Saubere Freiburger knacken Kölns flexibles Pressing
Der Freiburger Doppelschlag in der ersten Hälfte macht den interessanten taktischen Schlagabtausch zwischen Streich und Stöger zunichte. Köln offenbarte im Anschluss große Schwierigkeiten im konstruktiven Spielaufbau.
Gegen die wie gehabt im 4-4-2 antretenden Freiburger stellte Kölns Trainer Peter Stöger seine Mannschaft im Vergleich zur Partie in München um und ließ eine interessante Mischung aus 4-1-4-1 und 4-2-3-1 spielen.
Pressing-Schach in der Anfangsphase
In den ersten Minuten zeigten die Geißböcke ein hohes Mittelfeldpressing, das jedoch recht passiv ausgelegt war.
Anthony Ujah und Marcel Risse brachen das Anlaufen der Freiburger Innenverteidiger in der Regel deutlich vor dem potenziellen Zugriff ab.
Weil sie dabei jedoch aufmerksam mit ihrem Deckungsschatten arbeiteten, wurden Julian Schuster und Vladimir Darida vom Aufbau abgeschnitten – Rückpässe auf Torwart Roman Bürki waren die Folge.
Tiefe Ballzirkulation vs. Zentrumskontrolle
Schnell entwickelten die Breisgauer jedoch Gegenmaßnahmen, um den Ball sicher in den eigenen Reihen halten zu können: Die Innenverteidiger machten das Spiel breit und Schuster ließ sich in die entstehende Lücke fallen.
Köln reagierte darauf und änderte die Herangehensweise im Pressing. Risse positionierte sich etwas tiefer, Vogt rückte dafür von der Doppelsechs vor, sodass ein 4-1-4-1 entstand. In diesem war es offensichtlich das Kölner Ziel, Freiburg auf die Flügel zu leiten, um die Außenverteidiger dort zu isolieren.
Um die Mitte zu versperren, verfolgte Vogt den umtriebigen Darida sehr eng und nahm ihn so aus dem Spiel – nur ganz selten suchte Freiburg in dieser Phase den gedeckten Sechser, der sich in jenen Szenen jedoch meist gut mit kurzen Ablagen befreite.
Aufbau-Streich lockt Köln
Das Zentrum der Gastgeber war somit wenig präsent, was den Spielaufbau eigentlich erschweren sollte. Die Elf von Christian Streich ging mit dieser Situation jedoch sehr souverän um: Zusammen mit dem stark mitspielenden Torhüter Bürki ließen Torrejon und Höhn den Ball in sehr tiefen Zonen zirkulieren. Schuster bildete dabei die Spitze dieser Aufbauraute, agierte aber eher risikolos und ließ die Anspiele meist „nur“ zum anderen Innenverteidiger prallen.
Diese sichere Ballzirkulation im ersten Drittel á la Borussia Mönchengladbach war augenscheinlich ein Mittel, um Köln herauszulocken – und das gelang. Zunächst schienen die Gäste zwar kein Problem damit zu haben, keinerlei Zugriff zu bekommen. Nach einiger Zeit fand jedoch ein Umdenken statt. Um Ujah im Pressing gegen Schuster, Torrejon und Höhn zu unterstützen, rückten Kölns Achter Risse und Vogt immer wieder mit in die vorderste Linie und liefen den jeweils ballführenden, breit stehenden Innenverteidiger an.
Ein Hoch auf spielstarke Torhüter!
Darauf hatten die Breisgauer offenbar gewartet. Unter der ständigen Einbeziehung von Bürki bespielten sie die Lücken des durch das veränderte Pressing entstandene – und vor allem gestreckte – 4-3-2-1 der Kölner. Bürki spielte dabei starke lange Bälle in die Halbräume neben Matthias Lehmann – übrigens mit beiden Füßen (!).
Dorthin ließen sich die Freiburger Offensivspieler immer wieder fallen. Besonders im linken Halbraum konnte die Streich-Elf einige stark anzusehende Szenen zeigen. Mehmedi rückte hier aus dem Deckungsschatten Olkowskis in den freien Raum zwischen Lehmann und Maroh und legte die Bälle auf den nachrückenden Darida ab oder wechselte die Seite auf Mujdza bzw. Schmid.
Geduld, Mut und Sauberkeit – Freiburg findet erneut Antworten
Um Bürkis gute Flugbälle zu unterbinden, machte die vorderste Pressinglinie der Kölner zunehmend Druck auf den Schlussmann. Dank sauberer Technik und dem Mut zu Pässen auf Akteure in Bedrängnis (Genau, HSV: So hätte man Milan Badelj nutzen können) konnten sich die Freiburger mit hoher Regelmäßigkeit aus solchen Szenen befreien. Wurde Bürki also angelaufen, suchte er geduldig den freien der drei Aufbauspieler und bediente ihn.
Von dort aus wanderte der Ball häufig per Flachpass in den bevorzugten linken Halbraum. Anders als bei den langen Pässen Bürkis war hierbei nicht Mehmedi der Adressat, sondern Philipp. Dieser legte die Bälle auf den einrückenden Schweizer ab und löste sich wieder in die Spitze oder zog auf den linken Flügel. Freiburg zog so ein sehr sauberes, konsequentes Ballbesitzspiel durch, kam letztlich aber kaum zu klaren Durchbrüchen – zu oft geriet der letzte Pass etwas zu lang, zudem fehlte im Nachrücken die Unterstützung.
Doppelschlag aus dem Nichts
Nach der anpassungsreichen Anfangsphase deutete alles auf ein Spiel hin, das mindestens 90 Minuten 0:0 stehen würde. Doch dann wurde das Spiel einen recht kuriosen Doppelschlag entschieden. Zuerst köpfte Ujah den Ball nach einer Ecke ins eigene Tor – und sorgte so für Verwirrung.
Direkt im Anschluss konnte es den Kölnern offenbar gar nicht schnell genug gehen, den Rückstand zu egalisieren. Mit Mann und Maus rückte man unabgestimmt vor. Einen Ballverlust später war Darida nach einer guten Kombination im Umschaltspiel durch und bestrafte das zögerliche Herauskommen Horns mit dem 2:0. Spoiler-Alarm: Die Tore taten dem Spiel nicht gut.
Ein neues Spiel
Besser hätte es für Freiburg wahrlich nicht laufen können. Die Gastgeber überließen nun Köln den Ball und warteten in ihrem vertikal wie horizontal kompakten 4-4-2-Mittelfeldpressing ab – eine Konstellation, die den Geißböcken nicht unbedingt liegt.
Weil Freiburgs Doppelspitze sich so gut bewegte, dass Wimmer und Maroh im Aufbau maximal die Außenverteidiger oder Horn sauber anspielen konnten, kippte Lehmann schnell ab. Die Außenverteidiger der Gäste schoben dabei nach vorne, wobei Hector hier deutlich extremer war als sein Pendant Brecko auf der rechten Seite.
Keine Zentrumspräsenz
Die Folge war, dass Köln im Zentrum so gut wie gar nicht präsent war. Vogt war hier weitestgehend auf sich alleine gestellt, da Risse sehr hoch agierte und eher den Weg auf den Flügel suchte.
Während Olkowski und Hector in hohen Positionen an den Flügeln klebten – dabei jedoch fast immer im Deckungsschatten verschwanden – zeigte lediglich Halfar einige Läufe zur Unterstützung Vogts.
Diese entpuppten sich jedoch als Paradebeispiel für eine unpassende Einbindung. Fast immer, wenn der Kreativspieler sich ins Zentrum bewegte, folgte wenige Sekunden später ein langer Ball ins Sturmzentrum – der in der Regel postwendend zurück kam.
Auf der Suche nach Struktur und Anbindung pendelte Vogt in der Folge über den ganzen Platz – das Kölner Zentrum existierte damit praktisch gar nicht mehr.
Brechstange bringt nur bedingt Gefahr
Wenig überraschend konnte der FC sich so nie wirklich durchkombinieren und scheiterte zumeist in isolierten Situationen nahe der Seitenauslinie. Daran änderte auch die Umstellung auf 4-4-2 wenig. In der Halbzeitpause brachte Stöger Neuzugang Deyverson für Hector. Der Brasilianer ging neben Ujah ins Sturmzentrum, Olkowski links in die Viererkette und Risse auf die offensive rechte Außenbahn.
Köln war dadurch bei hohen Bällen in die Spitze präsenter, zudem konnte Deyverson einige flache Anspiele gut halten, bekam jedoch zu wenig Unterstützung aus dem weiterhin unterbesetzten Zentrum. Bis in die Schlussphase hinein gelang den Gästen wenig Konstruktives.
Stöger brachte mit Svento für Halfar einen lineareren Akteur für den linken Flügel, der jedoch genauso häufig in isolierten Szenen erwischt wurde wie seine Kollegen. In den letzten Minuten kam noch Nagasawa für Vogt und ging ins offensive Mittelfeld. Mit dem spielerischen Ansatz war es jedoch längst dahin. Durch die pure Präsenz der aufrückenden Spieler eroberte Köln zwar noch einige Bälle in des Gegners Hälfte und schlug viele Flanken, mehr als der Anschlusstreffer durch Deyverson aus einer solchen Szene sprang jedoch nicht heraus.
Wir haben in der zweiten Hälfte mit weiten Bällen mehr Gefahr ausgestrahlt, als in den ersten 45 Minuten mit spielerischen Formen. Das ist normal nicht unser Spiel und auch nicht, was mir wirklich zusagt (…).
Peter Stöger nach der Partie
Fazit
In der Anfangsphase sah man ein hochinteressantes Duell zwischen zwei sehr flexiblen Mannschaften. Stöger und Streich stellten sich gegenseitig vor verschiedene Aufgaben, die mit unterschiedlichem Erfolg gelöst wurden. Die Tore taten dem Spiel entgegen der zu oft getätigten Floskel keineswegs gut – im Gegenteil: Sie beendeten es.
Nach dem Rückstand offenbarte Köln seine bereits bekannten Defizite im Knacken gut organisierter Gegner. Weil auch die Methode der Brechstange nicht ideal angebracht werden konnte (voreilige Hereingaben, unpassende Staffelung für zweite Bälle), reichte es verdientermaßen nicht zum Ausgleich.
Neben der Anfangsphase an sich und der extrem sauberen Freiburger Ausführung gruppentaktischer Maßnahmen darf sich Roman Bürki über ein Sonderlob freuen.
9 Kommentare Alle anzeigen
buchling 4. März 2015 um 14:15
Sehr schöner Spielbericht, den ich in weiten Teilen unterschreiben kann. Freiburg war mannschaftstaktisch in der ersten Halbzeit klar besser auf- und eingestellt. Im Bericht kommt sehr schön raus, wie Köln eigentlich schon die gesamte Saison im Spielaufbau in ein weit auseinandergezogenes U ohne horizontale Verbindung zerfällt. Vielleicht ist und war es die Spielidee von Stöger, vielleicht können die Spieler es nicht anders umsetzen. Aber es fällt auf, dass der FC gerne mit langen vertikalen und diagonalen Bällen agiert. Für eine solche Spielweise ist die Aufstellung eines zweiten kopfballstarken Stürmers nur konsequent, wie es dann zur zweiten Halbzeit passiert ist. Stellt sich nur die Frage: Warum nicht schon in der ersten Halbzeit? Stöger scheint ja seine Spieler in die Pflicht zu nehmen. Damit liegt er sicher nicht ganz falsch, nur war gestern Abend mein Eindruck, dass Stöger im Taktikduell mit Streich den Kürzeren gezogen hat, selbst wenn die Tore für Freiburg etwas glücklich fielen. Wobei das zweite Tor direkte Konsequenz von taktischen Fehlverhalten der Kölner Spieler war.
lanlan 4. März 2015 um 12:59
Wie ein Vorredner schon annmerkte, trägt die Analyse nicht der Tatsache Rechnung, dass sich Köln mehrere sehr klare Torchancen erarbeitete, die allerdings nicht genutzt werden konnten. Auch wenn das vielleicht im Widerspruch zu (vermeintlichen) taktischen Wechselwirkungen steht, hätte die Brechstange offensichtlich den Erfolg herbei führen können (müssen ?).
Für mich ein Beispiel dafür, dass auch dieses Blog nicht der gesamten Bandbreite des Fußballs gerecht wird – während die meisten Medien taktische Zusammenhänge völlig ignorieren, kommen hier mögliche spielentscheidende Szenen („Zufallsprodukte“) oftmals kaum zur Geltung.
Nichts desto trotz ein tolles Blog und ein herzliches Dankeschön für die regelmäßigen Analysen zum Effzeh.
Max 4. März 2015 um 13:31
An dem Spiel ist außer der Anfangsphase nichts zu analysieren. Es spielten 2 Teams, die gegen einen geordneten Gegner kein Tor schießen können. Entschieden wurde das Spiel mit Hilfe des Zufalls. Bei einer solchen Konstellation von „verdient “ oder „unverdient“ zu sprechen verbietet sich eigentlich. Ohne tatkräftige Kölner Mithilfe hätte auch Freiburg nicht getroffen, was die vielen vergebenen Torchancen gegen die aufgerückte Kölner Defensive belegen.
Letztlich war das ein Spiel zweier heißer Abstiegskandidaten.
DH 4. März 2015 um 11:41
Meines Erachtens eine im Kern richtige Analyse. Aber fiele sie genauso aus, wenn Vogt oder Olkowski ihre drei Monster-Chancen genutzt hätten? Köln hat zwar nun kein spielerisches Feuerwerk abgefackelt und das Zentrum war in der Tat dauer-verwaist, aber in der Analyse kommt mir der Fakt zu kurz, dass Köln mehr als genug Chancen zum Ausgleich hatte – auch schon vor Deyversons Einwechslung (s.o,). Irgendwas müssen sie also ja auch richtig gemacht haben, um sich diese Chancen zu erarbeiten (von herausspielen“ mag ich auch nicht reden – außer in der Szene Brecko auf Vogt). An der Stelle ist mir die Analyse nicht präzise genug.
Schimanski 4. März 2015 um 11:29
Guter Artikel, der die Wechselwirkungen taktischer Maßnahmen anschaulich herausarbeitet.
Ich frage mich, ob Stöger überhaupt die Möglichkeit hatte per taktischer Maßnahmen die Probleme im Spielaufbau durchs Zentrum zu verbessern oder gibt der Kader einfach nicht mehr her? In dieser Hinsicht hat mich Köln schon in der Runde davor in Duisburg enttäuscht.
Oder ist es so, dass Stögers Fokus in der Trainingsarbeit an anderer Stelle liegt und er keine Energien darin verschwendet, daran zu arbeiten? Vielleicht stehen Aufwand und Ertrag in seinen Augen in keinem guten Verhältnis? Alleine von den gruppentaktischen Abläufen wirkt Köln auf mich so, als ob die Sechser sich selbst überlassen sind und eher von ihren Spielerfahrungen als von gezielter Trainingsarbeit zehren.
DH 4. März 2015 um 11:43
Wenn Nagasawa mehr Spielzeiten bekäme bzw. körperlich etwas mehr zugelegt hat, hätte der FC kein Problem mehr mit der Zentrumspräsenz. MMn kam Nagasawa gestern einfach zu spät – wobei ich natürlich nicht weiß, wie seine Form ist oder wie fit er aktuell ist nach langer Verletzung.
Thomas H. 4. März 2015 um 10:46
Bitte mal etwas nacharbeiten. Köln presst nicht den Kölner Schlußmann. Das 2-0 schoß Darida, nicht Schmid. Also ein wenig schlampig, aber im Kern sehr interessant.
PP 4. März 2015 um 11:27
Ist korrigiert, danke.
kolle 4. März 2015 um 08:59
Sorry fürs spammen..
Kommt noch was zu Leverkusen-Lautern? Irgendwie bringt Ihr fast nie was zu Lautern, was ich als Lauterer natürlich schade finde. Diesen Pokal–Spieltag hat es sich ja wirklich mal wieder angeboten. Aalen – 18,99€ war mit Sicherheit ein langweiliges Spiel mit einer sehr defensiven Mannschaft, und daher eher uninteressant. Freiburg gegen Köln finde ich auch eher uninteressant, auch weil beide Teams eh in einer Liga spielen. BvB-Dresden fand ich potentiell interessant, ein mieser Platz hat da aber leider das Spiel zerstört. Lautern-Leverkusen hingegen hat einiges geboten. Zwei technisch starke Mannschaften und eine durchaus ausgeglichene Partie bei den der FCk immer wieder Nadelstiche setzen konnte und phasenweise auch hoch gestanden hat. Das Leverkusener Pressing hingegen kam nur z.T. zum tragen. Bis zur Verlängerung wirklich gut anzusehendes Spiel mit Bundesliga Niveau, bei leichten Feldvorteilen für die Pillen.