Offensivprobleme zwischen Inter und Napoli
Wir beleuchten die Offensivspielweisen und die dabei vorliegenden Probleme, die Inter und Napoli beim direkten Duell in der Serie A zeigten.
Am Samstagabend trafen zwei heiße Europacup-Anwärter im Topspiel der italienischen Liga aufeinander. Inter gegen Napoli bedeutete auch ein weiteres Aufeinandertreffen Walter Mazzaris mit seinem Ex-Verein. Nach langen Jahren bei Napoli wechselte er im Sommer zum Neuaufbau nach Mailand und traf nun auf seine alten Weggefährten sowie seinen dortigen Nachfolger Rafael Benítez. Dabei suchten die Kontrahenten jeweils ruhige Aufbauszenen, konnten daraus trotz recht klarer Pläne allerdings zu wenig gefährliche Szenen machen, da gewisse Probleme dies verhinderten. Ein Blick auf die zwei Teams und ihre Ausrichtungen.
Inter
Vor eigenem Publikum dominierte Inter die Anfangsphase – mit fast 60 Prozent Ballbesitz im ersten Teil der ersten Halbzeit – und fächerte in Mazzaris bevorzugter und charakteristischer 3-5-2-Formation konsequent auf. Die Flügelläufer sorgten für Breite, der leicht nach links tendierende Cambiasso strukturierte das Spiel von hinten und wurde dabei situativ entweder von einem aufrückenden Verteidiger – oftmals Campagnaro, der gewohnt häufig vorstieß und raumnutzend agieren wollte – oder einem zurückfallenden Mittelfeldakteur unterstützt. Diese Funktion nahm Hernanes ein, der in einer mittleren Rolle zwischen Cambiasso und Kovacic agierte – dem Argentinier half er beim Aufbauen und Verteilen, für den jungen Kroaten rückte er gelegentlich von seinem Grundraum nach halblinks vorne auf, um dort das Zusammenspiel mit dem offensiven Schlüsselakteur der Mannschaft zu suchen.
Das große Problem von Inter bei all dieser löblichen Aufbauarbeit lag in ihrer – nicht zum ersten Mal – inkonstanten oder schwachen Raumbesetzung der zentral-offensiven Bereiche. Mit ihrer breiten und schematischen Ausrichtung fehlte es dort an Präsenz, weil Kovacic sich stark auf den linken Halbraum konzentrieren sollte, während Rodrigo Palacio als hängender Angreifer etwas seltsam eingebunden war. Durch leichtes Zurückfallen bildete der Argentinier manchmal ein formatives Mittelfeldquadrat, brachte ansonsten aber oftmals nur Bewegungen oder Läufe in hohe Zonen um die letzte Linie herum ein, mit denen er wenig direkte Anbindungen an die Kollegen fand. Aufgrund der unzureichenden Raumbesetzung musste Inter aus dem eigenen Ballbesitz heraus dann immer wieder – gerade in Person von Cambiasso, der viele dieser Zuspiele anbrachte – lange und raumüberbrückende Bälle schlagen. Diese gingen entweder auf die beiden Stürmer oder die aufrückenden Außenspieler – jeweils an die Strukturen heran bzw. in nebenformative Bereiche außerhalb des gegnerischen Blocks, doch wurden die zentralen Räume damit stets übergangen.
Die Alternative zum Überbrücken der mittleren Bereiche, die man zu wenig besetzte, waren klare und direkte Flügelaktionen über das Freispielen von D´Ambrosio und Nagatomo auf den Seiten mit anschließenden Flanken, über die die Interisti in dieser Spielzeit schon häufig Tore erzwangen. Auch diesmal bereitete Nagatomo wieder zwei der besten Möglichkeiten des Teams vor, wenngleich es zu einem Treffer gegen Napolis solide und durchaus anpassungsfähige Defensive auf diesem Wege nicht reichte. Hergestellt wurden diese Situationen beispielsweise oft über Kovacic als Fokusspieler im linken Halbraum, der in klarer Position Vertikalpässe erhielt und sie dann – auch aus Unterzahlsituationen, damit die Kollegen nicht zwingend so stark in den Übergangsbereichen unterstützen mussten – mit seiner individuellen Klasse effektiv auf die Flügel verteilen sollte. Gelegentlich konnte der Kroate auch einige Kombinationen durch seinen Raum anleiten, wofür sich eben speziell Hernanes gelegentlich herüber bewegte. Für die Zukunft wird interessant sein, wie sich die Abstimmung zwischen den beiden entwickelt und ob diese Rollen für sie gänzlich passend sind. Kovacic bräuchte vielleicht noch einen stärker zuarbeitenden und weiterleitenden Kollegen, denn Hernanes neigt eher zu einer gewissen Dominanz und legt sich die Bälle in den Angriffen noch einmal selbst zurecht, bevor die Dynamik in der Aktion aufgenommen werden soll.
Napoli
Zu Beginn dieser Saison sorgte das neue Napoli unter Rafael Benítez nicht nur mit einem beeindruckenden Start in Italien, sondern auch – unter anderem durch einen intensiven und überlegenen Sieg in der Champions League gegen Dortmund – für Furore. Einzig die defensive Inkonstanz und die Wankelmütigkeit bei der kompletten Raumkontrolle im Abwehrzentrum schienen Schwierigkeiten zu bereiten. Dagegen überzeugten sie mit ihren beiden Kernstärken – einmal dem starken und aggressiven Pressing in hohen Zonen und zum anderen ihren konsequent, kombinationssicheren und taktisch intelligent angelegten Linksüberladungen in der Offensive. Im Verlauf der Saison wurde dieser Fokus auf die linke Bahn dann mehrfach aufgehoben und stattdessen die andere Flanke vermehrt bespielt, doch für diese Begegnung kehrte die ursprüngliche Ausrichtung zurück.
Als wichtigster Mann wurde der junge Lorenzo Insigne bei Napolis Angriffsaktionen nicht nur vom aufrückenden Ghoulam, sondern auch den herüberkommenden Mertens und Higuaín unterstützt, während Callejón im ballfernen Halbraum seine Diagonalläufe für Durchschlagskraft einbrachte. Bis auf einen direkten Pass auf den Spanier entwickelte Napoli diesmal aus den Überladungen aber kaum Gefahr. Das große Problem der Mannschaft in dieser Partie war die Tatsache, dass die dortigen Strukturen zu flach und untereinander ungestaffelt angelegt waren. Weil verschiedene Tiefen in den Positionierungen fehlten, war kein effektiver Dreiecksaufbau für das Zusammenspiel möglich, mit dem man die Angriffe von links zum Tor hätte tragen können. Symbolisch zeigte sich dies an Higuaín, der immer wieder nahe am Geschehen stand, durch seine unpassende Positionierung aber dennoch praktisch nicht im Spiel war und in Durchgang eins keinen einzigen Ballkontakt in links-offensiven Zonen verbuchte.
Vor der Pause kamen die Gäste dafür allerdings – diese waren zunächst fast so wichtig wie Aufbauangriffe – zu einigen Kontern, da Inter durch die durchwachsene Besetzung der zentralen Offensivräume nicht immer effektives Gegenpressing entwickeln konnte, auch wenn sie dafür einige Male gut nachrückten. Durch die hohen Flügelläufer waren Mazzaris Mannen auf der Seite verwundbar, was Callejón mit seinen Diagonalsprints zwei gute Möglichkeiten einbrachte. Weil Inter aber im Aufbau meist recht klar und strukturiert stand, zudem auch genügend Verteidiger zur Absicherung hinten hielt, konnte Napoli – selbst wenn sie zu Kontern kamen – diese Szenen oft nicht ganz durchbringen. Weil Inter also viele Ansätze noch entschärfen konnte, ging nur einer von Napolis acht Abschlussversuchen vor der Pause auf das Tor.
In der zweiten Halbzeit kamen die Gäste zu mehr eigenen Aufbauszenen und schraubten damit den Ballbesitzanteil auf letztlich 56 Prozent in die Höhe. Viele ihrer Angriffe konnten sie über den einrückenden Henrique nach vorne treiben, der sich in den Zwischenräumen zwischen Mittelfeld und Sturm ausbreitete, auch wenn er nun gelegentlich etwas breiter agierte. Zudem kam ihr wichtiger Winterneuzugang Jorginho effektiver ins Spiel, da er zunehmend die richtige Balance mit Inler fand. Insgesamt erzielte Napoli über verbesserte Diagonalverbindungen dadurch einen konstantere Versorgung ihrer Offensivabteilung. Hier konnten sie die grundlegenden Probleme der ersten Halbzeit aber letztlich nicht wirksam genug beheben, doch wurden sie über das Aufheben des klaren Linksfokus gefährlicher. Zusätzlich versuchte sie nun auch die zentralen Bereiche zu überladen und diese Szenen aus den Räumen hinter Inters Angreifer aus verschiedenen Richtungen flexibel vorzubereiten – hier hatten bereits einige Ansätze der ersten Halbzeit durchaus vielversprechend ausgesehen. So hatten sie zwar absolut gerechnet nicht viele Chancen, aber dafür drei sehr gute und einen Pfostentreffer von Inler, auch wenn das Abschlussverhältnis weiterhin leicht zu Inters Gunsten ausfiel – beide Teams feuerten im zweiten Durchgang jeweils sechs Versuche, von denen bei Napoli allerdings (verglichen mit dreien beim Gegner) keiner auf den Kasten kam. Letztlich bedeutete dies also durchaus ein passendes 0:0.
6 Kommentare Alle anzeigen
Chris-J 29. April 2014 um 14:12
So gut wie Daniel Baier…Da muss aber auch alles zusammenkommen!
Trequartista 27. April 2014 um 15:52
Insgine Stamm bei Prandelli?
Wovon träumst du nachts? xD
Nein, das wird nicht passieren.
juventino 27. April 2014 um 17:19
Inwiefern ist das so unrealistisch?
juventino 27. April 2014 um 14:15
Cooler Artikel! Freut mich natürlich immer, wenn ihr die Serie A beleuchtet.
Verfolge die beiden Teams leider nicht ganz so intensiv, aber die Punkte die du aufgezeigt hast machen durchaus Sinn. Ein paar Fragen:
Ist Kovacic als halblinker 8er gut eingebunden? Wäre er nicht besser als 6er? Also anstatt Cambiasso und als 8er Guarin oder so (Wieso spielte der eigentlich nicht?) Ich denke Guarin, als ziemlich durchschlagskräftiger Akteur, könnte situativ auch gut den 10er Raum bestzen.
Wie stark findest du Insigne? Denkst du er wird Stamm spielen an der WM? Prandelli experimentierte ja immer wieder mit einem 4-3-3, wäre er dort gut aufgehoben auf dem linken Flügel? Oder eher als Trequartista in einem 4-4-2 mit Raute, anstatt z.B. des formschwachen Montolivo.
Letzte Frage, bzgl. Jorginho, welcher ja auch für die italienische Nationalmannschaft auflaufen könnte. Würde das Sinn machen? Ihr habt ihn ja in einem Blick über den Tellerrand schonmal sehr gelobt. Er könnte sicherlich ein extrem spielstarkes und pressingresistentes deffensives Mittelfeld zusammen mit Verratti bilden.
TR 29. April 2014 um 15:21
So, hat etwas länger gedauert mit der Antwort, tut mir Leid. 😉
Ehrlich gesagt würde ich nach meinen aktuellen Beobachtungen (über dieses Spiel hinaus noch gar nicht so viel von Kovacic gesehen, RM kennt den z.B. viel besser) meinen, dass er in beiden Varianten gut eingebunden sein kann, als Sechser vielleicht für eine gute Mannschaft noch mehr Optionen einbringt. Auch auf der Acht könnte man ihn natürlich noch etwas besser zur Geltung bringen als in dieser Partie, mit anderer situativer Umgebung dann.
Insigne gefällt mir ziemlich gut und ich würde ihm von der Leistungsfähigkeit eine wichtige Rolle bei der WM zutrauen, aber was genau Prandelli dann wirklich wie plant, dazu kann ich nichts sagen, weil ich die Squadra Azzurra längere Zeit nicht verfolgt habe und auch kein Prandelli-Experte oder ähnliches bin.
Bei Jorginho muss man eben sagen, dass er in den zentralen Mittelfeldbereichen sich mit enormer Konkurrenz messen müsste und die Kaderplätze natürlich beschränkt ist. Diese gewisse vielseitige, aber dennoch spezielle Art – ich mag diese leichte Unterschwelligkeit z.B. – ist bei der Auswahl der Spieler für ein solches Turnier natürlich immer von Vorteil. Von daher könnte ich mir schon vorstellen, dass er zumindest eine interessante Alternative sein würde, wenn man ihn mitnähme. Als absoluten Topspieler sehe ich ihn aktuell aber nicht ganz und es stehen eben auch viele weitere interessante Kandidaten zur Wahl. In den etwas höheren Zonen dürfte frisches Blut für die Nationalmannschaft wohl noch etwas wichtiger sein, so ich das beurteilen kann. Trotzdem wäre das in einer Zwischenposition eben durchaus reizvoll, ihn gelegentlich einzubauen, gerade wenn er auch rhythmisch gute und dominante Kollegen neben sich hätte und leicht zurückhaltend spielmachend sowie gelegentlich anpassend agieren könnte.
Ganz kurz gesagt also: Eine interessante Alternative ist Jorginho definitiv, aber wohl nicht so sehr, dass er zwingend die absolute Verstärkung für das Team wäre.
juventino 29. April 2014 um 20:10
Danke für die fundierte Antwort!