Eintracht Frankfurt – Borussia M’Gladbach 1:0
Die Frankfurter Eintracht gewinnt gegen Borussia Mönchengladbach knapp, aber sehr verdient. Armin Vehs Taktik ging auf.
Unterschätzt mal diesen Veh nicht!
Eigentlich hatte ich mir ein etwas simples Spiel erwartet. Lucien Favre würde mit seinen Gladbachern im 4-4-2 spielen, die Stürmer würden sich auf der Suche nach schnellen Kombinationen und Dribblings bewegen, während Armin Veh entweder in einem 4-3-1-2 oder dem 4-2-3-1 auflaufen lassen würde. Vermutlich würden die beiden Stürmer Gladbachs im Verbund mit den Flügelstürmern und gelegentlichen aufrückenden Läufen der Sechser, besonders Kramers, irgendwann die offenen Räume in dieser Formation finden. Stattdessen konnten die Frankfurter diese Räume überraschend gut kontrollieren, indem sie eine überaus flexible Defensivspielweise an den Tag legten.
Die Basisformation der Eintracht war das 4-3-1-2, also eine Raute. Negativ ist dabei natürlich anzumerken, dass diese Raute nicht so dynamisch und gruppentaktisch sauber umgesetzt wurde wie es zum Beispiel die Mainzer unter Thomas Tuchel diese Saison so tun. Teilweise passten die Abstände nicht perfekt, einzelne größere Räume wurden geöffnet und dann nicht dynamisch zugelaufen wie eben z.B. bei Tuchels Mainzern. Auch die Bewegung der drei Stürmer mit und ohne Ball war nicht so sauber, teilweise wechselte der nominelle Zehner willkürlich aussehend die Zuordnung; verfolgte am Anfang den abkippenden Sechser und blieb später teilweise im Mittelfeld und übernahm den anderen, höheren Sechser Gladbachs.
Allerdings hatte diese Spielweise der Frankfurter in der Raute andere Vorteile beziehungsweise interessante Besonderheiten, die sich vorteilhaft auswirkten. Neben dem Aufrücken des Zehners, was teilweise auch ein lupenreines, positionsorientiertes 4-3-3 erzeugte, ließen sich gelegentlich auch die beiden Stürmer zurückfallen. Besonders auffällig war aber die Bewegung von Stefan Aigner. Joselu ließ sich meistens nur minimal zurückfallen und dies nur beim höheren Pressing, wenn es gerade passiv gespielt wurde. Doch Aigner betätigte sich deutlich weiter hinten im Defensivspiel und war oftmals auch im ersten Drittel involviert.
Sehr oft bewegte er sich weit nach hinten, wodurch er ein 4-4-1-1 als Flügelstürmer erzeugte. In der 39sten Minute standen die Frankfurter sogar in einem lupenreinen 4-5-1 da, weil sich sowohl Aigner auf rechts als auch Barnetta in der Mitte nach hinten fallen gelassen haben. Ansonsten spielte Aigner auf der rechten Seite aber auch oftmals zockend und bot sich für Anspiele nach Balleroberungen an, die Halbspieler hatten die Aufgabe die Flügel abzudecken.
Dadurch stand die Mittelfeldkette einige Male überaus breit, was aber gegen Gladbach gut funktionierte. Die Halbspieler Lanig und Flum konnten entweder die einrückenden Flügelstürmer übernehmen oder sich um die Außenverteidiger situativ kümmern, wenn diese nach vorne gingen und die Flügelstürmer Gladbachs höher standen.
Zwar war das ballorientierte Verschieben wie erwähnt nicht so gut wie anderen Mannschaften mit Raute in der Bundesliga, doch auch dies war durch die Aufgabenverteilung und formative Aspekte abgedeckt. Barnetta ließ sich mehrmals nach hinten fallen und sicherte zumindest die Passwege in die entstehende Mitte, wodurch Gladbach kaum vom Flügel in den Zwischenlinienraum kam. Die Mitte war ohnehin durch das höhere, wenn auch eher passive Pressing der Frankfurter versperrt und bei zentralen Durchbrüchen gab es die kleinen Probleme im Verschieben nicht, das kompakte Mittelfeldzentrum versperrte die Räume und verhinderte Abschlüsse aus der strategisch wichtigen Zone.
Besonders interessant war auch das ansatzweise Zustellen der Innenverteidiger Gladbachs. Die beiden Stürmer orientierten sich lose an ihnen und wenn einer der Sechser abkippte, aber nicht vom Zehner verfolgt wurde, ließ man den Sechser offen und blieb bei den Innenverteidigern. Danach wurde aber quasi eine Pressingfalle auf den abgekippten Sechser aufgebaut. Wenn dieser nämlich mit dem Ball aufrückte, schoben beide Mittelstürmer auf ihn, hatten die beiden Innenverteidiger im Deckungsschatten und verhinderten die Effektivität des aufrückenden Laufes.
Offensiv funktionierte Frankfurt ähnlich. Aigner und Barnetta bewegten sich viel, Joselu blieb weiter vorne und suchte nach Räumen ganz vorne, dazu rückten die beiden Halbspieler immer wieder mit nach vorne auf. Am auffälligsten war aber natürlich die abermals sehr hohe Position der Außenverteidiger, welche als Breitengeber im nominell flügellosen 4-3-1-2 agierten. Dort mussten auch oft die Außenverteidiger Gladbachs herausrücken und übernehmen, was zum Beispiel schon in der achten Minute zum ersten Frankfurter Abschluss wegen der entstehenden Lücken im Verschieben führte. Insgesamt gingen nur 21% der Angriffe Frankfurts über die Mitte, über die Flügel gab es viele lange Bälle und Flanken.
Über 90 Minuten hinweg hatte Gladbach wegen dieser Defensivspielweise und auch mit Frankfurts Offensive Probleme. Das dürfte den Borussen übrigens bekannt vorgekommen sein.
Favre erlebt ein Déjà-vu
Beim letzten Spiel der Gladbacher gegen die Hertha schrieb ich davon, dass die Fohlen kaum eine Chance gegen die Herthaner und ihr Aufbauspiel hatten, bis sie eher glücklich als verdient in Führung gingen, woraufhin das Spiel kippte. Ähnliches war gegen die Eintracht der Fall, nur dass dieses Mal das Spiel in die andere Richtung kippte. Nach dem Rückstand kamen die Gladbacher zwar immer wieder in die erwähnten offenen Räume oder mit einzelnen Kombinationen nach vorne, konstant gefährliche Angriffsabschlüsse oder effektive Strukturen gab es nicht.
Wie üblich pressten sie im 4-4-2, wobei die Flügelstürmer etwas eingerückter zu spielen schienen, um die Halbspieler der Frankfurter abdecken zu können. Die Außenverteidiger des Gegners wurden entweder situativ im Verschieben zugestellt oder die eigenen Außenverteidiger rückten heraus, was vereinzelt aber zu Problemen führte. Die Beweglichkeit der beiden Stürmer, vereinzelt kam Kruse sogar bis an den Sechserraum zurück, lohnte sich trotz Frankfurts situativer Mannorientierungen kaum, da sie gut übergeben wurden und Gladbach die Offensivpräsenz fehlte.
Ansonsten gab es wohl kleinere Anpassungen in der Spielerwahl und -bewegung an Frankfurt. Arango spielte auf rechts, Herrmann auf links. Nach dem Rückstand spielten die Außenverteidiger offensiver und die Flügelstürmer aufgerückter, was gegen Frankfurts Raute aber kaum funktionierte. In der 55. Minute brachte Favre Hrgota auf links für Herrmann, danach schob er Hrgota auf rechts und brachte Younes für Arango in der 78. Minute, während Rupp für Korb eine offensivere Interpretation des rechten Verteidigers sein sollte. Hrgota sollte wohl stärker für Dribblings und eine präsente Luftbesetzung im Sturmzentrum sorgen, Younes ähnlich; bei ihm wurden auch fokussiert auf der linken Seite im Aufbauspiel Pässe gespielt, um ihn ins Dribbling zu bringen.
Einen Effekt hatte es nicht, die Gladbacher beendeten das Spiel mit vier Schüssen. Die Frankfurter kamen hingegen auf 11, dazu gab es noch 7 Abseitssituationen, die durchaus zu gefährlichen Abschlüssen hätten führen können.
6 Kommentare Alle anzeigen
SR 28. März 2014 um 10:18
Super Artikel. Vor allem die Überlegungen zum erwarteten Spiel fand ich interessant.
Ron 27. März 2014 um 13:48
Unabhängig von den manschaftstaktischen Wechselwirkungen war Gladbach gestern individualtaktisch unterirdisch. So viele verlorene Zweikämpfe und unerzwungene(!) Fehlpässe sind mMn kaum mit der Teamtaktik allein zu erklären.
Ob eine Spielidee funktioniert hängt schließlich auch von ihrer Ausführung ab. 😉
a_me 27. März 2014 um 09:28
Nicht ganz on topic, aber erleben wir derzeit so eine Renaissance der Raute?
Ich hatte lange Zeit das Gefühl, die Raute wäre ein Relikt der 00er, Werder war irgendwie gefühlt die Mannschaft, die am längsten daran festhielt und dann dafür kritisiert wurde (weil angeblich schuld für die lange Zeit instabile Defensive), und ich dachte sie würde bald gar nicht mehr zu sehen sein zugunsten von flacher Mittelfeld-Vier oder 4-2-3-1.
Jetzt sieht man sie wieder häufiger, bei Frankfurt, Mainz teilweise in Hoffenheim wieder und Bremen ist zurückgerudert.
Da frage ich mich doch: Warum?
Koom 27. März 2014 um 09:52
Als Renaissance würde ich hauptsächlich den Begriff sehen. Inhaltlich war die Raute „damals“ eher anders aufgebaut. Auf den Halbpositionen finden sich ja heute eher ZMs, früher waren dort klassische Linienspieler mit Flanken zu finden.
Die Raute bietet relativ viel Variationsmöglichkeiten und scheint vor allem auf die ansonsten beliebten 4-2-3-1-Systeme recht gut zu passen. Je nach Situation kann man schnell mal eine Dreierreihe vor der Viererkette aufbauen, die ihrerseits gut verschieben und die Nahtstellen schließen kann. Sie unterstützt auch das beliebte Abkippen des DMs in die Viererkette, weil vor der (dann „Fünferkette“) eine Art Doppelsechs verfügbar ist.
AnKariu85 27. März 2014 um 08:29
Wendt hat verletzt gefehlt, auf den Abbildungen müsste der Name in Daems geändert werden.
Goalimpact 27. März 2014 um 18:52
Vielleicht auch ein Baustein in der Niederlage. Wendt ist einer der besten Gladbacher.