Schalkes offensiveres 5-3-2 sorgt für Stabilität und Ballbesitz gegen Gisdol
Schalke gegen Hoffenheim: Ein Spiel, bei dem es um den Anschluss an die internationalen Plätze geht. Die Königsblauen kämpfen noch um einen möglichen CL-Einzug, Hoffenheim wiederum schielt auf einen der EL-Plätze. Darum ging es bei beiden Teams um einen Sieg und die Schalker brauchten nach der klaren Niederlage im Derby unbedingt ein Erfolgserlebnis. Würde Di Matteo dafür die Spielweise etwas umstellen?
Schalke in gleicher Formation, aber neuem System
Schalke begann wieder in ihrem 5-3-2/5-2-3, interpretierte dieses aber etwas anders als in den letzten Wochen. Normalerweise agieren sie gegen den Ball eher passiv, enorm positionsorientiert und phasenweise sehr zurückhaltend. Gegen Hoffenheim rückten sie aber deutlich öfter und früher aus der eigenen Position heraus, waren hier teilweise auch sehr aggressiv und weiträumig.
Die Achter pressten auch auf die tieferstehenden Außenverteidiger des Gegners, die Flügelverteidiger Schalkes rückten teilweise bis auf Höhe der drei (oder zwei) Mittelfeldspieler im Pressing heraus und insgesamt gab es einige 4-4-2 oder 4-3-3-Staffelungen im Pressing, wo die ballnahen Flügel-/Halbspieler herausrückten. Die klassische, positionsorientierte Fünferkette und das erst sehr späte Herausrücken, wenn der Gegner bereits weit aufgerückt war, gab es seltener.
In eigenem Ballbesitz waren sie ebenfalls etwas offensiver (soll heißen: Weniger auf enorme Absicherung bedacht). Die Flügelverteidiger Barnetta und Fuchs gingen schon früh weit nach vorne, die beiden Stürmer bewegten sich wie üblich recht frei und die zwei Achter neben Neustädter agierten ebenfalls relativ hoch. Teilweise besetzten sie die erste Aufbaulinie nur mit Ayhan, Höwedes und Nastasic als Dreierkette hinter Neustädter, die restlichen Spieler standen bereits in der gegnerischen Hälfte. Neustädter konnte sich bisweilen auch etwas zurückfallen lassen und/oder einer der Halbverteidiger rückte auf.
Die Verbindungen nach vorne waren trotz der teilweise großen Abstände nicht schwach, weil die Achter sich immer wieder zurückfallen ließen und neben Neustädter die Halbräume besetzten. Sowohl Meyer als auch Höger liefen sich dort situativ frei, desweiteren konnten die Mittelstürmer Huntelaar und Choupo-Moting einige längere Bälle direkt nach hinten ablegen.
Darum hatte Schalke – trotz früher Führung und dem 2:0 noch vor der Pause – zum Ende der ersten Spielhälfte knapp über 60% Ballbesitz gegen die Hoffenheimer; eine Ballbesitzquote, die man sich vor dem Spiel wohl so nicht erwartet hätte. Die Königsblauen konnten unter Druck der Hoffenheimer entweder mit ihren pressingresistenten Choupo-Moting und Meyer schwierige Situationen auflösen oder auf die vier Spieler in den ersten zwei Linien zurückspielen und wieder neu aufbauen. Neustädter, Ayhan, Höwedes und Nastasic zeigten eine ganz gute Leistung diesbezüglich mit Passquoten zwischen 85 und 90% (Neustädter) zur Halbzeitpause. Hoffenheim hatte außerdem Probleme mit ihren Ballverlusten und dem Zugriff im Pressing, was Schalke diese Spielweise ermöglichte.
4-4-1-1 der Hoffenheimer greift nicht
Die Hoffenheimer spielten in der ersten Halbzeit im 4-4-1-1, wodurch sie vermutlich durch eine engere Positionierung der Flügelstürmer und enorm viel Herausrücken die Schalker Offensivkombinationen abwürgen wollten. Ihre sehr intensive Spielweise konnte aber nicht kompensieren, dass sie anfällig für die ausweichenden Bewegungen Choupo-Motings auf den Flügel und die enorme Zentrumspräsenz der Schalker waren. Alle drei Tore der Königsblauen kamen nach Hereingaben über den rechten Flügel, wo der Ball auch jedes Mal etwas diagonal nach hinten gespielt wurde und in den Raum hinter der Hoffenheimer Abwehr kam.
Hoffenheim hatte wenig Zugriff auf die Halbverteidiger der Schalker, konnte dadurch nur wenige Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte verbuchen und insgesamt fehlte es ihnen an Zugriff, da die Schalker in den offenen Räumen oft auch eine Anspielstation vorfanden. Desweiteren griff Hoffenheim nach Balleroberungen beziehungsweise im Spielaufbau unpassend an; die Staffelungen waren unpassend, um gegen Schalkes aggressiveres 5-3-2 bestehen zu können, vielfach agierten sie zu früh und zu vertikal beim Übergang ins letzte Drittel, wodurch Schalkes Defensivverbund zahlreiche Pässe abfangen konnte.
Die mannorientiertere Spielweise von Schalkes Flügelverteidigern tat ihr Übriges. Sie verfolgten die Flügelstürmer Hoffenheims gut, übergaben sie meistens passend an die Halbverteidiger und bewegten sich dann wieder zur Seite, um die Flügelräume zu besetzen. Deswegen stellte Gisdol wohl zur Halbzeit auch um, damit zumindest im Pressing mehr Zugriff erzeugt werden konnte.
4-2-3-1/4-2-1-3 beginnt zu greifen
Aus dem 4-4-1-1 wurde eine Art 4-2-1-3/4-2-3-1, in welchem die Flügelstürmer und die Außenverteidiger bei Hoffenheim deutlich offensiver und höher gegen den Ball arbeiteten. Damit hatten sie mehr Zugriff und stellten schon zu Beginn des Aufbauspiels die Anspielstationen für Wellenreuther zu, wodurch die Schalker nach dem Seitenwechsel vermehrt auf lange Bälle zurückgreifen mussten.
Das spielte natürlich Hoffenheim in die Karten, weil sie dadurch die Schalker in der Vorbereitung ihrer Offensivstaffelungen behinderten und auch beim Kampf um die zweiten Bälle präsent waren. Zwar konnte Schalke mit einzelnen Kombinationsversuchen unter Druck oder durch das versuchte Zurückfallen der Achter im Aufbauspiel den Zwischenlinienraum enorm weit öffnen, aber die passende Einbindung davon gab es nicht und war auch schwer zu bewerkstelligen.
In der zweiten Halbzeit entwickelte sich dadurch ein deutlich ausgeglicheneres und offenes Spiel mit viel Hin und Her, wodurch Hoffenheim besser ins Spiel kam. Gisdol tauschte auch das Spielermaterial aus, brachte mit Szalai vorne und Amini als zusätzlichem Offensivspieler mehr Präsenz, während Schalke zwar gelegentlich durch den nun höheren Pressingwall brechen konnte, aber insgesamt schwächer wurde.
Beeindruckend: Di Matteo ließ sich beim Stande von 3:0 für seine Mannschaft ein Kontertor einschenken. Eigentlich ist das positiv zu sehen, weil es auch die offensivere Spielweise der Schalker in diesem Spiel widerspiegelte, deren Konsequenzen letztlich überhaupt zu dieser klaren Führung führten. Und das 3:1 brachten die Schalker letztlich trotz etwas Instabilität und dem chaotischen Offensivfokus der Hoffenheimer über die Zeit. Mit Goretzka als zweitem Achter und später Mittelstürmer sowie Matip für Huntelaar passte Di Matteo das Personal noch etwas an, die Grundausrichtung blieb aber ähnlich.
Fazit
Ein interessantes Spiel, in welchem beide Mannschaften eigentlich ihr übliches System wählten, allerdings war das Design der Systeme anders als sonst. Schalke spielte offensiver, aggressiver und dadurch auch dominanter. Hoffenheim wiederum hatte Probleme ihr Mittelfeldpressing effektiv durchzubringen, wodurch es ihnen an Zugriff mangelte. Das nutzten die Schalker recht gut aus, wechselten längere Passstafetten mit einzelnen Schnellangriffen und konnten insbesondere über den rechten Flügel Vorteile kreieren. Interessant war hier auch die Anpassung der Defensivbewegungen, wo es dieses Mal keine Fünferkette, sondern eher eine pendelnde Viererkette gab. Außerdem zeigten die zentralen Abwehrspieler und Neustädter auf der Sechs eine fast herausragende Leistung, ebenso wie Choupo-Moting aka der beste Mittelstürmer der Bundesliga. Hoffenheim wiederum kam erst nach dem Seitenwechsel besser in die Partie und erzielte ein tolles Tor durch Volland, doch trotz intensivierter Offensivbemühungen reichte es nicht zu mehr.
8 Kommentare Alle anzeigen
ES 8. März 2015 um 07:55
Nochmal zum Thema Laufdistanz. BVB gegen Schalke: 106 zu 109. Schalke gegen Hoffenheim: 118 zu 120. Banale Erklärung: Das erste Spiel fand nur in einer Spielhälfte statt, deshalb mussten die Spieler beider Mannschaften insgesamt weniger Strecken gehen. Aber ist es nicht auch umgekehrt: Weil ich mich zu wenig bewege, zu wenige Optionen schaffe, nicht aufrücke bei weiten Bällen für die zweite Linie, deshalb kriege ich das Spiel nicht in die generische Hälfte verlagert?
ES 8. März 2015 um 07:38
Nach den beiden Spielen gegen BVB und jetzt gegen Hoffenheim muss ich feststellen: Ich habe echte Probleme zu verstehen, wie Fussball funktioniert bzw. was die Trainer machen. Schalke spielt im Spielaufbau im Wesentlichen im gleichen System wie gegen BVB, außer, dass a) die Außen und die Achter etwas höher stehen b) mit Neustädter eine starke Anspielstation zur Verfügung steht c) die Achter sich besser bewegen. Nuancen. Und davon lässt sich Gisdol überraschen, und schafft es nicht, einen annähernd ähnlich starken Druck im Pressing aufzusetzen, wie es BVB gezeigt hat (Kriegt SAP das Videomaterial nicht auf den Laptop von Gisdol geladen.? Lesen die keine spielverlagerung.de? Oder was ist da los?). Hoffenheim hat nicht die Qualität wie der BVB in Bestform. Gut. Aber prinzipiell können die es doch. Und Schalke? Als ob RDM in der Woche entdeckt hat, dass man in der BL auch höher, aggressiver und geschickter pressen darf, und der kriegt das in der Woche in die Mannschaft rein. Und dann feststellt, dass das Vorteile hat, z.B., dass man dadurch die AV gleich höher stehen lassen kann, wenn es um die Offensive geht. Dass das auch Sinn der 5er-Kette ist, nämlich, dass ich mit einem abgesicherten AV ganz anders nach vorne gehen kann. Was hat der sich dann beim BVB-Spiel gedacht, warum das alles so nicht gehen soll?
Und die Spieler laufen mal locker einen Kilometer mehr als gegen den BVB, was auch immer hilfreich ist, um Räume zu besetzen, Anspielstationen zu schaffen, Pressing zu umgehen etc. Das alles führt zu einer hohen Passquote, einem für Schalke unter RDM unwahrscheinlichem Ballbesitzanteil, und richtig ansehnlichem Fußball.
Wie gesagt, ist mir zu hoch. Ich verstehe das nicht.
Stefan 8. März 2015 um 09:28
Das Spiel gegen den BVB war schon etwas anders, finde ich. Ich sehe hier viel stärkere Parallelen zum Spiel gegen Bremen, bei dem ja ziemlich viele Chancen unglücklich vergeben wurden. Gegen den BVB wollte di Matteo wohl bewusst anders spielen aber sein Plan ist überhaupt nicht aufgegangen (und war auch kaum zu erkennen). Er hat ja nach dem Spiel betont, dass es auch von ihm eine schlechte Leistung gewesen sei.
Kny 8. März 2015 um 01:50
Ich habe unter einem anderen Schalke-Artikel ja schon mal gehofft, dass RDM das 3-5-2 so spielt wie Juve (und wie es eigentlich auch gedacht ist): Mit einer pendelnden Viererkette. Dadurch hat man bei Ballgewinnen einfach mehr Offensivpräsenz für die Offensivbewegung. Schön, dass RDM das auch so sieht. Auf die Weise ist Fuchs defensiv auch nicht mehr so ein Risiko (die Gelbe hat er sich ja in der Mitte geholt), weil die Kette bei seinem Herausrücken ja hinter ihn verschiebt und er somit die Außenbahn nicht alleine bewachen muss, während drei IV in der Mitte tatenlos zuschauen. Dass er offensiv was kann, hat man eh immer wieder gesehen. Jetzt muss nur noch Neustädter raus, und ich bin echt zufrieden mit dem Mittelfeld. Passquote ist leider nicht das einzige, was zählt. Sein Vertändeln des Balls und anschließend seine immer wieder offenkundige Langsamkeit haben das 3:1 für Hoffenheim verursacht. Und für Choupos Qualitäten im 1:1 fehlen mir einfach die Worte. Wenn er auf dem Flügel den Ball hat, wird es brenzlig für den Gegner, er ist wirklich das Korn, das H. Heldt gefunden hat.
blub 7. März 2015 um 21:07
Neustädter auf die 6, Meyer und Ayhan in die Mannschaft und schon kann Schalke wieder kicken. Wie einfach Fußball sein kann…
Stefan 7. März 2015 um 21:55
Naja, wenn das allein hilft hätte Schalke unter Jens Keller schon deutlich besser sein müssen. Da waren Ayhan und Meyer lange Zeit gesetzt. Aber vielen Dank für die Analyse. Mir scheint es, als hätte di Matteo stark an den Ansätzen aus dem Bremen Spiel angeknüpft und ein paar Details weiterentwickelt bzw. angepasst. Bin mal sehr gespannt, ob er auch im Spiel gegen Real Madrid auf ein aggressiveres Vorgehen setzt, oder ob wir wieder das passivere Schalke erleben.
Fabi 7. März 2015 um 20:49
„Aus dem 4-4-1-1 wurde eine Art 4-2-1-3/4-2-3-1, in welchem die Flügelstürmer und die Außenverteidiger bei HANNOVER deutlich offensiver und höher gegen den Ball arbeiteten.“
Da hat wohl jemand an das Spiel der Bayern gedacht. 😉
LM1895 8. März 2015 um 11:00
Ich vermute eher, dass da ein „wie“ fehlt: …wie bei Hannover…