Hamburg wartet auf den nächsten Schritt
Wiederholt sich die Geschichte beim Hamburger SV? Nachdem es langsam taktisch bergauf ging, wartet man vergeblich auf den nächsten Schritt. Stuttgart knackt die Hamburger mit einfachsten Mitteln.
In den vergangenen Jahren lässt sich beim Hamburger SV ein Muster erkennen. Immer wenn ein neuer Trainer kam, ging es zunächst bergauf. Ein neues taktisches Konzept beflügelte den Klub. Doch weder Thorsten Fink noch Bert van Marwijk noch Mirko Slomka konnten diese Anfangserfolge veredeln, indem sie den nächsten Schritt machten. Joe Zinnbauer ist es zu wünschen, dass er in der Winterpause weiterarbeiten und dafür sorgen kann, diesen Fluch zu durchbrechen. Denn im Moment fehlt auch seinem System der nächste Schritt.
Pressing gut, Ballbesitzspiel nicht
Zur Erinnerung: Joe Zinnbauer hat den HSV mit einem aggressiven Pressing stabilisiert. Die Hamburger rücken weit vor und stören in einer Art 4-1-3-2, das teilweise gar ein 4-1-3-0-2 ist. Die beiden Angreifer gehen vorne drauf, die Dreierreihe dahinter verschiebt sehr aktiv und stellt die Anspielstationen zu. Dazu kommt ein aktives Rückwärtspressing von mindestens einem, meist aber beiden Stürmern, um den Gegner im flachen Spielaufbau zu isolieren.
Schon bei Ballbesitz versuchen die Hamburger, sich so zu staffeln, um bei einem Ballverlust sofort ins Gegenpressing übergehen zu können. Dabei positioniert sich die Mannschaft vergleichsweise hoch, auch um in vorderster Linie einen hohen Zugriff zu erhalten.
Gegen den VfB Stuttgart hatte das den negativen Effekt, dass Hamburg praktisch nur mit zwei Linien spielte. Die beiden Innenverteidiger und der abkippende Behrami bauten aus der Tiefe auf, ab und an gesellte sich noch van der Vaart zu ihnen. Die Stürmer und die Außenstürmer positionierten sich wiederum sehr hoch. Die Folge: Es fehlten Verbindungen im Mittelfeld, oft mussten die Abwehrspieler direkt den Ball nach vorne bolzen.
VfB-Chaosverteidigung genügt für ideenlose Hamburger
Die Spieldynamik erinnerte an die vergangenen Partien der Hamburger: Durch ihr aggressives und hohes Pressing bauten sie eine hohe Dominanz auf, die sie im Ballbesitzspiel allerdings nicht nutzen konnten. Stuttgart konzentrierte sich naturgemäß auf das eigene Konterspiel und versuchte, sich nicht im HSV-Pressing zu verfangen.
Es war dementsprechend kein schön anzuschauendes Spiel. Die Hamburger wussten nichts mit dem Ballbesitz anzufangen. Positionswechsel oder Überladungen gab es selten zu sehen, zu sehr fokussierten sich die Hamburger darauf, die Positionen für ein gutes Gegenpressing recht gleichmäßig zu besetzen. Obwohl der VfB sehr mannorientiert und dabei recht chaotisch verteidigte (näheres hierzu gibt es in TRs Analyse vom vergangenen Wochenende), konnten die Hamburger nie die Defensive des Gegners öffnen. Einzig über die Flügel gelangen ihnen vereinzelt Durchbrüche, hier verteidigten aber die Außenstürmer derart tief, dass man kaum an die Grundlinie kam.
Stuttgart kontert mit einfachen Mitteln
Schlimmer noch: Der HSV schenkte den Ball teilweise leichtfertig her. Innenverteidiger Djourou zeigte eine schwache Leistung und spielte einige Pässe in die Füße des Gegners. Diese Ballverluste in der ersten Linie sind beim HSV schlecht abgesichert, schließlich befinden sich fast alle Spieler vor dem Ball. Stuttgart presste dabei nicht einmal mit höchster Intensität, einzig Gentner unterstützte ab und an die beiden Angreifer im hohen Pressing. Aber es genügte, den HSV vor Probleme bei der Ballzirkulation in der eigenen Hälfte zu stellen.
Soweit setzte sich beim HSV die Entwicklung der letzten Wochen fort; noch immer fehlt den Hamburgern ein ansehnliches Ballbesitzspiel, das die Dominanz im Pressing untermauert. Das große Problem in diesem Spiel: Nicht einmal das Pressing funktionierte perfekt. Die Stuttgarter suchten ganz bewusst diagonale Spielverlagerungen, um das Pressing der Hamburger zu umgehen.
Vor allem auf den Flügeln taten sich Räume für die Stuttgarter auf. Die Hamburger Außenverteidiger agierten gewohnt hoch. Stuttgart nutzte dies, um die eigenen Außenverteidiger und -stürmer schnell hinter die Stürmer zu schicken. Simple Doppelpässe, flache Hereingaben und eine handvoll Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte genügten den Stuttgartern, um sich in der ersten Halbzeit ein Chancenplus zu erarbeiten – und kurz vor der Pause verdientermaßen in Führung zu gehen (42.).
Minimale Verbesserungen nach der Pause
Die zweite Halbzeit ähnelte der ersten. Die rote Karte gegen Niedermeier (53.) änderte kaum etwas an der Spieldynamik. Stuttgart zog sich im 4-4-1 noch weiter zurück, die Hamburger hatten noch mehr Ballbesitz. Sie versuchten nun, etwas prägnanter über die Flügel anzugreifen. Müller und Holtby boten sich im Halbraum für Anspiele der Außenverteidiger an, die ihrerseits etwas tiefer agierten. Doch diese simplen Angriffe waren kaum wirksam, zumal die Flanken im 16er selten verwertet werden konnten.
Auch dass van der Vaart und der eingewechselte Zehner Gouaida zunehmend zurückfielen, half dem Spiel nicht. Ihr Zurückfallen war zu statisch, zu wenig eingebunden in das Angriffsspiel. Es fehlten vertikale Läufe oder gezieltere Überladungen der Flügel, um das mannorientierte Spiel der Stuttgarter zu knacken. Auch die Wechsel änderten wenig an den Systemen und der Spieldynamik. Letztlich waren zwei, drei Hamburger Chancen gegen zehn Stuttgarter zu wenig, um das Spiel noch zu drehen.
Fazit
Alles, was es zu Stuttgart zu sagen gibt, hat der Kollege TR in diesem Artikel schon besser gesagt, als ich es könnte. Die Verteidigung war auch in diesem Spiel leicht chaotisch, doch Hamburgs starre Offensive fand keine Mittel, dies auszunutzen. So sicherte sich Stuttgart dank einiger simpler, aber durchaus sehenswerter Konter einen wichtigen Sieg im Kampf gegen den Abstieg.
Fünf Euro ins Phrasenschwein, aber: Für den Hamburger SV kann die Winterpause gar nicht früh genug kommen. Es wäre Zinnbauer zu gönnen, wenn er seinem Team nach Weihnachten ein ansehnliches Ballbesitzspiel eintrichtern kann. Momentan gelingt es dem HSV nicht einmal, die relativ chaotische Defensive der Stuttgarter zu knacken. Man kann für den Bundesliga-Dino nur hoffen, dass der Weihnachtsmann ihnen ein paar mehr Tore im neuen Jahr spendiert.
3 Kommentare Alle anzeigen
Braindrain 20. Dezember 2014 um 01:48
Hmm, ich sah den VfB eigentlich gegen Mainz in der zweiten Hälfte und gegen den HSV defensiv stark verbessert im Vergleich zum Schalke-Spiel. Während man ja im Schalkespiel eigentlich nie wusste, wer den nachrückenden Fuchs eigentlich verteidigen sollte (ich neige immer noch zu Sararer, der gegen Schalke ja früh ausgewechselt wurde und fortan trotz in individuellen Duellen ansprechenden Leistungen keine Rolle mehr spielte) und es wirklich chaotisch war, ist die defensive Zuordnung und Struktur im 4-4-1-1 von Hamburg m.E. schon deutlich klarer gewesen. Die Pärchen Klein/Schwaab und Hlousek /Sakai sind zwar nicht originell, aber machen doch die Flügel einigermaßen dicht. Solche Räume wie Schalke über deren linke Seite hatte der HSV nicht mehr angeboten bekommen.
victorolosaurus 18. Dezember 2014 um 14:26
Offtopic, aber: wäre es vielleicht möglich, das „Titelbild“ (das auf der Hauptseite eingebunden ist, mit den beiden Mannschaften und dem Ergebnis) auch im RSS zu verwenden. Dort hat man in der Regel keine Möglichkeit schnell zu sehen, wie denn das Spiel überhaupt ausgegangen ist.
TE 18. Dezember 2014 um 15:46
Guter Hinweis, wir werden die Ergebnisse bei solchen Artikeln in Zukunft im Artikel selbst einbinden, dann müssten sie auch im Feed zu sehen sein.