AS Roma – Lazio 2:0
Nach einer ersten Halbzeit ohne Chancen steigert sich die Roma und gewinnt das Haupstadtderby gegen Lazio. Es war ein Spiel, in dem das Aufrücken einen wichtigen und interessanten Aspekt darstellte.
Vor der Partie waren die Situationen weitgehend abgesteckt. Bei Lazio sind wahrlich nicht alle Spieler fit und einsatzbereit, doch es hat sich bereits eine recht klare Stamm-Mannschaft herauskristallisiert, die in den ersten Partien wie beispielsweise gegen Juventus eingesetzt wurde. Dabei arbeitet der in ihrem 4-1-4-1 als halbrechter Achter agierende Álvaro González viel auf dem Flügel mit, um den immer stärker werdenden Candreva zu unterstützen oder zu entlasten.
Auf der anderen Seite hat die Roma mit dem von Lille gekommenen Rudi Garcia einen neuen Trainer, der seine eindeutige taktische Marschroute bereits in die Tat umgesetzt hat. Wie zu seiner Zeit in der französischen Liga, wo er 2011 den Meistertitel holte, gibt es ein 4-3-3 mit einem vielseitigen Mittelfeld und einem beweglichen Dreiersturm ohne klare Positionsaufteilungen und eindeutigen Neuner – so spielt Francesco Totti nominell mal wieder ganz vorne und interpretiert diesen Posten sehr frei und spielmachend. Ergänzt wurde er für diese Partie vom eigentlichen Achter Florenzi und dem schnellen Gervinho, der bereits in Garcias Lille-Team ein unverzichtbarer Teil des rochierenden Trios in vorderster Front gewesen war.
Gerade die erste Hälfte dieser Partie verlief ähnlich ereignislos, wie das Pokalfinale zwischen den Teams aus dem Mai. Im Vergleich zu jener eher niveauarmen Begegnung ging es diesmal allerdings interessanter zu – der Grund für die wenigen Höhepunkte lag darin, dass sowohl die Roma als auch Lazio jeweils zu sehr viel Kontrolle und Ruhe im Spielaufbau kamen, sich dann aber schwertaten, die gegnerische Defensive zu knacken, weshalb es eigentlich überhaupt keine wirkliche Torchance vor dem Seitenwechsel gab.
Lazios flexible Defensive anfangs nicht zu knacken
Im Defensivspiel von Lazio zog sich deren Konstrukt meistens passiv zurück, so dass sich Klose am gegnerischen Sechser de Rossi orientierte und die Innenverteidiger gewähren ließ. Auch dahinter setzte der Pokalsieger auf einige Mannorientierungen – grundsätzlich Álvaro González gegen Strootman und Hernanes oder situativ Ledesma gegen Pjanic, womit der jeweils andere stets frei war. So durfte Hernanes einige Male sein typisches, etwas fahriges Herausrücken zeigen und dabei einen zurückfallenden Mittelfeldspieler oder zusätzlich de Rossi anlaufen. In Phasen, während derer Ledesma keine Verantwortung für das Abdecken von Pjanic hatte, konnte der Kapitän entweder den tiefen Totti aufnehmen oder sich als herumschwirrender Absicherungsspieler betätigen.
Gegen diese Ausrichtung der Laziali fanden ihre Stadtrivalen anfangs nicht die richtigen Mittel, da beispielsweise die Innenverteidiger viel zu inaktiv im Bewegungsspiel agierten. Gerade Castán hätte viel mehr aufrücken können, doch stattdessen wurde zurückfallendes Personal aus dem Mittelfeld mit schwacher Raumnutzung hinten verschenkt. So ermöglichte die Roma, dass Lazio seine typische Defensivstärke entwickeln konnte. Diese zeigten zwischendurch Wechsel zwischen den Achtern und den Flügeln – wenn beispielsweise einer der Außenspieler etwas weiter vorgerückt war und überspielt wurde, schob der Achter dahinter hinaus und coverte die Seite, teilweise agierten auch beide zusammen in versetzt in den Halbräumen.
In einer solch flexiblen Verteidigung mit zu balancierenden Mechanismen zwischen Seiten und Halbräumen sowie dem situativen Abdecken einzelner Bereiche fühlen sich die Himmelblauen schon seit vergangener Saison meistens sehr wohl und spielen hervorragend. Hinzu kommt ihre sehr starke und effektive Nutzung der Arbeit mit dem Deckungsschatten, wodurch sie eine weitere Dimension in ihrem Defensivspiel haben. Auch diese erste Halbzeit fügte sich ins Bild ein, so dass die Roma hinten viel herum schieben konnte und Pässe sammelte, allerdings kaum hinter die kompakte und breitflächig stabile erste Reihe Lazios kam, die wie eine Wand kurz hinter der Mittellinie stand. Die vereinzelten Versuche von de Rossi, mit langen Bällen über diese stabile Zone hinüber zu spielen, blieben erfolglos.
Nur ganz selten einmal fanden der meistens kollektiv oder von Ledesma aufgefangene Totti und der fahrig wirkende Florenzi für Kombinationen zusammen – solche Aktionen wie bei einer ansehnlichen Hacken-Weiterleitung der Roma-Legende durch den rechten Halbraum waren Mangelware. Wenn die geringe Präsenz im letzten Drittel sonst Ansätze produzierte, was beispielsweise über die Pärchenbildung auf den Flügeln geschehen konnte, war Lazios gute Strafraumverteidigung zur Stelle. Das beste Mittel für Gefahr waren die mit der Zeit zunehmenden diagonalen Läufe von Maicon, bei dem dieser die Bälle von den Mittelfeldspielern geschickt wieder in mittige Räume abgelegt bekam, weil auf diese Weise Lazios Pressinglogik durchaus geknackt oder zumindest überrascht werden konnte – spätestens am Strafraum war jedoch fast immer Endstation.
Lazio mit sicherem Aufrücken, aber ohne Torchancen
So gab die Roma vor der Pause nur drei Schussversuche ab – zwei resultierten aus Standards, die beste Gelegenheit war ein ordentlicher Fernschuss von de Rossi. In die andere Richtung war eine sehr ähnliche Gemengelage vorhanden, denn die vier Abschlussversuche der Laziali gingen ebenso wenig auf das Tor und waren noch etwas harmloser als jene der Roma. Gegen deren ebenfalls sehr mannorientiertes Pressing – in seiner Ausführung klarer und etwas weniger flexibel – fand Lazio keine konstanten Lösungen. Einige Male zeigte Cana sehr konsequente Vorstöße durch die offenen Räume im Mittelfeld bis ins letzte Drittel, doch wurde dieses effektive Mittel zu selten genutzt. Allerdings dämmte Totti die Chance für diese Läufe auch, indem er sich im Verlauf der ersten Halbzeit immer geschickter und wirksamer zwischen den gegnerischen Innenverteidigern bewegte.
Obwohl es weniger Möglichkeiten für die aufrückenden Innenverteidiger gab und die Roma nah am Mann verteidigte, gelang Lazio zumindest ein recht zuverlässiges Vorarbeiten ins letzte Drittel. Einige Male geschah dies nach langen Bällen, einige Male auch nach diagonalen Aktionen von Cavanda, der mit diesen Läufen wie Maicon die offenen Bereiche aufgrund der gegnerischen Mannorientierungen ausnutze. Meistens war es für das Vorrücken aber solides Spiel entlang der Seiten, bei dem die Laziali gut in Freiräume spielten und über die Unterstützung der Achter ballsichere Dreiecke bilden konnten – gerade rechts funktionierte dies trotz der Enge an der Auslinie regelmäßig.
In Strafraumnähe angekommen, fanden die Gäste aber keine Mittel, um auch den nächsten Schritt zu gehen und wirkliche Torchancen erzeugen zu können. Ganz selten gab es einige schöne Kombinationsansätze im Zehnerraum durch Hernanes und den gut einrückenden Lulic, doch machten die Kollegen dabei zu wenig mit. Die immer wieder von Candreva oder Cavanda gebrachten Flanken ließen ein wenig Gefahr aufkommen, doch konzentrierten sich die Himmelblauen zu viel auf diesen Weg und schienen im psychologischen Sinne mögliche andere Fährten zu vernachlässigen. Am Ende scheiterten sie immer häufiger an ihren altbekannten Problemen – zu inkonstantem Aufrücken und teilweise schwachen Staffelungen der Offensivspieler.
Die Roma dominiert nach der Pause: Erst verbessertes Aufrücken, dann mehr Präsenz
Ein 0:0 war das passendste aller möglichen Pausenresultate, doch nach der Halbzeit war eindeutig die Roma stärker und gewann verdient, wenngleich Lazio bis zum Führungstor auch noch seine Chancen hatte. Maßgeblich für die deutliche Steigerung der „Wölfe“ war die Einwechslung von Neuzugang Adem Ljajic, der den schwach aufgelegten Florenzi ersetzte. Der von der Fiorentina gekommene Serbe ist nicht nur ein interessanter Interviewpartner, sondern auch ein hervorragender Kombinationsspieler, was er im Duo mit Totti direkt unter Beweis stellte.
Diese beiden fanden effektivere Wechselwirkungen in den Halbräumen, während die gesamte Mannschaft – angefangen bei den besser positionierten Innenverteidigern – sich in Sachen Raumnutzung merklich steigerte. So konnten sie gegen das mannorientierte Mittelfeld des Stadtrivalen viel häufiger vorspielen und dynamisch freie Lücken zum Hineinstoßen anvisieren. Auch wenn diese Kombinationen nicht so häufig bis zum Tor gelangten, konnte die Roma durch die von Totti initiierten Dreiecke und Überzahlen immerhin deutlich einfacher aufrücken als noch vor dem Seitenwechsel.
Gerade die rechte Seite wurde anschließend verstärkt gesucht – Maicon nutzte beispielsweise das leichtere Vorrücken des Teams und brachte, ähnlich wie es Lazio vor der Pause getan hatte, ständige Flanken in die Mitte. Währenddessen gingen Totti und Ljajic ebenfalls sehr häufig auf diesen Flügel, den sie zusammen mit dem viel breiter stehenden Pjanic überladen konnten, woraus mehrere saubere Durchbrüche zur Grundlinie mit folgenden Hereingaben generiert wurden. Mehr und mehr Bälle segelten in den Strafraum Lazios, der zusehends unter Belagerungszustand geriet – bis die starke Strafraumverteidigung um den diesmal hervorstechenden Ciani nicht mehr standhielt.
Zunächst traf der – ebenso wie Maicon immer offensiver werdende – Balzaretti am zweiten Pfosten nur Aluminium, doch die folgende Ecke wurde schnell ausgeführt und gab ihm eine weitere Chance, die er per Volley zur Führung nutzte (63.). Danach dominierte die Roma die Begegnung, spielte ihre Überlegung endgültig aus und hatte stets Zugriff auf die Begegnung, indem sie Lazio auch durch gutes Gegenpressing hinten einschnürten. Am Strafraumeck gab es einige nette Kombinationen und mit der Führung im Rücken ging vieles spielerisch leichter, doch der wichtigste Aspekt beim ersten Durchbruch war der enorme Druck und die verstärkte Offensivpräsenz gewesen, worunter Lazio nach einiger Zeit zusammenbrach. In der letzten Minute hatte Ederson die einzige Ausgleichschance, wohingegen die Roma mehrere Szenen vor Marchetti hatte – nachdem Boriellos Kopfball zu unplatziert war, erhöhte Ljajic per Elfmeter in der Nachspielzeit und machte den verdienten Sieg perfekt.
Fazit
Es war ein verdienter Sieg für die Hausherren, weil sie sich nach einer ersten Halbzeit ohne Chancen kontinuierlich steigerten – erst fanden sie bessere Strukturen zum Aufrücken, dann nutzen sie dies und fokussierten sich stark auf das Überladen der rechten Seite und hohen Offensivdruck. Bei Lazio müssen die ganz seltenen Ansätze durch die Zehnerräume intensiviert werden und das eigentlich starke Auftreten in der Defensive darf nicht mehr diese Phasen haben, in denen es deutlich abfällt. Dagegen kann die Roma nach zwei sieglosen Jahren im Derby della Capitale wieder jubeln und ist in der Frage des Titelrennens zumindest ein wahrscheinlicherer Kandidat als der Stadtrivale, wobei die enorme Konkurrenz die Hoffnungen auf die Meisterschaft dämpft. Grundsätzlich ist das Potential für den großen Wurf beim Tabellenführer vorhanden – nun braucht es auf jeden Fall Stabilität, die die Roma innerhalb einer Saison zuletzt eigentlich nie hatte.
3 Kommentare Alle anzeigen
Trequartista 26. September 2013 um 00:26
Im Vergleich zu den letzten zwei Jahren habe ich das Gefühl das Pjanic vermehrt offensiver und höher spielt bei Ballbesitz wenns in das letzte Spielfelddrittel geht, so wird Totti vorne entlastet und kann such vermehrt auf das horizontale verschieben konzentrieren, was Rudi Garcias geforderter Flexibilität im Sturm sicher zugute kommt.
Ein guter Griff wie ich meine, denn Totti in dem Alter kann natürlich nicht überall sein, De Rossi und Strootman sichern Pjanic dann ab, vor allem De Rossi ist immer eng mit den IVs vor der Abwehr und spielt den „Staubsauger“.
Man könnte also festhalten, Totti spielt eine Art Teilzeit hoch stehende Spiel machende false 9, sowas in der Art.
GH 23. September 2013 um 11:35
Sehr gute Analyse.
Wer besetzte eigentlich den linken Flügel? Nur Balzaretti oder auch der Linksaußen?
War Tottis Aufgabe vor allem Überzahlen herzustellen und die Seite zu überladen und auch als Kombinationspartner im 2.ten Spielfelddrittel zu dienen oder war er auch einige Male eine Art Wandspieler?
Wie findest du, hat sich Kevin Strootman in Roma „eingelebt“?
TR 23. September 2013 um 14:20
Naja, der jeweilige Flügelspieler, also Ljajic oder Florenzi. Totti und Strootman trieben sich dort auch herum zwischendurch, was Letzterer nach dem Wechsel häufiger machte, um die ansonsten dominante rechte Seite etwas auszugleichen.
Totti hat in der zweiten Halbzeit etwas weniger in der Mitte die Kombinationen gesucht, sondern wollte vor allem Überzahlen für leichtes Aufrücken herstellen (in verschiedenen Räumen) und dann die rechte Seite überladen. Als Wandspieler agiert er bei den Kombinationen aufgrund seiner nominellen Mittelstürmerposition manchmal eben automatisch, wobei er gemäß seines Naturells eher Weiterleitungen denn Ablagen spielt.
Zu Strootman lässt sich nichts Problematisches sagen. Weitgehend starke Leistungen und recht gut eingebunden, wenngleich noch etwas auf Sicherheit konzentriert. Durfte beispielsweise am vorletzten Spieltag in Parma auch den Elfmeter schießen und verwandelte.