Türchen 7: Miguel Veloso
Ein etwas überraschender Spieler in unserem Adventskalender ist heute an der Reihe: Miguel Veloso von Dynamo Kiev ist wohl nicht von all zu vielen Leuten falsch eingeschätzt, da die meisten gar keine Meinung zu ihm haben werden. Allerdings besitzt der portugiesische Nationalspieler Fähigkeiten, die generell bei vielen Spielern falsch bewertet werden. Dass ein dermaßen überragender Pressingspieler für relativ wenig Geld in die Ukraine wechselt und nicht bei einem europäischen Topklub unter Vertrag steht, steht symbolisch für das Übersehen dieser Fähigkeiten.
Allgemein gilt der Sechser als durchschnittlicher Abräumer mit ordentlichen Qualitäten im Zweikampf, ohne außergewöhnliche Laufstärke und eher limitierten Fähigkeiten am Ball. Seine überragenden Stärken finden sich jedoch in Punkten, die verhindern, dass diese Attribute überhaupt Relevanz bekommen.
Der Strukturzerstörer
Ein Problem bei der Bewertung von Spielern ist, dass oftmals nur dann auf einen Spieler geachtet wird, wenn er in Ballnähe ist. Velosos Stärke ist hingegen, dass er extrem weiträumig die Position des Balles beeinflussen kann. Oft wirkt sich diese Qualität sogar so aus, dass er eben nicht eingreifen muss, weil er einen gegnerischen Spielzug frühzeitig aus seinen Räumen herausdrängen kann. Anstatt für solche Aktionen Anerkennung zu bekommen, bleibt er gerade deshalb unsichtbar.
So ist sein Markenkern das Herausrücken im Pressing, welches er in mehrfacher Hinsicht perfektioniert hat. Auch als alleiniger Sechser vor der Abwehr rückt er zuweilen weit aus der Position, aber wählt dafür Situationen, in denen das entstehende Loch nicht bespielt werden kann. Das liegt zum einen an seiner Fähigkeit „das Spiel zu lesen“: Er erkennt die Strukturen beider Mannschaften und hat ein gutes Gefühl dafür, ob es Wege in bestimmte Zonen gibt oder nicht. Zum anderen ist aber auch die Art und Weise seiner Einflussnahme genial.
Entschärfende Dynamik
So gelingt es ihm durch die Nutzung seines Deckungsschattens und der gegnerischen Sichtfelder, so herauszurücken, dass er enorm zuverlässig Rückpässe erzeugen kann. Er läuft mit genau solch einer Dynamik an, dass er die Passwege auf die gegnerischen Mitspieler langsam zunehmend versperrt. So wird dem Gegner eine Aktion suggeriert, die aber immer riskanter wird, sodass er quasi eingelullt wird und auch bei größeren Abständen eine befreiende Aktion verpasst.
Dieses Mittel setzt Veloso nicht nur gegen den akut Ballführenden ein, die gesamte gegnerische Mannschaft wird zum Rückwärtsgang gezwungen, da Veloso nicht beim ersten Rückpass abbricht. Oft kann er seine aufgebaute Geschwindigkeit nutzen, um dem Ball auch in höhere Zonen weiter hinterherzujagen. So kann er regelrechte Rückpassstaffetten verursachen und den gesamten Spielzug des Gegners auf Null zurücksetzen.
Stille Pressingwaffe der Moderne
Da Veloso in seinen Herausrückbewegungen sehr weit entfernte Spieler anläuft, hat er kaum Chancen in den Zweikampf zu kommen, weshalb diese Bewegungen wohl nicht so recht gewürdigt werden. Allerdings erzeugt er auf diese Weise Druck in einem sehr hohen Radius und kann dem Pressing seiner Mannschaft eine höhere Weiträumigkeit verleihen.
Besonders gegen exzessiv raumnutzende Mannschaften wie die spanische Nationelf ist das eine überaus effektive Maßnahme. Besonders wenn sich der Gegner stabil in höheren Zonen festsetzen will, um den Gegner einzuschnüren dann durch die Enge in den Strafraum zu kombinieren, ist seine Spielweise wertvoll. Durch das „mehrstufige“ Zurückdrängen des Gegners erlaubt er nämlich auch der eigenen Mannschaft gefahrenlos aus einer tiefen Stellung herauszurücken.
Insofern ist Veloso nicht der Abräumer, der auf seiner Position die Gegenspieler beackert. Er ist ein brillanter Stratege, der das gegnerische Spiel weiträumig leiten kann und damit seiner ganzen Mannschaft durch zuverlässige Raumeroberung hilft. Mittelfeldpräsenz heißt Miguel Veloso.
6 Kommentare Alle anzeigen
Bernhard 8. Dezember 2013 um 19:55
Freut mich, dass du meinen aktuell noch aktiven portugiesischen Lieblingsspieler (2. Platz Joao Moutinho) kurz beschreibst.
Du bekämest von mir eine 1+ wenn du seine Stärken am Ball sowie seine überragenden technischen Fähigkeiten und seine sensationellen Pässe inkludiert hättest. 😉
Dennoch danke.
CF 20. Januar 2014 um 21:04
Ich finde seine Pässes manchmal etwas zu unstrategisch. Sucht zu oft den offenen Raum statt die etwas besseren Staffelungen. Was ich für seine größte Schwäche halten ist das Freilaufen beim Aufbauspiel. Zeigt da manchmal Schwächen so kann der Gegner dann leichter pressen da die Staffelung in seinem Räumen auf Grund seiner schlechten Bewegungen nur mangelhaft ist. Ist halt ziemlich ärgerlich da man ihm die Ballverluste nicht wirklich direkt zu schreibt und dadurch gerade bei Kiew manchmal einfache Ballverluste in tieferen Zonen passieren.
CF 8. Dezember 2013 um 01:30
Finde Veloso auch genial, aber diese Art von Spielern werden meistens auch vom Trainer falsch eingebunden. Um seine Stärken in der Defensive auszuspielen muss er oft in bestimmte Situation kommen. Finde aber das er in Portugal nicht besonders gut eingebunden ist. In der Defensive verteidigt er relativ klar und es sind nicht oft diese unorthodoxen Läufe zum erzwingen der Rückpassstafeten zusehen. Ich bin der Meinung das man auch solche Spieler gut einbinden muss um die Fähigkeiten besonders oft zuzeigen. Trotzdem genialer Spieler. Interessant wäre noch zubeleuchten wie er am Anfang seiner Karriere eingeschätz wurde.
woody10 8. Dezember 2013 um 10:05
Ich finde schon, dass er bei Portugal relativ gut eingebunden wird. Problem bei Portugal ist halt, wenn Ronaldo und vllt mal gar Nani defensiv nicht mitmachen. Da kannst du als zentraler Sechser fast nicht herausrücken sondern musst passiver bleiben, die Achter nach außen rücken lassen und ein bisschen nachschieben. Allerdings zeigt ja das auch seine Spielintelligenz. Bei seinen Herausrückbewegungen schwirrt er da nicht wie ein wildes, freies Radikal durch den Raum sondern macht das mit Bedacht und wie beschrieben strategisch.
Aber jetzt der Punkt, auf den ich eigentlich eingehen wollte: warum werden solche Spieler falsch eingebunden: Natürlich gibt es Trainer, die solche Spieler einfach falsch einschätzen oder ihre Fähigkeiten als nicht derart wichtig erachten, aber der größere Punkt ist einfach der: In speziellen Rollen kann man leichter gut spielen und der einzige/zentrale Sechser ist eine spezielle Rolle. Weiters haben die meisten Topteams in Europa auf dieser Position schon viele Weltklassespieler, deshalb wird ein Veloso von den meisten nicht gebraucht. Man denke da an die Bayern, die ca. fünf für diese Position haben, Barca, Real haben welche, Paris, ManU mit Carrick, Tottenham mit Abstrichen,… und selbst bei Juventus könnte ich ihn mir nicht vorstellen. Die haben zwar keinen so einen Spieler(Pogba könnte das uU. wenn er noch strategischer und nicht mehr so vertikal wird spielen), dennoch spielt dort Pirlo und der muss eigentlich auch als tiefster Sechser spielen. Man sieht schon: die absoluten Topteams haben hier gar keinen Bedarf. Und neben Veloso gibt es ja auch noch relativ viele andere Sechser, die extrem intelligent und gut sind und bei keinem Topclub spielen.
Abschließend muss ich anmerken, dass auch ich wahrscheinlich Veloso nicht so wahrnehmen würde, wenn es Spielverlagerung nicht geben würde. Wenn du so einen Spieler einmal siehst und dann wieder zwei Jahre nicht, dann ist das zu wenig, um selbst urteilen zu können, dass er ein genialer Spieler ist. Ich möchte eben wie es beim ersten Kommentar schon angesprochen betonen, dass Veloso auch ein gutes Füßchen und die passende Übersicht dafür hat.
CF 8. Dezember 2013 um 16:28
Ich glaube solche Spieler werden falsch eingebunden, weil sie schwieriegr einzubinden sind als z.B ein Robben. Sie haben ein sehr speziales und seltenes Fähigkeitenprofil. Um dieses Fähigkeitenprofil perfekt zunutzen muss man eine sehr schwierige und seltene Struktur bauen. Um Beister kann man z.B eine einfachere Struktur bauen, da er ein sehr oftes Fähigkeitenprofil hat. Bento hat dies meiner Meinung nach nicht Perfekt geschafft. Wie du oben schon beschreibst ist er immer nur am reagieren und muss relativ einfache Aufgaben übernehmen. Er passt sich an die Positionen der anderen an. Selten kommt er in eine Position wo ihm mehrere Optionen offen stehen und er seine gute Entscheidungsfindung in der Defensive zeigen kann.
Worauf bezieht sich dein letzter Abschnitt?
rotundblau 7. Dezember 2013 um 22:49
Einfach Mal danke an euch für diesen Beitrag über meinen Lieblingsspieler. Ich bin Fan von Genoa und konnte ihn dadurch früher regelmäßig spielen sehen, mittlerweile spielt er ja leider schon in der Ukraine (die Ablösesumme war wirklich etwas lächerlich). Anfangs hatte er bei Genoa noch ein wenig Schwierigkeiten und spielte nicht Mal regelmäßig, aber mit seiner Qualität musste er sich einfach durchsetzen. Seine Bewegungen im Defensivverhalten sind einfach genial, außerdem ist er auch offensiv richtig stark. Zudem hat er einen traumhaften linken Fuß. Leider bekam er bei Genoa nie wirklich die Wertschätzung, die er verdient hätte, eben aus genannten Gründen und weil ihm auch vorgeworfen wurde einfach zu langsam zu sein.