1. FC Nürnberg – FC Augsburg 0:1

Nürnberg gegen Augsburg stand heute auf dem Programm. Für Taktikfans klang es nach einer interessanten und vielleicht gar spielerisch hochwertigen Partie, für die meisten anderen klingt es nach einem Kellerduell. Es sollte kein Spektakel werden.

Nürnberg vorne fehlerhaft

Erst in der 55. Minute sollten die Nürnberger den ersten Torschuss haben. Nach einem Freistoß schoss Kiyotake relativ harmlos in die Arme von Augsburgs Torwart Hitz. Die Statistik mag zwar etwas übertrieben sein, denn Nürnberg hatte ein paar gute Hereingaben und war bei Standards gefährlich, auch wenn die Abschlüsse dann nicht aufs Tor gingen. Dennoch zeigten sich die Nürnberger in der Offensive ziemlich harmlos und schafften es nicht konstant aus dem Spiel heraus den Augsburgern Probleme zu bereiten. Dies lag zwar auch an den Augsburgern – was in der Analyse noch kommen wird –, aber den Nürnbergern fehlte es primär an den passenden Strukturen in der Offensive; und insbesondere an der Vielfalt derselben.

Grundformationen zu Beginn

Grundformationen zu Beginn

So konnte eigentlich nur eine durchgehende gefährliche Offensivvariante beobachtet werden: Über den pendelnden Kiyotake wurden Pässe verteilt und Robert Mak auf dem rechten Flügel kombinierte mit Kiyotake und dem spielstarken Feulner. Mak konnte sich dadurch das eine oder andere Mal befreien und Richtung Tor ziehen, alles in allem war er dann aber in seinen Läufen zu isoliert, um eine Großchance zu ermöglichen.

Sein Gegenüber Josip Drmic hatte es aber noch schlechter erwischt: Er war nicht ordentlich eingebunden und kam insgesamt in 65 Minuten auf nur 18 Ballkontakte (47% Passgenauigkeit!); Mak hatte doppelt so viele. Mit Alexander Esswein brachte Wiesinger dann einen anderen Spielertyp. Esswein kann sich mit seiner Athletik und Dribbelstärke im 1-gegen-1 durchsetzen, er kann auch aus ungünstigen oder isolierten Situationen was erzwingen, wodurch er für die unstrukturierte Offensivspielweise der Nürnberger auf dem linken Flügel die bessere Option war. Nach seiner Einwechslung hatten die Franken auch mehr vom Spiel, drangen weiter in die gegnerische Hälfte ein und kombinierten mehr über die linke Seite. Dennoch blieben sie zumeist auf den Flügeln und an der Grenze zum letzten Spielfelddrittel hängen.

Problematisch dabei waren die Sechser, welche sich weder kreativ noch aufrückend zeigten. Vereinzelt kippte Balitsch ab, um dem Pressing der Augsburger entgegenzuwirken und Kiyotake ging dann in die Nähe des Sechserraums, ansonsten gab es aber keine wirklichen Mechanismen im Spielaufbau, die über die Grundprinzipien (Spiel breit machen, usw. usf.) hinausgingen. Meistens waren es pendelnde Bewegungen von Kiyotake und dessen Pässe, die für Kreativität sorgten, ansonsten kam spielerisch eher wenig und die meisten Angriffe gingen über Dynamik und Schnelligkeit der jeweiligen Akteure. Das lag aber, wie schon erwähnt, auch an den Augsburgern.

Augsburger Pressing

Nominell schienen die Augsburger eigentlich in einem 4-1-4-1 aufgestellt, wie es schon in der vergangenen Saison üblich war. Holzhauser sollte einen einrückenden Außenstürmer spielen, wie es schon Koo tat. Zentral gab es mit Moravek und Altintop, der den Ji-Part übernahm, eine asymmetrische Doppelacht und Baier sicherte dahinter ab. Doch bei gegnerischem Ballbesitz wurde diese Anordnung kaum eingehalten. Meistens wirkte es wie ein 4-4-2/4-4-1-1, in welchem sich Altintop zu Mölders gesellte und die Innenverteidiger Nürnbergs unter Druck setzte.

Zumeist versuchte dabei Mölders das Aufbauspiel des Gegners zu leiten oder sie von einer Seite zu isolieren, während Altintop mit Dynamik aus der Tiefe kam und sich dann am Pressing beteiligte. Eine 4-1-4-1-Anordnung gab es eigentlich nie, lediglich die Doppelsechs war leicht asymmetrisch organisiert und Baier hielt sich tiefer, während Moravek gelegentlich nach vorne ging und sich am abkippenden Balitsch orientierte. Generell gab es auf beiden Seiten immer wieder situative Mannorientierungen, um Zugriff im Pressing oder Stabilität im Defensivspiel zu erhalten, doch nur bei den Augsburgern führte dies zu einer formativen Veränderung: Das 4-4-1-1 wurde dann zu einem 4-1-3-2.

Mit dieser Spielweise und einem passablen Gegenpressing konnten die Augsburger die meisten Nürnberger Angriffe abwürgen und auf die Flügel lenken. Wie schon erwähnt waren es lange Zeit nur Standards, einzelne Kiyotake-Aktionen und Maks versuchte Durchbrüche, die ansatzweise die Augsburger Defensive zu durchbrechen schienen. Ansonsten stand die Weinzierl-Truppe solide, auch wenn sie teilweise etwas fahrig herausrückte und gelegentlich zu optionsorientiert spielte; das eine oder andere Mal öffneten sich Räume oder gefährliche Gleichzahlsituationen, die Nürnberg aber inkonsequent nutzte.

Augsburg war wegen dieser Faktoren – der mangelnden Offensivstruktur Nürnbergs und der eigenen Stärke im Pressing, trotz gewisser potenzieller Instabilität – die stärkere Mannschaft; erst gegen Ende nach der gelb-roten Karte für Pinola gerieten sie interessanterweise etwas ins Schwimmen, standen tief, verloren einige wichtige Zweikämpfe (erste Halbzeit hatten sie knapp über 60% der Zweikämpfe gewonnen, bei Spielende waren es weniger als 50%; statistische Regression?) und hatten Probleme mit dem nun flügellastigeren Spiel der Nürnberger, die sich ohne den für Plattenhardt ausgewechselten Kiyotake konsequenter auf Flügelüberladungen konzentrierten.

Beinahe hätte man den Ausgleichstreffer kassiert, weil man abermals zu lange mit der Führung wartete und die Angriffe nicht ordentlich beendete.

Der Baier-Faktor

Augsburg zeigte keine hervorragende Leistung; auch nicht für ihre Verhältnisse, obwohl sie die bessere Mannschaft waren. Im zweiten und insbesondere im letzten Spielfelddrittel mangelte es an der nötigen Erfolgsstabilität im Passspiel, Mölders und Altintop vorne hingen trotz interessanter taktischer Bewegungen etwas in der Luft und Holzhauser konnte nur in der Anfangsphase wirklich konstant überzeugen, später fehlte es ihm an der Präsenz und dem zuvor gut sichtbaren Kombinationsspiel mit Ostrzolek. Einzig Hahn zeigte mit seinen Durchbrüchen auf rechts und seiner Rolle als Breitengeber, der vertikal und diagonal in die Spitze stößt, eine sehr gute Einbindung im Kontext seiner Fähigkeiten und auch gegen seinen Gegner, den alternden Pinola.

Augsburgs Spiel im ersten Drittel war aber lange Zeit sehr gut. Der Grund war der Gleiche wie immer: Daniel Baier. Er bewegt sich taktisch hervorragend, erobert mit seiner Antizipation und Spielintelligenz einfach Bälle und ist offensiv ebenfalls stark. Beim Abkippen schwankt er nicht zwischen den zwei Extremen, prinzipiell und dadurch oft zu früh abkippen oder zu spät und somit ineffektiv abkippen, sondern bewegt sich immer situativ und mit passendem Timing. Außerdem erkennt er die Situation auch gut, sieht, wann er überhaupt abkippen muss und wann es sogar kontraproduktiv wäre. In der 2-3-4-1-Aufbauformation bei Augsburg übernimmt er vor der Abwehr eine Schlüsselrolle.

Desweiteren kurbelt er mit seinen spieleröffnenden Pässen nicht nur die Angriffe an, sondern kann auch aus der Tiefe den tödlichen Pass spielen oder mit Ball am Fuß Richtung letztem Spielfelddrittel aufrücken. Von allen Mittelfeldspielern und Stürmern hatte nur Balitsch eine bessere Passquote (86:85%), doch Baier kam auf beeindruckende drei Torschussvorlagen.  Das schafften sonst nur die offensiveren Kiyotake und Hahn, aber die beiden kamen auf eine geringe Passerfolgsquote, 69% bzw. 54%. Gäbe es noch den einen oder anderen Baier mehr, würde Augsburg nicht einmal einen Stürmer brauchen, sondern die Tore spielerisch erzwingen.

Fazit

Letztlich war es ein fahriges Spiel mit wenigen Großchancen, vielen Fehlpässen und zahlreichen „Hätte, Wenn und Aber“. Nürnberg sah in der Strafraumverteidigung und der defensiven Kompaktheit gut aus, Augsburg konnte diesen Wall oftmals nur über die Flügel mit diagonalen Hereingaben bespielen. Allerdings waren die Franken ihrerseits relativ ungefährlich und konnten erst in der Schlussphase mit Esswein und zuvor mit individuellen Mitteln Gefahr erzeugen. Der Augsburger Sieg ist auch dadurch verdient und spiegelt trotz viel mehr Abschlüssen den Leistungsunterschied, denn die Augsburger müssen eine höhere Konstanz in ihr Kombinationsspiel und mehr Durchschlagskraft in die Endphase ihrer Angriffe bringen.

Alexander | Clubfans United 17. September 2013 um 10:47

Danke für die Analyse!

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Schimanski 2. September 2013 um 04:59

Danke für die Analyse.

Die hohe Position von Altintop ist mir auch gegen Stuttgart aufgefallen. Mich hat das in dem Moment etwas gewundert, weil ich davon ausgegangen bin, dass die offensive Viererkette im 4-1-4-1 gegen den Ball ähnlich wie eine defensive Viererkette gespielt wird (also mit Dreieckbilden und Sichel), um eine horizontale Kompaktheit zu erzeugen und die Durchlässigkeit zu verringern. Aber Altintop hielt den Versatz oft unabhängig von der Position des Balles.

Anscheinend wird der Schwerpunkt aber auf das Pressing gelegt, wobei mir Altintop dahingehend auch nicht besonders aufgefallen ist. Ich fand sein Stellungsspiel etwas willkürlich, schlampig und spekulierend, aber es mag auch sein, dass mir das Verständnis für seine Bewegungen fehlt. Mich würde eure Meinung zu ihm interessieren…

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Bernhard 31. August 2013 um 23:21

Servus,danke für den Artikel.
Ich hätte zwei Anmerkungen zu Daniel Beier:
1. Ist seine relativ hohe Positionierung auf der Grafik mit der Grundformation beabsichtigt,oder bloß Zufall?
2. Ich weiß die Frage ist eher naiver Natur,aber meinst du dass Augsburg so einen klasse Spieler wie Baier auch noch nach dieser Saison wird halten können? Seit ihrer letzten Hinrunde bin ich echt ein Fan von seiner Spielweise geworden.

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datschge 1. September 2013 um 01:06

1. Dürfte beabsichtigt sein, da er ja viele gefährliche Situationen durch seinen Antizipation schon hoch entschärfen konnte.
2. Er ist im gegenwärtigem Jugendwahn nicht mehr der Jüngste. Solange bei Augsburg das System praktisch um ihn herum aufgebaut ist, wird er denke ich bleiben.

Schön wäre mal ein Spielerportrait zu ihm (besonders wenn noch öfter das Spiel um ihn herum so belanglos ist 😀 ), wie hat er früher als Offensivspieler gespielt, welche Eigenschaften hatten ihn (und könnte potentiell andere Offensivspieler) dazu befähigt, diesen doch anspruchsvollen modernen Defensivpart so ziemlich auf Anhieb alleine zu übernehmen usw.

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ekMUC 2. September 2013 um 19:11

So ein Porträt hätte was 🙂

Und Merci für die Analyse, dank Eurer Arbeit kann ich mir oft unter Spielen (vernünftig) etwas vorstellen, die ich nicht gesehen habe…

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