Von stabilen Schalkern und wenig waghalsigen Werderanern
Nach einem holprigen Saisonstart kommt der FC Schalke immer besser in die Spur. Gegen Werder Bremen setzten sich die Gelsenkirchener souverän durch.
Mit dem Heimsieg gegen Bremen klettert der FC Schalke 04 in der Tabelle auf Platz. Werder Bremen bleibt auf dem Relegationsplatz hängen. Was war los im Sonntagabendspiel der Bundesliga?
Schalke mit viel Ballbesitz gegen tiefe Bremer
In der ersten Halbezeit hatten die Hausherren deutlich größere Spielanteile vorzuweisen, weil die Bremer insgesamt sehr defensiv auftraten. Die Norddeutschen formierten sich gegen den Ball in einer 4-5-1 / 4-4-1-1-Grundordnung und interpretierten diese in der Regel als tiefes Abwehrpressing. Dabei orientierten sich Bartels und Junuzovic auf den beiden Außenpositionen in tiefen Zonen an den Schalker Flügelverteidigern und verfolgten diese bis in die letzte Linie, sodass situative Fünfer- oder gar Sechserketten entstanden. In der Mitte gab es mit Petsos und Fritz sowie Zehner Grillitsch, der sich gegen den Ball immer wieder zwischen beide Sechser einsortierte, einen zentralen Block, der als Verbund vor der eigentlichen Abwehrkette agierte. Dabei sollten Fritz und Petsos dann auf die beiden Schalker Achter herausrücken, wenn diese an den Ball kamen, wobei sich vor allem Fritz recht fokussiert im Verfolgen von Bentaleb zeigte, den Werder-Trainer Nouri wohl als wichtigen Schalker Offensivakteur ausgemacht hatte.
Gegen diese Spielweise kamen die Schalker zwangsweise zu einigem Ballbesitz – aus dem Spiel aber auch kaum zu Torchancen. Neben der hohen personellen Präsenz der Bremer rund um das eigene Tor, war dies vor allem in der Art und Weise begründet, wie die Schalker diese tiefen Staffelungen letztlich bespielten. Doch zunächst ein paar allgemeine Worte zur Schalker Offensivausrichtung: In der Schalker 3-1-4-2-Grundordnung gab es mit Meyer und Choupo-Moting zwei nominelle Stürmer, die in ihren Bewegungsmustern leicht unterschiedlich agierten. Choupo-Moting sollte in der vordersten Linie vor allem für körperliche Präsenz sorgen, als Zielspieler dienen oder sich in hohen Räumen an Kombinationen auf der rechten Seite beteiligen. Meyer hingegen driftete im Aufbau oft in offene Räume am linken Flügel, aus denen er inverse Dribblings startete oder über kleinräumige Kombinationen mit Bentaleb versuchte, diagonal in den Bremer Defensivverbund einzudringen. Mit Kolasinac und Schöpf gab es zwei lineare Außenspieler, wobei Schöpf auch immer wieder in die Mitte zog und damit in seiner Ausrichtung mehr auf das gegnerische Tor fokussiert war als Kolasinac, der in gewohnter Art und Weise als nachstoßender Durchbruchspieler auf der linken Außenbahn freigespielt werden sollte. Geis agierte prinzipiell als tiefer Spielmacher, wobei diese Aufgabe auf der rechten Seite vornehmlich vom nach vorne stoßenden Höwedes und auf der linken Seite vom nach hinten fallenden Bentaleb wahrgenommen wurde. Goretzka spielte in der Regel linear im rechten Halbraum und schob viel in die Spitze nach.
Die angedeuteten strategischen Mängel im Schalker Offensivspiel hatten ihren Anfang bereits im Übergangsspiel. Hier wählten die Gelsenkirchener schnelle Wege in die Räume neben Gnabry, um von dort nach vorne zu kommen. Gegen die tiefen und in der letzten Linie horizontal kompakten Bremer (Sechserketten!) fanden sie von dort aus keine Möglichkeit den (aufgrund der tiefen Linie aber auch kaum vorhandenen) Raum hinter der Kette zu öffnen oder zu bespielen. Läufe in die Tiefe waren kaum vorhanden, Verlagerungen um den Bremer Defensivblock herum nicht effektiv. Eine Möglichkeit wäre hier gewesen das Spiel durch den Bremer Defensivverbund von einem Halbraum zum anderen zu verlagern. In konkreter Form hätten das z.B. Seitenwechsel durch den Raum zwischen Bremens Mittelfeldtrio und Gnabry hindurch sein können, an deren Anschluss man kurze Anspiele in den Zwischenlinienraum mit sofortigen Ablagen hätte forcieren können. Stattdessen hatten die Schalker kaum Möglichkeiten in den zentralen Zwischenlinienraum einzudringen – das war erst der Fall, als Choupo-Moting beim ersten Tor eine Kopfballablage nach einem hohen Anspiel in die Tiefe auf den nachstoßenden Meyer spielen konnte.
Umschaltfokus und gezielte Pressingtrigger als Offensivplan der Bremer
Aus ihrer tiefen Grundordnung im Spiel gegen den Ball heraus fokussierten sich die Bremer in der Offensive auf eigene Umschaltaktionen sowie schnelles Übergangsspiel mit direktem Spiel in die Spitze. In der 4-2-3-1-Grundordnung (vielleicht auch eine Form des 4-1-4-1) der Norddeutschen gab es mit Gnabry einen schnellen Umschaltakteur, der viele horizontal-ausweichende Läufe in der Tiefe zeigte und sich dort als Anspielstation anbot. Mit Bartels und Junuzovic auf den Flügeln, die in ihrer Spielweise eine Mischform aus Halbraumzehner und Flügelspieler darstellten, gab es zwei weitere potentielle Umschaltspieler. Konteraktionen wurden dabei vom nachstoßenden Grillitsch auf der Zehnerposition unterstützt. Auffällig war bei den Bremern, dass sich beide Außenverteidiger bereits im Spielaufbau weit nach vorne bewegten und so vom Aufbau abgeschnitten waren. Die beiden Innenverteidiger erhielten nur vom tiefen Petsos Unterstützung, was aber grundsätzlich zum Bremer Spiel passte, das in der ersten Halbzeit keine langen Ballbesitzphasen im Aufbau vorsah. Im Aufbauspiel ließ sich Gnabry dabei aus dem Sturmzentrum nach hinten fallen, wobei die letzte Line von anderen Akteuren besetzt wurde, um sich als Verbindungsspieler anzubieten und das Spiel mit vielen guten Dribblings nach vorne zu tragen. Dabei hatten die Bremer gegen die körperlich starke Zentralverteidigung der Schalker Probleme, Einzelaktionen im Anschluss an lange Zuspiele sauber auszuführen – vor allem Bartels und Gnabry waren gegen die robusten Naldo, Höwedes und Nastasic auf verlorenem Posten. Darüber hinaus gelang es den Schalkern in ihrer 5-3-2 / 5-1-2-2-Grundordnung gegen den Ball, wie sie auch schon gegen den BVB zu sehen war, die Bremer schnell auf den Flügel zu leiten und dort anschließend festzupinnen. In hohen Pressingszenen orientierte sich Goretzka direkt an Petsos, was diesen bezüglich seiner Funktion als Verbindungsgeber nach vorne über die Zentrale aus dem Spiel nahm.
Die Bremer wollten allerdings nicht nur nach Kontern und schnell durchgespielten Angriffen aus der Tiefe zum Torerfolg kommen, sondern versuchten die Schalker im Aufbau auch immer wieder unter Druck zu setzen. Dabei lenkte Gnabry das Spiel weg von Naldo auf einen der beiden Halbverteidiger und stellte anschließend die Mitte zu, während der ballnahe Flügelspieler herausrücken sollte. Bartels und Junuzovic positionierten sich in diesen Situationen stets zwischen Halbverteidiger und Flügelspieler und starteten von dieser Position ihre Läufe, sodass sie im Anlaufen von ihrem Deckungsschatten Gebrauch machen konnten. Aufgrund weiter Wege der beiden Flügelspieler waren diese Aktionen aber oftmals wenig druckvoll. Außerdem reagierten die Schalker in unübersichtlichen Situationen einfach mit kompromisslosem Spiel in die Tiefe.
Bremens Anpassungen in der zweiten Halbzeit
Im zweiten Durchgang passten die Bremer die Grundordnung aus der ersten Halbzeit etwas an – und agierten von da an in einem klaren 4-1-4-1, wobei Petsos die alleinige Sechserposition bekleidete. Durch die leicht veränderten Staffelungen im Mittelfeld gelang es den Gästen so, besser in die Ballzirkulation und zu längeren Ballbesitzphasen zu kommen. Bremer Chancen blieben aber Mangelware.
Nach gut einer Stunde kam schließlich Hajrovic für den verletzten Fritz – etwas später Pizarro für Bartels. Mit Gnabry und Pizarro agierten die Bremer für das letzte Drittel der Partie mit zwei Stürmern und aus einer 4-4-2-Grundordnung heraus.
Fazit
Am Ende bleibt ein leicht überdurchschnittliches Bundesligaspiel mit zwei auf die eigene Torsicherung bedachten Mannschaften. Dabei agierten die Schalker über die komplette Spieldauer sehr solide und stringent. Die Bremer brachten sich durch ihre unkreative und etwas lahme Grundidee um die Möglichkeit auf Schalke etwas mitzunehmen, was aber nicht heißen soll, dass die Leistung der Bremer schlecht gewesen wäre.
10 Kommentare Alle anzeigen
ES 9. November 2016 um 16:00
Sehr schön. Ich freue mich schon auf arg ausgebuffte Augsburger, hoch-hoffnungsvolle Hoffenheimer, gänzlich glückliche Gladbacher und letztlich heldenhafte Hamburger gegen bedauernswerte Braunschweiger im Relegationsendspiel.
ES 9. November 2016 um 15:34
Ich freue mich schon auf ausgebuffte Augsburger, hoffnungsvolle Hoffenheimer, glückliche Gladbacher und ganz besonders auf heldenhafte Hamburger gegen bedröppelte Braunschweiger im Relegationsendspiel! Ihr spleenigen Spielverlagerer!
ES 9. November 2016 um 16:30
Sorry, so lustig war der Kommentar auch nicht, dass ich hier ein zweites mal nachlegen musste. Irgendwie war mein erster Post blockiert, da hab ich es noch mal in die Tasten gehauen. Ich beantrage eine „Post-Löschen-Funktion“.
Koom 9. November 2016 um 16:51
Die Inka-Bausierung des Spielverlagerungsabendlandes…
idioteque 9. November 2016 um 00:44
Wie schätzt ihr denn die Entwicklung von Schalke ein? Klar, man hat jetzt ein paar tendenziell leichtere Gegner geschlagen, gegen die das 3-1-4-2 ganz gut ausgeschaut hat, teilweise sogar mit ein paar Ansätzen von Ballbesitzspiel (was es auf Schalke gefühlt seit den Zeiten des Kreisels nicht mehr gab), aber ist das eher ein kurzer Ausschlag nach oben in der typischen Schalker Inkonstanz, oder wird dort tatsächlich ein Fundament für eine längerfristige Entwicklung gelegt?
Floyd04 9. November 2016 um 09:03
Ich persönlich sehe keinen Grund, warum sich da nix entwickeln soll. Schalke hatte lange nicht so einen ausgewogenen Kader und wie Weinzierl innerhalb von fünf Spielen ein System entwickelt hat, das stabil funktioniert und robust gegen Rotationen ist, imponiert mir.
Grenzenlos optimistisch bin ich natürlich trotzdem nicht, aber positiv gespannt, wie die Entwicklung weitergeht.
RadicalEd 9. November 2016 um 10:27
Positiv stimmt mich, dass die Entwicklung von Schalke unter Weinzierl nicht unähnlich ist wie die von Augsburg unter Weinzierl. Auch dort hat es eine Weile (sogar deutlich länger) gedauert, bis Weinzierl die Mannschaft so eingestellt hat, dass sie erfolgreich spielt. Seine erste Hinrunde auf Augsburg war ein völliges Desaster.
Weinzierls große Stärke scheint mir persönlich zu sein, dass er passende Systeme (und Rollen) für sein Spielermaterial basteln kann. Drei starke Innenverteidiger (Höwedes, Nastasic, Naldo) im Kader und auf den Außenverteidiger-Positionen eher mittelmäßig besetzt? Stell ich doch auf Dreierkette um. Im Mittelfeld- Zentrum stets Probleme mit den Verbindungen von Offensive und Defensive? Besetz ich das Mittelfeld Zentrum doch mit einem Sechser und ZWEI Achtern. Auch die Einbindung von Spielern wie Schöpf oder Kolasinac als „Wing-Backs“ sieht recht passend aus.
Natürlich wird es weiter Rückschläge in der Entwicklung geben (was wenn Spieler die kaum ersetzt werden können in diesem System wie Bentaleb oder Höwedes ausfallen?), aber momentan fehlen die Etat-mäßigen Stürmer Nummer 1, 2 und 3 und trotzdem spielt Schalke relativ ansprechend mit zwei Spitzen, das macht durchaus Mut.
Koom 9. November 2016 um 12:29
Da schließe ich mich an. Weinzierl ist dadurch zwar weniger cool, weil er quasi eher das Beste aus dem macht, was er hat, anstatt innovative Konzepte durchzupauken. Aber das muss und darf ja nichts schlechtes sein. Er scheint sehr gut Spieler lesen zu können, „erfand“ ja quasi auch den verehrten Daniel Baier auf diesem Wege.
Das der Erfolg schneller kommt als bei Augsburg kann man wohl auf die höhere individuelle Qualität von Schalke gegenüber Augsburg zurückführen.
Floyd04 9. November 2016 um 16:20
nach 10 Spieltagen zu bedauern, dass ’nur‘ das beste aus dem gemacht wurde was vorliegt und noch keine innovativen Spielkonzepte durchgepaukt wurden, empfinde ich als meckern auf angenehm hohem Ross 🙂
Schorsch 8. November 2016 um 22:23
Als ’schlecht‘ kann man die Leistung Werders vielleicht nicht bezeichnen. Dem kann ich aus meiner subjektiven Warte aus zustimmen. Aber als ‚gut‘ eben auch nicht. Es sah für mich so aus, als sei das Ziel Nouris gewesen, ein 0:0 zu erzielen. Die 5er-, teilweise 6er-Kette hielt ja auch einige Zeit. Aber die gewählte Positionierung auf dem Platz ließ auch kein wirkliches Konterspiel zu, zumal die Schalker dies auch zu verhindern wussten. Die Anpassungen Nouris waren im Prinzip Reaktionen auf die Spielstände, brachten außer optischen Verbesserungen (z.B. die von RT angesprochene bessere Ballzirkulation im 4-1-4-1) aber keine größere Effektivität.
Schalke hat dieses Spiel völlig folgerichtig für sich entschieden, Werder hat es ebenso folgerichtig verloren. Der Weg von S04 geht also weiter nach vorne, während Werder im Tabellenkeller steckenbleibt. Die erste Nouri-Euphorie scheint etwas verflogen. Nur gut aus Werdersicht, dass es noch deutlich schwächere Teams gibt, jedenfalls aktuell.