Premier League goes pressing! – mit Pellegrini und Pochettino
Im Spiel Manchester City gegen Tottenham Hotspurs erwarteten sich viele ein absolutes Topduelle. Die großen Partien in der Premier League waren aber in den vergangenen Jahren öfters träge und teilweise (insbesondere taktisch) enttäuschend. Dieses Spiel stellte aber eine unterhaltsame Abwechslung dar. Mauricio Pochettino hat sein Pressingsystem von Southampton und aus der spanischen Liga auch bei Spurs implementiert; wenn auch noch nicht komplett funktionierend.
Tottenham im 4-4-1-1
Die Gäste aus London positionierten sich gegen den Ball in einem 4-4-1-1, in welchem der hängende Stürmer eine überaus interessante Rolle hatte. Meistens orientierte er sich am gegnerischen Sechserraum beziehungsweise gar mannorientiert am tieferen Sechser Citys, Fernando. Dadurch wollte er nicht nur den Spielaufbau über die Mitte kappen, sondern positionierte sich generell vergleichsweise tief und pendelte zwischen der Unterstützung der Sechser im Zentrum oder einem Aufrücken nach vorne, um mit dem Stürmer gemeinsam Druck auszuüben. Letzteres passierte aber meist, wenn sich Fernando zur Seite bewegte oder Tottenham generell versuchte sich eher im Angriffs- als im Mittelfeldpressing zu betätigen.
Auffallend war die für insbesondere englische Verhältnisse hohe horizontale Kompaktheit der Spurs. Sie standen relativ positionsorientiert mit zwei Viererketten und den beiden Stürmern in einer vertikalen Linie davor. Dadurch ließen sie die Flügel offen und hatten gleich zwei leitende Effekte im Pressing: Die enorme Präsenz in der Mitte mit der damit verbundenen Offenheit der Flügel schob City ebenso auf die Seite wie die zentrale Doppelbesetzung der beiden Stürmer im Sechserraum und in den Räumen vor und zwischen den Innenverteidigern.
Das Problem lag allerdings dann an der Intensität und Harmonie im Verschieben auf die Flügel, welche City bespielen konnte und wollte. Wenn die Citizens auf die offenen Seiten spielten, war die kollektive ballorientierte Bewegung der Spurs nicht so intensiv, wie man das bei anderen (und horizontal noch kompakteren) Mannschaften aus dem Spitzenfußball kennt. Dadurch konnte City entlang der Flügel Räume erobern, sich nach vorne arbeiten und die Spurs nach hinten drängen; dadurch generierten sie wiederum die Möglichkeit einfache Pässe in die kompakte Mitte im letzten Drittel zu spielen und dann Chancen mit geringerer Qualität zu haben oder im Gegenpressing den Ball zu erobern (wie beim ersten Tor).
Zwar hatte Pochettino hier natürlich interessante Ideen – beispielsweise ein situatives Aufrücken des ballfernen Flügelstürmers Richtung gegnerischem Sechserraum, um Verlagerungen zu verhindern und eine Mannorientierungen des ballnahen Flügelstürmers an der Seite –, aber alles in allem war dieser Mangel an gruppentaktischer Harmonie, Citys guter Flankenfokus, etwas Glück für die Hausherren und natürlich individuelle Fehler bei Spurs entscheidend für die defensive Instabilität.
Dennoch hatte City einige Zeit lang offensive Probleme gegen diese Spielweise.
Flügelangriffe, Vertikaldurchbrüche und versuchte Diagonaleinbindungen
In der Anfangsphase dominierten bei City noch die Abschlüsse mit etwas weniger Qualität. Die Ansätze waren aber zu sehen und sollten sich später bezahlt machen. Lampards Vertikalläufe aus dem zentralen Mittelfeld bis in die Sturmspitze hatten zwar nicht ganz die vermutlich erwünschte raumöffnende Wirkung für Silva im Zehnerraum und Agüeros Bewegungen, aber brachten zumindest etwas mehr Präsenz für Schnellkombinationen von der Seite in die Mitte und funktionierte insbesondere beim herausgeholten Elfmeter bei der Kombination mit Milner gut. Auf den Flügeln gab es mit Navas und Milner zwei Spieler, welche die Seite besetzen konnten, oder aber auch einrückten; Navas natürlich eher diagonal, Milner flexibel und balancegebend, woraufhin die Außenverteidiger hinterliefen.
Problematisch war vorrangig die mangelnde Einbindung Silvas. Er konnte sich nicht wie sonst in den engen Räumen profilieren und für Kreativität sorgen, aber die versuchten Diagonalpässe von den Seiten in die Halbräume und generell die Flügelangriffe mit scharfen flachen Hereingaben sowie Rückraumpässen ersetzten seinen Output in der Offensive kollektiv gut. Dazu kommt, dass die Citizens einen der besten Stürmer der Welt vorne haben, der sich im Alleingang in wenig aussichtsreichen Situationen durchsetzen kann: Sergio Agüero, dessen Name eher „technisch supergeile Tormaschine“ sein sollte.
Dass City gut angreifen kann und lässige Offensivspieler besitzt, ist allerdings keine Überraschung. Die Verbesserung ihres Pressings hingegen ist eine solche.
Aus alt mach neu?
An sich gab es im Pressing eigentlich gar keine großen Veränderungen und auch die Ansätze alter klassisch englischer Probleme, aber auch klare Schritte auf dem Weg der Besserung. Die Formation blieb nach wie vor eher in einem 4-4-2 und es gab einige Probleme in den gruppentaktischen Mechanismen oder auch im Auslösen des Pressings, aber alles in allem war die Ballorientierung größer, die horizontale Kompaktheit besser und es gab mehr intensive Bewegungen wie ein dynamisches Herausrücken aus der Position heraus auf den Ballführenden. Sogar das Gegenpressing wirkte deutlich fokussierter.
Natürlich hatten sie noch in den Folgesituationen Probleme, also der Rückkehr auf die Position oder das Beibehalten der Abstände nach Fehlschlägen und in weiteren Angriffsverläufen, dennoch könnte sich City in den nächsten Wochen und Monaten noch zu einem ernsthaften Konkurrenten (auch in taktischer Hinsicht) aufschwingen, der Chelsea im Kampf um den Meistertitel gefährlich wird.
Spurs‘ Offensivprobleme und Umstellung nach der roten Karte
Nach dem 3: 1 war das Spiel effektiv gelaufen und der Platzverweis tat nur sein Übriges. Tottenham konnte danach weder die zentrale Präsenz noch das versuchte aggressive Attackieren auf den Ball aufrechterhalten, die formative Umstellung auf ein 4-3-2/4-3-1-1 war eher eine Mischung aus wenig hoffnungsvollem Aufholjagdversuch und der Vermeidung einer Blamage. Dieser Kompromiss schlug in beide Richtungen fehl.
Die wirklichen Probleme hatten die Londoner aber schon zuvor. Ihre Offensivstaffelungen waren unpassend, da die Außenverteidiger in ihren Läufen kaum eingebunden wurden. Das lag insbesondere auf links aber auch beim Außenverteidiger selbst – Rose ist womöglich einer der schwächsten Linksverteidiger auf diesem Niveau und tat sich einmal mehr negativ hervor. Sie griffen darum häufig sehr dynamisch, aber ohne Breite an und hatten – im Gegensatz zu Mannschaften von Roger Schmidt – nicht die passenden kleinräumigen Strukturen und auch nicht die adäquate Situationsvorbereitung oder gar den gleichmäßigen Rhythmus, um solche Angriffe dann effektiv durchzubringen. Lamela und Eriksen konnten sich zwar individuell ein paar Mal durchsetzen, scheiterten aber dann meist in den kompakten strafraumnahen Räumen an dem Mangel an bespielbaren Optionen. Dies dürfte der Schlüssel zur Verständnis dieser Niederlage sein.
Fazit
In einem spektakulären Spiel konnten die Spurs anfangs mithalten, ergaben sich dann aber den individuell stärkeren und kollektiv etwas glücklicheren Citizens, welche sich besonders bei Stürmer Sergio Agüero für diesen klaren Sieg bedanken dürfen. Gleichzeitig zeigte diese Partie, dass man auch in der englischen Liga durchaus sehenswerte Spiele findet.
2 Kommentare Alle anzeigen
SB 20. Oktober 2014 um 21:35
Ich warte seit Jahren auf diesen Artikel, aber er kam nie… dass es so viele Jahre, so viele (auch ausländische) Spieler und v. a. Trainer dauert, bis man ernstzunehmendes Pressing in der vermeintlich weltbesten Liga sieht, hätte ich nicht gedacht. Lieber spät als nie – ich freu mich und bin gespannt, ob es sich „verbreitet“
Ein Zuschauer 19. Oktober 2014 um 23:06
Agüero ist supergeil? Dortmund sollte sich mal einen bei Edeka besorgen.