Blick über den Tellerrand – Folge 19

Der Blick über den Tellerrand bietet diesmal: CL-Quali zwischen Athletic Bilbao und Napoli, dazu ein Schuss Eredivisie.

Spiel der Woche I: Athletic Bilbao – SSC Napoli 3:1

blick über den tellerrand 19 athletic-napoliAthletic Bilbao steht durch ein 3:1 gegen Napoli zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte in der CL-Gruppenphase. Den Statistiken zufolge war das Hinspiel in Italien eine interessante Angelegenheit mit vielen wechselnden Spielphasen und versprach für das Rückspiel auch aufgrund der Ausgangslage einiges. Doch die zweite Partie der Teams im San Mamés enttäuschte weitgehend und wurde den Erwartungen über große Teile nicht gerecht. Beide Mannschaften hatten zwar eine strategisch recht gute und insgesamt ordentlich angelegte Defensivspielweise, doch waren die normalen, 4-4-1-1-haften Basisformationen ebenso wie die vielen mittelprächtig ausgeführten Mannorientierungen nichts wirklich Spannendes. Zudem offenbarten die Kontrahenten in der Ausführung gegen den Ball immer wieder Kompaktheitsprobleme – Napolis letzte Linie stand recht tief – und ließen mitunter große Zwischenräume offen.

Es gehörte allerdings auch zu dieser Partie, dass jene Schwächen in der Abwehrarbeit nur selten wirklich effektiv bestraft wurden, da beide Teams vor allem in der Offensive kaum überzeugen konnten und eher ein Paradebeispiel für schwache Leistungen abgaben. Die Hausherren aus Bilbao waren dabei noch die dominantere und etwas bessere Mannschaft, kamen aber über simple Flügelattacken und einzelne Überladungsansätze nicht hinaus. Zwar agierte ihr Mittelfeld flexibel, schaltete sich aber zu selten druckvoll, bewusst und aktiv für die Unterstützung der Flügelakteure im zweiten Drittel ein, die somit mehrmals seitlich festgedrückt wurden. Die Innenverteidiger agierten trotz einiger ambitionierter Aktionen etwas willkürlich beim Bedienen der offensiven Kollegen vor ihnen und spielten nicht immer zielstrebig genug in Formationslücken hinein.

So konnte der als eine Art Zehner aufgebotene Benat nicht durchgehend effektiv eingebunden werden und fand sich bei seinen Momenten in den Halbräumen, wo er als Verbindungsakteur hätte dienen können, oft in ungünstigen Dynamiken wieder oder hatte nur wenige Optionen. Meist musste er wieder nach außen abgeben, da bis auf kleinere Verschiebungen der Mittelfeldleute eben die konsequenten Freilaufbewegungen etwas fehlten. Wirkliche Gefahr strahlten die Basken daher nur über ihre Spezialität Standardsituationen oder sehr direkte Flügelszenen aus, bei denen beispielsweise Susaeta simpel den Raum für de Marcos öffnete, welcher dann lang zur Grundlinie bedient wurde und Hereingaben bringen sollte, die Napoli im Rückraum nicht immer optimal verteidige. Einige Szenen gab es noch bei langen Bällen der Innenverteidiger, die diese auch unter höherem Pressingdruck nur halbhoch spielten, weshalb sie verhältnismäßig gut zu verarbeiten waren.

Während Napoli nur phasenweise in höhere 4-2-2-2-hafte Stellungen aufrückte, zeigten die Hausherren ein aggressiveres Pressing, bei dem sich Aduriz und Benat fast durchgehend in der Nähe der Innenverteidiger – meist in unmittelbarer Strafraumnähe – aufhielten. Häufig ließ sich dann Jorginho zwischen Albiol und Koulibaly fallen, woraufhin sich die Athletic-Angreifer in den Schnittstellen dieser Kette postierten und oft noch Mikel Rico etwas herausrückte. Die erste Linie der Italiener war damit gut zugestellt, doch weil die Basken ansonsten sehr mannorientiert verteidigten, stand das gesamte Mittelfeld der eigenen Hälfte für Napoli offen. Einige Male versuchte Gargano sich hier freizulaufen und hätte durchaus in verschiedenen Konstellationen eingebunden werden können, doch Napoli überging ihn viel zu häufig. Anstatt die Löcher beim Gegner ausnutzen zu wollen, versuchten sie sich umständlich über die Seite zu lösen oder ließen sich zu langen Bällen provozieren, auf die die Offensivabteilung aber nicht optimal gestaffelt stand. So kamen ihre Sechser auch bei tieferem Pressing der Spanier lange fast gar nicht ins Spiel und es entwickelten sich nur vereinzelt Offensivszenen. Höchstens ihre angedeuteten, aber im letzten Jahr schon deutlich besser gesehenen Linksüberladungen mit Hamsiks Bewegungen nach außen verursachten gegen die Mannorientierungen etwas Gefahr. Iturraspe sollte wohl den bevorzugten Halbraum der Italiener vermehrt zustellen und konnte Läufe in die Spitze oder die Schnittstellen nicht immer verfolgen.

In der zweiten Halbzeit wurde die Partie dann zumindest ein wenig besser, nachdem Hamsiks früher Treffer die überraschende Führung der Gäste besorgt hatte. Während die Mannen von Rafael Benítez in ihren Defensivabläufen etwas flexibler wurden, schraubte Athletic die Intensität herunter, attackierte nicht mehr so hoch, sondern richtete die vorderste Linie leicht asymmetrisch aus und konnte damit Mikel Rico tiefer halten. Auch offensiv nahmen sie einige Änderungen vor – mit der Auswechslung Benats gegen Ibai Gómez rückte Muniain mehr ins Zentrum und zeigte einige Wechselspielchen mit dem neuen, einrückenden Linksaußen, während Susaeta stärker diagonal in die Spitze arbeitete. Nachdem Aduriz mit einem Doppelschlag – zunächst nach einer Standardsituation, dann dank einer Slapstick-Aktion der Napoli-Defensive – das Match gedreht hatte, besiegelte der neue Mann mit aufmerksamem Lauf zum 3:1 das Weiterkommen der Basken. Trotz leichter Steigerungen in der taktischen Spielqualität und einer ereignisreichen zweiten Halbzeit mit vier unterhaltungswürdigen Treffern zeigten die Entstehung der Tore und die bis zum Ende weitgehend fehlende Offensivgefahr Napolis doch auf, dass die Partie immer noch nicht wirklich gut war. Von beiden Teams hat man in der vergangenen Spielzeit schon deutlich Besseres gesehen.

Interessant zu beobachten: ADO den Haag

Zum Ende der vorigen Saison übernahm der damalige Assistent Henk Fraser – als Spieler zusammen mit Leuten wie van Gaal und Blind bei Sparta Rotterdam – das Traineramt bei ADO den Haag. Im zweiten Jahr in Folge hatte es unter Maurice Steijn zwar immer wieder viele gute Ansätze und einzelne starke Phasen gegeben, doch der Mannschaft fehlte es an Konstanz und Stabilität, weshalb sie sich nicht entscheidend aus dem Abstiegskampf nach oben absetzen konnte. Mit Blick auf den folgenden Saisonendspurt – ab Februar blieb man bis auf ein 2:3 bei Ajax unbesiegt – und die ersten Begegnungen der neuen Spielzeit scheint es Fraser nun gelungen zu sein, die guten Momente und Ansätze dauerhafter zu sichern sowie eine feste und stabile Ausrichtung zu formen.

blick über den tellerrand 19 ado fraserAnders als unter seinem vorherigen Chef kann die Mannschaft nun vor allem auch in entscheidenden Situationen die nötige Durchschlagskraft in der Offensive erzwingen. Dafür sorgt insbesondere der asymmetrische Angriff des 4-3-3, der seit Fraser zu einem Markenzeichen ADOs in der Liga gehört. Der eigentliche Mittelstürmer Mike van Duinen, ein kraftvoller und bulliger Typ, agiert wie schon in einer starken Phase der Saison 2012/13 und wie zwischenzeitlich zu Beginn des vorigen Spieljahres – also auch unter Steijn gab es dies kurzfristig immer mal wieder – auf dem Flügel, meist als eine Art Linksaußen, und macht den Platz im Zentrum für den schlaksigen Michiel Kramer frei.

Der spielstarke, aber auch zuarbeitende Achter/Zehner Roland Alberg gleicht die Ausrichtung der Sturmreihe aktuell durch situative Drift-Bewegungen auf die linke Seite aus. Mit dem wiedergenesenen Kevin Jansen als Balancespieler auf halbrechts gibt es einen weiteren polyvalenten Mittelfeldakteur hinter dem passsicheren Sechser Kristensen, welcher situativ zusätzlich mit aufrückt. Aufgrund der hohen und kraftvollen Besetzung des Angriffs kann sich ADO in manchen Phasen stark auf zweite Bälle in Richtung van Duinen und Kramer sowie die Abpraller darauf fokussieren, was in den bisherigen Spielen schon gefährliche Szenen heraufbeschwor. Weil sich einige Gegner davon recht simpel zurückdrücken lassen, entstehen in den Halbräumen und in der Mitte zudem offene Kanäle, die ADO durch weite Vorstöße von Abwehrspielern – vor allem Malone und Zuiverloon nutzen dies bisher aktiv aus – bespielen kann.

Grundsätzlich hat sich also gar nicht so viel geändert, sondern es sind ein paar kleine Details mitentscheidend für die starken bisherigen Ergebnisse Frasers, der durch den Fokus auf die besondere Sturmausrichtung einen pragmatischen und stärker auf Effektivität bedachten Weg durchzieht. Unter Steijn gab es in Phasen ebenfalls gute Offensivausrichtungen, beispielsweise einen Rechtsfokus auf das Zusammenspiel von Alberg mit dem beweglichen, kombinativen Dänen Gehrt, der auch mit Ansätzen des Spiels auf zweite Bälle verbunden wurde, oder spielstarke Linksüberladungen mit Gehrt als Fokusspieler, Alberg als Balanceakteur und van Duinen rechts, der zwischen den Überladungen freie Räume für längere Physis-Dribblings suchte. Andererseits änderten sich diese genauen Anlagen unter ihm schnell und häufig, waren inkonstant und nicht optimal balanciert. Manche funktionierten ohnehin weniger gut – so gab es beispielsweise zu Beginn der Vorsaison Schwierigkeiten, wie genau Neuzugang Cabral am besten einzubinden war: Einige Male wurde er als zentrale Figur vom Flügel zu sehr fokussiert, hätte aber mitspielender und anpassender ausgerichtet sein müssen.

Defensiv gibt es insgesamt gar nicht so viele Punkte, die der vorige Assistent Fraser im Vergleich zu seinem Chef geändert hat – ein Beispiel dafür, dass auch Steijn schon vieles richtig machte. Weiterhin agiert das Dreiermittelfeld grundsätzlich für niederländische Verhältnisse wenig mannorientiert, sondern versucht eine kompakte Stellung über Zentrum und Halbraum einzunehmen. Vor allem auf die Achter trifft dies zu, während der Sechser wie schon unter Steijn einen wichtigen Individualisten des Gegners etwas über seinen Grundraum hinaus verfolgt und dabei von seinen Kollegen vor ihm abgeschirmt wird. Letzte Saison sorgte dies für schwankenden Erfolg, aktuell sieht es etwas balancierter aus. Wenn die eigenen Flügel zocken, was mittlerweise etwas häufiger vorkommt und bessere Konter ermöglichen soll, oder der Gegner generell über die Seite aufrückt, schiebt das Mittelfeldzentrum wenig heraus, sondern lässt das Vorlaufen zu und konzentriert sich passiv auf die Sicherung der Mitte. Es gibt aber noch einige Schwächen – gelegentlich lassen sich die Achter von Gegnern wegziehen oder sind zu unbewusst und drucklos in der Positionsfindung. Dies war beispielsweise in der Vorsaison unter Steijn mit den oft sehr engagierten, kollektiv-kompakteren Defensivbewegungen noch besser. Der Unterschied ist mittlerweile, dass Gegentore über eigenen Offensivdruck etwas leichter ausgeglichen werden können.

Spiel der Woche II: NAC Breda – FC Twente 1:1

blick über den tellerrand 19 twente-nacMit dem dritten Remis am dritten Spieltag tritt der vorige Saison überraschend starke, dieses Jahr personell etwas veränderte und noch nicht ganz eingespielte FC Twente weiterhin auf der Stelle. Gegen NAC Breda zeigte die Mannschaft vom nun auch offiziell als Cheftrainer an der Seite stehenden Alfred Schreuder einige gute Ansätze, zog diese nach der Führung aber nicht mehr konsequent weiter. Die „Tukkers“ eröffneten gegen die etwas versetzte 4-4-1-1-hafte Defensive des Gegners immer wieder mit schnellen Vorstößen halblinks neben den Stürmern und dort dann diagonal über den nach außen geschobenen Sechser Mokotjo in die Halbräume hinein. Dort fanden sie ansehnliche Dynamiken, die sie schon in der Anfangsphase zu einigen Möglichkeiten ausspielen konnten. Der beste Spielzug, eine saubere, ausmanövrierende Linksüberladung, besorgte die Führung nach etwa einer Viertelstunde. Anschließend spielte Twente diese Szenen aber nicht mehr so konzentriert und konsequent aus, weshalb sich weniger Chancen ergaben. Auch die nicht optimale Einbindung von Rechtsaußen Kusk sowie der Vorstöße Ebecilios, der zuletzt gegen ADO bessere Szenen hatte, diesmal zu häufig tief agieren musste, fielen nun schwerer ins Gewicht.

Mit der Zeit kam NAC Breda entsprechend besser ins Spiel und konnte mehr Kontrolle an sich reißen. Aus ihren insgesamt simplen, aber konsequenten Aufbaustrukturen gelang es ihnen einige Male, durch Beschäftigung der gegnerischen Sechser Passwege nach außen zu öffnen und anschließend druckvoll die Bälle auf die Flügel zu verteilen, wobei sich vor allem der bei Ajax ausgebildete de Kamps hervortat. Auf den Seiten suchten und fokussierten sie meist Einzelaktionen von Tighadouini. Eine zweite Route bestand in der Nutzung der starken Vorstöße von Falkenburg, letzte Saison noch bei den Go Ahead Eagles sehr effektiv, was auch zusammen kombiniert werden konnte. Über die guten Positionierungen ihrer Sechser auf Abpraller und gegen Konter gelang es zudem einige Male, überraschende Aktionen und direkte Pässe in die Spitze anzubringen.

Obwohl Twente trotz gewisser Mannorientierungen insgesamt horizontal wie vertikal doch mit einer verhältnismäßig stark verdichteten Kompaktheit aufwarten konnte, mussten sie hier gegen einzelne Spieler immer wieder Abschlüsse in Kauf nehmen, da sie diese Überzahlszenen häufig zu passiv und steril in der Kettenpositionierung verteidigten. Letztlich war es daher ein bisschen zu erwarten, was im Verlauf der Partie noch passieren würde: Zunächst musste Twentes Kapitän Bjelland nach zwei Fouls gegen Läufe von Boateng mit Gelb-Rot vom Platz, ehe in der Nachspielzeit Tighadouini gegen die nun tiefere und zu strafraumfixierte Stellung der Gäste mit einem Dribbling den Elfmeter zum Ausgleich herausholen konnte.

juventino 1. September 2014 um 22:38

Wie immer sehr spannende Einblicke in die verschiedensten Winkel der Fussballwelt!

Verfolgt jemand von euch den FC Basel in dieser Saison? Wäre vielleicht einen kleinen Blick über den Tellerrand wert. Sie spielen unter dem neuen Trainer Paulo Sousa, ja, dem zweimaligen CL-Gewinner Sousa, sehr coolen und attraktiven Fussball. Mischformen zwischen 3-5-2, 4-1-4-1, 5-4-1 (pendelnde Viererketten!), hohes Pressing und Marcelo Diaz! Wäre das nicht was für euch?

Würde mich freuen.

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AlexF 28. August 2014 um 11:07

Sehr interessant.

Ein kleiner Hinweis, es wäre für die Übersicht besser, die Zwischenüberschriften größer zu machen.

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