Blick über den Tellerrand – Folge 29
Diese Ausgabe setzt sich zusammen aus zwei kleinen Betrachtungen von Spielen mit eher unbekannten spanischen und italienischen Teams sowie einer ersten Analyse des FC Utrecht unter ihrem neuen Trainer Erik ten Hag.
Spiel der Woche I: UD Las Palmas – SD Eibar 0:2
Auf Gran Canaria trafen zwei kleine, interessante La-Liga-Teams im Samstagabendspiel aufeinander. Während Paco Herreras Las Palmas – nach dreizehn Jahren ins Oberhaus zurückgekehrt – schon Barcelona und weiteren Gegnern Probleme bereiten konnte, allerdings unter einem schweren Auftaktprogramm litt, hat das baskische Team von Eibar unter José Luis Mendilibar einen erfreulichen Start mit bisher nur einer Niederlage aufzuweisen. Beide Mannschaften brachten in dieser Begegnung recht gute, gefestigte und taktisch geschulte Grundausrichtungen auf den Platz. Die Gäste pressten grundsätzlich in einem stabilen 4-3-3, das von einzelnen Mannorientierungen, vielen herausrückenden Bewegungen der Achter – in 4-4-2- oder teilweise breite 4-3-2-1-Staffelungen – und häufigem diagonalen Attackieren von Inui auf einen gegnerischen Halbverteidiger von Las Palmas´ 5-2-3/5-3-2 geprägt war.
Dabei überzeugten sie vor allem mit sauberer Staffelungsfindung und waren durch die verschiedenen Herausrückbewegungen, speziell der Achter, ausgewogen angeordnet. Es fehlte allerdings zum einen etwas an Kompaktheit zur Abwehr hin und zum anderen – trotz oder wegen der Mannorientierungen – an Anpassung an die Gesamtaufteilungen der jeweiligen Situation. Gerade seitlich untergruben die direkten Zuordnungen am Gegner bisweilen die Staffelungsansätze und ließen einzelne Kanäle offen. Mit vielfältigen Bewegungen oder Dribblings ihres asymmetrischen Offensivtrios und der Flügelspieler konnte Las Palmas in Dynamiken manchmal doch Passwege für Zuspiele in den recht großen Zwischenlinienraum öffnen. In der Anfangsphase entstanden daraus auch einige Chancen, doch mit der Zeit wurde das Zusammenziehen von Eibar, die in manchen Phasen horizontal enge, saubere Abwehrreihen bildeten, immer besser. Ein Faktor war schließlich auch, dass es sich die Hausherren selbst ein wenig schwer machten.
Gerade in den entscheidenden Momenten nach dem Auftrennen des gegnerischen Blocks, wenn sie mal sauber zwischen Mittelfeld und Sturm eingedrungen waren oder der Abwehr nahe kamen, fehlte es manches Mal an Präsenz. Es rückten zu wenige Spieler nach, um dem Ballführenden zu helfen, oder positionierten sich nicht optimal. Weites Vorschieben der Flügelspieler gab es stattdessen mal in Szenen, wenn es eigentlich nicht so gut passte. Bei einzelnen Pässen in die Zwischenräume hatten sie also nicht genügend aktive Unterstützung gegen die massive 4-3-3-Formation Eibars und deren Überzahl um den Ball. Daher wirkten sich die langen Bälle, die Las Palmas aus der Aufbaudreierkette viel zu oft und früh schlug, besonders negativ aus. In der Anfangs- und der Schlussphase sorgte die Spielstärke der vorderen Akteure – durch Dynamikweiterleitungen nach Pässen an die letzte Linie oder durch die engagiert ballschleppenden Dribblings Vieras – zwar trotz dieser Probleme immer mal für Gefahr, doch mit etwas Pech reichte das nicht für einen Treffer.
Bei Las Palmas fiel auf, wie eng und weit – ab Ende der ersten Halbzeit allerdings zunehmend inkonsequenter – sie sich in ihrer meist 5-2-2-1/5-3-2-Formation bei gegnerischem Ballbesitz auf eine Seite verschoben. Dadurch boten sich Möglichkeiten aggressiven Zugriffs und der Raumverknappung, wenngleich sie dabei teilweise etwas unkoordiniert wirkten. Über weite Strecken machte diese Spielweise Eibar Probleme, die daher nur zu wenigen klaren Chancen kamen, oft lange Bälle nutzen mussten und nur wenig Passgenauigkeit erzielten. Mit einigen simplen Flügelmechanismen, Dribblings und kleineren Überladeansätzen links ließ sich das Heimteam nur bedingt in Bedrängnis bringen. Auch die bewegungsreiche Spielweise bei langen Bällen auf den ausweichenden Mittelstürmer und das Pressing auf die Abpraller brachte bloß Ansätze oder Momente offensiver Präsenz hervor. Es gab aber einen Punkt, bei dem sich die Kanarier anfällig zeigten. Kam man seitlich neben ihre Mittelfeldlinie und rückte dann schnell zielstrebig kurz auf, verloren die Gelb-Blauen etwas die nachschiebende Intensität auf die Passwege.
So ließen sich vor allem horizontale Querlagen hinter die Mittelfeldreihe spielen oder kleine Halbraumlücken für ausweichende Achter und anschließend direkte Flügelpässe in die Tiefe erzeugen. Gelegentlich wurde Las Palmas dadurch mal aufgerissen und es gab für Eibar Möglichkeiten im Rückraum oder zur Grundlinie, die dann direkt auch gefährlich waren. Selbst beim frühen Führungstor nach einer Art Aufsetzer-Flanke an der letzten Linie entlang wirkten die Hausherren unsicher. Mit bedingt war die problematische Rückraumsicherung durch das etwas passive Zugriffsverhalten der Sechser und die bei tiefen Verteidigungsphasen nur wechselhaft an die hintere Kompaktheit anschließenden, nicht immer optimal gestaffelten Offensivkräfte. So entstand das 0:2 kurz nach Wiederbeginn in einer Szene aus dem seitlichen Rückraum, als Eibars Linksverteidiger neben dem Mittelfeld den Ball erhielt. Zwar nutzte er diese Szene eigentlich nicht gut, hatte aber Glück, dass sein abgefälschter Schuss zum eigenen Mann ging.
Zudem wirkte der Gast bei Kontern und dem Ausnutzen der vielen zentral umkämpften, etwas unübersichtlichen Mittelfeldszenen stärker. Dies lag daran, dass sie dynamische, weiträumige, teils auch etwas zufällige Situationen geschickt über improvisierte Ablageangriffe in den klaren Dreiecksstrukturen zwischen Sturmreihe und Achtern lösen konnten. Das stellte sich als entscheidender Vorteil heraus, um immer mal aufrückend nach vorne zu kommen, oder überraschende Ballsicherungen und Dynamikveränderungen zu erzielen. In diesem Zusammenhang nutzten sie – in ruhigeren Szenen – auch einige Male lupferartige Pässe hinter die Abwehr. Das sorgte bei den teilweise unkoordinierten gegnerischen Abständen zwischen Außen- und Halbverteidigern – eine punktuelle Schwäche in der sonst bisweilen sehr druckvollen Defensivarbeit – für Unruhe und brachte einige Ansätze. In der Schlussphase steigerte sich Las Palmas nochmals und hatte nun gegen die defensiv sehr präsenten, aber nicht mehr so sauberen Basken einen ganzen Schwall an Abschlüssen – jedoch ohne Erfolg.
Insgesamt war dieses Duell – wenngleich teilweise etwas seltsam und mit einzelnen Schwächen – schon ein gutes Spiel. Beide Teams zeigten sich ausgeglichen und potentiell spielstark besetzt. Allerdings führten sie ihre Ansätze nicht immer konsequent genug in den Ausrichtungen weiter.
Wir bedanken uns bei laola1.tv für das Bildmaterial zu La Liga!
Interessant zu beobachten: FC Utrecht
Seine Amtszeit bei der zweiten Mannschaft der Münchener Bayern ist ohne den erwünschten Aufstieg aus der Regionalliga zu Ende gegangen – nun bekleidet Erik ten Hag den Trainerposten beim FC Utrecht. Sein Vorgänger Rob Alflen hatte eine sehr offensive und spielstarke, aber inkonstante und nicht immer besonders abgesicherte Mannschaft übergeben. Zusammen mit seinem Co Jean-Paul de Jong begann ten Hag beim neuen Arbeitgeber in einer 5-3-2-Formation – die sollte sich noch verändern – und etwas vorsichtigerer Ausrichtung. Die Besetzung blieb jedoch sehr mutig – häufig mit nominellen Außen- als Halbverteidigern und einem spielstarken, situativ aufrückenden Mittelfeld-Duo aus Yassine Ayoub und Willem Janssen, das schon im Vorjahr für Furore in der Offensive gesorgt hatte. Neben den Spitzen Barazite und Haller agiert vorne der junge Bart Ramselaar als tiefster Akteur der nominellen Angriffsabteilung und pendelt zwischen Mittelfeld und Sturm.
Im Pressing wechselten die Domstädter in dieser Besetzung zwischen 5-3-2- und 5-2-3-Staffelungen – mal aufgeteilt in Phasen, mal durch Umformungsprozesse in den Szenen selbst. So rückte Ramselaar – aus den losen mannorientierten Zuordnungen des Mittelfelds gegen 4-3-3-Formationen – bei gegnerischen Rückpässen oder tiefen Halbraumverlagerungen heraus, um gegen die in Ballbesitz kommende erste Aufbaulinie des Gegners einen flach versperrenden Dreiersturm zu haben – wenn er nicht ohnehin schon dort startete. Teilweise nimmt Ramselaar den Posten rechts ein. Diese Grundlogik sollte auch bei späteren formativen Umstellungen zentral bleiben. Dadurch werden die Angreifer etwas nach außen geschoben und sollen die Passoptionen über die Mitte und die Halbräume verstellen – schon am ersten Spieltag funktionierte dies gegen Feyenoord teilweise sehr gut. Bei Pässen zur Seite attackiert der jeweils nahe Angreifer diagonal den Außenverteidiger. Das kann vielversprechende Ballgewinne bringen, wenngleich konstante Stabilität oft noch fehlt.
Gegen lange Verlagerungen der gegnerischen Außenverteidiger stand Utrecht in Partien mit Fünferkette in der Breite gut gerüstet. Wenngleich die Defensivreihe in vielen Phasen schon sauber angeordnet war und entsprechend funktionierte, gab es trotzdem kleinere Problempunkte. So hapert es noch an der konstanten Anbindung zum Mittelfeld hin. Gerade zu Beginn der Pressingphasen herrscht dorthin keine optimale Kompaktheit, was auch die teils unkoordinierten Herausrückbewegungen nicht auffangen. Dass die letzte Linie also zuweilen etwas zu steril und isoliert für sich agiert, sorgte zudem dafür, dass die aus den Mannorientierungen der Flügelverteidiger entstehenden Probleme zwischendurch direkt mal deutlich zutage treten konnten. Hat sich Utrecht etwas zum Strafraum zurückgezogen und ist der Gegner entsprechend weiter im Angriffsverlauf aufgerückt, stellen sich diese Schwierigkeiten weniger auffällig dar und treten seltener auf.
Ebenso wie in den Pressingszenarien agiert Ramselaar auch offensiv vielseitig zwischen verschiedenen Linien und Zonen. So bekleidet er eine wichtige Balancerolle. Zu Beginn der Saison brachte er in dieser Spielweise aber noch kaum die nötige Tiefe ein. Zwar bewegte er sich in den höheren Bereichen anpassungsfähig und steuerte einige starke Ablagen bei, konnte aber nur wenige Bindungen nach hinten herstellen, so dass die formativen Linien etwas isoliert voneinander agierten. Besonders auffällig war dies beim Saisonauftakt bei Feyenoord. In dieser Partie hatten somit beide Teams enorme Probleme, aus dem Aufbau nach vorne zu kommen und die erste flache Defensivlinie des Gegners zu überwinden, so dass über weite Strecken nur unverbunden in der hintersten Reihe umher geschoben wurde. Für Utrecht war die Folge, dass sie letztlich fast zwangsweise die seitlich nachstoßenden Flügelverteidiger einbinden mussten. Trotz recht guter Ausführung bedeutete das oft isolierte oder ungünstige Situationen.
Mittlerweile hat sich dieser Aspekt als einer von vielen klar verbessert – sowohl bezüglich gelegentlicher Rückfallbewegungen als auch in der Hinsicht, wie die vorderen Positionierungen gestaltet und genutzt werden. Insbesondere beim Heimsieg gegen Groningen brachte die Mannschaft ihr gesamtes Kombinationspotential durch die zentralen Bereiche auf den Platz. Nach vielseitigen Vorbereitungen im Aufbau sollten Ayoub oder der einrückende, enorm dribbelstarke Klaiber vor das gegnerische Mittelfeld gebracht werden und kurze Einleitungspässe in den Block hinein spielen. Als Fokuspunkt diente Sébastien Haller mit seinen herausragenden Ablagen. Der Passgeber ging nach, Ramselaar kreiste vielseitig unterstützend herum, Willem Janssen zog bei Bedarf mit in die Spitze nach und Barazite – der sich gelegentlich alternativ mit Dribblings oder einzelnen Ideen einband – wich anpassend aus. Die vielen schönen Spielzüge wurden gegen Groningen mit einem auf diese Weise heraus kombinierten Tor belohnt.
Weiterhin müssten sie diese Kombinationen aber noch zielstrebiger suchen. Wegen der aufrückenden Spielweise im Mittelfeld kommt es oft dazu, dass sie aus ruhigen Aufbausituationen auch bei etwas Raum viele lange Bälle schlagen, die damit ein weiteres Merkmal des Teams darstellen. Vom Prinzip führen sie das nicht schlecht aus, nutzen entweder Haller als Zielspieler und schieben dann mit Ayoub und Willem Janssen konsequent nach oder versuchen die Flügelspieler in hohen Staffelungen einzubinden, wo sich Barazite und Ramselaar weiträumig unterstützend hinbewegen. In ersteren Situationen sind sie mit ihrer attackierenden Besetzung im Mittelfeld auch gut für chaotische Abprallerszenen gerüstet. Trotzdem wird durch diese Phasen ein Stück weit Potential verschwendet und Struktur abgegeben, wenn es nicht unbedingt nötig wäre, zumal bei den Bällen auf die Seiten die hochgerückten Staffelungen der Außen die Rückwärtswege zu den Halbverteidigern schwieriger machen. Insgesamt schienen die Flügelszenen zuletzt etwas problematischer als die langen Bälle.
Seit der vormalig schon bei Bayern II unter ten Hag arbeitende Rico Strieder nach drei bis vier Partien verstärkt zu Einsatzzeiten kommt, gab es zunehmend eine Abkehr von der Fünferkette in Richtung eines 4-3-1-2/4-3-3-0. Der deutsche Defensivallrounder bekleidet dabei eine Art tiefe Sechserrolle, die viele zurückfallende Bewegungen zum Auffüllen der letzten Linie sowie auch situativ kurze aufrückende Pressingaktionen enthält. Grundsätzlich erwies sich diese Maßnahme vor allem gegen den Ball als hilfreich, da sie die Stabilität zwischen den mannschaftlichen Linien erhöhte und die schon zuvor leicht angedeuteten Verbesserungen dingfester machen konnte. So sind die Staffelungen zwischen Sechsern und Abwehr balancierter, gewisse Lücken werden gefüllt und situativ können einfacher und harmonischer Lokalkompaktheiten entstehen. Wenn in einer der Mittelfeld-Mannorientierungen Zugriff möglich scheint, rückt Strieder oft kurzfristig weit mit heraus und sucht das Doppeln im Zweikampf.
Vereinzelt wird dies mit einer breiteren Spielweise für Willem Janssen verbunden, was wie eine asymmetrische Umbesetzung des 5-3-2/5-2-3 mit dem Kapitän auf der Seite wirken kann. Die durch Strieder ausgelösten Systemveränderungen sind bisher noch nicht so abgestimmt wie in der Fünferkette und zeigen häufiger noch leicht unkoordinierte oder chaotische Phasen. Ansonsten muss man sagen, dass sich mit dieser auf den ersten Blick weitreichend erscheinenden Formationsumstellung aber gar nicht so viel Essentielles am Spiel von Utrecht getan hat. Gegen den Ball ist ein leichter Stabilitätsgewinn erkennbar, wobei die Grundausrichtung mit Ramselaars Aufrücken in nun 4-3-3-Staffelungen samt den zugehörigen Pressingmechanismen zum Großteil aber beibehalten wird. Nur gegen Cambuur versuchten sie es einmal mit engen 4-4-2-Phasen, verschoben bei besserer zentraler Grundkompaktheit aber lasch zum Flügel und ermöglichten so einige simple Durchbruchssituationen.
Auch der Angriffsstil gestaltet sich sehr ähnlich, nur etwas weniger von langen Bällen geprägt und mit gewissen Veränderungen der Aufbaumuster des Mittelfelds. Das vielfältige, oft wegziehende Herauskippen von Strieder diente schon einige Male als wertvoller Raumöffner für ballnahes Anbieten der Achter. Andererseits wirkten die Freilaufbewegungen als Ganzes zuletzt noch etwas improvisiert und nicht ganz abgestimmt. Weiter vorne scheinen die Utrechter derzeit teilweise zu überengagiert weitläufig raumsuchende Rochaden erzwingen zu wollen – auch wenn sie im Zentrum eigentlich bereits Überzahl erzeugt haben. Das führt zu einer gestiegenen Zahl an Flanken. All diese Aspekte haben nach der sehr guten Phase Anfang September aktuell wieder etwas schwächere Ergebnisse gebracht – nur ein Punkt aus den letzten drei Partien. Da bedarf es einer leichten Kurskorrektur in der Länderspielpause.
Auch wenn also noch keine vollends zufriedenstellende Punkteausbeute eingefahren wurde und manche Aspekte verbesserungswürdig ist, überwiegen bei einem ersten Zwischenfazit die positiven Eindrücke. Mit der 5-3-2-Formation und den vielen 5-2-3-Staffelungen gegen den Ball bzw. nun den 4-3-1-2/4-3-3-0-Anordnungen gehört Utrecht zu den interessantesten Teams der Liga und verspricht eine spannende Entwicklung. Gerade das kombinationsstarke Potential ist – vor allem bei dieser Besetzung – unstrittig und wurde schon einige Male sehr ansehnlich zur Entfaltung gebracht, könnte aber viel wirksamer sein. Die zu häufigen langen Bälle, die teils seltsame Raumfindung und die inkonsequente Flügelunterstützung bei Pässen nach außen, die teils zu simplen Folgeaktionen führt, verhindern dies jedoch noch.
Spiel der Woche II: Empoli FC – US Sassuolo 1:0
Empoli und Sassuolo sind zwei der aufstrebenden kleinen Teams in der Serie A – Erstere sorgten in der Vorsaison unter Maurizio Sarri für Aufsehen und werden nun vom zuvor in der dritten italienischen Liga bei Cremonese aktiven Marco Giampaolo trainiert, Letztere sind binnen zehn Jahren als No-Name aus der Viertklassigkeit aufgestiegen. Gerade in den ersten Minuten der Begegnung schien es eine umkämpfte, von Defensivstabilität geprägte Partie zu werden, in der beide Kontrahenten aus ihren 4-3-3-artigen Grundstaffelungen heraus in 4-2-Anordnungen aufbauten, dabei aber unter klaren Problemen litten. Dies lag daran, dass sie ihre Viererketten bei eigenem Ballbesitz zunächst jeweils eng und kompakt hielten und auch die beiden Mittelfeldakteure davor sich nur in geringen Radien freiliefen. So hatte der Gegner entsprechend frühen und druckvollen Zugriff, um in den Sechserraum hineinzupressen.
Gerade die Hausherren konnten sich jedoch zunehmend aus solcher Umklammerung lösen. Es zeigte sich, dass ihre Raute das geringe Auffächern teilweise bewusst in Kauf nahm, um mit der technischen Qualität des Mittelfeldzentrums enge Verbindungen herstellen und für das Zusammenspiel in dieser Anordnung nutzen zu können. Daraus ergaben sich einige ansehnliche Auseinandersetzungen zwischen diesen Versuchen und Sassuolos Pressing. Wegen anfangs mäßigen Erfolgs musste Empoli zunächst jedoch häufig noch auf scharfe, direkte Vertikalpässe der Innenverteidiger an die letzte Linie heran ausweichen. Die vorderen Akteure zeigten sich flexibel und sorgten mit schnellen Weiterleitungen oder Ablagen für gute Ansätze, was wiederum interessante Duelle mit der horizontal sehr kompakten Abwehrkette der Gäste bedeutete.
Krunic brachte seine starken Ballmitnahmen, athletische Drehungen und druckvolle Aktionen ein, wenngleich teilweise übertrieben. Die Stürmer sorgten für Dribblings, schufen Raum oder versuchten rhythmusbeeinflussend zu agieren. War der Ball erst einmal etwas weiter in die Offensive gebracht, rückte Empoli mit der Raute konsequent nach und konnte sich dadurch oft unkontrollierte Abpraller sichern. Das Aufrücken ins zweite Drittel oder in die Übergangsräume war nun auf diese Weise geschehen und sie konnten ihr Mittelfeldpotential aus höheren Situationen heraus einbringen. Da Sassuolos Grundstellung im Pressing zwar stabil und kompakt daherkam, nach einiger Zeit oder bei leichter Rückwärtsbewegung jedoch durch manche Mannorientierung und vor allem die lasche, zu simple Einbindung der engen, aber passiven Flügel etwas löchrig wie unausgewogen wurde, ergaben sich für die Blauen bessere Möglichkeiten.
Speziell in der Mitte der ersten Halbzeit sorgte dies für eine teilweise sehr ansprechende Begegnung, in der die Hausherren mit ihren vielseitigen, kombinativ ausgerichteten Spielzügen im hohen zweiten Drittel die Glanzlichter setzten. Ihre Raute zeigte sich nun sehr beweglich in der Raum- und Staffelungsfindung. Vor allem Zielinski agierte auf halbrechts engagiert, ballsicher und antreibend, während der junge Dioussé mit sauberer Technik und Positionierung sich unterstützend einband. Auch direkt aus dem – von der Abwehr eingeleiteten – Aufbau heraus konnten sie dies nun etwas besser einbringen. Allerdings blieb es fast durchgehend ein Problem, konsequente Gefahr zum Strafraum hin zu erzeugen. Zwar zog das Mittelfeld mit guten Ablagen und Dreieckspassspiel oft mit zentralem Fokus an den Strafraum heran, wurde dann aber etwas hektisch und improvisiert im Durchbruchsmoment.
Dieser sollte vor allem über die beiden nominellen Stürmer laufen, die in verschiedenen Spielphasen viele hoch ausweichende Bewegungen und Positionierungen neben die gegnerische Abwehr zeigten. Dort konnten sie raumsuchend agieren und fanden Möglichkeiten für Verlagerungen, bei Kontern, für einzelne Dribblings oder schnelle Pärchenbildungen mit den Außenverteidigern. Das drückte die Durchbruchsmomente jedoch allgemein klar in seitliche, nebenformative Kanäle. Am Strafraum musste Empoli daher meist Pässe nach außen suchen. Zwar war die Struktur selbst eigentlich gut, hatte saubere Bewegungsabläufe und brachte speziell halbrechts viele offene Hereingaben von Maccarone. Doch wegen der „Schematik“ sowie der unkoordinierten Nachrückbewegung des Mittelfelds in den Sechzehner standen im Resultat kaum klare Abschlüsse daraus.
Das alles soll nicht heißen, dass die breite Stürmerausrichtung der Hauptgrund in der Frage war, wieso Empoli die Ansätze lange nicht durchbrachte. Dieser Effekt setzte sich vielmehr aus mehreren Details zusammen, zu denen auch die Hektik zum Tor hin, die erwähnten Koordinationsprobleme oder die starke gegnerische Rückzugsbewegung gehörten. Die seitliche Einbindung der Angreifer hatte ihre Stärken und Vorteile, sie hatte aber wegen ihrer teils undynamischen Klarheit auch suboptimale Seiten. Gegenüber dieser Zweischneidigkeit bestand Eindeutigkeit in der Hinsicht, dass sie durch ihre Häufigkeit ein allgemeinprägender Punkt des Spiels wurde. So nahm die breite Staffelung auch beispielsweise für die Defensivarbeit der Hausherren über mehrere Phasen eine Schlüsselrolle ein.
Gegen den Ball gelang es dieser Anordnung, bisweilen die gesamte gegnerische Viererkette alleine zuzustellen – Positionierung im Passweg zwischen Innen- und Außenverteidigern sowie ausreichende Nähe in beide Richtungen. Weil Krunic den tiefsten gegnerischen Sechser mannorientiert verfolgte und situativ einer der Achter etwas weiter herausschieben konnte, um darum herum Lücken zu stopfen oder Gegner aufzunehmen, fand Sassuolo aus der hinteren Zirkulation nicht so leicht nach vorne. Bei kleineren Zentrumslücken waren sie auch etwas zögerlich in der Nutzung. So hatte Keeper Consigli den Ball immer mal wieder länger am Fuß und letztlich mussten die Gäste mehrfach mit langen Bällen eröffnen. Meist schlugen sie nach halbrechts, wo sich durch die Rochaden zwischen Politano und dem physisch starken, nach außen gehenden Missiroli gute Grundpräsenz entwickelte.
Ins Mittelfeld hinein fehlte es aber an ausreichend dominanter Anschlusskompaktheit, um die Abpraller konstant früchtetragend verwerten zu können. Letztlich war dies ein erstes Beispiel dafür, dass das weiträumig angelegte, von vielen Verlagerungen geprägte Spiel der Gäste wenig Gefahr erzeugte. Empoli staffelte seine 4-3-1-2/4-3-3-0-Anordnungen sowohl in der mittleren als auch vorderen Linie für besseren Zugriff etwas breiter und konnte dann mit den Halbspielern immer wieder schnell auf die Flügel verschieben. Gerade wenn einer der Angreifer von hinten mit attackierte, wussten sie Sassuolos Bemühungen einige Male zu isolieren. Vor allem auf der tendenziell etwas dominanteren linken Seite um Antonio Floro Flores, den wohl bekanntesten Namen, hingen die Gäste nach eröffnenden Pässen aus der Abwehr immer wieder gegen Empolis Defensive fest und kamen nicht weiter.
Einige Male versuchten sie durch dynamisch ausweichende Bewegungen, bei denen beispielsweise Duncan vor Peluso zum Flügel zog, mehr Präsenz herzustellen, doch änderte dies an den räumlichen Grundproblemen wenig. In den wenigen Szenen, meist in der Anfangsviertelstunde, in denen Sassuolo hier etwas Raum bekam, fiel die überraschend gestaltende Einbindung von Floro Flores auf, der viele direkte Zuspiele in die Spitze suchte, aber meist ohne große Wirkung blieb. Zudem brachte er oft Seitenwechsel nach rechts, wo die Szenen trotz kleinerer Überladungsversuche insgesamt aber zu simpel und linear zu Ende gespielt wurden. Mit den zwar arbeitsamen, aber wenig kreativen Bewegungsmustern um Missiroli ließen sich die kleinen Horizontallücken, die Empolis 4-3-Stellung hinter dem ballnahen Achter lassen musste, nicht entscheidend bespielen.
Auch wenn die Gäste lange Zeit nicht entscheidend in Strafraumnähe oder teilweise gar ins Angriffsdrittel hineinkamen, entstand durch die zahlreichen anderen Aspekte – so die Duelle im Mittelfeld oder die Pressingaktionen – dennoch eine gerade Mitte des ersten Durchgangs ansprechende Partie. In der anschließenden Phase überdrehte Empoli mit der wachsenden Dominanz ein wenig und es brachen sich nun manchmal individuelle, ineffektive Situationen, speziell auf den Flügeln, Bahn. Das ließ das Niveau der Partie wieder sinken, wie es in der Anfangsphase durch die Aufbauschwierigkeiten der Fall gewesen war. Zur zweiten Halbzeit fanden die Hausherren zu ihren besseren Momenten zurück. Gerade die Einwechslung des klugen, pressingresistenten Sechsers Maiello für den etwas zu klar nach außen gehenden Büchel war wichtig. Es gab in den Übergangszonen wieder einige schöne Ballstafetten, die nur nicht den entscheidenden Zug zum Tor aufbauen konnten.
Gleichzeitig eroberte sich der Gast in der letzten halben Stunde wieder etwas mehr Spielanteile. Zunächst handelte es sich um längere, balanciertere und nicht mehr so attackierend ausgerichtete Zirkulationsphasen, in denen sie das Leder laufen lassen konnten und etwas leichter zum Aufrücken kamen. Über zwei Wege, die eng mit den Wechseln von Trainer Eusebio di Francesco zusammenhingen, war später dann auch Gefahr möglich. Zum einen sorgte die Einwechslung von Nicola Sansone für Schwung, der am linken Flügel ruhige Präsenz als Anspielstation entwickelte, nach innen zog und mit Pässen sowie Folgebewegungen einige Torannäherungen zu verantworten hatte. Ein Beleg dafür, dass man Sansone am besten von Beginn aufstellen sollte: In sechzig Minuten ohne ihn hatte man null Abschlüsse, in fünf mit ihm schon zwei und nach etwas mehr als einer Viertelstunde waren es fünf.
Zum anderen gab es eine veränderte Ausrichtung auf rechts: Der eingewechselte Laribi sorgte auf der Halbposition des Mittelfelds für mehr spielerisches Potential, während Defrel aus dem Sturmzentrum nach außen geschoben wurde. Sein recht druckvolles, einflusssuchendes Bewegungsspiel konnte er von dort – unter anderem mit bulligen Dribblings nach innen – nun besser einbringen. Da er gut mit Laribi harmonierte, entstanden aus dem Halbraum nun einige diagonale Ansätze zum Strafraum. Stets hatte Sassuolo aber das Problem, dass die dort etwas zu flachen Staffelungen nicht reichten, um daraus Torchancen von hoher Qualität zu machen. Auch die sich häufenden kurzen Rückfallbewegungen des Mittelstürmers verpufften daher letztlich. Stattdessen sorgte Empoli für den Last-Minute-Sieg: Maccarone wurde per langem Ball neben der Abwehr angespielt und erdribbelte einen Rückraumabschluss. In der Folge entstand eine Ecke, die der Kapitän selbst zum entscheidenden Treffer einköpfte. Alles in allem war das Spiel durchaus Werbung für die Serie A und eine Darstellung, welche Qualitäten diese Liga bei allen Abgesängen, die auf sie gesungen wurden, zu bieten hat.
4 Kommentare Alle anzeigen
TobiT 23. April 2016 um 00:27
Ich habe mir heute das 4:0 von UD Las Palmas gegen RCD Espanyol angesehen und versuche mich mal an einem taktischen Spielbericht.
Grundformationen:
Las Palmas: http://lineupbuilder.com/?sk=sy0ny6
Espanyol: http://lineupbuilder.com/?sk=sy0ny7
Beide begannen in 4411/4231-Formationen, interpretierten diese aber unterschiedlich. Las Palmas übernahm vor den heimischen Fans von Beginn an das Kommando. Espanyol erwartete sie relativ passiv im 442/4411 kurz hinter der Mittellinie und wurde bereits früh durch die Verletzung Abraham zum wechseln gezwungen. Nach Kombinationen über rechts oder durch den offenen Zwischenlinienraum hatten die Insulaner schon früh erste Chancen zur Führung. Auf der Gegenseite versuchte Espanyol nach Ballgewinnen das schnelle Spiel in die Spitze, war dabei aber oftmals zu unpräzise. Besonders die Aussenverteidiger Simon und Castellano fingen einige dieser Bälle ab und positionierten sich bei Kontern eng an den Innenverteidigern oder rückten z.B. für Tacklings in den Sechserraum. Diese enge, kompakte Spielweise gab es auch in den wenigen kontrollierten Ballbesitzphasen Espanyols zu sehen.
Auch in Ballbesitz hatten beide interessante Rollen. Linksverteidiger Castellano blieb ab Mitte der ersten Hälfte meist tief, oft neben den öfters vorstoßenden und andribbelnden Innenverteidigern Bigas und Lemos. Auf rechts rückte Simon früher ins zweite Drittel auf und gab dort Breite oder bot sich im äußeren Halbraum an. Beide Aussenverteidiger zeigten häufig intelligente einrückende Bewegungen und überließen die Breite öfters den Flügelstürmern Momo und El Zhar.
Im Zentrum spielten Vicente und Roque eine variable Doppelsechs. Zu Beginn fiel noch Roque häufig vor oder zwischen die Innenverteidiger zurück, während Vicente sich Zentral oder halblinks im Sechser/Achterraum anbot. Nach der Anfangsphase spielte Vicente allerdings konstant tief vor den Innenverteidigern. Roque dribbelte nun häufig im rechten Halbraum an den passiven Spitzen Espanyols vorbei in die Formation und/oder kombinierte mit Simon, El Zhar und Zehner Jonathan Viera.
In dieser Phase kam auch Espanyol zu einigen Chancen, da Las Palmas einige Fehler im ansonsten sehr sauberen Aufbauspiel machte und nicht mehr so druckvoll nach vorne spielte. Besonders Linksaussen Burgui tat sich hier hervor.
Viera wich vom Zehnerraum häufig in die Halbräume aus und unterstütze Roque beim Ballvortrag. Im späteren Verlauf der Angriffe hatte er oft viel Platz im Zwischenlinienraum und konnte seine Vorder-/Nebenleute durch die sehr weiten Schnittstellen der Abwehr von Espanyol bedienen. Hierbei zeigte besonders El Zhar diagonale Sprints in Richtung Sturmzentrum. Nach der heißen Anfangsphase verflachte das Spiel etwas, bis die Canaren mit dem Pausenpfiff doch noch verdient durch El Zhar in Führung gingen. Direkt nach der Pause versenkte Viera einen Abpraller von Willian zum 2:0. Espanyol war in der zweiten Hälfte mit dem zielstrebigen Kombinationsspiel der gelb-blauen zunehmend überfordert und wurde für die schwache Standardverteidigung vom nach der Pause auffälligeren Bigas bestraft.
Mitte der zweiten Hälfte kam Hernan für Vicente und übernahm vorerst die Sechser-Position bevor er nach dem verletzungsbedingten Wechsel von Innenverteidiger Lemos gegen Mittelfeldspieler Wakaso eine Reihe nach hinten rückte. Mit diesen Wechseln wurde auf ein 451/4141 umgestellt. Wakaso pendelte zwischem linkem Flügel und linkem Achter, bot sich aggressiv im linken Halbraum an und tauschte einige Male mit Momo die Positionen, der auch häufig in den Sechserraum zurückfiel um für den von dort aufrückenden Roque abzusichern. Viera spielte als rechter Achter/Zehner, El Zhar blieb auf Rechtsaussen. Als letztes kam noch der 40-jährige Valeron für Momo, dieser spielte konstanter im Zentrum, Wakaso rückte trotzdem häufig in den Zehnerraum und erhöhte nach einer Ecke noch per sehenswertem Volley auf 4:0. Danach verwalteten die Hausherren – von ihren Fans gefeiert – den Vorsprung und erspielten noch Chancen für das 5:0 gegen die aufgelöste Defensive der Gäste. In dieser späten Phase wurde auch Keeper Lizoain einige Male in einer Torwartkette eingebunden, um das jetzt deutlich aggressivere Pressing zu umspielen.
Fazit:
Ein deutlicher und verdienter Sieg für Las Palmas, die durch gute Absicherung und konzentriertes Passspiel fahrige Gäste mühelos dominieren konnten. Ein Sonderlob verdiente sich Viera, der immer wieder den offenen Raum vor der gegnerischen Abwehr zu nutzen wusste.
king_cesc 23. April 2016 um 12:31
Vielen Dank!
LVG 7. Oktober 2015 um 11:36
Wie seht ihr Ander Capa allgemein? Ich hatte ihn nur gegen Athletico gesehen und war überrascht wie gut er das Pressing Athleticos immer wieder umdribbelt hatte und gute Durchbrüche erzielte. Zudem hatte er einige coole Schnittstellenpässe gezeigt.
TR 10. Oktober 2015 um 11:09
Habe ihn da zum ersten Mal gesehen, deutete schon Potential an, aber war noch etwas unaufällig und teilweise zurückhaltend. Hatte aber den einen oder anderen schönen Ansatz auf der rechten Seite. Vom Prinzip könnte das schon hinkommen, wie du es von jenem Spiel beschreibst. Werde ihn jetzt vielleicht mal etwas genauer auf dem Schirm behalten und das eine oder andere Match beobachten.