Türchen 1: FC Barcelona – Manchester United 2011
„In my time as a manager, it’s the best team we’ve faced. Everyone acknowledges that (…) No one has given us a hiding like that. It’s a great moment for them. They deserve it because they play the right way and enjoy their football” (Sir Alex Ferguson)
Messi macht munteres Manchester müde
Wembley, 28. Mai 2011, Finale der UEFA Champions League
Nachdem sie Manchester United bereits zwei Jahre zuvor in Rom besiegt hatten, ging es für das Ensemble von Pep Guardiola nun nach London, um erneut gegen die Mannschaft der schottischen Trainer-Legende anzutreten und der Titelsammlung des katalanischen Vereins eine weitere Trophäe hinzuzufügen.
Vor Valdés bildeten Alves, Mascherano, Piqué und Abidal die Viererkette, vor welcher der 22-jährige Sergio Busquets als Sechser agierte. Das Triumvirat wurde durch Xavi und Iniesta vervollständigt, während Messi sich vom Sturmzentrum aus in alle Richtungen bewegte. Links flankiert von Pedro, rechts von David Villa.
Manchester United setzte demgegenüber auf ein 4-4-1-1. Van der Sar hütete in seinem 797. Profispiel letztmalig das Tor der Red Devils und hatte in Ferdinand und Vidic zwei ebenfalls überaus erfahrene Innenverteidiger vor sich. Links verteidigte wie gewohnt Patrice Evra, während der junge Fabio diese Aufgabe auf der gegenüberliegenden Seite übernahm. Davor bildeten Carrick und Giggs die Doppelsechs. Park Ji-Sung und Valencia komplettierten das Mittelfeld. Wayne Rooney gab hinter dem umtriebigen Chicharito die hängende Spitze.
Uniteds Pressing, Manndecker Rooney
Ein entscheidender Faktor sollte das hohe, mannorientierte Pressing von United werden. In der Anfangsphase liefen sie überaus früh an und stellten Barcelona vor die ein oder andere Schwierigkeit. Chicharito orientierte sich jeweils lose am nicht ballführenden Innenverteidiger, zumeist Piqué. Park und Valencia deckten ihrerseits den jeweiligen Außenverteidiger der Katalanen, während die Sechser die entsprechenden Bewegungen von Xavi, Iniesta und teilweise auch von Messi aufnahmen, sofern dieser sich in ihr Blickfeld zurückfallen ließ.
Hinter der Mittelfeldreihe konnte diese Aufgabe wiederum je nach Ort von einem der Innen- oder Außenverteidiger, in der Regel Vidic oder Evra, übernommen werden. Am wichtigsten war jedoch die Manndeckung, welche Rooney nach wenigen Minuten aufnahm: Er wich Busquets nicht von der Seite. Ferguson hatte also erkannt, wen es bei Barcelona aus dem Spiel zu nehmen galt.
Freilich scheiterte dieser Plan sowohl an der zu rigiden Ausführung als auch an der Spielintelligenz von Busquets sowie an der kollektiven Reaktion Barcelonas auf die konkreten Umstände. Ganz zu Beginn konnten sie noch einige Male am eigenen rechten Flügel festgemacht werden, wo Uniteds Pressing besonders gut griff. Doch dann fiel einerseits Xavi häufiger in die erste Aufbaureihe, entweder links oder rechts neben Mascherano zurück. Alves schob im Gegenzug höher, während Abidal sich eher zurückhaltend zeigte. Busquets wich vermehrt in ballferne Räume aus und zog Rooney mit sich.
Wenn man sein Schicksal Barcelona überlässt
Wirklich problematisch wurde es schließlich, wenn Barcelona dieses höhere Pressing von United überwunden hatte und sich in deren Hälfte festsetzte. Dort schaltete sich Xavi dann höher mit ein, Alves gab rechts häufig die Breite, während Villa ins Sturmzentrum rückte.
Grundsätzlich gab es auch hier ordentliche Ansätze vonseiten der Engländer, insbesondere wenn Barcelonas Staffelungen in Übergangsphasen etwas unsauber oder leicht statisch wurden. Dann konnte ein Spieler aus der Viererkette gegen Messis Zurückfallen vorrücken und Valencia stabilisierend etwas tiefer bleiben. Idealerweise hielt man den kleinen Argentinier so von mehreren Spielern umringt und versperrte Optionen in den Zwischenlinienraum.
Kam jedoch mehr Bewegung ins Spiel und staffelte Barcelona sich bei eigenem Ballbesitz weniger auf Absicherung bedacht, so nahmen die Mannorientierungen deutlich überhand und stießen an ihre Grenzen. Messi wurde beispielsweise initial verfolgt, im Anschluss jedoch zugunsten einer verstärkten ersten Verteidigungslinie in den Raum übergeben, wo die Orientierung untereinander häufig zu unausgereift war, um den nötigen Zugriff zu erzeugen. Es kam schlichtweg vor, dass niemand Messi wirklich bemerkte.
Gerade die höhere Position von Alves drängte United ein ums andere Mal zurück. Zusätzlich öffneten Messi, Xavi und Iniesta sich geschickt gegenseitig Raum und Villa konnte dynamisch einrücken. Wurde dies von Evra verfolgt, entstand Raum für Alves. Konnte Villa ungehindert durchlaufen, war er seinerseits anspielbar. Auffällig war dabei insgesamt die überaus bewusste Nutzung der gegnerischen „blind side“, indem der Zwischenlinienraum bewusst fokussiert wurde.
In der Folge konnte die Elf von Pep Guardiola ihre herausragenden Qualitäten bei schnellen, kleinräumigen Kombinationen am und im Strafraum zeigen. Hierzu gab es immer wieder diagonale Läufe, die den Sechserraum der Engländer entblößten. Diese fielen insbesondere in der zweiten Halbzeit immer häufiger in eine Sechserkette zurück, wodurch der wichtige Raum noch angreifbarer wurde. Folgerichtig fiel etwa das 2:1 aus einem Distanzschuss genau von dort. Zusätzlich ergaben sich in den Halbräumen immer wieder Lücken, die Barcelona entweder über Iniesta und Messi oder, als Reaktion auf dessen Vorstöße, auch mit Villa besetzte. Aus einer 3-2-2-3/2-3-2-3-haften, dynamisch wechselnden Struktur, beherrschte Barcelona schlichtweg das Geschehen.
Von unangenehmem Potential und Paul Scholes
Trotz allem stellte Manchester United einen unangenehmen Gegner für die Katalanen dar. Gegen das guardiolatypische hohe Anlaufen von Barcelona im 4-1-3-2/4-1-2-3 ließen die Innenverteidiger den Ball gemeinsam mit Carrick kurz zirkulieren und griffen dann häufig zu langen Bällen, bei denen sich für die Katalanen durchaus gefährliche Gleichzahlsituationen ergeben konnten.
Anschließend wurde vor allem die linke Seite fokussiert, auf der Evra aktiver agierte als Fabio auf rechts. Zudem unterstützten dort Giggs, Rooney und Chicharito, während Park vermehrt zum Zentrum ziehen konnte und später auch dauerhaft die Position mit Giggs tauschte. Zudem schob Valencia weit mit hoch, was insgesamt zu einer hohen Strafraumbesetzung und einem aggressiven Spiel mit Bällen hinter die Kette, vor allem in den Raum der Außenverteidiger, führte.
Des Weiteren lauerte Chicharito häufig an der Grenze zum oder einen Schritt im Abseits. Die Überladungen, gepaart mit ballfern hochstehenden Spielern konnten durchaus Lücken in Barcelonas Hintermannschaft reißen. Vor allem Rooney war in der Lage, diese dann auch kombinativ zu füllen. So konnte United seinen Gegner vor allem zu Beginn durchaus länger einmal in der eigenen Hälfte halten.
Nachdem dieses intensive Spiel nicht mehr konsequent durchgehalten werden konnte und Barcelona in Führung ging, mobilisierte das Team von Sir Alex Ferguson in der Phase um das 1:1 nochmals Kräfte. Rooney erzielte nach einer herausragend von ihm selbst initiierten Kombination nach einem Einwurf den zwischenzeitlichen Ausgleich, ehe man sich erneut in eine eher reaktive Rolle begab.
Erst als Nani und Scholes beim Stand von 3:1 auf den Platz kamen, drängten die Red Devils noch einmal nach vorne, bespielten dabei vor allem aggressiv den Raum zwischen den Linien, wofür Nani häufig einrückte, während Valencia den offensiven Außenverteidiger gab. Auch wenn im Ansatz der ein oder andere brenzlige Moment entstand, kontrollierte Barcelona die Schlussphase mit einem ruhigen Passrhythmus. United erwies sich, im zeitlichen Kontext, als gut eingestelltes Team, das gegen die allermeisten Mannschaften erfolgreich gewesen wäre – nur eben nicht gegen ein zukunftsweisendes Barcelona.
Fazit
Letztlich bleibt nur eine offene Frage: War dieses Barcelona die beste Mannschaft aller Zeiten, wurde es das erst etwa ein halbes Jahr später oder doch niemals?
7 Kommentare Alle anzeigen
Schnix25 3. Dezember 2016 um 21:04
Ein besserer Auftakt für so einen Kalender kann gar nicht gemacht werden. Die erste HZ war das beste was ich von einem Team bisher gesehen habe. Die Dominanz für ein Finale war so erdrückend das man schon Mitleid mit den United Spielern haben konnte.
moris1610 1. Dezember 2016 um 17:43
Auf das Spiel hätte ich jetzt nicht unbedingt spontan gleich getippt. Klar weiß man von der taktischen Genialität von Barca aus dem 2011 Jahr, aber das CL Finale aus dem Jahr hat sich bei mir bisher noch nicht groß eingebrannt. Vermutlich einfach weil es zumindest in meiner Erinnerung nicht so wirklich spannend war. 😉 Ich wäre überrascht gewesen wenn Barcelona das nicht gewonnen hätte. Dennoch ein interessanter Rückblick. Ich freue mich auf mehr.
Dr. Acula 1. Dezember 2016 um 13:33
danke für den tollen artikel. zu diesem spiel wünsche ich mir schon lange eine analyse und jetzt wurde es durch zufall wahr.
allgemein finde ich, dass der gedanke dieses kalenders zusammen mit den SV-Lieblingen der beste bisher ist.
Koom 1. Dezember 2016 um 12:01
Gute Spielwahl.
Interessanterweise empfand ich das Finale als eines der schlechteren (vom Unterhaltungsfaktor). Ich mag Spiele nicht, wo eine Mannschaft so dermaßen unterlegen ist, dass es lächerlich ist und schon weh tut. Ich mag eher die offenen, kämpferischen Spiele. Eben persönlicher Geschmack. 😉
Schorsch 1. Dezember 2016 um 20:45
Als ‚Demonstrationsobjekt‘ für die große Klasse des FC Barcelona (und Messis) unter Guardiola hinsichtlich Taktik, Technik, Spielverständnis und individueller Qualität kann es kaum ein anderes Spiel geben. Immerhin ist ein CL-Finale so etwas wie ein ‚Gipfeltreffen‘ der besten Teams Europas. Es stehen zwar nicht immer die ‚Besten der Besten‘ im Finale; wer aber in einem solchen Endspiel steht, der ist dies nicht ‚unverdient‘. Was der FC Barcelona hier gezeigt hat, war eine einzige Demonstration. Und die Unterlegenheit ManUniteds war auch symbolisch zu sehen. Wenn man es etwas dramatisch ausdrücken will, dann war dies so etwas wie der ‚Schwanengesang‘ ManUniteds unter Sir Alex Ferguson als europäisches Spitzenteam.
Ich persönlich mag als Zuschauer auch lieber spannende Spiele mit gleichstarken Teams, mit offenem Ausgang bis zur allerletzten Minute. Wobei es aber keine ‚Bolzerei‘ sein sollte. Ist aber wirklich alles ‚Geschmackssache‘ 😉
schwerti 1. Dezember 2016 um 10:45
Danke für den tollen neuen Adventskalender. An dieses Spiel kann ich mich noch gut erinnern, da es ein Beispiel dafür war, wie man NICHT Pressing betreiben sollte. Auch habe ich dort zum ersten Mal bewusst das Phänomen des Schulterblicks bei Busquets und Xavi wahrgenommen. Habt Ihr ja nochmal gut verdeutlicht in der allerletzten Grafik. Bin schon gespannt auf morgen.
tobit 1. Dezember 2016 um 14:06
Für mich war es auch ein besonderes Spiel. Es war das erste CL-Finale, das ich wirklich bewusst gesehen habe und mir ist zum ersten Mal die Genialität von Xavi, Busquets und Iniesta aus taktischer Sicht aufgefallen.
Also eine wirklich tolle Wahl als Opener 🙂 .
Der Adventskalender ist sowieso immer eins der Highlights des Fussballjahres!