Schmidts Umstellung bringt Heidenheim gegen gute Auer zurück ins Spiel
Nach Toren von Müller und Titsch-Rivero trennten sich Aue und Heidenheim mit einem Unentschieden. Nach starker erster Hälfte des passend eingestellten FC Erzgebirge brachten die Einwechslungen Schmidts die Wende.
Offensivstrukturen und Rollenverteilungen des FC Erzgebirge Aue
In der 4-1-4-1-Formation des FC Erzgebirge Aue nahm Benatelli den Part als tiefster Spielmacher ein, wobei er immer wieder von den beiden Achtern Schönfeld und Novikovas im Spielaufbau unterstützt wurde. Die beiden zeigten neben der Unterstützung des Aufbauspiels situativ balancierende Ausweichbewegungen und waren in erster Linie für die Anbindung der Defensive an die Offensive zuständig. Dabei agierten beide immer wieder auch nachstoßend oder besetzten sogar die Spitze
Die Flügelspieler Kortzorg und Müller rückten im Offensivspiel des Öfteren zur Mitte ein und sorgten damit für eine Öffnung des Zwischenlinienraums, wenn Löning zurückfiel. Darüber hinaus zogen sie immer wieder Räume für die nachstoßenden Außenverteidiger auf den Außenbahnen frei.
Offensivstrukturen und Rollenverteilung des 1. FC Heidenheim
Bei den Heidenheimern kam Sebastian Griesbeck neben Julius Reinhardt zum Einsatz, weshalb Marcel Titsch-Rivero zunächst auf der Bank platznehmen musste. Während Griesbeck verstärkt absichernd agierte, rückte Reinhardt immer wieder mit nach vorne und versuchte auch den Zehnerraum zu besetzen.
Schnatterer und Leipertz auf den Flügeln spielten ähnlich wie in den letzten Spielen leicht zur Mitte geschoben, rückten situativ ein und sollten die Anbindung nach vorne herstellen, wo sich sowohl Niederlechner als auch Mayer stark auf die Spitze fokussierten.
Aues Aufbau gegen Heidenheims Pressing
Dass Heidenheim in der ersten Halbzeit die klar schwächere der beiden Mannschaften war, lag unter anderem an der Tatsache, dass das eigene Pressing keinen Zugriff auf den Auer Spielaufbau entwickelte.
Die Idee Frank Schmidts war es wohl, Aue schon früh aus der Mitte zum Flügel hin zu lenken, um im Zentrum keinen numerischen Nachteil in Kauf nehmen zu müssen. Es sollte vermieden werden, dass Reinhardt und Griesbeck alleine gegen Benatelli, Schönfeld und Novikovas gestanden hätten. Aus diesem Grund war das Heidenheimer Pressing im 4-4-1-1, anstelle des ansonsten genutzten 4-4-2 organisiert, brachte aber vor allem zu Beginn auch viele 4-4-2-Staffelungen hervor. Während Niederlechner Fink und Vucur bereits früh anlief, sicherte Mayer leicht versetzt den Sechserraum ab. Durch die Tiefenstaffelung der beiden Stürmer zueinander wurde zudem der Passweg durch beide hindurch ins Zentrum geschlossen.
Stipic konterte diese Herangehensweise der Heidenheimer derart, als dass er Benatelli sehr nah an der Innenverteidigung agieren ließ und dieser immer wieder auch abkippte. In der Folge konnten Fink und Vucur deutlich breitere Grundpositionen im Aufbau einnehmen, während Klingbeil und Luksik aufrückten. Weil die beiden Außenverteidiger ihre Gegenspieler Schnatterer und Leipertz banden, hatten die Auer Innenverteidiger vergleichsweise viel Zeit im Aufbau und vor allem auch Raum zur Spieleröffnung vor sich.
Neben dem fehlenden Zugriff auf die hohen Halbräume gab es ein weiteres Problem bezüglich des Heidenheimer Pressings. Aue versuchte nämlich über die unterschiedliche Rollenverteilung der beiden Achter die horizontale Kompaktheit des Heidenheimer Mittelfeldbandes aufzulösen, indem sich zumeist Schönfeld nach vorne in die Spitze bzw. den Zwischenlinienraum orientierte und sich somit dem Zugriff von Reinhardt entzog. Der übergab Schönfeld an die Innenverteidigung, rückte im Pressing immer wieder nach vorne – einmal versuchte er sogar Vucur anzulaufen – und öffnete so zum einen Passwege in die Tiefe. Zum anderen erzeugte er damit große Unkompaktheiten rund um den eigenen Sechserraum. So kam es, dass Aue vor allem in der ersten halben Stunde immer wieder Bälle aus der Innenverteidigung dorthin spielen konnte und diese regelmäßig Abnehmer fanden. Wegen der insgesamt großen vertikalen Streckung des Teams entwickelten die Heidenheimer hier nur unzureichend Präsenz und Aue schaffte es vor allem in Person von Löning mehrmals Anspiele aus der Innenverteidigung zu sichern, sodass ein mannschaftlich geschlossenes Aufrücken möglich wurde.
Dass diese Anspiele in die Tiefe kaum verteidigt werden konnten, hatte seine Gründe auch in der teilweise etwas merkwürdigen Intensität der Heidenheimer Mannorientierungen. Durch die oftmals etwas schablonenhaften, klaren Zuordnungen auf den Flügeln und in der Mitte war auch die horizontale Kompaktheit situativ nicht gegeben.
Aues Pressing gegen Heidenheims Aufbau
Aues Trainer Tomislav Stipic ordnete prinzipiell eine 4-1-4-1-Formation als defensive Grundordnung an, die allerdings diverse Staffelungen erzeugte. So entstand durch Lönings leicht linksseitige Grundposition und Novikovas Aufrücken in statischen Aufbausituationen oftmals ein flaches 4-4-2, das im Mittelfeldzentrum von seinen klaren Zuordnungen lebte. Durch gutes Nachschiebeverhalten, gerade wenn Reinhardt oder Griesbeck sich zu tief positionierten, erzeugte Aue immer wieder unangenehme Dynamiken. Eine zweite Variante im Auer Pressing war das Herausrücken der Flügelspieler, die die Heidenheimer Innenverteidiger anliefen, während sie darauf bedacht waren, den jeweiligen Außenverteidiger im Deckungsschatten zu behalten.
„Erste Halbzeit war nix von uns.“ – Frank Schmidt
Weil Griesbeck und Reinhardt sehr tief agierten, verloren sie zwar nicht die Anbindung an die Innenverteidigung, konnten aber auch keine Verbindungen nach vorne herstellen. Diese Aufgabe hätte von Schnatterer und Leipertz auf den Flügeln bzw. in den Halbräumen übernommen werden sollen. Weil beide aber immer wieder im Deckungsschatten der Auer Flügelspieler verschwanden und ansonsten direkte Gegenspieler hatten, ging dieser Plan nicht auf. Aue gelang es so, Heidenheim über weite Strecken der ersten Halbzeit zu kontrollieren und zu einigen guten Tormöglichkeiten zu kommen.
Schmidt passt an
Ab etwa der 30. Minute passte Schmidt die Spielweise seiner Mannschaft dann allerdings etwas an. Schon zuvor hatte er einen Seitenwechsel von Leipertz und Schnatterer angeordnet. Im Pressing agierte man von nun an mit stärker vorgeschobenen Flügelspielern, sodass vermehrt 4-2-3-1-Staffelungen entstanden. Anspiele auf die Außenverteidiger verteidigte man optionsorientierter, indem man erst mit den Anspielen selbst zum Flügel schob und ansonsten eher auf zentrale Kompaktheit bedacht war.
Bezüglich des Offensivspiels fokussierte man verstärkter den Umschaltfokus. Dass es Heidenheim vor der Pause noch das ein oder andere Mal gelang in – allerdings schlecht ausgespielte – Umschaltaktionen zu kommen, lag auch an der im Pressing höheren Grundposition von Schnatterer und Leipertz, die sich nicht mehr so stark an den aufrückenden Auer Außenverteidigern orientierten.
Veränderungen zur Pause / Heidenheims Doppelwechsel
Nach der Pause beorderte Schmidt Leipertz wieder auf den rechten Flügel, während Schnatterer zurück auf die linke Seite ging und hier allerdings deutlich weiter in den Zehnerraum einrückte als noch im ersten Durchgang. Vitzthum sollte dann im späteren Angriffsverlauf über dynamische Läufe die Breite im letzten Drittel herstellen. Auch Niederlechner passte seine Positionsinterpretation an und fiel vermehrt aus der Spitze nach hinten, um für die Offensivanbindung zu sorgen. Weil das aber nur bedingt klappte und die Probleme von vor der Pause immer noch Bestand hatten, tauschte Frank Schmidt in der 55. Minute gleich zweimal.
Die beiden Einwechslungen von Titsch-Rivero für Leipertz und von Grimaldi für Mayer bedeuteten dabei gleichzeitig einen Wechsel der Formation, die jetzt zu einem 4-3-1-2 wurde. In diesem spielte Griesbeck den zentralen Sechser, unterstützt von Reinhardt auf der rechten und Titsch-Rivero auf der linken Achterposition. Schnatterer besetzte die Zehnerposition und stellte die Anbindung nach vorne her, während Grimaldi Mayer positionsgetreu ersetzte.
Dass Heidenheim anschließend besser ins Spiel kam, lag zum einen daran, dass die Anbindung der Offensive an das Aufbauspiel jetzt deutlich besser gegeben war. Dies wurde sowohl durch die zentralere Rolle Schnatterers, als auch die breitere Positionierung der beiden Stürmer ermöglicht, die sich immer wieder für Pässe aus den tiefen Halbräumen anboten, ohne dabei zu weit zurückzufallen.
Der zweite und mindestens genauso wichtige Punkt war, dass die Heidenheimer das 4-3-1-2 jetzt auch im Pressing nutzten und deutlich besser in die Zweikämpfe kamen. Zentral gab es nun drei klare Zuordnungen bezüglich des Auer Mittelfeldes und mit Griesbeck einen zusätzlichen freien Spieler vor der Abwehr. Benatelli versuchte sich alsbald Schnatterers Bewachung zu entziehen und weit abzukippen, was auf Seiten der Heidenheimer allerdings nur extrem passende 4-3-3-Staffelungen erzeugte, da Schnatterer mit aufrückte. Aue konnte in dieser Phase des Spiels nur noch schwer über zentrale Räume eröffnen und wurde von den Heidenheimern immer wieder auf die Flügel geleitet, wo sie ihre Angriffe zu linear ausspielen mussten.
Auf Seiten der Auer gab es im zweiten Durchgang keine wirklich einschneidenden Anpassungen mehr. Ab etwa der 70. Minute tauschten Kortzorg und Löning des Öfteren die Position im Pressing, um Kortzorgs Stärken im Umschaltspiel zu forcieren und auch in Ballbesitz ließ man den linken Flügel vermehrt verwaisen.
Infolge des Wechsels von Schönfeld für Dartsch gab es noch einmal eine kleine personelle Rochade in der Offensive, wobei das System grundlegend gleichblieb. Dartsch ging für Müller auf den rechten Flügel und interpretierte seine Rolle klarer auf den Flügel fokussiert als Müller zuvor, der fortan auf der rechten Achterposition spielte.
Fazit
Die Auer Mannschaft überzeugte in der ersten Halbzeit durch ihr gutes Positionsspiel, mit dem sie den Heidenheimern große Probleme bereitete, das allerdings auch von der etwas unpassenden Defensivstrategie der Gäste begünstigt wurde. Dabei bespielten sie effektiv Lücken der Heidenheimer Defensivformation und wussten auch gruppentaktisch zu gefallen.
Der 1. FC Heidenheim hatte wieder einmal Probleme mit der Spieleröffnung über zentrale Räume und erspielte sich vor allem in der ersten Halbzeit kaum Chancen. Erst als Schmidt die Systemumstellung anwies, kam der Aufsteiger besser ins Spiel. Die damit einhergehenden, direkteren Zuordnungen führten dazu, dass das Pressing mehr Zugriff entwickelte.
2 Kommentare Alle anzeigen
Fat spanish waiter 17. Dezember 2014 um 20:26
Sehr gut geschrieben, man kann die Spielentwicklung nachvollziehen. Schön dass die 2.Liga, trotz BVB-Krise und Peps Bayern nicht ganz unter den Tisch fällt.
Grds würde es mich freuen, wenn ihr mal die 2.Liga insgesamt beleuchtet. Mein Eindruck ist, dass insgesamt sehr reaktiv gespielt wird, die meisten Teams scheinen auf Ballbesitz zu verzichten und setzen stark auf sicher stehen und dann schnell umschalten. Täuscht dieser Eindruck?
CE 17. Dezember 2014 um 20:59
Das täuscht überhaupt nicht. Ich hatte die 2. Bundesliga vor kurzem in einem Artikel auch als „konterfokussierte Liga“ bezeichnet. Letzte Saison gab es beispielsweise Union mit einem ambitionierten Ballbesitzspiel als Lichtblick. In dieser Saison ist es vor allem Ingolstadt, mit Abstrichen vielleicht noch Kaiserslautern.