Bosnien-Herzegowina – Iran 3:1

Bosnien-Herzegowina verabschiedet sich mit variablem Mittelfeld und einem verdienten Debütsieg von ihrer ersten WM. Der Iran fand keine wirksamen Mittel und vergab damit die Chance auf das Achtelfinale.

Obwohl sie für das noch mögliche Weiterkommen unbedingt einen Sieg brauchten, nahmen die Iraner wie erwartet eine weiterhin passive Grundordnung ein. Allerdings suchten sie daneben nur selten ihre eigenen, normalerweise gut abgesicherten Ballbesitzphasen, deren geringes Risiko wegen der verbreiterten Offensivanlage im Vergleich zu den vergangenen Monaten nicht mehr dermaßen gegeben ist. So standen sie die meiste Zeit in ihrer abwartenden und auf passive Kompaktheit bedachten Defensivformation gegen die Ballbesitz sammelnden Bosnier. Wie schon in den ersten beiden Spielen entschied sich Carlos Queiroz in der genauen Ausrichtung für ein 4-1-4-1 mit situativ herausschiebenden oder kurzzeitig mannorientierten Achtern, wobei Hajsafi etwas höher agierte und gelegentlich ein 4-2-3-1 herstellen konnte. Zudem sorgte er für die ebenfalls bereits bekannten Wechsel mit Dejagah, für den er phasenweise die Seite besetzte und somit den Platz im Zentrum freimachte.

bih-irnBosnische Dominanz durch variables Zentrum

Unterstrichen wurde die bosnische Balldominanz von Seiten des bereits ausgeschiedenen WM-Neulings durch eine hohe Aufbaupräsenz. Während die beiden Außenverteidiger an den Flügeln oft schon frühzeitig extrem weit vorschoben und sich höher als die enger bleibende Mittelfeldkette des Iran positionierten, agierten die Zentrumsspieler der personell neu besetzten Raute vielseitig und tief. Besic agierte vor der Abwehr als absichernder Sechser und kippte gelegentlich leicht heraus, wodurch er das Zentrum für die dominanteren Kollegen öffnete, aber in seiner Einbindung präsent blieb. Während Susic auf halblinks noch eine recht klare Rolle einnahm und entweder auf den Flügel heraus rochierte oder situativ für etwas Tiefe in der zentralen Staffelung bei 4-3-Anordnungen sorgte, gab es die sehr variable Mittelfeldanordnung vor allem zwischen den beiden verbleibenden Akteuren.

Dabei war Pjanic grundsätzlich als Zehner vorgesehen, der leicht rechtsseitig positioniert war, häufig aber in die von Susic geöffnete oder situativ auch umlaufene Lücke zurückfiel. So gestaltete sich sein Zurückfallen diagonal und er forderte die Bälle nicht nur halbrechts, sondern gerne auch halblinks vor Besic. Entsprechend konnte Hadzic sich von seiner halbrechten Achterposition nicht nur ebenfalls in diese tief strukturierende Mittelfeldzentrale einschalten, sondern alternativ in den eigentlichen Grundraum von Pjanic aufrücken. Weil dieser sich nach seinem Zurückfallen auch vielseitig horizontal bewegte, konnten die Bosnier diese Rochaden zwischen ihren beiden spielmachenden Mittelfeldakteuren innerhalb des ohnehin auf Passsicherheit bedachten Konstrukts sogar in Kreiselbewegungen ausweiten.

Gute und schlechte Phasen des tiefen Mittelfelds

Mit dieser intelligent angelegten Ausführung waren die eigentlichen Probleme der tief angelegten Ballsicherheit in manchen Phasen sehr gut zu kaschieren. Einerseits drohte das Team trotz hohen Ballbesitzes und diverser Mittelfeldstrukturen aufgrund der geringen Präsenz und der wenigen Optionen in den hohen Räumen nicht vorwärtszukommen und redundant im Aufbaudrittel hängen zu bleiben. In manchen Teilen der Begegnung geschah dies gegen eine erneut disziplinierte und gute iranische Defensivarbeit, die von ihren Basismechanismen nicht so einfach zu knacken ist, auch so – zumal die Mannen von Queiroz sich durch die Höhe der gegnerischen Außenverteidiger nicht beeindrucken ließen und sich durch die das Halten der Flügelspieler in der Mittelfeldkette schon mal ein wenig stabilisierten. Kamen doch direkte Bälle auf die vorstoßenden Außenverteidiger hinter diese Linie, rückten die Iraner schnell zurück und konnten Vrsajevic oder Kolasinac meistens über blockierte Rückwärtswege isolieren, da jenen wegen des tiefen Mittelfelds noch die lokalen Optionen fehlten.

Andererseits kamen die Bosnier situativ aber auch zu sehr klarem Vorwärtsspiel in einzelne Zwischenräume, weil sie die iranischen Bewegungen und Positionierungen über eigene Umformungen des fluiden Mittelfelds gelegentlich knacken konnten. Das passierte manchmal durch eher kontinuierliche Zirkulation, die im richtigen Moment über Situationsfokus eine bestimmte Lücke öffnete, aber auch durch die eine oder andere konkrete Wechselwirkung. So konnten beispielsweise die Bewegungen von Susic dem Herausrücken Teymourians an Effektivität rauben und diesen vom zurückfallenden Pjanic wegdrücken. Überhaupt nutzten sie die kurzzeitigen Mannorientierugnen der gegnerischen Achter mit kleinräumigem Zurückfallen gut aus.

Durch „Umleitungsrouten“ im Passspiel wussten sie über die Rochaden auf halbrechts zudem einige Male hinter Hajsafi zu kommen, wo sich dann Pjanic oder der zurückfallende Dzeko diagonal seitlich neben Nekounam absetzten und von halblinks bedient werden konnten. Auf diesem Wege waren die beweglichen Stürmer – Dzeko schaltete sich auch im Übergang mit ein, während Ibisevic viel auf halblinks um die Schnittstellen herum arbeitete – recht gut zu bedienen und hatten dann Raum zum Weiterspielen. Entweder suchten sie zentral den Durchbruch oder nahmen nun die Außenverteidiger mit – Vrsajevic hatte mehrere Abschlüsse und erzielte sogar das 3:1. Auch wenn in vorderster Front bei solchen Szenen mitunter die Staffelungen nicht optimal waren, entstanden genau so doch schon früh zwei gute Torchancen. Die Führung folgte allerdings einem schnellen Gegenkonter, bei dem Dzeko aus größerer Distanz traf.

Iranische Offensivprobleme

Vor diesem Rückstand hatte es nur vereinzelte iranische Umschaltszenen gegeben, da die tiefe Präsenz von Bosnien diese meistens zu verhindern wusste. Anschließend war das Team von Queiroz stärker selbst gefordert, konnte im Spiel nach vorne aber weitgehend nicht überzeugen. Eines der iranischen Offensivmittel waren die bereits erwähnten Wechsel zwischen Dejagah und Hajsafi, die aber wie schon in den vorigen Partien keine wirklich effektiven Dynamiken entfalten konnten. Darüber hinaus versuchten es die Mannen von Queiroz diesmal mit vielen direkten Pässen, bei denen Dejagah und Ghoochannejhad jeweils sehr weit für den anderen auswichen und Raum öffneten. Dadurch fehlten sie aber innerhalb der ohnehin vorsichtigen Aufrückbewegungen als direkte Anspielpartner, weshalb es für ein Weiterspielen kaum Unterstützung fand und dieses räumlich durchaus wirksame Mittel auf struktureller Ebene scheiterte.

Ansonsten boten die Iraner bis auf vereinzelte improvisierte Szenen oder simplen Aktionen über die Flügel, bei denen Ghoochannejhad rechts einige Male unterstützen konnte, keine besonderen Mechanismen an. Anders als noch in vielen Länderspielen vor der WM, leiteten sie ihre Offensivbemühungen erneut nicht über das Zentrum ein und suchten nicht so mutig das Zusammenspiel, obwohl dieses durch die Mitte klarer mit einem Block von sechs bis sieben Akteuren abzusichern gewesen wäre. Stattdessen bevorzugte Queiroz die in den allerletzten Testspielen dominierende Variante mit Trapezstruktur, die sehr klar und meist breit aufgezogen war. Innerhalb dieser raumaufspannenden Konstruktion sollten dann einzelne klare Aktionen durch freigezogene Bereiche gestartet werden – Dribblings, simple Kombinationen oder auch mal diagonale Rochaden über links. Gegen die WM-Gegner war dies aber zu wenig und konnte in der Spitze nicht die Angriffsqualität hervorbringen, wie das mit der spielstarken, sich gelegentlich zusammenballenden Viereroffensive der Fall gewesen war.

Nach der Pause stellten dir Iraner auch gegen den Ball auf die die offensiv schon zuvor vermehrt genutzte 4-4-1-1-Version mit Hajsafi und dem eingewechselten Heydari auf den Flügeln um, was trotz Dejagahs Position im Zentrum keine entscheidenden Verbesserungen mehr brachte. Gelegentlich konnten sie ihre offensiven Qualitäten zumindest andeuten, auch wenn vieles im letzten Drittel über Flanken laufen musste. Über die meiste Zeit schien es gegen die souveränen Bosnier keinerlei Chance mehr auf ein überraschendes Weiterkommen zu geben – und als Reza Ghoochannejhad dann das für seine persönliche WM-Leistung verdiente Anschlusstor nach einer Standardsituation erzielte, machte ein bosnischer Konter in der Folgeminute zum 3:1 die leichte Spannung sofort wieder zunichte.

Fazit – und wieso der Iran unter den eigenen Möglichkeiten blieb

Letztlich stand damit ein verdienter Sieg für die Bosnier, die sich mit einer wirklich sehr ansehnlichen Leistung verabschiedeten und über ihre Mittelfeldmechanismen sogar die iranischen Defensivspezialisten zu knacken wussten. Beim Team von Queiroz verhinderte letztlich ihre das gesamte Turnier über zu ungefährliche Offensive ein bis zum letzten Spieltag mögliches Achtelfinale. Problematisch wirkte dabei die wohl vor allem aus defensiven Gesichtspunkten eingeführte 4-1-4-1-Formation, die zuvor nur eine Alternative darsgetellt hatte. Für schnelle Konter fehlten meist die Optionen in der Tiefe, so dass dieses Mittel meistens wegfiel.

Ein Aufbauproblem der Iraner bei diesem Turnier lag darin, dass sie oftmals die Bälle aus der spielschwachen Verteidigung ins Mittelfeld bringen konnten und früh über die Seite eröffnen mussten. Die beim Turnier zurückhaltenderen Teymourian und Nekounam sind aber eigentlich für das Bedienen der vorderen Offensive elementar wichtig. Um die Staffelungen zur Absicherung nicht zu gefährden, fielen sie aber kaum zur situativen Entlastung der Abwehrkollegen zurück – weil auch gleichzeitig das Vorrücken der Außenverteidiger in ausgleichender Funktion nicht vorgesehen war. So war die erste Verbindung eine große Schwierigkeit und die Pässe der einleitenden Sechser konnten nicht greifen, zumal Teymourians seitliches Herausfallen als weitere Alternativoption inkonsequenter genutzt wurde.

Auffällig war im Aufbau, dass die Iraner keineswegs durchgehend im 4-1-4-1 agierten, sondern zunehmend häufiger in ihr gewohntes 4-2-3-1 wechselten. Beide Optionen hatten aber ihre Schwächen. Dem 4-1-4-1 fehlte es an eingespielten Mechanismen, da eine solche Struktur zuvor nur eine Alternative gewesen war. Die kombinativen und ansehnlichen Abläufe, die in der Qualifikation durchaus beachtlich gewesen waren, hingen eng mit der Dreierreihe aus Jahanbakhsh, Dejagah und Shojaei zusammen und konnten letztlich kaum in die neue Formation übertragen werden. Diese veränderte Besetzung war auch für die 4-2-3-1-Phasen von Bedeutung, da diese in der breiten und klar aufgefächerten Offensivstruktur nun eher von den simplen Rochaden zwischen Hajsafi und Dejagah auf links geprägt wurden, die aber nicht gefährlich genug für diese WM waren. So gewährte das 4-1-4-1 etwas mehr zusätzliche Defensivstärke, raubte letztlich aber offensiv einen strukturellen Großteil der iranischen Möglichkeiten, deren Potential man für ein Weiterkommen schon optimal hätte ausschöpfen müssen.

mh 26. Juni 2014 um 16:12

Für mich war es überwiegend eine Raute bei Bosnien hinter zwei Spitzen. Und das ist halt die zwarmeinfache, aber eben eingespielte und auch offensivstärkere Formation, in der sich dieses Team wohlfühlt. Schade dass sie davon gegen die (nur vermeintlich) starken Gegner abwichen…

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