Sevilla FC – Real Betis 4:0

Pressing und seitliches Personal entscheiden ein wieder einmal sehr feuriges Stadtderby zwischen Sevilla und Real Betis.

In der letzten Saison gehörte Betis noch zu den absoluten Überraschungsmannschaften, formierte eine vielseitige Mittelfeld-Spielweise um den mittlerweile abgewanderten Benat und schaffte nicht nur den Einzug in die Europa League, sondern konnte sich auch vor dem großen Rivalen platzieren. Doch nun muss das Team von Pepe Mel mit einem tiefen Fall klar kommen – aktuell steht der letzte Rang in der Tabelle von La Liga zu Buche. Dagegen befindet sich Sevilla weiterhin im Kampf um die internationalen Plätze und ist von Unai Emery, der als Trainer bei Valencia sehr überzeugende Ansätze gezeigt hat, auf einen guten Weg gebracht worden, wenngleich ihnen noch die Konstanz in den Leistungen und teilweise in der defensiven Absicherung fehlt.

sev-betFast schon traditionell ist das Derby in der andalusischen Metropole eine sehr dynamische und giftige Begegnung, die keineswegs von der oft zitierten „taktischen Vorsicht in wichtigen Partien“, sondern vielmehr ganz entscheidend vom vielen Pressing geprägt wird. Bereits in der Vorsaison konnte Sevilla vor allem durch diesen Aspekt einen 5:1-Erfolg im Duell mit Betis landen, was für den durchwachsenen Saisonverlauf immerhin teilweise entschädigte. Auch diesmal zeigte sich das Heimteam in dieser Hinsicht besonders überzeugend, attackierte immer wieder früh und verschob vor allem sehr eng und druckvoll zum Ball, was einige hervorragende Kompaktheiten in Flügelbereichen zur Folge hatte, aus denen sich Betis gar nicht oder nur mit unkontrollierten langen Zuspielen befreien konnte. Wie schon einige Sevilla-Derbys zuvor war auch diese Partie äußerst zerfahren sowie von einer Reihe an Fouls und ständigen Unterbrechungen geprägt. Symptomatisch für den Charakter und die Intensität der Begegnung lagen beide Teams zur Halbzeit bei ihren jeweiligen Passquoten unter der 65%-Marke.

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Sevilla mit extremem Verschieben zum Flügel im Zuge ihres Pressings.

Sevillas Pressingmechanismen im Detail

Kombiniert wurde diese Ausrichtung mit teilweise provozierenden und gerne vor allem auch zockenden bzw. belauernden Elementen, wie sie von den Dortmundern in noch geschickterer Form bekannt sind. Gerade was das Defensivspiel der Innenverteidiger anbelangte, wurden diese verschiedenen Aspekte der Gesamtspielweise häufig noch von situativen Mannorientierungen ergänzt, mit denen die Kompaktheiten gestärkt werden konnten – Molina zog dann einige Male seine Gegenspieler mit in die ohnehin schon anspruchsvollen Engen hinein. Dass sie phasenweise etwas zu mannorientiert wurden, passierte einige Male und sorgte für den einen oder anderen offenen Raum, doch weil das Ausmaß eher gering war und zudem das Anlaufen weiterhin intelligent sowie gewissenhaft umgesetzt wurde, hielt sich der Schaden dadurch in Grenzen. Interessant war die Rolle von José Antonio Reyes auf dem rechten Flügel, der gelegentlich einfach Freiheiten zum Jagen erhielt und dann völlig nach Gutdünken im unmittelbaren Umkreis des Balles attackieren durfte, worauf sich die Kollegen dann ein wenig anpassten und absicherten.

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Eine Szene mit ansatzweisem Belauern und dem mannorientiert herausgeschobenen Innenverteidiger (Mittekreis) bei Sevilla. Diesmal gelingt es Betis, sich etwas zu lösen, doch ist dies nur ein Teilerfolg.

Ganz besonders gerne attackierten die Hausherren auf ihrer eigenen rechten Seite, wofür Bacca sich etwas linksseitig postierte und den gegnerischen Aufbau über Amaya dorthin zu lenken versuchte. Mit dem weit zur Seite rückenden Rakitic und dem meistens helfenden Iborra hatten sie dort sehr enge Positionierungen, um Ballgewinne zu erzeugen. Ein wenig enttäuschend war dabei, dass Betis in den Situationen, wenn Sevilla das Pressing einmal nicht so gut gelungen war, nicht mögliche Schwachstellen anvisierte, sondern recht früh lang oder vorschnell in die Tiefe spielte. Wie gut die Hausherren meistens pressten, zeigte sich daran, dass Betis´ Rechtsverteidiger Juanfran im ersten Durchgang nur einen einzigen Pass in der eigenen Hälfte spielen konnte.

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Sevilla lenkt Betis auf die Seite und steht dort herübergeschoben, mit Raktic vor Reyes. Theoretisch könnte Betis die Situation auflösen, greift aber zum langen Ball

Rakitic und das Abschnüren am Flügel

Passenderweise entstand auch die frühe Führung in der zweiten Minute nach einem gewonnenen Abpraller im Bereich des rechten Halbraums, von wo Reyes einen Pass hinter die Abwehr auf Bacca steckte, der zuvor etwas auf den linken Flügel gewichen war und aus dem Rücken des Außenverteidigers kam. Nach diesem schnellen Rückstand musste Betis viel Initiative entwickeln, kam gegen das gelungene Pressing des Stadtrivalen aber eben nur selten frei. Wenn sie einmal weiter aufrücken konnten, verschwendeten sie die seltenen Räume vor der Mittelfeldkette des Rivalen zu aktionsorientiert für mittelprächtige Weitschüsse – die beste Chance hatte Juanfran mit einem diagonalen Lauf, bei dem der breit postierte Steinhöfer raumschaffend agierte. Ansonsten schaffte es Sevilla beim Gelingen des gegnerischen Aufrückens aber meistens gut, diese auf die Flügel abzudrängen, wo Betis zwar unterstützende Spieler hinschob, diese allerdings nicht entsprechend nutzte.

Bestes Beispiel dafür war Spielmacher Joan Verdú, der sich in typischer Weise zusätzlich auf die Seiten und vor allem nach links bewegte, bei der Ausführung dieser Verschiebungen aber etwas zurückhaltend agiert. Seine verbindende Spielweise führt er nur teilweise ballfordernd und nicht wirklich dominant aus, weshalb Vadillo sich meistens auf seine Dribblings fokussierte und die Kombinationsansätze überging. Auch Nono lieferte einen eher ineffektiven Auftritt ab und war ebenfalls nicht die durchschlagende Unterstützung, wenngleich ihm mit seiner engagierten und giftigen Spielweise einige ordentliche Aktionen trotz wechselhafter Übersicht gelangen. Alles in allem war aber letztlich Rakitic der entscheidende Mann, indem er als Zehner weit zu diesen angedeuteten Linksüberladungen hinüberschob und damit Betis weitgehend abschnürte.

Rechtsüberladungen mit Licht und Schatten

Auch in der Offensive fokussierte sich Rakitic gerne auf diese halbrechten Bereiche, womit gleichzeitig das gesamte Angriffsspiel seines Teams meistens durch diese Zonen nach vorne getragen wurde. Dabei zeigten die Gastgebver durchaus ordentliche Überladungen, bei denen Reyes sehr gerne hoch bis in letzte Linie ging, so dass Rakitic und Iborra halbrechts in verschiedenen Ebenen helfen konnten. Allerdings fanden sie dabei keineswegs konstante Durchschlagskraft, da die Staffelungen in diesen Aktionen nicht optimal angelegt waren und auch das letzte Aufrücken – gerade aus dem Sechserraum – etwas inkonsequent ablief, was dann die Präsenz beeinträchtigte.

Darüber hinaus gab es einige kleinere Probleme, wie beispielsweise die sehr wechselhafte Entscheidungsfindung von Reyes oder das Verschwenden von guten Chancen auf Schnellangriffe. Während des Rückwärtsgangs, also im vertikalen Verschiebemoment, stand Betis häufig offen im Zwischenlinienraum, was Sevilla in diesen Szenen aufgrund schwacher Raumnutzung in der Zentrale aber nicht bestrafen konnte – wenn die Grün-Schwarzen dann das Zurückfallen in eine tiefere Ebene abgeschlossen hatten, standen sie dort grundsätzlich ziemlich überzeugend. Auch die linke Seite agierte teilweise zu breit und präsentierte vor allem nach Verlagerungen, die M´Bia von rechts brachte, bei ihren direkten Aktionen zu ineffektiv.

In ihren unterstützenden Aufgaben wirkten Alberto Moreno und Vitolo aber sehr intelligent und führten diese indirekte Spielweise sehr geschickt aus. Gerade Letzterer versuchte seine breite Grundstellung gerade für eine balancierende Rolle zu nutzen, wodurch er einige Male die gegnerische Kompaktheit ansägen oder bestimmte Räume schaffen konnte. Davon profitierte der enorm talentierte Linksverteidiger Moreno hinter ihm, der seine zuverlässige Spielweise abspulte und einige bedachte Aktionen in die Halbräume bringen durfte, wenngleich er nicht seinen besten Tag erwischte.

Besonders wichtig war, dass Vitolo aus seiner breiten Stellung sporadisch immer mal wieder plötzliche und vereinzelte Bewegungen nach rechts zeigte, mit denen er sich in die dortigen Überladungen einschaltete. Da er sich geschmeidig entlang der Horizontalen bewegte, situativ die Schnittstellen anvisierte und vor allem fast immer das richtige Timing für diese Ausnahmefälle fand, gehörte er zusammen mit Bacca zu den entscheidenden Protagonisten, um den Angriffen die nötige Durchschlagskraft zu verleihen – deshalb war diese insgesamt auch nicht „dauerhaft“ vorhanden.

Abschluss

Solange es 1:0 stand, blieben Betis allerdings noch alle Chancen. Pepe Mel stellte sogar um und ließ in bestimmten Offensivszenen sowie vor allem im Pressing eine asymmetrische Raute  mit Steinhöfer und Nono als Halbspielern praktizieren, doch ehe diese Variante eine Wirkung hätte entfalten können, sorgten die aufregenden Minuten unmittelbar vor der Halbzeit für eine Vorentscheidung. Zunächst sah Paulao – kurz zuvor wegen Meckerns verwarnt – eine ungeschickte Gelb-Rote-Karte, ehe M´Bia nach dem anschließenden Freistoß unter Mithilfe von Sara zum 2:0 einköpfte. Nach der Pause sorgten Baccas Zurückfallen und einer von Vitolos vereinzelten Läufen im Anschluss an eine Rechtsüberladung gegen die geschwächte Betis-Abwehr für den dritten Treffer, ehe Iborra kurz vor Ende nach einer Ecke das zu hohe Ergebnis von 4:0 besiegelte.

Wir bedanken uns bei laola1.tv für das Bildmaterial!

Paul 27. November 2013 um 22:14

Klasse Beitrag zu einem klasse Spiel. Das Sevilla-Derby ist immer sehenswert und es freut mich natürlich, dass der FC dieses wichtige Derby gewinnen konnte. Hoffentlich kann Emery Sevilla wieder zu einem Europa-tauglichen Team machen

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