Frankreich – Ecuador 0:0
In einer trägen und weder taktisch noch spielerisch allzu sehenswerten Partie konnte Ecuador mit viel Glück und einem Fokus auf Defensivkompaktheit ein 0:0 gegen inkonsequente Franzosen holen. Diese zeigten einmal mehr ihr bisher sehr erfolgreiches System, auch wenn sie es mit anderen Spielern füllten; u.a. einem überraschenden Rechtsaußen.
Frankreichs tororientiertes 4-1-4-1
Die Franzosen stellten auf einigen Positionen für dieses letzte Gruppenspiel um. Anstatt Mathieu Valbuena agierte zum Beispiel Moussa Sissoko als Flügelstürmer und kam über die rechte Außenbahn; und diese Aufstellung zeigte eigentlich schon den gesamten Matchplan in dieser für die Equipe Tricolore letztlich irrelevanten Partie. Sissoko, Pogba, Griezmann und Matuidi spielten hinter und neben Benzema überaus torausgerichtet, bewegten sich von ihren nominellen Positionen immer wieder mit schnellen Läufen in den Strafraum und versuchten sich dort dynamisch für Anspiele oder Durchbrüche zu positionieren.
Benzema war jener Spieler, der den umgekehrten Weg machte; er pendelte auf die Flügel oder fiel zurück, diente als Ablage- und Kombinationsspieler oder spielte direkt Pässe auf die ihn überlaufenden Akteure. Sissoko auf rechts spielte hierbei in den tieferen Zonen etwas einrückender als sein Gegenüber Griezmann, der zwischen einer breiten Rolle und einer stark eingerückten Position variierte. Die Breite wurde von den beiden Außenverteidigern gegeben, welche einige Male sehr gut freigelaufen werden konnten, aber letztlich auf den Flügel zu häufig isoliert waren, um mehr als nur einfache Hereingaben in die Mitte bringen zu können.
Grundsätzlich war Frankreich aber auffällig simpel; sie ließen den Ball in den tiefen Zonen im ersten und zweiten Spielfelddrittel gut um die ecuadorianische Formation zirkulieren, hatten phasenweise sogar über 70% Ballbesitz in der ersten Halbzeit, kamen dann mit raumgreifenden Pässen der Verteidiger in die Halbräume, brachen mit ihren tororientierten Offensivspielern mittig durch oder beschränkten sich auf ein schnelles Flügelspiel. Ihr 4-1-4-1 als 4-1-3-2 in der Rollenverteilung war hier relativ stabil und konnte Ecuadors Pressing auch gut umspielen, doch ein gewisser Mangel an Intensität und der richtigen Diagonalität beim Bespielen der Mitte von den seitlichen Zonen aus bedeutete nur wenige größere Chancen und einen etwas trägen Rhythmus. Dieser lag aber auch an dem Gegner aus Südamerika.
E wie Ecuador, E wie einfach, E wie eher schlechte Umsetzung
Vor dem Spiel dachte ich, Ecuador möchte das Spiel gegen die in der Praxis schon fix qualfizierten Franzosen gewinnen, um sicher ins Achtelfinale einzuziehen. Nach Anpfiff war ich mir diesbezüglich nicht mehr ganz so sicher. Ecuador spielte etwas zwischen 4-2-3-1, 4-4-1-1 und 4-4-2 in der Rollenverteilung; gegen den Ball formierten sie sich aber weitestgehend in einem klaren 4-4-1-1 mit vielen losen Mannorientierungen. Einzig die Mannorientierung des hängenden Stürmers im 4-4-1-1 auf Frankreichs Sechser Morgan Schneiderlin war wirklich konstant vorhanden, hatte aber nicht den nötigen und erwünschten Effekt. Die Ursache dafür war (neben dem Spielermaterial der Franzosen) die grundlegende Umsetzung strategischer Aspekte auf Seiten Ecuadors.
Kompaktheit? Die war eigentlich nur zwischen den ersten beiden Linien ausreichend vorhanden, wenn sich Ecuador komplett ins erste Spielfelddrittel zurückzog. Sobald sie etwas höher pressten, waren weite Räume im Mittelfeld offen, welche auch ihre eigentlich interessante 4-4-1-1-Ausrichtung komplett zunichte machten. Rein formativ gesehen spiegelten sie damit eigentlich die gegnerische Ausrichtung; die Flügelstürmer kümmerten sich um die Außenverteidiger des Gegners, die Außenverteidiger konnten die Flügelstürmer übernehmen, der hängende Stürmer ging auf den Sechser und die eigenen Sechser waren für die beiden Achter Frankreichs verantwortlich.
Wegen der mangelnden Kompaktheit gab es aber immer wieder offene Räume, in welche sich Frankreichs Spieler freilaufen und anspielbereit machen konnten. Sie erhielten dann Bälle, nutzten die brachliegenden Räume zur Ballverarbeitung, Drehung und zur weiteren Kombination, wodurch Ecuador kaum Druck und Zugriff erzeugen konnte.
Dazu kamen zwei weitere Probleme: Zwei Innenverteidiger kümmerten sich um einen Stürmer, ein Stürmer sollte sich um zwei Innenverteidigern kümmern. Das ist an sich keineswegs wirklich problematisch, nur leider können Frankreichs Innenverteidiger nicht nur mit Ball am Fuß intelligent aufrücken, sondern sehr weiträumige, aber gleichzeitig erfolgsstabile Pässe spielen. Und vorne hat Frankreich Benzema, der gegen solche Gegner und deren Defensivverhalten auflebt; er war wohl einmal mehr der beste Spieler auf dem Platz. Somit hatte Ecuadors 4-4-1-1-Pressing nur den Effekt, dass Frankreichs Pässe im Aufbauspiel etwas länger und leicht auf die Seiten geleitet waren. Ansonsten gab es kaum einen Unterschied – Frankreich spielte gut nach vorne, wurde durch die sich weit zurückziehenden Ecuadorianer in der Endphase ihrer Angriffe etwas entschleunigt und trägte, Ecuador hatte einzelne Konterversuche, die aber meistens scheiterten.
Dieser Rhythmus blieb eigentlich über das gesamte Spiel erhalten beziehungsweise „verschlimmerte“ sich nach der Halbzeit noch.
Frankreich dominiert ohne es zu wollen – oder: No Valencia, no run
ManUtd-Star Antonio Valencia erhielt in der 50. Minute die rote Karte und die ohnehin schon durch ihre eigene Unfähigkeit geschwächten Ecuadorianer dezimierten sich somit weiter. Sie stellten auf ein 4-4(-0)-1 um, wodurch Frankreichs Sechser jetzt mehr Platz hatte, was den Franzosen eine durchgehend freie zentrale Anspielstation und Ausweichräume unter Druck nach hinten ermöglichte. Waren die Franzosen vorher schon anstrengungslos dominant gewesen, so blieb es einfach dabei, nur stand Ecuador eben noch passiver und tiefer als zuvor.
Gleichzeitig gab es noch weniger Angriffsabschlüsse von ecuadorianischer Seite. Schon häufig haben wir auf Spielverlagerung darüber gesprochen, dass bspw. in einem 4-5-1 das offensive Umschaltspiel oftmals unter der mangelnden dynamischen Unterstützung nach vertikalen Anspielen leidet und gut isoliert werden kann. Bei einem 4-4-1 ist dieser Effekt natürlich noch ungleich stärker vorhanden. Teilweise tankten sich einzelne Ecuadorianer sogar durch und kamen noch vorne, doch es fehlte die Unterstützung, welche zuvor der vom Platz verwiesene Valencia mit seinen einrückenden, streckenden und schnellen Läufen zumindest zu geben versuchte.
Frankreich stellte später auf eine noch etwas potenziell durchschlagskräftigere Ausrichtung um, indem sie Giroud als Mittelstürmer einwechselten, Benzema nach links und Matuidi auf die Bank wechselte; ansonsten blieb von den Formationen und dem generellen Spielrhythmus eigentlich alles beim Alten. Erst in der Schlussphase entschied sich Ecuador dann doch zu gewinnen, stellte auf ein 3-5-1 um und hätte beinahe noch das Siegtor erzielt.
Fazit
Zu diesem Spiel hätte man noch einiges schreiben können: Frankreichs 4-1-4-1 im Pressing mit ihrem leitendem und herausrückendem Element war ebenso interessant wie die sehr tiefen und zurückhaltenden Außenverteidiger in der ersten Aufbauspielphase Ecuadors. Wirklich relevant oder spielerisch sehenswert war nichts davon; bei Ecuador war die mangelnde Dynamik und Konsequenz im Auffächern sogar kritisch zu bewerten. Ansonsten blieben nur zwei Sachen aus diesem Spiel übrig: Frankreich hat mit Benzema einen herausragenden Stürmer und Ecuador ist wohl zu Recht ausgeschieden.
7 Kommentare Alle anzeigen
FAB 27. Juni 2014 um 12:23
Schade das man Frankreich vor dem erhofften Viertelfinale gegen Deutschland nicht gegen einen starken Gegner sehen kann.
Ich habe bisher nur das Schweiz Spiel gesehen, das war aber gleich entschieden und deshalb kein Maßstab. Honduras war zu schwach, für das Ekuador Spiel schon alles entschieden. Nigeria wird auch kein besonders herausforderndes Spiel werden (meiner Meinung nach der schwächste Achtelfinalist).
Schade, man wird Frankreich erst nach einem theoretischen Viertelfinale gegen Deutschland einschätzen können.
mh 26. Juni 2014 um 12:49
Was Frankreich bisher sehr gut macht: Rhythmuswechsel zwischen ruhigen Kombinationen (bis zweites Drittel) und schnellen Vertikalpässen (meist erst relativ weit vorne). Zudem stehen sie hinten gut, auch wegen der Zentrumskontrolle (einrückende Aussenstürmer mit starkem Pressing, intelligente Mittelfeldspieler). Auch wenn Benzema nicht Müller ist, aber von der Spielanlage her scheinen sie von allen Top-Teams der deutschen Mannschaft am ähnlichsten…
tomci 27. Juni 2014 um 12:44
Genau! Nur haben sie richtige Außenverteidiger und mit Giroud einen ausdauernderen, noch jugendlichen Klose in ihren Reihen. Unsere Klasse übewiegt da wenn ichs richtig sehe eigentlich nur auf der 10er-Position so wirklich.
Grabbe 26. Juni 2014 um 12:00
Ich weiß nicht, wie es anderen damit geht, aber ich habe den Eindruck, dass die dritten Gruppenspiele teilweise krass an Qualität und vor allem Intensität abgenommen haben, und das nicht nur bei Spielen bei denen es ‚um nichts mehr geht‘. Italien-Uruguay oder Griechenland-Elfenbeinküste wären da zu nennen, hier dasselbe für Ecuador.
Werde mal nachschauen, ob sich der Eindruck in der Laufleistung widerspiegelt, und die Wetterverhältnisse tatsächlich was ausmachen.
Gatling 26. Juni 2014 um 10:49
Frankreich ist wohl die größte Wundertüte im Turnier. Wenn sie gegen Nigeria wie erwartet weiterkommen, wird man dann wohl erst im Viertelfinale sehen, ob Sie wirklich Titel-Kandidat sind…
und da geht’s ja wahrscheinlich gegen uns 🙂
Das Spiel gestern war kaum aussagefähig, Frankreich betreibt Kräfteschonung durch fünf Neue, muss das Spiel natürlich nicht in letzter Konsequenz gewinnen. Überraschender Weise schaffen Sie dann aber auch gegen 10 Gegenspieler kein einziges Tor.
CLAUDIE COTET 26. Juni 2014 um 13:39
la france mit bestem torwart ,bestem stuermer und dem intelligentesten trainer des turniers! AUS fuer loewenbabies, weiches d-team!
mk 26. Juni 2014 um 01:03
Analysier mal zu so später Stunde nicht so lustlos rum, RM ;). Warst aber mal wieder ziemlich fix…
Ist tatsächlich relativ ereignislos gewesen, richtig viel Abwechslung war nicht dabei. Ich hab mich nur jedes Mal gefragt, welches Spiel der Kommentator sieht, als er nicht müde wurde zu wiederholen, wie „unsichtbar“ Benzema wäre, dass er gar nicht teilnähme und so weiter. Aber wenn man das so wie er nur an Hand der Ballkontakte festmacht, kommt man wohl zu solchen Schlüssen. Vielleicht hat er aber auch Schweiz-Honduras geguckt, da war Benzema tatsächlich eher unauffällig.
Ganz grausam fand ich vor allem in der ersten Halbzeit die horizontale Kompaktheit bei Ecuador. Bzw. Nicht-Kompaktheit. Stehen da zu dritt in Ballnähe in einer Linie und trotzdem hat der französische Sechser zwei vertikale Anspielstationen. Und der Ball kommt quasi jedes Mal durch…