Hannover verschwendet seine Überladungsansätze und bleibt erneut sieglos
Auch gegen Dardais defensivstarke Berliner dominiert Hannover 96 das Spiel und entwickelt, insbesondere über halbrechts, vielversprechende Anordnungen. Diesmal sind sie jedoch eher unfähig, mit diesen Ansätzen umzugehen, und machen viele Fehler im Ausspielen. Die Tore der Partie fallen nach Standards.
Frühes Pressing festigt Hannovers kommandierende Rolle
Im Heimspiel gegen Pal Dardais stabile Hertha wollten die Hannoveraner an ihre Ansätze vom Punktgewinn in Frankfurt anknüpfen. Dafür pressten sie – mit Albornoz für Prib gab es nur eine personelle Änderung – hoch und konnten die das Risiko meist scheuenden Berliner mit einer stärker 4-1-3-2-haften Interpretation ihrer Anordnung gerade anfangs zu frühzeitigen langen Bällen zwingen, die ihre eigene Dominanz aus dem Ballbesitz festigen sollten. Vorne agierten Stindl und Ya Konan etwas gestaffelt, indem Letzterer einen der Innenverteidiger zustellte und dann diagonal auf Kraft nachrückte, während Stindl sich um den anderen Defensivmann bewegte. Dahinter orientierte sich Kiyotake erneut mannorientiert – diesmal meist an Skjelbred – und Briand spielte phasenweise auch in der Grundstellung eingerückter als Albornoz, so dass er sich in der Nähe von Lustenberger aufhielt.
Diese mannorientierten Grundstrukturen erlaubten dem Berliner Kapitän aber doch einige Freiheiten und gelegentlich konnte sich die Hertha über ihn – oder die längeren Zuspiele – auch mal nach vorne lösen. Wenn dies gelang, agierten die Hauptstädter nach bekannter Art der letzten Wochen mit gewissen Verbesserungen im horizontalen Bewegungsspiel der Offensivakteure. Vor allem Kalou und Haraguchi, erneut mit einigen guten Ansätzen, suchten anfangs die linke Seite, die mit den langen Bällen bespielt werden sollte, um dann die Abpraller zu erhalten.
Dafür ließ sich Stocker von halbrechts oftmals zusätzlich hinter die beiden fallen, während Beerens insgesamt etwas tiefer und einrückender, unterstützend wie stabilisierend, als zuletzt agierte, wenngleich er auch seine Flügelphasen hatte. Als sich später Skjelbred auf beiden Seiten etwas stärker einschaltete, gab es einige Ansätze und Abschlüsse nach äußeren Halbraumüberladungen. Jedoch sorgte das frühzeitige Verschieben von Sané in Verbindung mit den schwächeren Berliner Vertikalstaffelungen und leichter Drucklosigkeit im Ausspielen dafür, dass ihre gelegentlichen Abschlüsse nicht allzu gefährlich werden.
Hannover über rechts gegen tiefes Leiten der Hertha
Ansonsten waren aber die Hausherren das bestimmende Team und ihre Aufbau- wie Ballbesitzphasen prägten das Aussehen dieser Begegnung. In der Anfangsphase starteten sie direkt mit Schwung, banden einige Male Zieler wieder verstärkt ein – was danach jedoch deutlich abnahm – und drückten die Hertha erst einmal etwas zurück. Dagegen fokussierte sich diese auf ein passives und etwas tieferes Mittelfeldpressing im 4-4-2, das sich erneut vor allem über die guten, vielseitigen Bewegungen der Sechser, seine solide und disziplinierte Grundkompaktheit sowie die halbraumunterstützenden, leicht eingerückten Positionierungen der offensiven Flügelspieler definierte. Demgegenüber agierten die Außenverteidiger mannorientierter und rückten einige Male verfolgend aus der Kette heraus. Vorne wechselten Kalou und Stocker gelegentlich ihre Anordnungen, unterstützten situativ auf den Seiten und ließen sich auch mal kurzzeitig dynamisch etwas nachschiebend fallen. Grundsätzlich bewegte sich der Schweizer, nachdem er entweder er selbst oder Kalou die Innenverteidiger voneinander abgeschnitten und leicht nach rechts geleitet hatte, meistens auf halblinks unterstützend nach hinten, während Kalou ballfern diagonal nachschob und sich auf Sané orientierte.
Zu Teilen war es durch diese Vorgehensweise der Berliner bedingt, doch alles in allem suchte Hannover ohnehin eher ihre rechte Seite. Hier schienen frühzeitige, insbesondere von Marcelo gespielte längere Bälle eines der Ziele der Mannschaft zu sein, die sie jedoch nicht immer klassisch hoch nach vorne brachten, sondern vor allem zu Anfang eher in schematische Freiräume seitlich die Linie entlang. Ausgehend von diesen Szenen oder von einigen flachen Einleitungen durch Sané oder auch mal den situativ zurückfallenden Stindl versuchten die Hausherren anschließend diesen rechten Halbraum zu überladen.
Nachdem sie in den ersten Minuten noch sehr simple Mechanismen gezeigt und nicht mehr als engagierten Druck über die Außenpositionen aufgebaut hatten, schoben sie mit der Zeit mehr Personal in diese Zonen. Neben dem häufig eingebundenen Briand und dem umtriebigen Stindl schalteten sich auch der im Laufe der Partie zu mehr Dynamikbalance im Ausweichen findende Ya Konan und der zunehmend weit herüber kommende Kiyotake mit ein. So hatten die Niedersachsen also eine durchaus klare Ausrichtung, die einige Ansätze einbrachte.
Große Probleme, die Ansätze auszuspielen und umzusetzen
Mitte des ersten Durchgangs gelang es ihnen mit teilweise sehr breitem Auffächern der letzten Linie und einigen kleinen Anpassungen in der Zirkulation, die Hertha etwas auseinander zu ziehen und im Bereich des Sechserraums konstanter Präsenz zu entwickeln. So kamen sie zentral etwas weiter nach vorne und konnten einige Aktionen zwischen den gegnerischen Stürmern einleiten. In dieser Phase fokussierte sich auch die gesamte Offensivabteilung einrückend in die mittigen Bereiche und bot sich für direkte Vertikalpässe an. Allerdings erkannte die Hertha diese Szenen gut und umstellte sie einige Male frühzeitig, zumal das Ausspielen etwas unsauber ablief und Sané, als nicht optimaler Passgeber, ausgerechnet in diesem Abschnitt zu viel Präsenz als einleitender Akteur hatte. Insgesamt konnte sich also nichts Nachhaltiges aus dieser eigentlichen Verbesserung entwickeln, da die Phase ohnehin nur kurz andauerte – Hertha gelang es, sie zu verhindern. Im Zentrum fanden Stocker und Kalou wieder an Kohärenz, während auf den Seiten die diagonal herausrückenden Bewegungen der Außenstürmer – insbesondere von Haraguchi gegen Marcelo – intensiviert wurden.
Damit erzeugte Hertha deutlich mehr Druck auf die hinterste Aufbaureihe und erschwerte deren Zirkulation, so dass die Hausherren Sané oder auch mal einen Kollegen nicht mehr so sauber in zentrale Zwischenlücken innerhalb der verschiebenden Frontlinie bringen konnten. So ging es für Hannover nun wieder über die dominante rechte Seite, auf der Kiyotake noch präsenter wurde und die immerhin nach einem Grundliniendurchbruch die beste Möglichkeit des ersten Durchgangs durch Briand erzeugte. Zu mehr reichte es für die bemühten Hausherren jedoch aufgrund einiger Probleme, die sich im Ausspielen deutlicher zeigten als in manch anderen Begegnungen zuletzt, nicht. Man muss also sagen, dass Hannover mit ihren Ansätzen nicht gut umging.Es war ein Bündel an Problemen, das die schwache und zu uneingestimmte Leistung im Ausspielen bedingte. Kleinere gruppentaktische Unschärfen gehörten noch zu den eher kleinen Übeln im Gegensatz zu den falschen bzw. zumindest unklugen Entscheidungen, die einige Hannoveraner Offensivakteure immer wieder trafen und damit Angriffe abbrachen oder beschädigten.
Das hing eng zusammen mit den sehr wechselhaften Bewegungen, die in ihrer Unterstützung wie auch Orientierung manchmal zu passiv waren und der Szene somit nicht konkret helfen konnten, manchmal jedoch mit übertriebenen Aktionen den Rhythmus und die Optionen störten. Hierbei war zudem die Einbindung Stindls nicht optimal, der phasenweise zu wenig lokal in die Überladungen involviert wurde. Seine Rolle war äußerst weiträumig attackierend ausgelegt, womit er aber einige Male in abgelegene periphere Zonen abdriftete und dann in den entscheidenden Räumen und Momenten für das Zusammenspiel der Kollegen nicht zur unmittelbaren Verfügung stand. Schließlich schienen die Spieler – ein weiterer Störfaktor – in ihrem Fokus nicht durchgehend auf das „richtige“ und klare Ausspielen dieser Ansätze ausgerichtet zu sein, sondern suchten von den Flügeln nach kurzen, schnell aufrückenden Phasen auch viele frühzeitige Flanken oder Pässe nach außen – mehrfach auch, wenn diese gar nicht möglich waren oder es gerade keinen Sinn machte.
Zweite Halbzeit
Auch in der zweiten Halbzeit war Hannover die dominierende und aktivere Mannschaft und versuchte sich den Siegtreffer zu erarbeiten, ohne dass sich insgesamt aber größere Dinge verändert hätten, auch nicht durch die verschiedenen Auswechslungen der Trainer. Die Niedersachsen blieben mit ihren Überladungsversuchen meistens in den sich horizontal um den Halbraum zusammenziehenden Stellungen der Berliner hängen, versuchten es mit kleineren positionellen Anpassungen und später auch mehr Flügelspiel. Anfangs machte das einige kleinere Ansätze zunichte, wenn sie anschließend zu schnell nach außen tendierten, doch immerhin entstand nach einer Verlagerung Sanés auf Bittencourt die Ecke, die eine Viertelstunde vor dem Ende doch noch das Führungstor brachte. Anschließend nahm die Begegnung noch einmal Fahrt auf und entwickelte eine folgende Phase von an die zehn Minuten, in denen es auf einmal wieder hektisch, offen und etwas ungeordnet wurde.
Die Hertha musste mehr tun und wollte geegn die sich nun auch mal konsequenter in einem zurückgefallenem 4-4-1-1 positionierenden Hannoveraner scheinbar mit Flanken und druckvollen Verlagerungen zum Erfolg kommen. Dafür wich auch Kalou einige Male konstant nach links aus und suchte dort Dribblings, wofür Haraguchi etwas zentraler diagonal in die Mitte zog, wenngleich er schnell von Sandro Wagner ersetzt wurde. Dies sorgte für ein schiefes 4-4-2, das durch die phasenweise zentral bleibende Rolle Stockers in breite asymmetrische Rauten ausformte und durch Wagners Bewegungen nach außen auch das Spiel auf zweite Bälle am Flügel – insbesondere in Verbindung mit dem eingewechselten Hegeler auf rechts – nochmals forcierte. Eine Standardsituation brachte dann auch auf dieser Seite einen Treffer, auf den Hannover noch eine Schlussoffensive folgen lassen wollte, jedoch keine gefährliche Chance mehr heraufbeschwören konnte.
Fazit
Was soll man noch zu Hannovers Sieglosserie sagen? Es bleibt eigentlich nur, nochmals auf die gute Ausrichtung und Grundanlage, den dominanten Auftritt sowie die immer mal wieder vorhandenen Ansätze hinzuweisen. Beim Ausspielen und Bearbeiten dieser Aufbauprodukte gab es diesmal jedoch mehr Probleme als zuletzt und damit einen kleinen Rückschritt. In der zweiten Halbzeit gab es eigentlich nur zwei größere Abschlussmomente, die aus dem hohen Aufwand erwuchsen – und das Tor fiel per Standard. Diese Partie gegen die Hertha – für die gilt unverändert das, was auch zuletzt schon gesagt wurde – hätte im Duell gegen den Abstieg eigentlich gewonnen werden müssen, schaut man sich die kommenden Aufgaben an. Allerdings müssen die derzeit nicht überzeugenden Teams unter den 96ern natürlich auch erst einmal Punkte machen.
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