Wolfsburg dominiert Defensivfokus, zerstört Offensivfokus

6:0

Die Wölfe empfangen den SV Werder Bremen. Die Gäste befinden sich im Abstiegskampf und benötigen jeden Punkt; für Wolfsburg hingegen ist dieses Heimspiel ein Pflichtsieg, um sich weiterhin in der Spitzengruppe festzusetzen.

Souveräne Wolfsburger Dominanz

Die Hausherren traten im Spielaufbau sehr stabil auf, erlaubten Werder kaum Zugriff und ließen den Ball geschickt in den eigenen Reihen laufen. Hierbei war die personelle Aufstellung mitentscheidend.

Grundformationen

Grundformationen

Mit Schäfer und Träsch hatte man zwei Außenverteidiger, die sich insbesondere in der ersten Aufbauphase etwas  tiefer positionierten. Bremens Flügelstürmer standen nun vor der Wahl, die beiden enger zu pressen und womöglich Pässe durch die Schnittstelle zwischen den Achtern ins Mittelfeld zu erlauben oder zurückhaltender zu agieren. Meist entscheiden sie sich für Letzteres, wodurch Wolfsburg bei versuchtem Druck der Bremer im zentralen Mittelfeld immer die Außenverteidiger als sichere Anspielstationen hatte.

Dazu spielten Naldo und Dante geschickt aus der Mitte heraus. Langsame Ballzirkulation ohne wirkliche Vorwärtspässe wechselten sich mit weiträumigen Flachpässen tief in die gegnerische Formation hinein und einzelnen Vorstößen ab. Letztere gingen nicht wirklich ins Mittelfeld, sondern nur ein paar Schritte, um die Bremer Achter herauszulocken und die dadurch entstehenden Räume bespielen zu können.

Besonders wichtig war aber die zentrale Aufteilung. Schon mehrmals haben wir über die Aufteilung der Mittelfeldräume seit dem Abgang De Bruynes geschrieben. In einem Artikel bei Abseits.at hatte ich einst geschrieben, dass nur wenige Spieler extreme Handlungsschnelligkeit und Dribblingfähigkeit in kleinen Räumen mit der Fähigkeit, weiträumige Aktionen – ob durch Läufe mit und gegen den Ball oder das Passspiel – erfolgsstabil umzusetzen, kombinieren können. Diese enorme Stärke De Bruynes ist natürlich schwer zu setzen, trotz „Ersatzmann“ Julian Draxler.

Mit Luiz Gustavo – einem oft etwas unterschätzten Aufbau- und Kombinationsspieler –, dem spielstarken Max Kruse auf der Zehn und Jungtalent Maxi Arnold gab es aber eine interessante Rollenverteilung in der Mitte.

Kruse konnte sich immer wieder dynamisch zurückfallen lassen, um Bälle zu fordern und dann mit seinen Dribblings oder auch schnellen Ablagen für Raumgewinn in Richtung gegnerischem Zwischenlinienraum zu sorgen. Dabei bewegte sich Kruse geschickt mit diagonalen Läufen neben den Sechser und hinter die Achter, um für Pässe aus der Innenverteidigung offen zu sein.

Gustavo wiederum kippte öfters aus dem Sechserraum nach links heraus, besetzte den defensiven Halbraum und konnte von dort aus den Außenverteidiger bei Vorstößen absichern oder Kruse / Arnold / Caligiuri zwischen den Linien suchen. Besonders wichtig war allerdings Arnold; er bewegte sich in beide Halbräume, besetzte gelegentlich den Sechserraum und schob öfters auch in höhere Zonen.

Generell ist Arnold ein überaus interessanter Spielertyp, weil er neben seiner defensiven Aktivität und seines individualtaktischen Geschicks auch hohe Laufstärke mit guten Dribblings und starkem Passspiel vereinigt. In der Anfangsphase war Wolfsburgs darum sehr fluide in der Mitte, man ergänzte sich gut und es gab auch einige Positionswechsel; u.a. beim Kopfball Gustavos an den Pfosten, als Kruse zuvor in den Sechserraum zurückgekommen war.

Diese Spielweise sorgte für hohe Ballbesitzwerte und Stabilität bei den Wolfsburgern. Insbesondere nach der Führung spielten sie sehr ruhig, teilweise fast schon passiv in der Ballzirkulation und vorsichtig im Angriffsspiel. Werder erhielt nur selten Zugriff und musste sich meistens auf Konter nach tiefen Ballverlusten beschränken, obgleich nach der Verletzung Luiz Gustavos hier die Räume nicht mehr ganz so gut gesichert waren. Aus dem Spieler heraus hatten die Bremer aber lange Zeit keinen wirklichen Abschluss.

Typisches Hecking-Defensivspiel

Defensiv gab es ein relativ klares 4-4-2/4-4-1-1 bei Wolfsburg zu sehen. Gegen Bremens 4-1-4-1 formierte man sich mit zwei tiefen Stürmern im Pressing, welche den Zugang in den Sechserraum versperren und von dort aus nach vorne attackieren sollten, während Gustavo und Arnold die Räume um die beiden Achter Bremens kontrollierten und sich situativ mannorientiert verhielten. Prinzipiell war dies die übliche Spielweise der Wölfe unter Hecking.

Die Kompaktheit ist nicht herausragend, aber stark; die Intensität ist nicht extrem (wie z.B. bei Roger Schmidt oder Pep Guardiola), aber sehr hoch; das Zugriffsverhalten ist individuell, jedoch im Kollektiv passend und gut abgestimmt. Dadurch schaffen sie es solide zu stehen und im Mittelfeld das gegnerische Angriffsspiel abzuwürgen, um aus den dortigen Zonen entweder effektiv kontern oder in ihr stabiles Umschaltspiel umschalten zu können.

Diese Defensivspielweise im Verbund mit den Limitationen des Bremer Angriffsspiels und dem wenigen Ballbesitz sorgte für ein chancenarmes Spiel. Denn die Wolfsburger hatten im letzten Drittel durchaus Probleme gegen die Skripnik-Elf.

Simples und stabiles 4-1-4-1

Werders 4-1-4-1 hatte zwar Probleme im Erzeugen des Zugriffs gegen die Aufbaustaffelung Wolfsburgs und die Pässe ins Mittelfeld, doch in den strafraumnahen Räumen stand man eigentlich ganz gut. Bartels und Junuzovic auf den Seiten konnten sich öfters weit zurückfallen lassen, wenn Wolfsburgs Außenverteidiger vorstießen und stellten Fünfer- oder gar Sechserreihen her. Bargfrede sicherte weite Räume auf der Sechs alleine und bewegte sich sehr gut im Absicherungsverhalten für die beiden Achter, welche in Grillitsch und Fritz recht viel Laufarbeit nach hinten verrichteten.

Durch den frühen Rückstand und die dennoch weiterhin defensivorientierte Spielweise Bremens sowie natürlich dem zurückhaltenden, gut gestaffelten Aufbauspiel Wolfsburgs entstand ein sehr chancenarmes Spiel in der ersten Halbzeit. Lange Zeit – und insbesondere nach der Auswechslung Gustavos – verwaltete Wolfsburg nur noch das Ergebnis mit Ballbesitz, Bremen schien trotz Rückstand kein Problem damit (oder keine Lösung dagegen?) zu haben. Dadurch gab es zur Halbzeitpause nur elf Abschlüsse; sieben für die Wölfe, vier für Bremen. Das Ergebnis passte Wolfsburg aber natürlich perfekt: Durch einen Freistoß ging man vor der Halbzeitpause noch 2:0 in Führung.

Zweite Halbzeit

Durch dieses Tor musste Skripnik nach dem Seitenwechsel umstellen. Claudio Pizarro kam für Zlatko Junuzovic, was eine formative Veränderung bedeutete. Aus dem 4-1-4-1 wurde ein 4-4-2. Pizarro und Ujah gaben das Sturmduo, wobei sich speziell Pizarro öfter zurückfallen ließ, um im Zwischenlinienraum eine Option zu geben. Fritz und Bargfrede gaben nun die Doppelsechs, Grillitsch ging auf den linken Flügel. Diese Umstellung passte aber nicht unbedingt zum Wolfsburger System.

Einerseits funktionierte das Wolfsburger Pressing nun noch simpler und besser, andererseits spielte man dem Offensivspiel Wolfsburgs damit auch noch in die Karten. Kruses zurückfallende Bewegungen konnten nun im Konterspiel noch besser eingebunden werden, was beim 3:0 in der 55. Minute sichtbar wurde. Auch die Außen konnten nicht mehr so gut von der Mitte isoliert werden, was ein Schlüsselaspekt in den Wolfsburger Angriffen darstellt. Darum ging Werder in der zweiten Halbzeit unter, obgleich auch das verstärkte Aufrücken der Wolfsburger Mittelfeldspieler und die geringere Kompaktheit Werdes ebenfalls relevante Faktoren waren.

Fazit

Souveräner Sieg der Wolfsburger gegen den SV Werder Bremen, die beim Stande von 0:1 zu defensiv und nach dem 0:2 zu offensiv waren. Eine schlechte Umstellung Skripniks, eine effiziente Chancenverwertung Wolfsburgs und eine passende Rollenverteilung im Mittelfeld der Wölfe sorgten letztlich für einen klaren Kantersieg. Einen detaillierten Artikel zum SVW gibt es übrigens von uns bereits.

Jo 22. November 2015 um 10:04

Vielen Dank für den guten Artikel!

Aber mal eine Frage @RM: wie hätte Skripnik z.B. besser umstellen können?

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