Kurze starke Phase reicht Frontzeck zum Sieg in Hamburg
Das kriselnde Hannover spielt in Hamburg und womöglich gar um Frontzecks Job. Die Hamburger wiederum möchten sich nach oben orientieren, müssen dafür allerdings unbedingt gewinnen.
Frühe Führung für den HSV und stabiles Pressing
Die Hausherren begannen die Partie druckvoll und einer frühen Führung. Ein hoher Ball wurde von den Hannoveranern schwach verteidigt, wodurch sich Nicolai Müller an der Seite durchsetzen und hinter die Hannoveraner Abwehr kommen konnte. Er legte vor Ron-Robert Zieler quer und Gregoritsch musste nur ins leere Tor einschieben.
Die Hamburger pressten direkt nach dem Treffer in einem 4-4-2, welches aber von den sehr aggressiv herausrückenden Außenstürmer auch zu einem 4-3-3 werden konnte. Hierbei gab es zwei Möglichkeiten, wie s zu einem 4-3-3 werden konnte. Einerseits natürlich die klassische Spielweise: Der Gegner lässt einen Sechser im defensiven Halbraum freilaufen, woraufhin der Flügelstürmer herausrückt, den Gegenspieler auf der Seite in den Deckungsschatten nimmt und Druck ausübt. Auch das gab es bei den Hamburgern zu sehen. Andererseits verfolgte man auch eine andere, unorthodoxere Spielweise in einzelnen Situationen.
Wenn der Gegner auf einer Seite in tiefen Zonen – z.B. mit Sechser, Innen- und Außenverteidiger den Ball laufen ließ – hielt und der ballnahe Flügelstürmer aber nicht herausrücken konnte, ging der ballferne Flügelstürmer gelegentlich diagonal in Richtung ballfernem Innenverteidiger oder Sechser, um bei Verlagerungen direkt Druck ausüben zu können.
Ansonsten gab es aber eben auch 4-4-2-Staffelungen, wo beide Mittelstürmer stark zum Ball verschoben, die raumdeckenden Flügelstürmer unterstützten und von den oft herausrückenden sowie vielfach manndeckenden Sechsern unterstützt wurden. Sowohl Diaz als auch Holtby – insgesamt also eine spielintelligente und technisch hochwertige Doppelsechs – variierten immer zwischen einer absichernden tiefen Position und vielen mannorientierten Bewegungen, auch mit den tieferen gegnerischen Sechsern, um diese als Anspielstation im Spielaufbau in zentralen Zonen zu neutralisieren.
Alles in allem funktionierte das gut, obwohl der HSV häufig unsauber war und die Kompaktheit insgesamt nicht herausragend war. Die vertikalen Abstände zwischen den Linien waren z.B. gelegentlich zu groß und hätten von einer stärkeren Mannschaft wohl gut bespielt werden können. Doch das war bei Hannover nicht der Fall.
Ballbesitzspiel ohne Raumgewinn
Die Gäste probierten durchaus konstruktiv aufzubauen. Durch die Führung des HSV und deren Mittelfeldpressing waren sie oft auch dazu gezwungen; lange Bälle hinter die Abwehr und in die Spitze hätten wegen der Pressinghöhe der Hamburger ohnehin nicht wirklich funktioniert. Sané als Sechser bewegte sich oft tief vor die Innenverteidiger oder in den rechten defensiven Halbraum zwischen Innen- und Außenverteidiger, um von dort aus das Spiel aufzubauen. Ihm fehlte es allerdings an den passenden Entscheidungen. Immer wieder gab es unpassende Aktionen wie z.B. inakkurate lange Bälle oder schwer zu verarbeitende Pässe, welche Hannovers Ballbesitzspiel belasteten.
Auch der zurückfallende Kiyotake, der eigentlich starke Schmiedebach und die weit einrückenden Flügelstürmer konnten keine wirkliche Präsenz in der Mitte bringen. Die Außenverteidiger Hannovers rückten zwar mehrmals extrem weit nach vorne im Spielaufbau, um Breite zu geben und Räume in der Mitte zu generieren, fehlten aber stattdessen vielfach als Außenoptionen und Hamburgs raumorientierte Spielweise auf den Seiten ermöglichte das Versperren der zentralen Anspielstationen Hannovers. Die 96er konnten dadurch nur selten über die Mitte nach vorne spielen und dann auch noch den Ball behaupten.
Nach einer Phase mit sehr hohen Außenverteidigern in der ersten Halbzeit zog Frontzeck diese wieder tiefer, was jedoch wenig veränderte. Man konnte zwar die Stabilität und Zirkulation in der ersten Linie verbessern, weiter vorne mangelte es jedoch an der passenden Dynamik. Schnelle Unterstützung nach raumgewinnenden Pässen über einen dritten Spieler, das Kreieren von individualtaktisch vorteilhaften Situationen (Bewegung außerhalb gegnerischer Sichtfelder, tororientierte Stellung, adäquate Verbindungen und Distanzen zueinander für gute Raumaufteilung, etc.) und geschickte Verlagerungen über Spieler innerhalb der gegnerischen Formation gab es nur selten.
Gegen den Ball hatte man auch die einen oder anderen Probleme.
Hannovers frühes Pressing druckvoll und löchrig
Grundsätzlich war die Intention des Hannoveraner Pressings nach dem Rückstand durchaus aggressiv und vorwärtsorientiert. Bei Abstößen Hamburgs stellte man häufig die direkten Anspielstationen zu, verhielt sich mannorientiert und bewegte sich viel. Der HSV musste oftmals aus den tiefsten Zonen mit langen Bällen agieren und auch Adler kam auf viele ziellose Pässe weit nach vorne, weil es an passenden Strukturen mangelte.
Allerdings war Hannovers Pressing nicht konstant und kompakt genug. Immer wieder konnte der HSV die zweiten Bälle für sich entscheiden oder offene Räume bei Hannover vorfinden. Danach gab es den schnellen Weg nach vorne mit Raumgewinn, einrückende Bewegungen der Flügelstürmer an die beiden Mittelstürmer (Lasogga und Schipplock, beide vom Spielertyp her eher kopfballstarke Zielspieler) und gutes Nachstoßen der Außenverteidiger.
Wenn man die Angriffe nicht zu Ende spielte, konnte man über Holtby, Diaz und die Innenverteidiger dennoch simpel nach hinten spielen und in höheren Zonen neu aufbauen. In diesen Situationen verloren die Hannoveraner meist sämtlichen Zugriff. Kiyotake und Sobiech waren vielfach zu weit von den Hamburger Innenverteidigern weg und machten dadurch zu wenig Druck. Diaz (oder gelegentlich Holtby) und die Innenverteidiger Hamburgs hielten Abstand auf die gegnerische Formation, die Außenverteidiger konnten sich ebenfalls weit zurückfallen lassen.
Wegen der vielen Mannorientierungen auf allen Positionen tat sich Hannover auch schwer, aus diesem Schema auszubrechen und wieder in ein intensiveres Pressing überzugehen. Hamburg ließ den Ball laufen und suchte nach Löchern, war dabei aber geduldig und wartete auf Räume in der mäßig kompakten Formation der Gäste.
HSV: Inkonstant im Gegenpressing und in den Offensivstaffelungen
Die einzige Gefahr für die Hamburger waren Ballverluste in der Vorwärtsbewegung. Das Gegenpressing war bisweilen inkonstant und die Staffelungen zuvor auch nur suboptimal. Das hätte also durchaus ein Problem werden können, wenn der HSV nicht so früh in Führung gegangen wäre. Mit der Führung im Rücken konnte man strategisch abwartender und absichernder agieren.
Selbst nach Ballverlusten hatten die Rothosen ausreichend Spieler in den tiefen Zonen, ließen eigentlich keine Konter zu und entschleunigten die Angriffsversuche Hannovers. Diese Spielweise sorgte im Verbund mit dem geduldigen, verwaltenden Ballbesitzspiel sowie den geschilderten Aspekten der Hannoveraner für ein Spiel mit viel Mittelfeldgeplänkel und nur wenigen Torchancen.
Umstellungen und Veränderungen in Halbzeit 2
Nach dem Seitenwechsel kam Hannover wie verändert aus der Kabine. Womöglich auch, weil sie verändert waren. Uffe Bech und Saint-Maximin wurden für Schmiedebach und Klaus eingewechselt. Mit Andreasen im zentralen Mittelfeld neben Sané, stärker auf die Seite ausweichenderen Bewegungen Kiyotakes sowie der Dynamik und Dribbelstärke Bechs und Saint-Maximins verbesserte sich Hannovers Aufbauspiel etwas. Die erhöhte Intensität gegen den Ball auch in tieferen Zonen und der schnelle Ausgleich sorgten dann für eine Spielrhythmusveränderung.
Aus dem etwas trägen und sehr an den Übergängen in das zweite Drittel stattfindenden Spiel wurde nun eine intensivere Partie mit schnelleren und häufigeren Ballbesitzwechseln, mehr Raumgewinn und insgesamt mehr zu Ende geführten Angriffen. Das schon erwähnte potenziell anfällige Gegenpressing Hamburgs wurde hier ein paar Mal sichtbar.
Kurz nach dem 1:1 konnte Sané mit einem schönen Vorstoß und einer Hereingabe des herausgerückten Kiyotake zur Führung treffen; die nach der ersten Halbzeit eigentlich unerreichbar schien. Nun wirkte das Spiel ähnlich wie in der ersten Halbzeit: Die Mannschaft in Führung zog sich zurück und agierte stabiler, die andere Mannschaft baute das Spiel auf und hatte Probleme mit dem Raumgewinn. Frontzeck brachte sogar Felipe für Kiyotake und stellte somit auf ein 4-4-1-1 mit Andreasen als sehr tiefem Zehner – eher ein Achter – um. Zwar waren die Hamburger druckvoller dabei als die Hannoveraner in der ersten Halbzeit, aber kamen dennoch nicht zum verdienten Ausgleich.
Fazit
Hannover hatte Probleme im Spielaufbau und gegen den Ball. Die Kompaktheit und Verschiebebewegungen waren unsauber, ebenso wie das Freilaufverhalten und die Unterstützung im Angriffsspiel. Nach der Halbzeit konnte man durch geschickte Wechsel und womöglich eine passende Kabinenansprache mit erhöhter Intensität diese Probleme neutralisieren, dazu waren die individuell zum Flügelspiel besser passenden Außenspieler ein Zugewinn.
Der HSV wirkte nach der Führung zwar nicht allzu druckvoll, aber stabil und tororientiert. Die Löcher in Hannovers Defensive wurden gefunden, doch in Strafraumnähe waren zu häufig zu viele Gegenspieler da, um durchbrechen zu können. Dazu kamen einige gute Entlastungsangriffe Hannovers sowie eine schlechte, auf lange Bälle fokussierte Endphasenstrategie Hamburgs, welche Hannover den Sieg brachten.
4 Kommentare Alle anzeigen
Tim 3. November 2015 um 11:48
Hallo, ich weiß das hier ist komplett off-topic aber ich wusste nicht wo ich die Frage sonst stellen sollte.
Wisst ihr ob die Vereine zusätzliches Bildmaterial von den Fernsehsendern bekommen? Also zum Beispiel das komplette Spiel aus einer weiter entfernten Ansicht oder so?
Frage mich das schon länger aber finde keine Antwort darauf.
Danke 🙂
RM 3. November 2015 um 12:07
Ja, erhalten sie.
studdi 3. November 2015 um 12:37
Sie stellen aber auch selbst Kameras auf mit denen Sie das Spiel filmen und schon in der Halbzeit analysieren können. Gibt ja sogar schon Apps mit denen man das als Amateur Verein hin bekommt wenn man die Geigneten Vorrausetzungen hat.
ES 2. November 2015 um 08:08
„Ein hoher Ball wurde von den Hamburgern schwach verteidigt.“ Hat nicht in dem Fall Hannover schwach verteidigt? Schreibt einfach HSV, dann passt es immer.