit jeweils asymmetrischen, dabei leicht verschiedenen, aber insgesamt ähnlichen Dreierkettenausrichtungen an – und mit vielen Mannorientierungen. Auf Seiten der Gäste pendelte Bruno Peres als rechter Flügelläufer etwas nach vorne, was anfangs einzelne 4-1-4-1-Ansätze erscheinen ließ. Im Grunde genommen bestand die Offensive ansonsten also aus Mittelstürmer Dzeko und dem halblinks versetzten Perrotti, als dessen Gegenstück vermutlich der häufig aufrückende Nainggolan für ein 3-4-2-1 gedacht war.

Klarer war die asymmetrische Anlage der Sturmreihe bei den Gastgebern, wo Ocampos als Linksaußen ein argentinisches Sturmduo mit Simeone als Neuner bildete. Es ergaben sich hiergegen spezifische Deckungen: Rüdiger beispielsweise spielte quasi das gesamte Match über primär gegen Ocampos, die jeweiligen Flügelläufer begegneten sich häufig und auch im Mittelfeld herrschten – insbesondere von Seiten Genoas – klare Zuteilungen vor. Für das kuriose Element der Partie sehr wichtig war in diesem Zusammenhang auch die Ähnlichkeit der Rollen der jeweils offensivsten Mittelfeldakteure.

blick-ueber-den-tellerrand-39-genoa-romaSowohl Ninkovic als auch Nainggolan pendelten immer wieder in den rechten Halbraum heraus und dort bis in die vorderste Linie herein. Erstgenannter füllte also nur punktuell und eher aus der Dynamik seine nominelle Rechtsaußenposition. Insbesondere der römische Mittelfeldkämpfer suchte immer wieder die Angriffszonen – und wurde dabei mehrmals von Cofie in unorthodoxe Staffelungen verfolgt. Dagegen nutzten die Römer im Feldzentrum zwar ebenfalls Mannorientierungen, zogen diese aber nicht so weiträumig durch und verteidigten den Zwischenlinienraum organisierter über Herausrückbewegungen aus der letzten Linie.

In den wenigen klaren Mittelfeldpressingszenen stand Genua daher teilweise in 5-4-1-artigen Staffelungen, bei denen aber der Sechser zur letzten Linie gehörte und dafür Lazovic als rechter Flügelläufer die Mittelfeldreihe – als seitliches Pendant zu Ocampos – auffüllte. Das war nur eines der Beispiele dafür, dass die Gesamtanlage der Gäste letztlich ein Stück ausgewogener daherkam – jedoch in einem durch die vielen Deckungen vergleichsweise zerfahrenen und offenen Match. Denn grundsätzlich gab es schon einige ungeordnete Szenen, die durch verformte Strukturen und zufällige Folgewirkungen geprägt waren. Zu Beginn war das Ganze noch etwas komplexer, anspruchsvoller und vielschichtiger, da die Deckungen häufiger flexibel aufgegeben wurden.

Die Charakteristik begünstigte beispielsweise auch, dass sich auf eigentlich sehr einfachem Wege plötzlich simple Gefahrenmomente ergeben konnten. Manchmal genügten zwei, drei Aktionen, wenn die Staffelungen gerade zu unorthodox und unabgesichert waren. Weitere Treffer wären gut möglich gewesen, wenngleich nicht alle dieser Gelegenheiten unbedingt auf hochklassig und sauber herausgespieltem Fußball beruhten. In Bezug auf das Offensivspiel bedeutete die etwas höhere Ausgeglichenheit der Roma nicht nur leichte Vorteile in Sachen Stabilität, sondern auch in Sachen gezielte Angriffsgefahr.

Hauptsächlich nahmen die Gäste zwei bevorzugte Angriffskanäle: Zum einen suchten sie das Zusammenspiel über die linke Seite mit Perotti, Emerson und Strootman. Das Trio startete viele kreiselnde Rochaden untereinander, die gegen die klaren Zuordnungen einfachen Raumgewinn ermöglichten. Nicht selten ließ sich ein Loch im Halbraum anspielen, da der Zwischenabstand zum restlichen Mittelfeld durch das nicht mit voller Konsequenz erfolgende Nachschieben recht groß war. Allerdings blieb noch einiges Potential liegen, da die Römer aus jenen gewonnenen Lücken zu hektisch und aggressiv Hereingaben in die Abschlusszonen wählten.

Zum anderen stellten Direktpässe der drei hinteren Abwehrspieler durch das mannorientierte Mittelfeld hindurch auf Mittelstürmer Dzeko ein wichtiges Mittel dar. Gerade Juan Jesus brachte viele solcher diagonaler Zuspiele an. Da Cofie und Rigoni nur eingeschränkt von hinten doppelten, hatte der bosnische Angreifer etwas Raum, um sich zu drehen und Folgeaktionen zu starten. Ablagen auf Perotti waren also nicht die einzige Option: Einige Male konnte Dzeko vielmehr die Vorstöße Nainggolans ins Spiel bringen. Wenn Dzeko sich ins Feld hineindrehte, hatte er im anschließenden rechten Halbraum genau diese Bewegungen im Blick: Die Großchance Nainggolans in der Anfangsphase war ein typisches Beispiel für das Phänomen.

Über den rechten Flügel überzeugten die Hauptstädter nicht so sehr: Die Struktur war zu individuell auf Bruno Peres´ Aktionen zugeschnitten, die Bewegungsmuster wirkten eher improvisiert und im Ergebnis standen so oft flache Staffelungen. Gegenüber den Ereignissen auf halblinks stand diese Zone deutlich zurück. Dort zeigte sich an den Aktionen über Juan Jesus, wie das Offensivspiel – grundsätzlich bei beiden Teams so der Fall – vor allem in zweiter Instanz angekurbelt wurde.  Diese Szenen entstanden über Umwege, etwa nach gewonnenen Abprallern, da es den Teams schwer fiel, aus den Mannorientierungen organisiert wieder in eine straffe Pressingstruktur zusammenzufinden.

Effektiver waren sie demgegenüber mit Angriffspressingphasen: Diese bereiteten den eigentlichen Aufbaubemühungen sowohl Genoas als auch der Roma einige Schwierigkeiten – und provozierten viele lange Bälle, aus denen dann im Nachgang doch noch vergleichsweise viele Früchte wachsen konnten. Bei den Gastgebern überzeugte die Nutzung der Asymmetrie in der ersten Linie, in der sie sich leitend zu positionieren versuchten und die Wege nach halblinks recht gut blockierten. So konnte das Mittelfeld sich auf die Mannorientierungen beschränken und Ninkovic brauchte die rechte Seite kaum zu übernehmen.

Bei der Roma traten im hohen Pressing unter anderem 3-4-2-1- und 3-4-3-Staffelungen auf. Angeführt wurden die Bemühungen häufig von Nainggolan. Wenn dieser halbrechts nach vorne durchpresste, war das das Signal für die Kollegen: Auch die beiden verbleibenden Sechser rückten hoch nach und stellten dann Cofie und Rigoni zu. Die Kreise von Ninkovic dahinter im Zwischenlinienraum sollten über Deckungsschatten, die Fünferkette und die Rückzugsbewegung eingeschränkt werden. Die leichte Asymmetrie mit Nainggolan als Pressingspieler erlaubte Perotti ballfern eine Halbposition, die Verlagerungen wirksam abdeckte und ihm das Abfangen einiger solcher Pässe ermöglichte.

Gerade die erwähnte Rückzugsbewegung geschah bei den Gästen in ihrer Organisation etwas kompakter. Es gelang Genoa aber schon, nach zweiten Bällen einige Szenen anzukurbeln, wenngleich ihre Bemühungen letztlich unvollendet bleiben sollten. Links sorgten die dribbelstarken Ocampos und Laxalt im Zusammenspiel für Wirbel, die Anbindung von Ninkovic und Simeone daran wurde aber vernachlässigt. Am anderen Flügel zeigte sich Lazovic sehr konstruktiv im Passspiel und brachte einige gute Bälle diagonal zur Mitte. So konnten beispielweise Izzo aufrückend oder Simeone über Ablagen eingebunden werden.

In Weiterführung solcher Ansätze kamen die Gastgeber gerade auf jener rechten Bahn mit den wechselweise nach außen gehenden Rochaden von Rigoni und Ninkovic mehrmals recht gut zur Grundlinie durch. Einige der folgenden Hereingaben sorgten auch für viel Unordnung bei den Römern. Aber insgesamt fehlte es bei den verschiedenen Offensivversuchen des Heimteams an den horizontalen Verbindungen zwischen den Außenbereichen, um die letzte entscheidende Unterstützung und Optionsvielfalt zu generieren. Die eher unpräsente und blasse, zwar umtriebige und vielseitige, aber dadurch etwas unspezifisch werdende Rolle von Ninkovic machte sich hier eher negativ bemerkbar.

Spieler der Woche: Corentin Tolisso

Bei Olympique Lyonnais tummeln sich seit zwei, drei Jahren bekanntlich so einige junge Talente, die schon recht hoch gehandelt werden im Weltfußball, ohne dass aber einer von ihnen nun die ganz großen Schlagzeilen geschrieben hätte. Das mag auch an der ungewöhnlichen Begebenheit liegen, dass keiner aus diesem Kreise bisher zu einem Top-Klub wechselte – trotz durchaus vorhandener Anfragen. Einer von ihnen ist der mittlerweile schon 22-jährige Corentin Tolisso, der sich – nach anfänglichen Profieinsätzen als Rechtsverteidiger – nun im zentralen Mittelfeld festgesetzt hat.

Drei große Stärken des Franzosen seien gleich eingangs genannt: Zum ersten hat er in seinem Movement im zweiten Drittel vereinzelt herausragende Momente. In einer der CL-Gruppenpartien dieser Saison gab es mal eine fast absurde Szene diesbezüglich. Zum zweiten befindet sich seine Positionsfindung schon auf sehr hohem Niveau. Gerade an den Übergängen zwischen zweitem und vorderem Drittel begibt er sich sehr zuverlässig in die richtigen Bereiche und  kann eine stabile Besetzung des Zwischenlinienraums liefern. Damit einher geht eine ganz gute Grundorientierung. Drittens schließlich weiß seine angenehme Passgewichtung häufig zu gefallen.

In manchen technischen Teilbereichen zeigen sich bei Tolisso jedoch kleine Unsauberkeiten. Auch seine teils kraftvollen Raumdribblings wirken etwas komisch. Da er in koordinativer Hinsicht kein besonders beweglicher Spielertyp ist, muss er manchmal aufpassen, im Pressing nicht unkontrolliert unter Druck zu geraten. Dagegen hat er aber ein aufmerksames Spiel am Ball entwickelt, nutzt beispielsweise kleinere Fußwechsel recht kontrolliert. Diese geschmeidige Ballführung erlaubt ihm vor allem sehr gute Mitnahmen des Leders. So nutzt er zuverlässig die Möglichkeiten, sich aus der gegnerischen Zugriffslinie wegzudrehen, und kann einzelne Unterzahlaktionen spektakulär durch Engstellen fädelnd weiterleiten.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, wie Tolisso sich nicht auf anfänglich getroffene Entscheidungen verlässt. Statt den ursprünglichen Plan immer durchziehen zu wollen, lässt er sich die endgültige Wahl häufig bis zum Schluss offen – in einer insgesamt pragmatischen und auch rationalen, teils fast zu gleichförmigen Spielweise. Er legt einen nüchternen und handwerklich balancierten Stil an den Tag, ohne aber ein primär von Kreativität getragener Mittelfeldtyp zu sein – viel eher von seiner Komplettheit. Der junge Franzose ist kein wirklicher Spielmacher, als der er in der U21-Auswahl teilweise schon eingebunden wurde.

Bisweilen wirkt er in gruppentaktischen Abläufen sogar etwas kantig. Gerade zu viel Präsenz Tolissos kann teilweise problematisch werden. Phasenweise neigt er dazu, am Ball zu viel zu versuchen und überengagierte Sachen aus normalen Szenen zu machen. Auch im Pressing blitzen solche überaggressiven Momente, etwa beim Zugriff in Rückwärtsbewegungen, punktuell auf. Sehr effektiv sein kann Tolisso im gruppentaktischen Bereich vor allem mit dynamischen Verbindungsaktionen durch das zweite Drittel hindurch. Auch seine raumschaffenden Ausweichbewegungen in Dreiecksstrukturen weisen auf sein unterstützendes Potential hin.

Am besten dürfte Tolisso diese Anlagen entfalten bzw. einbringen können, wenn er als flexible Durchlaufstation agieren darf und mit seiner Positionsfindung als Verbindungsgeber dient, gelegentlich ergänzt dann durch einzelne starke Vorwärtsläufe. Insgesamt ist der Franzose angenehm und vielseitig einzubinden, da er in viele taktische Konstellationen hineinpasst, ohne sich allzu groß anpassen zu müssen. Beispielsweise könnte man etwa eine sehr spezifische und präsente Ausrichtung durch Tolisso als zusätzlichem Mittelfeldmann – ohne dass dieser aber ein klassischer Balancespieler wäre – vermutlich sehr harmonisch auffüllen.

Und sonst so? Verweise

Die erste Blick-über-den-Tellerrand-Ausgabe des neuen Jahres ist da, deren acht Folgen gab es im vergangenen Jahr. Einige der Themen dürften sicherlich weiterhin aktuell sein. Wer noch einmal stöbern möchte, kann hier aus der Auflistung aller Ausgaben auswählen oder findet hier im detaillierten Register, das an dieser Stelle noch einmal beworben sei, sogar die einzelnen Themen in der Übersicht.

tobit 14. Januar 2017 um 12:52

@Luca: Umtiti gehört sicherlich dazu. Vor dem Sommer war er mein absoluter Wunschspieler für die Hummelsnachfolge. Dass er die Chance in Barcelona bekommt, war da noch nicht absehbar. Er ist in jungen Jahren bereits sehr komplett, hat fast keine Schwächen in den „klassischen“ IV-Disziplinen (Zweikampf, Antizipation, Kopfballspiel), spielt sehr gute öffnende Pässe (leider noch zu selten) und ist durch seine Schnelligkeit der perfekte Partner für den eher schwerfälligen Pique.

Vielen Dank für die Einschätzung zu Tolisso. Hat mich weiter darin bestärkt, dass er eine gute Lösung für die Dortmunder Mittelfeldprobleme sein könnte – wenn er denn noch finanzierbar ist. Er passt sich sehr schnell an veränderte Feldsituationen an, was Kagawa, Rode und Castro nur selten so konstant gelingt. Auch Götze hat in diesem Bereich noch Verbesserungspotential, was aber auch an der Positionsumstellung liegt.

Kann jemand was genaueres zu Ander Capa sagen?
Ich hatte ihn immer als sehr fleißigen, linearen RA auf dem Schirm. Die Rolle aus der Tiefe scheint ihm aber zu liegen, da so seine Schwächen bei der Kontrolle von Bällen und im Passspiel weniger auffallen – er hat schlicht mehr Raum, seine starke Physis (für gut 1,70m) und Dynamik auszuspielen und kann sich so auch öfter Mal (besonders in der Schlussphase einer Partie) trickreich durchsetzen, was als RA durch den engeren Raum deutlich seltener war.

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Luca 12. Januar 2017 um 10:58

Könnte man Samuel Umtiti nicht auch zu den Lyon-Talenten der letzten Jahre zählen? Er ist immerhin nach Barcelona gewechselt

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TR 16. Januar 2017 um 23:13

Oh, ja, stimmt, muss man wohl dazurechnen, hatte ich doch einen Wechsel da übersehen 😀

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CHR4 12. Januar 2017 um 00:26

Ich muss euch, dem Team von SV mal ein großes Dankeschön sagen! Hab das Gefühl Weihnachten endet hier gar nicht 🙂 Analyse zu Liverpool-ManCity, Analyse Real und Barca – tolle Einstimmung auf die kommende heiße Phase der Champions-League – hoffe ich habe bald wieder mehr Zeit, dass alles durchzu- denken/“arbeiten“. Macht weiter so!

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