RB Leipzig – VfR Aalen 0:0
Die erste Zweitligapartie des aktuell meist diskutierten deutschen Profiklubs endete torlos. RB Leipzig zeigte dabei gute Ansätze im Pressing und dominierte vor allem in der ersten Halbzeit. Aber der Mannschaft von Trainer Alexander Zorniger mangelt es noch an Alternativplänen und Kreativität im Sechserraum.
Ausgangslage
Bei den Leipzigern lief weitestgehend das Team auf, das auch im letzten Jahr den Aufstieg aus der 3. Liga bewerkstelligte. Lediglich Rani Khedira stand als Neuzugang auf dem Feld. Verletzungsbedingt musste Zorniger auf Verteidiger Fabian Franke sowie Torhüter Fabio Coltorti und Neuzugang Terrence Boyd verzichten. Joshua Kimmich kehrte erst kurzfristig von der erfolgreichen U19-WM zurück und stand nicht im Kader.
Damit stellte man im Mittelfeldzentrum etwas um. Khedira agierte als zentraler Sechser. Die linke Halbposition besetzte Denis Thomalla, der eigentlich einst als hoffnungsvoller Angreifer galt und mittlerweile eher im Mittelfeld zuhause ist. Zorniger blieb beim 4-3-1-2 als Grundformation, wenngleich sich in der Vorbereitung auch andere Konstellationen andeuteten.
Bei den Aalenern baute Trainer Stephan Ruthenbeck zwei neue Außenverteidiger, Arne Feick und Phil Ofosu-Ayeh, ein. Vor allem in der Viererkette hatte der VfR einige Abgänge zu verzeichnen. Der 42-jährige Chefcoach setzte in diesem Auftaktspiel in Leipzig auf eine Mischung aus 4-3-3-0 und 4-2-1-3-0. In jedem Fall fehlte ein wirklicher Neuner. Robert Lechleiter befindet sich aktuell in der Reha nach einem Kreuzbandriss und folglich ergab sich bei den Gästen eine sehr fluide Offensivmischung.
RBs Pressingstruktur
Zunächst war der VfR Aalen aber vor allem in der Defensive eingeschnürt. Leipzig presste mit einem hohen Dreierblock. Dominik Kaiser schob zwischen die beiden Stürmer, die wiederum breiter standen und zumeist die beiden Innenverteidiger anliefen sowie die beiden Außenverteidiger zumindest partiell in den Deckungsschatten stellten. Zugleich rückten die zwei Leipziger Flügelspieler weit auf, wodurch eine Art 2-1-4-3 entstand. Kaiser besetzte den gegnerischen Sechserraum und kappte damit situativ die Verbindung zu Jürgen Mössmer, der eigentlich wichtig für den Spielaufbau Aalens ist.
Eine zweite Pressingvariante bestand darin, dass sich der vordere Dreierblock eher zunächst leicht fallen ließ. Beide Angreifer, Daniel Frahn und Yussuf Poulsen, standen wiederum breit. Der erste Pass auf Mössmer oder auch Andreas Hofmann wurde erlaubt. Danach pressten Kaiser und seine Hintermänner im Mittelfeld sofort auf den ballführenden Sechser.
Diese ganze Struktur funktionierte insofern, dass die Gäste nur sehr schwer geordnet aus der eigenen Hälfte herauskamen und eigentlich nicht effektiv aufbauen konnten. Natürlich leistete sich auch RB kleinere Verschnaufpause in der ersten Halbzeit. Aber der Druck im Pressing nahm bis zur 40. Minute nicht wirklich ab.
Mangelnde Kreativität im Zentrum
Die Leipziger hatten im Gegenzug Probleme, wenn sie aufbauen mussten. Aalen lief selten intensiv an. Dafür positionierte sich ein Vier-Mann-Band gegen die Leipziger Innenverteidiger. Leandro Grech schob aus dem Mittelfeld neben den situativen zentraloffensiven Spieler. Das Mittel war recht simpel, aber Tim Sebastian und Niklas Hoheneder wurden gut vom Mittelfeld abgeschnitten. Da Rani Khedira nicht wirklich präsent war und folglich eine wichtige Anspielstation im Zentrum verloren ging, wirkten die beiden Innenverteidiger ein Stück weit hilflos. Teilweise kippte Diego Demme dann nach hinten, aber auch nach der Drehung hatte er zunächst Probleme eine Passoption zu finden.
Befanden sich die beiden Außenverteidiger von RB näher an der IV-Linie, konnten sie vor dem Block der Gäste den Ball aufnehmen, standen aber vor demselben Dilemma wie Demme, Hoheneder oder Sebastian in anderen Situationen. Insgesamt war auffällig, dass Leipzig einmal mehr eine Art engen Schlauch in Richtung offensives Drittel formierte. Auch die Halbspieler kippten nicht konstant heraus, wodurch es für die Außenverteidiger in Ballbesitz schwierig war, einen einfachen Doppelpass oder ähnliches zu spielen, vor allem wenn sie das Spielgerät in tiefer Position erhielten. Durchschlagskraft erzeugten beide, Anthony Jung und Georg Teigl, am ehesten, wenn sie erst spät an den Ball kamen und kleinteilige Dribblings versuchten oder einen Angreifer als Passstation zum Anpeilen hatten.
Aalens Offensivfluidität
Die Gäste kamen ihrerseits nur zu einer wirklich gefährlichen Chance in der ersten Halbzeit. Kurz vor dem Pausenpfiff war Dominick Drexler im Rücken der Leipziger und wurde über die linke Seite geschickt. Im Laufduell mit Sebastian ließ er den Verteidiger mit einem Haken aussteigen und legte auf Michael Klauß ab. Dessen Kopfball klatschte nur an den Pfosten.
Auch nach einer Stunde verzeichneten die Ostwürttemberger lediglich zwei Torschüsse. Trainer Ruthenbeck bemerkte bereits vor dem Start der Saison, dass es ihnen an einem „richtigen“ Angreifer mangelt. Deshalb müsse man improvisieren, was der 42-Jährige auch mit dieser sehr fluiden Offensivreihe versuchte. Während Drexler etwas konstanter auf der Außenbahn blieb, wechselten sich hauptsächlich Klauß und Manuel Junglas ab. Leandro Grech agierte derweil in einer halblinken Freirolle, schob besonders im Pressing weit nach vorn und war im Umschaltspiel zeitweise im Schatten des zentralen Offensivakteurs.
Interessanterweise ließ sich Junglas besonders in der zweiten Halbzeit teilweise weiter zurückfallen. Aalen stand dann in einem 4-1-1-4. Klaus und Leandro Grech blieben zentral, Hofmann driftete seinerseits nach rechts, um Jung abzudecken.
Zweite Halbzeit: Intensitätsschwankungen
Bei der Hitze in der Red Bull Arena ließ die Intensität nach dem Kabinengang nicht überraschend nach. Nachdem die Gäste zum Schluss der ersten 45 Minuten mehr Druck ausübten und dies vor allem über die Höhe der Außenverteidiger regelten, hatte Leipzig nach dem Wiederanpfiff zunächst nicht den gewohnten Zugriff. Insgesamt wurde die Partie offener.
Bei RB machten sich die Mängel in der Spielgestaltung weiter bemerkbar. Die Innenverteidiger verzichteten weitestgehend auf lange Schläge, Khedira tauchte ab und Thomalla sowie Demme sind für den Aufbau nicht die optimalen Spieler. Mössmer war meist Zehner Kaiser auf den Fersen, der ansonsten, wenn er einmal etwas Raum gefunden hatte, zu überhastet wirkte. So ergab sich am Ende von Angriffen häufig eine Isolationssituation für Frahn und vor allem Poulsen.
Das dänische Toptalent versuchte sich an zahlreichen Einzelaktionen, bleib aber meist hängen. Während Poulsen vor allem seinen Körper vor den Verteidiger bringen wollte, um sich sofort in eine aussichtsreiche Position drehen zu können, war Frahn hauptsächlich der Prallstürmer mit dem Rücken zum Tor.
Zorniger nahm im zweiten Durchgang keine nennenswerten Anpassungen vor, sondern wechselte jeweils nur positionsgetreu. Mit Clemens Fandrich für Thomalla kam noch ein technisch versierterer Akteur im Mittelfeld. Allerdings konnte auch Fandrich keine größeren Impulse setzen. Selbiges galt dann für Prevljak und Palacios Martínez. Auch einige Versuche nach Standards brachten nichts Zählbares ein.
Fazit
Ähnliche Mannschaft, ähnliche Ansätze: RB Leipzig bleibt der Linie aus der letzten Drittligasaison treu. Allerdings halfen damals noch in schwierigen Partien die eigene Individualität sowie verwertbare Fehler des Gegners. Aalen hielt sich aber schadlos, wenngleich beispielsweise Poulsen in der ersten Halbzeit klare Chancen vergab. Die Strukturen im Pressing erschienen bei den Leipzigern vielversprechend. Allerdings konstatierte Zorniger nach dem Spiel, dass er im Pressing noch genügend Entwicklungspotenzial sieht. Weitere Transfers werden die Qualität des Kaders allem Anschein nach noch erhöhen.
Der VfR Aalen kann mit dem Punktgewinn zufrieden sein. Ruthenbecks Mannschaft wird in dieser Saison aber noch Probleme bekommen, sofern man den Mangel an Durchschlagskraft nicht beseitigt. Die sehr freie Offensivgestaltung hat sicherlich seine Vorteile und ist als Alternative zum klassischen Mittelstürmersystem brauchbar. Aber an sich mangelte es im gegnerischen Strafraum an konstanter Gefahr, die Grundpositionierung war bei der Partie in Leipzig auffällig tief. In diesem Fall müssen die einzelnen Nadelstiche in Form von Kontern zumindest sitzen.
17 Kommentare Alle anzeigen
ES 5. August 2014 um 07:24
Leider bin ich mit meinen Fragen unten zuerst bei dem falschen Artikel gelandet. Deshalb gebe ich meine Frage, die Antwort von RM und meine Ergänzungsfrage hier an richtiger Stelle noch einmal wieder. Entschuldigung für jedwede Konfusion.
Meine Frage:
„Ganz blöde Frage: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem 4-3-1-2 mit einem alleinigen Sechser (so wie im ersten Diagramm bei RB) und einem 4-4-2 mit Raute?“
RM: „4-4-2-Raute kann ein 4-3-1-2 sein, ein 4-3-1-2 kann 4-3-3-Raute oder 4-4-2-Raute sein. Wobei 4-4-2-Raute eh unnütz ist; “Raute” zu sagen reicht“
Meine Zusatzfrage:
„Vielen Dank. Auch wenn ich hier weiter mit Anfängerfragen komme: Gibt es einen Unterschied zwischen der 4-3-3-Raute und der (4-4-2)-Raute? Wäre es nicht grundsätzlich korrekter von einem 4-1-2-1-2 zu sprechen? Und: Ist das 4-3-1-2 von RB Leipzig so wie im ersten Diagramm des Artikels dann eine Raute oder etwas anderes?“
Koom 5. August 2014 um 10:28
Die Zahlenkombinationen sind eh müssig, bzw. werden sie immer schwieriger, sie anzuwenden. Du zeigst das ja schon ganz gut auf.
Ein 4-1-2-1-2 würde ich übrigens sehr viel zentrumslastiger sehen als ein 4-3-1-2 oder 4-4-2 mit Raute. Dadurch, dass man Spieler zumindest nominell immer mal in einer Reihe nennt, bilden sie auch eher einen linienartigen Verbund. Bei einem 4-1-2-1-2 wären vor dem DM zwei zentrale Spieler vor im positioniert, vor diesem wiederum ein rein offensiver Spieler.
„Gibt es einen Unterschied zwischen der 4-3-3-Raute und der (4-4-2)-Raute? “
Ich denke schon. Bei der 4-4-2-Raute sind die beiden Stürmer ziemlich zentral anzusiedeln. Bei einer 4-3-3-Raute ist die vorderste Position der Raute quasi der Mittelstürmer, wodurch die verbliebenen 2 Offensiven dann eher weniger zentral, mehr in den Halbräumen agieren.
Aber wie gesagt: Diese Zahlenspielereien sind sehr müssig und helfen eigentlich nur als einfacher Beginn für eine Erklärung der Spielweise einer Mannschaft. Die Interpretation der jeweiligen Rolle ist wichtiger. Als Beispiel kann man ja das 4-3-3 der N11 hernehmen und dazu das klassische 4-3-3 der Niederländer. Die deutsche WM-Variante war defensivlastig, ballbesitzorientiert und zentrumsfokussiert, an sich ohne echten Stürmer. Das klassische 4-3-3 Hollands agierte sehr stark über die Flügel mit echten Aussenspielern wie Overmars, die mittlere 3 diente mehr zur Absicherung.
RM 5. August 2014 um 13:35
a) Wie viele Teams in der Geschichte des Weltfußballs hatten eine konstante 4-1-2-1-2-Staffelung? 4-3-1-2/4-3-3, 4-3-1-2, 4-1-3-2, gab es schon öfter, aber 4-1-2-1-2? Nur als Grundformation in der Rollenverteilung, als konstante Positionierung imho nicht. Viele 4-3-1-2-Staffelungen haben ja eh eine 4-1-2-1-2-Rollenverteilung. Für mich ist eine Raute ein 4-3-1-2 in dieser Rollenverteilung, kann aber ein 4-4-2 oder ein 4-3-3 sein. Ein 4-1-3-2 ist für mich eigentlich keine Raute.
b) Ja, die Rollenverteilung unterscheidet sich, wie Koom schon schreibt kann sich das auch formativ auswirken, meist richte ich mich in der Betrachtung aber eher an den Aufgaben, welche die Spieler haben.
Koom 5. August 2014 um 14:53
a) Wohl ne rhetorische Frage. Sehe es wie du. Als „Grundformation“ taugt das von der Übersetzung her nicht – das wäre ja fast eine Vertikal“kette“ auf dem Platz.
b) Mehr denn je wird die Grundformation in der Erklärung einer Spielweise weniger relevant. Wenn mans richtig machen will, dient es als Start einer Analyse wie im Märchen „Es war einmal eine Hexe…“. Sagt der Analytiker nämlich: „XY begann mit einer 4-3-1-2-Grundformation…“ kann sich darunter fast jeder was vorstellen. Davon ausgehend kommen dann die Erläuterungen, wie bestimmte Positionen interpretiert wurden. Da jeder Spieler seine Eigenarten hat, verändert er auch seine taktische Position und man sucht nach Begrifflichkeiten, um es namensneutral erläutern zu können. Wohl auch dadurch kam die „falsche 9“ zustande, weil nicht jeder „Messistürmer“ schreiben wollte. 😉
Finde eure Begriffe, die ihr in der Regel wählt oder manchmal auch erfindet, meist sehr schlüssig und griffig. Wenn man bei der Entstehung dabei ist, fällt einem das Verstehen aber wohl auch einfacher.
CE 5. August 2014 um 15:31
Du sprichst einen guten Punkt an: Oftmals finde ich es einfach als Start ganz in Ordnung, wenn man mit einer groben Beschreibung der Grundformation beginnt. Irgendwie müssen wir auch den Einstieg finden und schlussendlich hat dann jeder, auch derjenige, der das Spiel nicht gesehen hat, eine ungefähre Vorstellung von den Teams.
Peda 5. August 2014 um 10:49
Ich hoffe, dass sich noch Autor dazu meldet, ich gebe aber trotzdem meinen Senf dazu:
Der Unterschied der beiden Rautenformationen liegt meiner Meinung nach in den Rollen der Offensivreihe:
08/15-Raute: Zehner hinter einer Doppelspitze
4-3-3-Raute: falsche Neun hinter/zwischen (Flügel-)Stürmern
Zu deiner Zusatzfrage:
Ich halte es einerseits für falsch 4-3-1-2 und Raute synonym zu verwenden, weil der Begriff Raute eine 1-2-1-Stellung und eine Verbindung aller vier Mittelfeldspieler beschreibt, die sich im 4-3-1-2 so nicht finden.
Andererseits denke ich, dass der Interpretationsspielraum bei den Formationsformeln (noch) zu groß ist, als dass man ernsthaft über solche Kleinigkeiten diskutieren sollte – siehe beispielsweise auch die Dunga-Raute.
PS: wäre so ein kleines Glossar „was muss für welche Formation gegeben sein?“ nicht lässig?
Beispielsweise: Abwehrkette wird bei allen Angriffsrichtungen aus den selben Spielern gebildet.
Ja? -> Wie viele? Dreier-, Vierer-, Fünferkette
Nein? -> Rückt ein Spieler situativ aus der Kette?
Ja? -> Nur bei Flügelangriffen, ballnah? Pendelnde Viererkette
…
CE 5. August 2014 um 15:40
Die Bezeichnung einer richtigen Raute ist sicherlich schwierig. Ich habe den Begriff im Text extra weggelassen, weil ich bei RBL eher eine klare Dreierreihe und einen vorgezogenen Zehner erkennen konnte. Ob dies so von Zorniger gewollt war, steht auf einem anderen Blatt Papier. Bei der Rolle Kaisers war es aber hundertprozentig der Fall. Eine klare Raute könnte ich mir bei RBL zum Beispiel mit Fandrich und Hierländer oder Kalmár auf den Halbpositionen (mit Kimmich als 6, yeah) vorstellen, wobei ich nicht weiß, ob der Ungar eher als Kaiser-Backup eingeplant ist. Demme sehe ich als „flachen“ Halbspieler.
ES 5. August 2014 um 19:52
@CE, Koom, RM, Peda: Vielen Dank für Eure sehr verständlichen Antworten.
Backville 3. August 2014 um 21:09
Ich bin mir relativ sicher das Kimmich in dieser Saison die entscheidende Figur im Spielaufbau und der Spielgestaltung sein wir, gegen PSG und vorallem bei der u-19 EM hat er mir extrem gut gefallen, extrem Ballsicher sowieso aber auch in der Entscheidungsfindung
CE 3. August 2014 um 21:39
Ich kann so viel sagen: Auch in der SV-Redaktion gibt es einige Anhänger von Kimmich.
SF96 3. August 2014 um 19:03
Sehr gute und v.a. sachliche Analyse!
Ich hoffe, dass es in der nächsten Zeit weiterhin Texte zu Spielen RB’s geben wird.
NR 3. August 2014 um 15:07
Vielleicht hätte man etwas mehr die Pressingvarianten und das Spiel gegen den Ball von RB analysieren sollen, bzw den Fokus darauf legen. Der Zorniger hat unlängst in einem Interview gesagt, dass das Spiel von RB Leipzig nicht das mit dem Ball ist, sondern das ohne. Sicher gibt es schon länger Teams (wie Dortmund), deren besondere Stärke im kontern liegt und nicht im kreativen Spielaufbau. Aber das einer sinnesgemäß sagt, wir spielen generell lieber ohne Ball, ist mir, auf Profiniveau zumindest neu, (oder ich habe einen Trend verpasst).
Quelle: http://www.spox.com/de/sport/fussball/zweiteliga/1407/Artikel/alexander-zorniger-interview-rb-leipzig-trainer-red-bull-borussia-dortmund-social-media-abneigung-pressing.html
vanGaalsNase 3. August 2014 um 20:47
Mir sind solche Aussagen wie die von Zorniger zuwider. Rangnick denkt ja genauso. Dieser extreme Fokus auf das Vertikalspiel führt häufig zu schlechten Entscheidungen. Da geht es dann nur darum, schnellstmöglich zum Abschluss zu kommen. Die Qualität der Chancen tritt dabei zurück.
Rangnick hat 2013 auf einem Trainerkongress ein paar Statistiken angeführt (ähnlich wie es Zorniger im Interview tut). Dort zeigte er auf, dass Hoffenheim im Jahre 2008 (also als er dort Trainer war) 50% seiner 70 Tore nach Balleroberungen im vorderen Drittel erzielt hat. 58% aller Hoffenheim-Tore fielen in dieser Zeit nach Balleroberungen. Diese Werte verglich er u.a. mit Barca (welches 22,5% seiner Tore nach Kontern schoss) und leitete daraus ab, dass das aggressive Pressing mit anschließendem schnellem Umschalten gegenüber ballbesitzorientierten Stilen besonders ertragreich ist.
Allerdings sind seine Rückschlüsse unter Zuhilfenahme von Barca kaum zur Unterstützung seiner These geeignet. Denn Barca hat im selben Zeitraum 96 Tore geschossen. Wenn sie aber nur 22,5% ihrer Treffer nach Kontern machen, haben sie – ausgehend von der Standardschwäche der Katalanen – wohl sehr viele nach ausgiebigen Ballzirkulationen aus ihrem Positionsspiel heraus erzielt. Nun stelle ich nicht in Frage, dass das schnelle Umschalten sinnvoll ist und viel Gefahr erzeugen kann. Aber seinen eigenen Spielstil mit falschen Statistikinterpretationen begründen zu wollen, ist etwas sonderbar.
Dass Statistiken bei einem hohen Pressing mit intensivem Vertikalspiel derartige Zahlen aufweisen, ist nur folgerichtig. Das lässt aber keinen Rückschluss auf die grundsätzliche Qualität dieser Strategie zu. Das ignoriert Rangnick gern.
Auffällig ist bei solchen Trainern (zumindest ist mein subjektiver Eindruck bislang so), dass ihre Teams sehr schlecht aussehen, wenn sie längere Ballbesitzphasen haben. Zu behaupten, 80% des Trainings sollten aus dem Spiel gegen den Ball bestehen (so die Ansicht von Rangnick) halte ich demnach für falsch. Sollten derartige Aussagen zum Vorbild für andere Trainer werden, ist das für die taktische Entwicklung nicht ungefährlich. Ich erinnere da gern an Charles Reep.
Ich befürworte es ja, wenn jemand einen eigenen Stil hat und den auch konsequent durchzieht. Es wird für mich aber dann problematisch, wenn er basierend auf falschen Annahmen und der Ignoranz von logischen Schwächen überhöht wird. Kein Stil ist perfekt.
hier der besagte Vortrag: https://www.youtube.com/watch?v=VHGgzCNkz24
NR 4. August 2014 um 12:37
Ich halte es auch für sehr gewagt sein Spiel beim Fussball mit Statistiken zu begründen (im Baseball mag das ja teilweise funktionieren 😉 ). Ich habe Zornigers Aussage aber eher als Beispiel, nicht als Begründung aufgefasst. Man kann auch ohne statistische Rückendeckung ein Spiel aufziehen, welches konsequent gegen den Ball gerichtet ist (schön oder nicht sei da mal dahin gestellt). In der Tat scheint mir das auch ein beliebtes Mittel bei schwächeren Teams zu sein, dem Gegner den Ball zu geben und diesen dann aggressiv anzulaufen. Meiner Meinung nach hat Costa Rica das bei der WM sehr erfolgreich umgesetzt und so zB Italien den Zahn gezogen (denn Glück war das nicht).
Aber so eine Aussage („Unser Spiel ist das ohne Ball“) von einem Trainer, der einen Club trainiert, der Bald Championsleague spielen will, ist doch sehr ungewöhnlich und da frage ich mich schon, ob sich da vielleicht ein neuer Trend abzeichnet.
Statistiken jetzt mal außenvor gelassen 🙂
Koom 4. August 2014 um 13:24
Das Spiel ohne den Ball kann auf jeden Fall zu relativ viel Erfolg führen, insbesondere, wenn man meistens individuell etwas überlegen ist (und ich gehe davon aus, das RB Leipzig in der 2. Liga in den Top 5 anzusiedeln ist). Rein von der Psychologie: Als Gegner spielst du gegen ein Team, das Defensive als oberste Qualität hat, direkt dahinter Umschaltspiel. Entweder spielst du dann deinen Stiefel runter und wirst womöglich wegen der höheren individuellen Qualität abgeschossen oder du mauerst dich hinten ein und sorgst dafür, dass der Gegner dadurch zumindest nicht verliert (und ein Tor nach Standardsituation ist für den individuell stärkeren Gegner auch wieder wahrscheinlich).
Als Plan und Weg um nach oben zu kommen (Vorraussetzung: Individuelle Qualität gleich oder höher), ist das sehr gut. Hat Klopp in Dortmund ähnlich gemacht und in den ersten 2-3 Jahren dort auch als alleinige Marschroute durchgezogen. Du schaffst dadurch eine Basis, auf die du auch im Notfall zurückgreifen kannst und kannst dann auch darauf aufbauen.
Langfristig musst du dich natürlich weiterentwickeln. Aber nach RB Leipzigs Plan wird man in den nächsten 3-4 Jahren permanent in einer neuen Situation sein (Aufstiegskampf, Abstiegskampf, Etablierung), da ist „Abwehr“ als erste Tugend eine exzellente Basis.
Kurz gesagt: Die aktuelle Aussage gilt für heute/diese Saison. Für nächste Saison kann das anders ausschauen.
Fat spanish waiter 5. August 2014 um 09:50
Zorniger hat schon zu Beginn seiner Trainerkarriere ein Faible für das Spiel gegen den Ball entwickelt, da kannten er und Rangnick sich wahrscheinlich noch gar nicht. Bei seiner ersten Trainerstation Normannia Gmünd gelang es ihm regelmässig individuell viel stärker besetzte Teams wie Ulm, Sandhausen, Reutlingen oder Heidenheim zu ärgern und auch zu besiegen. Gegen schwächere Teams, die nicht selbst das Spiel machen wollten waren die Heimspiele der Normannia aber ein grausiges Gekicke. Als „Höhepunkt“ dieser Spielphilosophie ist mir ein Heimspiel gegen Waldhof M. in Erinnerung, Gmünd geht nach einer Stunde 1:0 in Führung, Waldhof kassiert kurz danach 2 Platzverweise. Diese Spielsituation löste bei den Gmündern komplette Ratlosigkeit aus, nach ca.10 min entschieden sie sich dann trotz Überzahl doch besser Waldhof den Ball zu überlassen und retteten das 1:0 irgendwie über die Zeit.
Ich habe in dieser Zeit einige Spiele dort gesehen, es kam mir so vor, als ob Zorniger nur das Spiel gegen den Ball trainieren ließ. Die Hilflosigkeit bei eigenem Ballbesitz war schon erschreckend.
Fairerweise muss man aber konstatieren, dass Zorniger unter dem Strich dort sehr erfolgreich gearbeitet hat, meist einen guten Mittelfeldplatz erreichte und den Verbandspokal gewinnen konnte. Bei einem Verein mit bescheidenen finanziellen Möglichkeiten.
Die waren bei seiner nächsten Station in Grossaspach dann schon besser und nach einer durchwachsenen ersten Saison mit einem nicht von ihm zusammengestellten Kader konnte er dort dann im 2.ten Jahr dann Platz 2 in der Regionalliga erreichen. Erfolgsrezept: s.o, hohe Verteidigung, hohe Ballgewinne, schneller Torabschluss. Aber auch in dieser Saison viele unnötige Punktverluste gegen kleine, eher passive Teams. Dort hat ihn Rangnick dann wohl „entdeckt“ und in Leipzig haben sie jetzt ganz andere Möglichkeiten um sich die passenden Spieler für diese Spielweise zusammenzusuchen.
Über die ein oder andere Spielanalyse hier würde ich mich daher freuen.
MFR 3. August 2014 um 12:13
Gute Analyse. Schön, dass ihr auch die 2.Liga (und RB Leipzig auf eine seriöse, sachliche Art) vermehrt im Fokus habt. Durch die Ausführungen sind mir einige Dinge bewusst geworden, die mir im Spiel gar nicht aufgefallen sind.
Im Spiel gegen den Ball war RB nach meiner Wahrnehmung schon richtig gut, zumindest so lange die Kräfte noch vorhanden waren. Die wenigen Bälle, die durchkamen, wurden souverän verteidigt (wobei die quasi nicht vorhandenen Stürmer von Aalen einfach zu wenig Durchschlagskraft erzeugten).
Der Spielaufbau von RB hakt doch noch ziemlich. Zu viel Fokus (lange Bälle) auf Poulsen und dessen Einzelaktionen. Wenn man kontrolliert im letzten Drittel war, gab es zu wenig Breite. Da gab es nach meinem Geschmack zu wenig Aktionen, um die Defensivreihe von Aalen auseinander zu ziehen. Da hätten man (Außenverteidiger?) für konstant mehr Breite sorgen können. Wobei das wohl zu Lasten der Absicherung eigener Angriffe gehen würde!?
Kaiser auf der 6 wäre für mich passender, um kontrolliert zentral aus dem letzten Drittel zu kommen. Vielleicht kann das auch Khedira (kenne ich zu wenig, wie war er beim VfB?), in dem Spiel war er irgendwie zu statisch.
Mal sehen, was sich Zorniger im Spielaufbau noch einfallen lässt. Vielleicht bringen Kimmich, Kalmar (und Rebic als Anspielstation, falls er denn kommt) bessere Impulse?