Villarreal presst sich im Flachpassduell zum Sieg

2:0

Zuhause empfing Villarreal die baskische Mannschaft Athletic Club. Somit trafen zwei der besseren Mannschaften der Liga aufeinander, sowohl von der individuellen Qualität als auch taktisch wie spielerisch. In der Analyse wurden zahlreiche strategische Parallelen und einige taktische Unterschiede auffällig. Und Villarreal offenbarte sich als kulturelles Pendant zu einem Bundesligavertreter.

Villarreal, das Gladbach Spaniens, gegen Athletic Club im 4-1-4-1

In der deutschen Liga ist die Mannschaft von Lucien Favre bekannt dafür, dass sie in einem positionsorientierten und in alle Richtungen kompakten 4-4-2 verteidigt. Ihre Formation öffnet die Flügel, ihr ballorientiertes Verschieben soll diese dann schnell verschließen. Diese Defensivspielweise nutzen sie meist in einem Mittelfeldpressing, worauf nach der Balleroberung sehr schnelle Konter folgen. Im eigenen Ballbesitz und Aufbauspiel bauen sie flexibel auf, spielen grundsätzlich im 2-4-4, wechseln eine tiefe und geduldige Ballzirkulation mit überfallartigen Schnellangriffen ab.

Villarreal spielt überaus ähnlich. Sie agieren ebenfalls in einem 4-4-2, sind hier weitestgehend positionsorientiert, bauen aber situativ Mannorientierungen im zentralen Mittelfeld und auf den Flügeln ein – besonders im höheren Pressing. Das machen die Gladbacher ebenfalls. Außerdem lässt Villarreal den Ball konstruktiv zirkulieren. Vereinzelt passen sie sogar nach Balleroberungen zurück und kontern nicht, sondern sorgen für einen neuen Spielaufbau.

In ruhigen Ballbesitzaktionen hingegen nutzen sie teilweise extremen Rhythmuswechseln mit plötzlichen langen Schnittstellenpässen, Dribblings und Schnellkombinationen sowie langen Bällen hinter die Abwehr. Dieser Fokus auf vertikale Durchbrüche zahlte sich in diesem Spiel trotz einiger Ballverluste aus, weil sie durch einen langen Ball im Verbund mit einem Tiefensprint aus dem Sechserraum bei ausweichenden Mittelstürmern Athletics Defensive aushebelten und das 1:0 erzielten.

Insgesamt war die Vorstellung Villarreals sehr interessant. Ihr hohes Mittelfeldpressing passten sie hierbei sogar mehrmals an, wobei Athletic gut darauf reagierte. Zu Beginn presste Villarreal noch im gänzlich positionsorientierten 4-4-2, welches ungefähr so aussah:

Torwartpass

Ein Pass vom Torwart überspielte hier Villarreals gesamtes Pressing. Die Hausherren pressten im 4-4-2, allerdings noch ohne Mannorientierungen – zumindest nicht auf den tiefsten gegnerischen Sechser, sondern situativ auf die beiden Achter des Gegners. Das hätte im Spiel Probleme geben können, doch Marcelino passte an.

Hierbei waren sie aber anfällig für Pässe wie in obiger Szene. Generell wurden sie dadurch in die Länge gezogen, öffneten Räume zwischen Angriff und Mittelfeld und Athletic konnte effektiv den Ball herausspielen. Marcelino passte seine Mannschaft deswegen an, fortan presste Villarreal mit einigen Mannorientierungen und verfolgte den tieferen Mittelfeldspieler. Zuerst wurde dies mit einem der beiden Sechser praktiziert.

Torwartkette und MOs

Insgesamt eine sehr ansprechende Szene zu sehen. Athletic Club bildet eine Torwartkette, während Villarreal nun mannorientierter agiert. Sie lassen bewusst einen Achter offen, um höher zu pressen. Die weiten Räume sind nach wie vor gegeben, aber Athletic Club hat weniger Anspielstationen. Darum muss der Torhüter hier zu einem langen Ball greifen. Der Vorteil Athletics in den höheren Zonen wird mit viel Laufarbeit und Rückwärtspressing kompensiert. Später gibt es ein 4-4-1-1.

Später ließ sich aber der zweite Stürmer Villarreals verstärkt zurückfallen, es gab immer häufiger ein 4-4-1-1 gegen den Ball. Die beiden Sechser Villarreals konzentrierten sich außerdem wie auch die Flügelstürmer nach der Führung darauf, das gegnerische Dreieck und Athletics Ballzirkulation generell aus der eigenen Formation herauszuhalten und auf die Seiten zu schieben.

Viererketten isolieren gegnerisches Dreieck heraus

In dieser Szene sehen wir, wie die Mittelfeldviererkette Villarreals das gegnerische Mittelfelddreieck im Zentrm von den Offensivspielern und dem zweiten Drittel isolieren möchte. Die Mannorientierungen sind nun passè. Es klafft aber ein großes Loch zwischen Mittelfeld und Angriff; die vertikale Kompaktheit in dieser Zone war womöglich Villarreals größtes Manko.

Die Basken hatten sichtlich Probleme mit dem Bespielen Villarreals. Zwar hatte Athletic Club viel Ballbesitz und zeigte wie Villarreal ein konstruktives und intelligentes Presssing- wie Ballbesitzspiel, doch insgesamt fehlten ihnen die dynamischen Rhythmuswechsel Villarreals.

Auf die Mannorientierungen Villareals reagierte Athletic Club übrigens mit einem kompletten Abkippen als Konter. Dadurch wurde dieser nicht mehr manngedeckt. Problematisch aber, dass man dadurch die Mittelfeldüberzahl verlor und den Sechsern Villareals die Arbeit zusätzlich erleichterte. Das Verschieben von Villareals zwei Stürmern war nach wie vor effektiv beim Leiten.

Auf die Mannorientierungen Villarreals reagierte Athletic Club übrigens mit einem kompletten Abkippen als Konter. Dadurch wurde dieser nicht mehr manngedeckt. Problematisch aber, dass man dadurch die Mittelfeldüberzahl verlor und den Sechsern Villarreals die Arbeit zusätzlich erleichterte. Das Verschieben von Villarreals zwei Stürmern war nach wie vor effektiv beim Leiten.

Athletic versuchte mit dem 4-1-4-1 flexibel zu pressen, hatte aber nicht so viel Zugriff wie Villarreal. Der eine Stürmer stand vorne alleine auf weiter Flur, wodurch er kaum effektiv pressen konnte. Vielfach wurde er von einem ballnah herausrückenden Achter unterstützt, was nur selten funktionierte. Villarreals Rhythmuswechsel geschahen häufig auch als Reaktion auf dieses Herausrücken Athletics, weil sie unter Druck die Schnellangriffe initiierten oder die langen Bälle nach vorne in die Spitze spielten.

4-1-4-1 mit zuvor höherem RZM

Villarreal baut auf, Athletic Club steht ungefähr in einem 4-1-4-1. Dieses ist allerdings etwas verschoben und nicht ganz so horizontalkompakt, wie man es erwarten würde. Die Verschiebung entsteht dadurch, dass der rechte Achter zuvor höher agierte und jetzt leicht mannorientiert einen der Sechser Villarreals zustellt.

Diese 4-1-3-2-Staffelungen wurden meistens aber kontraproduktiv, da Räume im zentralen Mittelfeld geöffnet wurden. Die Schnellangriffe und Kombinationen erzeugten daraufhin zahlreiche vielversprechende Angriffe. Bilbaos Kompaktheit und die Nutzung vieler Spieler in der eigenen Hälfte konnte das Schlimmste aber meistens verhindern, ebenso wie die situativen Mannorientierungen.

4321

Durch die Mannorientierungen und das Herausrücken der Achter entstanden teilweise auch 4-3-2-1-Staffelungen bei Athletic, wie in dieser Szene zu sehen. Die vertikale Kompaktheit ist sehr hoch, doch diese hohe Abwehrlinie und der nicht immer gegebene Druck auf den Ball sorgen für einige starke Pässe hinter die Abwehr und Chancen für Villarreal.

Athletic hätte allerdings versuchen sollen, um verstärkt Zugriff zu haben, ihr 4-1-4-1 sauberer im Pressing zu nutzen. Die formativen Umformungen wären effektiver gewesen, wenn Athletic zuerst Villarreals Aufbauspiel effektiver geleitet und sich den jeweiligen Gegenspielern schon in höheren Zonen angenähert hätte. So hatten sie nur in den eigenen Zonen Zugriff, konterten allerdings deswegen auch ineffizienter und waren nicht fähig hohe Ballgewinne zu verbuchen.

Athletics Mannorientierungen

Das 2-4-4 Villarreals im Aufbau, Athletics Mannorientierungen und das 4-1-4-1 sind hier am besten zu sehen.

Fazit: Flachpassspiel, Pressing, flexible Mannorientierungen, …

Es ist beeindruckend, wie komplett der spanische Fußball strategisch wie taktisch ist. Die italienische Liga beispielsweise ist in einzelnen taktisch-strategischen Punkten exzellent, die englische kaum, die deutsche brilliert gegen den Ball und nur punktuell mit dem Ball. In Spanien scheint es weitflächig bei den besseren Teams alles zu geben: Sie mischen Mann- und Raumdeckung intelligent, pressen und gegenpressen effektiv, agieren variabel in Ballbesitz und hierbei sehr konstruktiv und technisch hochwertig.

Villarreal und Athletic Club sind zwei gute Beispiele für diese Komplettheit. In einem ansehnlichen Spiel zeigten sie wie im Artikel gezeigt ein breites Arsenal an hochwertigen Fußballaspekten.

woody10 19. Januar 2015 um 09:37

Hallo,

vielen Dank für die schöne Analyse von diesem interessantem Duell zweier guter Mannschaften.
Hab nicht so viel gesehen, hab aber gemerkt, dass es ein Spiel auf recht hohem Niveau war.
Bei Villareal muss ich auch immer auf Gladbach denken, obwohl mir ein etwas stärker auf Ballbesitz ausgelegter Ansatz v.a. in der 2. Hälfte der Hinrunde besser gefallen hätte.
leider einige Formprobleme wie bei Gio dos Santos, Uche oder Musacchio natürlich noch nach seiner Verletzung, aber auch einige Akteure in Topform wie v.a. Cheryshev, aber auch Vietto.
Auffällig auch, dass Villareal relativ viele gute junge Spieler hat, die in den Cup-Spielen aufzeigen.
Hier merkt man aber auch, dass alle Marcelinos System verinnerlicht haben. Defensiv sind sie sehr sauber, stabil und punkten immer wieder mit guten Gegneranpassungen auch in der Offensive.
Gute Mannschaft!

Bilbaos Probleme sind ein bisschen komisch in dieser Saison. Sind ja punktemäßig nicht weit von den Abstiegsplätzen entfernt, scheinen aber doch DEUTLICH besser als die schwächsten Mannschaften wie Elche, Depor oder Cordoba.

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Schwerti 18. Januar 2015 um 18:56

Anschauliche Analyse, großes Lob.
Eine Bitte: Könnt Ihr eine Analyse zum FC Sevilla machen? Wäre für die Borussia MG-Fans unter uns seeeehr interessant. Besonders das Wirken von Ever Banega sowie die Bedeutung der französisch-polnisch-lateinamerikanischen Achse. Besten Dank. Ansonsten, weiter so!

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