Real ohne BBC aber mit Pressing

3:0

Ohne Bale, Benzema und Ronaldo traten die Königlichen im Pokal gegen Sampaolis FC Sevilla an. Sie spielten ganz gut.

Bereits im Achtelfinale der Copa del Rey gibt es dieses Jahr einen Kracher. Die Truppe von Taktikhipster-Liebling Jorge Sampaoli wurde gegen Real gelost. Nach dem Hinspiel scheint das spannende Aufeinandertreffen jedoch entschieden. Real gewann 3:0. Obwohl sie auf ihr gefürchtetes Sturmtrio verzichteten – oder gerade deshalb?

copa-real-3-0-sevillaDas Kroos-4-3-3

Mit Asensio, Morata und James Rodriguez auf den Angriffspositionen verlagerte sich Reals Schwerpunkt merklich ins Mittelfeld. Besonders Modric war präsenter als üblich, Real spielte generell etwas ruhiger und stärker auf das Zentrum fokussiert und vor allem das Spiel gegen den Ball überzeugte im ersten Durchgang.

Von der Organisation her erinnerte Real im ersten Durchgang an wenig an die deutsche Weltmeistermannschaft. Toni Kroos spielte eine sehr ähnliche Rolle wie 2014 in Brasilien. Dabei war er als Spielmacher gar nicht so enorm präsent, da Real viel über rechts kam. In der Defensive bestach Kroos jedoch als strukturierende Figur des flexiblen Pressings. Ähnlich wie es Deutschland beim 7:1 gegen Brasilien praktizierte rückten er und sein Nebenmann viel nach vorne heraus. Die Flügelspieler hielten sich etwas zurück und leiteten den Gegner in die Mitte; der Stürmer orientierte sich nach links, um den Aufbau auf den eher spielschwachen Mercado zu leiten. So rückte Modric sehr viel und aggressiv heraus – manchmal auch James stattdessen – und Kroos schob hinterher und hielt die Defensive mit der Pressingreihe verbunden. (Anmerkung: Ich finde, dass Kroos in dieser etwas weniger präsenten, balancierenden Verbindungsrolle noch besser ist als wenn er in einer Doppelsechs agiert und vor allem der Fixpunkt im Aufbauspiel ist.)

Typisches Herausrücken aus dem 4-1-4-1 ins 4-1-3-2, hier von Kroos.

Typisches Herausrücken aus dem 4-1-4-1 ins 4-1-3-2, hier von Kroos. Dreiecksbildung, diesdas, ihr kennt das alle von zuhause.

So entstanden flexibel 4-3-2-1-, 4-1-3-2 und 4-3-1-2-Staffelungen, in denen sich Reals Mittelfeldspieler gut unterstützen konnten. Sevilla versuchte sich flach dagegen herauszuspielen, bekam aber kaum einmal Bälle durch das Mittelfeld. Die Räume hinter Madrids Achtern wurden weder konsequent genutzt, noch konsequent genug gesucht. Eher versuchte Sevilla, den Ball hinten entlang zu zirkulieren, bis sich Räume öffnen würden. Dafür war die Zirkulation jedoch nicht druckvoll genug und Modric, Kroos und Co. passten sich den Situationen meist zu gut an.

Reals 1:0 fiel dann auch aus einer Szene, in der Mercado einen unklugen Pass auf N’Zonzi spielte, den Casemiro geschickt abfing, sodass James von der Strafraumgrenze fast sofort abschließen konnte.

Hohes Pressing mit niedriger Intensität

Sampaoli hatte vor der Partie erklärt, viel Ballbesitz haben zu wollen, um Real weit vom eigenen Tor wegzuhalten. Das gelang im ersten Durchgang überhaupt nicht. Das bekannte Pressing und Ballbesitzspiel Sampaolis wurde von Zidanes Mannschaft zunächst beinahe gespiegelt. Ich erinnere mich an wenige Spiele, in denen zwei Mannschaften dermaßen ähnlich agierten. Auch Sevilla versuchte aus einem 4-3-3 heraus mit herausrückenden Spielern nach vorne zu schieben, um die Passwege und Struktur des Gegners zu kontrollieren.

Besonders kurios war, dass auch der Rhythmus und das Zugriffsverhalten auf beiden Seiten fast identisch waren. Beiden Mannschaften hatten nämlich zwar gute Strukturen in Ballnähe, nutzten diese jedoch kaum zur aggressiven Balleroberung. Wenn sie den Gegner zugeschoben hatten, warteten sie meist auf den nächsten Ball und schienen mehr auf einen Fehlpass zu hoffen, als aggressiv Zweikämpfe zu suchen und für Zeitdruck zu sorgen.

Bei Sevilla war dieses Problem noch ein wenig ausgeprägter, weil sie noch ein wenig mehr darauf fokussiert waren, im Angriffsdrittel kompakt zu werden. Bei Real ließen sich die Flügelspieler etwas breiter und tiefer fallen; Sevilla hingegen brachte teils fünf oder sechs Spieler im kompakten Block in Strafraumnähe, die dann aber mangels Zugriffsdruck trotzdem kaum Bälle eroberten und einigermaßen leicht mit Verlagerungen zu überspielen waren.

Für so hohes Pressing eigentlich eine völlig absurde Kompaktheit von Sevilla. Das Zugriffsverhalten ist aber zu lasch, dadurch ist die Verlagerung für Kroos möglich. Auch für einen langen Ball wäre sehr viel Platz (blau).

Für so hohes Pressing eigentlich eine völlig absurde Kompaktheit von Sevilla. Das Zugriffsverhalten ist aber zu lasch, dadurch ist die Verlagerung für Kroos möglich. Auch für einen langen Ball wäre sehr viel Platz (blau).

Lange Bälle oder eben nicht

Das Problem mit dem Angriffspressing ist ja immer die Tiefe zum einen und zum anderen, dass das Abseits nur bis zur Mittellinie geht. Hier rückten beide Mannschaften so weit auf, dass teilweise sogar die tiefen Sechser N’Zonzi und Casemiro über 20 Meter in die gegnerische Hälfte schoben. Das ermöglicht ein kompakteres Zuschieben in Ballnähe, aber öffnet eben hinter der vorletzten Linie eine Menge Raum, den man wegen der Abseitsbegrenzung nicht mehr kompakt kontrollieren kann.

Die logische Schlussfolgerung in diesen Szenen ist es, den Pressingblock mit langen Bällen zu überspielen, um dann die zweiten Bälle in diesem Raum zu kontrollieren und von dort die Tiefe zu attackieren. Real machte das einige Male und ließ Sevillas Pressing dadurch ins nichts laufen. Zudem ließ sich Sevillas Abwehr teilweise von Morata nach hinten drücken, sodass die langen Bälle sogar einen freien Spieler im Zwischenlinienraum fanden.

Sevilla hingegen fokussierte sich wie bereits angesprochen sehr auf die flache Zirkulation. Teilweise bekamen sie den Zwischenlinienraum sogar recht gut besetzt. Mit Ganso hatten sie auch einen nominellen Zehner auf dem Platz, der aus dieser Zone herausragende Bälle spielen kann. Sie suchten die offenen Räume um Casemiro aber fast nie. Real verteidigte diese aber auch geschickte. Die Außenverteidiger verhielten sich kompakter als die von Sevilla, so konnten bei den wenigen langen Bällen einer der Innenverteidiger herausrücken und wurde von einer sauberen Dreierkette abgesichert. Sevillas Innenverteidiger mussten sich hingegen stärker in die Breite orientieren, weil ihre Nebenmänner früher und mannorientierter aus ihrer Position herausschoben.

Modric komponiert aus dem Halbraum

Ein weiteres Problem von Sevilla war Luka Modric. Besonders wenn sie Real auf Carvajals Seite leiteten fand Modric mit sehr gutem Timing kleine Zwischenräume und löste Pressingsituationen mehrfach über tolle Ablagen auf, die dann die Verlagerung oder das Spiel in den Zwischenlinienraum ermöglichten.

Im Mittelfeld hatten beide Mannschaften wenig Präsenz, sondern versuchten sich nach überspieltem Angriffspressing eher in ein kompakteres 4-1-4-1 vor dem eigenen Strafraum zurückzuziehen. In diesen Szenen agierte Real bedeutend druckvoller und kreativer; wiederum angeleitet von Modric. Das Dreieck aus dem kroatischen Spielmacher, James und Carvajal war für Sevilla nicht zu kontrollieren. James band permanent Escudero, Carvajal lief den entstehenden Raum an und Vitolo ging zu spät oder gar nicht mit, da er gezwungen war, den Raum für Modric zu verknappen. Hier merkte man auch Nasri an, dass er im Defensivspiel eben kein vollwertiger Sechser ist. Ihm gelang es nicht, diese Dreiecksstruktur zu kontrollieren und seine Gegenspieler in seinem Raum ausreichend unter Druck zu setzen – ist aber auch schwierig gegen James und Modric.

Auf der linken Seite kurbelte Marcelo einige Angriffe an, für den der bewegliche Asensio geschickt Raum schuf. So konnte Real von beiden Seiten für Gefahr sorgen und spielte nicht nur zur Grundlinie, sondern brachte auch immer wieder diagonale flache und halbhohe Bälle in den Strafraum. Sevillas Innenverteidiger waren dabei oft überfordert, weil sich Morata in ihren Rücken absetzte oder James aus dem „toten Winkel“ nachstieß.

Sevillas Offensive mit unklaren Rollen

Während sich bei Real klare Päärchen und Dreiecke bildeten, die aufgrund ihrer individuellen Qualität gut funktionierten, suchte Sevilla ein bisschen planlos nach der eigenen Offensivstruktur. Besonders Iborra machte ein merkwürdiges Spiel. Er bewegte sich viel in der vertikalen, bekam dabei aber keine Bindung zu Nasri oder Ganso. Nasri hingegen variierte seine Rolle wie üblich sehr stark, fiel mal links mehr zurück, rückte mal auf, ging nach links oder rochierte sogar nach halbrechts hinter Iborra. Gegen Modric und Kroos fand er aber keine Wege, um Bälle zuverlässig nach vorne zu bekommen, sondern hielt eher die Ballzirkulation aufrecht, die mangels Spielmacher dann aber relativ wirkungslos war. Immerhin leitete er aber eine Riesenchance für Vitolo mit einem Traumpass ein, als Real einmal so eine Art Mittelfeldpressing spielte (also irgendwo hinter der Mittellinie zu flach in der Gegend rumstand).

Durch die fehlende Struktur im Zentrum bekam auch Ganso überhaupt keinen Zugriff auf die Partie. Er versuchte oft in den Halbraum einzurücken, doch bekam dort keine Bälle. Da Real kaum Bälle im Mittelfeld hergab, wurde er auch in Umschaltsituationen nicht eingebunden. Im zweiten Durchgang kam deshalb Sarabia für ihn in die Partie, der jedoch auch nicht viel besser zurechtkam. Auch Correa, der nominelle Zehner in der Sturmspitze, konnte sich nur ganz selten einbinden.

Im zweiten Durchgang hatte Sevilla dann deutlich mehr von der Partie. Real zog sich in die übliche defensive Stellung zurück und verteidigte im 4-1-4-1 konsequent das Abwehrdrittel; ohne große Intensität aber mit einer ordentlichen Kompaktheit. Sevilla schien weder eine Idee, noch die Motivation zu haben, um diesen Block wirkungsvoll auseinander zu spielen und ließ den Ball meist recht uninspiriert außerhalb der gegnerischen Formation laufen.

Fazit

Der Fokus der Analyse auf die positiven Aspekte von Real und die Probleme von Sevilla täuscht etwas darüber hinweg, dass das Spiel nicht so eindeutig war wie der 3:0-Halbzeitstand vermuten lässt. Sevilla vergab Großchancen und verschenkte einen schwachsinnigen Elfer. Weitestgehend glichen sich beide Mannschaften taktisch enorm und zeigten dabei Licht und Schatten. Die angesprochenen Aspekte machten aus dieser so taktisch ausgeglichenen Situation jedoch trotzdem eine relativ klare Sache und außerdem ist die taktische Ausrichtung von Real etwas überraschender als die von Sevilla. Durch den klaren Fokus auf Kroos und Modric zeigte sich die Mannschaft bedeutend kompletter und souveräner als gewohnt und erreichte ohne die vermeintlich wichtigsten drei Spieler einen der überzeugendsten Siege der letzten Monate.

Vielen Dank an Laola1.tv von deren Übertragung die verwendeten Screenshots stammen. Da gibt’s übrigens auch die Highlights vom Spiel.

Atütata 6. Januar 2017 um 18:58

@Baloo:
Ich find die drei auch richtig cool. Vor allem Bonucci begeistert mich immer wieder mit seinen Laserpässen und seiner noch dazu unglaublichen Devensivstärke. Für mich mit Thiago Silva der beste IV der Welt.

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Dr. Acula 5. Januar 2017 um 18:01

geiler artikel. einerseits das spiel analysiert, andererseits grundlegende dinge etwas näher beschrieben.
PS: modric ist ein genie! wie schade, dass man ihn nie mit iniesta in einem team sehen durfte

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Bernhard 5. Januar 2017 um 19:58

Wobei Modric und Kroos auch sehr fein sind.

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Schnix25 5. Januar 2017 um 23:23

Die Beiden zusammen wäre ein Traum – wobei ich Iniesta schon präferieren würde.
Für mich ist er der genialste Spieler der letzten 10 Jahre. Auch wenn Messi der beste Fußballer in der Zeit gewesen ist.

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Ancelottis Augenbraue 6. Januar 2017 um 20:43

Oder es ist so wie mit Thiago dem Strukturschaffer: Modric ist unter Carlo Ancelotti aufgeblüht wie Thiago aktuell. Im Moment versucht Ancelotti ja auch Thiago als Mini-Modric zu etablieren. Mal sehen, wie verletzungsfrei dieser bleibt.

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Bernhard 6. Januar 2017 um 23:37

Kann sein, aber Modric ist meiner Meinung nach der reifere Stratege im Vergleich zu Thiago.

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Ancelottis Augenbraue 7. Januar 2017 um 07:31

Das denke ich auch, daher „Mini“-Modric. Immerhin vergleicht man Thiago damit mit einem der Spieler ganz oben in der absoluten Welltspitze. Das ist Ehre genug.

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Bernhard 7. Januar 2017 um 21:11

Jo, stimmt scho.

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Isco 5. Januar 2017 um 15:55

„die vermeintlich wichtigsten drei Spieler“
Benzema und wer noch? Ramos?

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mlisiewi 5. Januar 2017 um 16:30

…Guter Joke 😉 Deswegen benutzte der Auto ja auch das Hilfswörtchen „vermeintlich“, was die Ursprungsaussage „wichtigsten drei Spieler“ dann ja doch kritisch hinterfragt

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MR 5. Januar 2017 um 17:32

Ödegaard und Kovacic natürlich

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Isco 5. Januar 2017 um 23:17

Natürlich!

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Gh 5. Januar 2017 um 09:04

Im Schach ist den Gegner spiegeln (wenn man schwarz ist zumeist, was ja Madrid in dem Fall war: Sevillas style ist ja bekannt) nicht so selten. V.a. wenn man sich im Mittelspiel als individualtaktisch stärker erachtet. Da individuell den meisten überlegen kann sich Real gegen strukturell stärkere Gegner eigentlich immer gut an der gegenerischen Struktur orientieren. Letzlich müssten die Gegner gegen Real chaotischer agieren, um wieder auf Schach zurückzukommen: auch schlecht geplante Gegenangriffe sind gegen einen strukturell nicht so sattelfesten Gegner meist erstaunlich erfolgreich, auch wenn man in der Nachanalyse sieht, dass man der Gegner mehrfach was hat liegen lassen: er hat im Stress es einfach nicht erkennen können.
P.s. der Elfer war keiner.

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CHR4 6. Januar 2017 um 00:58

das mag ich an Real: die können den Gegner mit verschiedenen Varianten überraschen 🙂 – da muss dann auch nicht jede Variante perfekt sitzen, sofern man trotzdem noch besser ist als Gegner, weil man eben die für ihn unangenehmste oder überraschendste gewählt hat

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Gh 6. Januar 2017 um 21:15

oh je, florentino raunt vom triple… kein gutes omen. real war immer dann am beseten wenn perez davon ausging, dass sie verlieren.

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Baloo 5. Januar 2017 um 06:34

BBC sind Bonucci, Barzagli und Chiellini….
Und nicht Benzema, Bale und Ronaldo

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