Benfica – FC Porto 2:0

Das Spitzenspiel der beiden aktuellen portugiesischen Fußballgiganten hielt ein Rhythmusduell und viele seitliche Bewegungen bereit, bei denen die Hausherren in den entscheidenden Momenten balancierter agierten.

Charakteristische Merkmale

Insgesamt war es eine Begegnung geprägt von freien Räumen im Mittelfeld, die zunächst innerhalb und später dann vor den jeweiligen Defensivformationen lagen. Am Anfang führte dies zu einer nicht unerwartet offenen, rasanten und zerfahrenen Begegnung mit vielen Ballbesitzwechseln und Umschaltaktionen. Da die Teams in verschiedenen Stilen ihre Mittelfeldspieler häufig auf die Seite schoben und eine Reihe an schnellen Umformungen in diesen Bereichen vollzogen wurden, gab es situativ in der Mitte immer wieder große Lücken, in die sich einzelne lose Bälle verirrten oder Akteure aus unterschiedlichen Ursprungsbereichen überraschend stoßen konnten.

benfica-porto2014Bei den Hausherren aus der Hauptstadt konnte das bereits „gewohnte“, angriffslustige 4-1-3-2 beobachtet werden, das in typischer Manier mit phasenweise positivem Chaos und einer hohen Variabilität interpretiert wurde. Ganz konkret äußerte sich dies durch die möglichen Verschiebungen zwischen Markovic und Lima, wodurch sich situativ asymmetrische Rauten mit dem jungen Serben als eine Art Zehner und einem zurückgezogenen Gaitán ergeben konnten, oder zwischen eben jenem Gaitán und einem der Stürmer, was dann mit dem heraus rochierenden Rodrigo meistens eine 4-3-3-artige Anordnung zur Folge hatte.

Dass Benfica durch ihre 4-1-3-2-Formation im Pressing immer recht gut aufrücken und attackieren konnte, hatte eine Reihe an langen Bällen seitens Porto zur Folge. Dabei riskierten diese meistens gar nicht das Auftreffen des gegnerischen Drucks, sondern wählten solche Zuspiele schon recht frühzeitig durch Helton, was aber wegen der eher breiten Gesamtausrichtung nur unter speziellen Umständen und in bestimmten Bereichen wirklich effektiv wurde.

Portos seitliche Bewegungs- und Aufbaumuster im Mittelfeld

Den Druck konnten sie ein wenig dadurch mindern, dass Fernando oder Lucho sich auf die rechte Seite in den tiefen Halbraum, in eine Art Zwischenstelle der aufgefächerten Viererkette, fallen ließen, von wo die meisten Offensivszenen der Gäste abliefen. Hier konnten sie mit diesen Verschiebungen für Benfica die eine oder andere Herausforderung stellen und damit sich zumindest etwas mehr Zeit für den Aufbau verschaffen – den direkten Ball mussten sie im ersten Viertel aber schließlich meistens doch irgendwann anbringen. Wenn sich Lucho fallen ließ, ging Fernando meistens recht umständlich auf halblinks in eine höhere Position und konnte nur durch die Rochade als solche eine Synergie erzeugen, anstatt konstanter in jenen Räumen zu kreisen. Bei umgekehrt praktizierter Aufgabenverteilung sah dies etwas besser aus, weil Lucho dann in den Fällen mit dem Herausschieben durch Fernando in zentraler Stellung etwas tiefer und absicherte.

Ergänzend zu den Bewegungsmustern seiner Kollegen und der Tatsache, dass diese fast immer nach halbrechts herausgingen (in Ausnahmen war Lucho auch mal links aktiv, bewegte sich dann aber immer sehr breit und stellte dort eine Dreifachbesetzung her – Alex Sandro findet sich in solch seltsamen Strukturen immer recht gut zurecht, doch entstanden so nur vereinzelte lichte Aktionen) half auch der dritte Mittelfeldmann, der aus Estoril gekommene Carlos Eduardo, immer wieder auf der rechten Seite und unterstützte damit den Fokus des Aufbau- und Angriffsspiels auf diesen Flügel. In dieser grundlegenden Struktur spielte Fernando – oder situativ Lucho – dann meistens aus dem tiefen Halbraum direkte Bälle an die letzte Linie, die Jackson Martínez auf den Außenstürmer oder jener auf Carlos Eduardo ablegte. Gelegentlich starteten sie damit in den offenen Halbraum, was auch Danilo einige Male tat und dabei seine gewohnten Qualitäten in diesem Bereich andeutete, doch ebenso gab es die Variante, dass sie dann noch weiter auf den Flügel gingen.

Die Flügelprobleme des letzten Drittels

Auffällig war an dieser Einleitungsweise der Angriffe aber auch, dass Carlos Eduardo eher lose mit seinen beiden Mittelfeldkollegen verbunden war und das Bespielen der auf rechts geballten Strukturen fast allein auf diesem direkten Wege samt Ablagen erfolgen musste. So war das Zirkulieren gegen Benficas Pressing in den mittleren Reihen – in den hinteren ging es natürlich und die Hausherren fuhren die Intensität mit der Führung im Rücken immer weiter zurück – ein wenig erschwert und die Rückwärtsverbindungen nicht immer ideal, so dass die Blauen häufig etwas unbedacht am Flügel vorspielten, dort dann aber die hinteren Räume nicht optimal besetzt wurden. Bei langen Bällen hatten sie somit zumindest viel Präsenz in der Breite der vorgeschobenen Angriffsabteilung und gewannen auf diesem Wege einige Abpraller, kamen im Anschluss dann aber auch einige Male in diese Lagen, weil sie gerade hier nicht konsequent genug jenes Tempo suchten, was sonst dann und wann zu hoch angeschlagen wurde.

Mit ihrer sehr breiten Ausrichtung waren die Gäste auch im letzten Drittel logischerweise stark auf den Flügel konzentriert, nutzten dies aber insgesamt nicht konsequent genug aus. Zu häufig brachten sie im Endeffekt Licá oder noch häufiger Varela in Position für Dribblings und Flanken, wohingegen die typisch gestarteten Angriffe letztlich zu selten in den Halbraum gezogen oder bis zum Ende jene deutlich und gemeinschaftlich ausgeführten Überladungsversuche darstellten, die sie in den ersten Phasen dargestellt hatten. Wenn sich Carlos Eduardo nach Verlagerungen helfend auf links einschaltete, kamen hier etwas bessere Dynamiken zustande, was auch zur besten Porto-Chance durch Jackson Martínez führte, aber im letzten Drittel war die schlechte Nutzung der ausgewählten Flügelbesetzung dennoch das entscheidende Problem, weshalb die Mannschaft schließlich nur fünf Abschlussversuche verbuchte.

Benficas Aufbaustrukturen und Rhythmusfragen

Verglichen mit der Anfangsausrichtung des Gegners ging Porto im Pressing etwas abwartender zu Werke und ließ Benfica in der letzten Reihe meistens gewähren, was sich in vielen Phasen in einem 4-4-2-artigen Mittelfeldpressing mit dem vorgeschobenen Carlos Eduardo äußerte. Die größte Auffälligkeit im Aufbau der Hausherren war die phasenweise enorm hohe Grundposition von Linksverteidiger Siqueira, der seinen jeweiligen Gegenspieler nach hinten drücken und als Laufdrohne Raum für einen herausrückenden Mittelfeldmann öffnen sollte – etwas strategischer war dies Matic, in etwas driftender und dynamischerer Form machte es Enzo Pérez, der einige nette Wechselwirkungen mit Gaitán im Halbraum zeigte.

Auf diesem Wege kam Benfica eher über die linke Seite, was durch den gelegentlich einrückenden Markovic unterstützt wurde, und vor allem in dieser Umformung realisierte sich ihre Spielweise, die Mittelfeldakteure auf dem Flügel mithelfen zu lassen, in besonderem Maße – wenngleich es nicht so extrem war wie bei Porto, sondern situativer und organischer wirkte. Dennoch kamen die Hausherren aus den geordneten Aufbausituationen kaum zu konstant gefährlichen Torszenen (zwei der drei Schüsse auf den Kasten waren drin), da sie die recht angepassten Positionierungen und Stellungen nicht immer auch gut ausspielten, mit einigen übertriebenen Rochaden in den Übergangszonen selbst Unruhe in ihr Spiel brachten oder mögliche Wechselwirkungen beschädigten.

Der insgesamt recht offene und hektische Spielcharakter ließ sie häufig in den falschen Momenten überdrehen. Interessanterweise waren es dann gerade die verschiedenen Umschaltmomente, in denen das Team von Jorge Jesus zwar auch gelegentlich verschwenderisch agierte, aber dennoch seine besten Szenen wie unter anderem den 1:0-Führungstreffer generieren konnte. Mit dem Wissen um den aufgedrehten und temporeichen Charakter dieser Konterangriffe schienen sie sich in ihren Strukturen sicherer zu fühlen, als wenn sie die Szenen aus dem Aufbau recht direkt ausspielten. So wirkten die Rochaden in diesen Szenen effektiver, Markovic konnte beim Einrücken die Lücken der verschobenen Mittelfeldakteure besser nutzen und das Ausweichen der Angreifer lief etwas klarer – alles verband sich beim Treffer, der die veränderte Psychologie im Angriffsrhythmus passend einfing.

Weitere Entwicklungen

Mit der Zeit zogen beide Teams ihre vordersten Reihen gegen den Ball etwas zurück, was aufgrund des Beibehaltens der seitlichen Mittelfeldakteure und des Herauskippens dazu führte, dass die jeweiligen Defensiven immer sehr breit und in der Tiefe enorm zusammengestaucht standen. Für den Aufbau gab es somit mehr Zeit, doch die dafür verwendeten Umstellungen fanden nun meistens in den freigelassenen Räumen vor der gegnerischen Linie statt. So dauerte es eine Weile, bis die beiden Mannschaften diesen neuen Rhythmus mit den abgeflachten Defensivblöcken auf beiden Seiten und den recht einfachen Raumreserven beim Aufrücken verinnerlicht hatten.

Gerade Porto hatte nun längere Ballbesitzphasen in der Kette, insbesondere zwischen den beiden Innenverteidigern, verpasste es aber die zunehmenden Lücken Benficas im Verschieben aufzudecken. In ihrem 4-1-3-2 standen sie teilweise riskant auf die Seite gerückt, hatten dort aber nicht entscheidend Druck machen können und kamen anschließend gegen den Seitenwechsel in Portos letzter Linie nicht so gut hinterher. Diese wussten aber zu selten Kapital daraus zu schlagen, überspielten strategisch wertvolle Lücken gelegentlich wegen ihren dafür nicht optimal angelegten Verbindungsmustern – und auch automatisch aus dem Reflex heraus – zu vorschnell.

In anderen Situationen fiel Benfica in 4-4-2-artige Struktutren zurück und hatte dabei geschickte Verschiebemechanismen zwischen den offensiven Außenspielern und den aufwändig in die Horizontale arbeitenden Stürmern, indem beispielsweise Gaitán oder Markovic situativ nach hinten die Abwehr rutschten und dafür Lima bzw. Rodrigo sich weit auf die Außen schoben, um Porto dort zu isolieren. Diese fanden dagegen zu selten die kleineren Lücken, die sich zentral eben zwischen den Angreifern auftaten. Nur sporadisch spielte Fernando aus diesem Freiraum die direkten Vertikalbälle dann mittig zwischen die Linien, wo sich vereinzelt dann Carlos Eduardo und Josué oder einer der Flügelakteure neben Jackson Martínez tummelten – diese Szenen hatten viel Potential, traten aber zu wenig auf, was in Teilen natürlich auch an Benficas zwar chaotischer, manchmal übertriebener und damit etwas fehlerbehafteter, aber grundsätzlich geschickter und wandelbarer Defensive zu tun hatte.

Einen gewichtigen Einschnitt erfuhr die Begegnung dann in der Anfangsphase des zweiten Durchgangs, als die Hausherren durch Garays Treffer nach einer Standardsituationen zum 2:0 nicht nur die Vorentscheidung herbeiführten, sondern auch die Entwicklung von Anpassungsvarianten auf den passiver gewordenen Spielcharakter teilweise abwürgten. Die beiden frühen Wechsel – Quaresma für Licá und der offensivere Josué als behebendes Element für die Verbindungsschwierigkeiten anstelle von Lucho – der Hausherren im Anschluss vermochten keinen wirklich durchschlagenden Einfluss auszulösen.

Während Benfica nun über ihre erwähnten Konter vermehrt zu Abschlüssen kam, wusste sich Porto weiterhin über ihre grundlegend bekannten Aktionen auf rechts in gefährliche Positionen zu bringen. Besonders über den engagierten Danilo lag der Durchbruch zumindest einige Male in der Luft, ehe der Brasilianer einen Zweikampf in brenzliger Strafraumsituation vom Schiedsrichter  als Täuschungsabsicht gewertet und seine zweite Gelbe Karte gezeigt bekam. Trotz einer nicht uninteressanten 4-3-2-Formation mit Varela als offensivem Rechtsverteidiger und einem in die rechte Lücke rochierenden Josué sowie des weiter steigenden Ballbesitzes vermochten die Gäste in Unterzahl die Grundprobleme aber nicht mehr zu beheben und damit die Partie auch nicht zu drehen.

Fazit

Nach einem intensiven und phasenweise sehr offenen Match, in dem die Teams einige Probleme mit Rhythmus und Balance hatten und das sich durch die Offenheit gelegentlich selbst blockierte, war der Sieg für die Hausherren alles in allem gerechtfertigt. Der Rückstand von drei Punkten bleibt für die Gäste aber zunächst einmal unproblematisch – vor allem, da sich der neue, aus Estoril gekommene Trainer Nuno Fonseca zunächst einmal vor allem auf die Defensive zu konzentrieren scheint, die diesmal auch weitgehend zufriedenstellend arbeitete. Nach vorne zeigt die Mannschaft bereits spezifische Ansätze, die aber ebenso noch balancierter ausgespielt werden müssen, wie einige Rollenverteilungen, doch mit mehr Konzentration auf diesen Aspekt dürften weitere Fortschritte erwartet werden.

Interessant wird sein, ob Fonseca seine beiden Schützling Carlos Eduardo sowie Licá noch etwas konsequenter einzubinden vermag und wie sich die beiden jungen Mittelfeldneuzugänge Herrera und Quintero einordnen werden, die sicherlich noch neue Dimensionen ins Spiel des Teams bringen würden. Auf CL-Parkett gab es bisher schon einige überzeugende Auftritte im Ballbesitzspiel oder mit Varianten, bei denen Josué auf der Seite agierte, aber häufig auch einen zu starken Fokus auf kraftvolles Flügel- und Flankenspiel. Während Porto also noch die konstant richtigen Anpassungen auf die Abgänge von Joao Moutinho und James Rodríguez sucht, hat sich Benfica mit Markovic noch einmal verstärkt und dürfte daher nach dem schmerzhaften CL-Aus in der Europa League zu den größten Favoriten zählen.

Fat Spanish Waiter 15. Januar 2014 um 10:25

Fonseca kam nicht aus Estoril sondern vom letztjährigen Überraschungsteam Pacos Ferreira. Er ist in Porto längst nicht mehr unumstritten, denn eine Niederlage bei Benfica und 3 Punkte Rückstand sind in Porto sehr wohl ein Problem, und zwar ein ziemlich grosses. In der CL-Partie gegen Austria Wien gab es schon in der 1.HZ weisse Taschentücher zu sehen, das blamable Aus in der Vorrunde passt auch nicht zu den dortigen Ansprüchen.

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CF 14. Januar 2014 um 17:18

Würde mir das Spiel gerne nochmal angucken. Scheint ja ganz interessant gewesen zu sein und Benfica ist taktisch interessant. Hast du es im Nachhinein gesehen? Wenn ja wo?

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Bene 14. Januar 2014 um 21:18

keine überragende Qualität, aber immerhin http://www.youtube.com/watch?v=_cuzCN007lc

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Mananski 14. Januar 2014 um 23:27

Sehr nice, danke für den Link! Seit dem EL-Finale ist Benfica eines meiner Lieblings-Teams. Diese Art von Fussball ist schon ziemlich cool und wild. Eigentlich kann so ein ultra-offensives System nicht funktionieren, aber Benfica kriegts iwie hin. Ist denke ich das innovativste und spektakulärste System der letzten Jahre. Dazu ist die Transferpolitik ganz große Klasse. Matic ist Weltklasse und dass Markovic Talent hat sieht man schon an der Vorlage zum 1:0.

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