Eindrücke von der U20-WM 2013
In der Türkei kämpfen die besten Junioren-Nationalteams um die Krone des Weltfußballs. Mit vielen überraschenden Ergebnissen hat sich ein buntgemischtes Halbfinale ergeben. Zeit für Eindrücke über Spielweisen und Spieler dieser vier Mannschaften sowie einiger anderer Teams.
Frankreich
Es hat sich viel zu jenem Team verändert, dass bei der U19-EM im vergangenen Sommer mit der Halbfinalteilnahme die Qualifikation für dieses Turnier erreichte. Für die vielen zentral ausgerichteten Mittelfeldspieler passte das 4-4-2 nicht ideal, weshalb auf ein weiterhin solides 4-3-3 umgestellt wurde, aus dem die Franzosen sich zu einem großen Topfavoriten aufgeschwungen haben.
Von den Halbfinalisten sind die „Les Blues“ individuell am besten besetzt – so gibt es in der Innenverteidigung mit Umtiti, Zouma und Sarr beispielsweise Härtefälle. Bisher war der äußerst großgewachsene Sarr sicherer Stammspieler, was er sich mit vielen guten Aktionen auch verdiente, wenngleich ihn seine Körpergröße in manchen Szenen gar behinderte. Sein Partner Umtiti von Lyon begann das Turnier mit dominanter Spielweise, wurde aber zuletzt durch den hochgelobten Kurt Zouma ersetzt. Allerdings konnte dieser seine Lorbeeren noch nicht vollends bestätigen – er wirkte zu inaktiv und passte sich nicht immer antizipativ an die Umgebung an.
Im Mittelfeld verfügt Frankreich ebenfalls über viele starke Spieler – besonders Kapitän Paul Pogba von Juventus sticht dabei heraus. Mit gutem Freilaufverhalten, einem Schuss Lässigkeit und großem Engagement führte er seine Mannschaft voran, greift allerdings manchmal zu früh zum ambitioniertem langen Ball. Neben ihn agiert mit Sevillas Kondogbia ein durchaus ähnlicher Akteur, der diesmal überraschend offensiv eingesetzt wird. Im Vergleich mit seinem Kollegen ist Kondogbia etwas normaler, überzeugt insgesamt ebenfalls mit seinen Positionierungen, hat aber zwischendurch einige unsinnige Aktionen im Spiel. Komplettiert wird das Zentrum vom beweglichen und vielseitigen Veretout, der mit diversen Fähigkeiten als Balancespieler für die anderen beiden auftritt.
Weiter vorne gibt es ebenfalls interessante Akteure, doch stehen diese etwas hinter Pogba und Kondogbia zurück – einzig Mittelstürmer Yaya Sanogo spielte sich mit vier Toren in ähnlichem Maße ins Rampenlicht. Mit seiner ruhigen und gemächlichen Spielweise erinnert der zukünftige Arsenal-Spieler an Deutschlands Nachwuchsmann Said Benkarit. Ansonsten zeigen seine Offensivkollegen Licht und Schatten: Bahebeck ist geschickt beim Einrücken und legt Bälle stark in Zwischenräume ab, agiert aber inkonstant und defensiv unberechenbar, Thauvin dribbelt etwas zu viel und der meistens als Joker spielende Ngando glänzt mit Kombinationsstärke und Beweglichkeit, kann sich aber nicht dauerhaft in Szene setzen.
Ein wenig ist das symptomatisch für die gesamte französische Mannschaft, die ihre Anlagen nicht immer ausnutzt. Das Freilaufverhalten in der Abwehr ist schwankend, während wichtige Mittelfeldräume zu häufig schnell überbrückt werden. Wenn sie dort konsequenter durchspielen, werden sie sofort deutlich gefährlicher – so erklärt sich der Unterschied zwischen der durchwachsenen Vorrunde und den zwei klaren, souveränen K.O.-Siegen.
Ghana
Im Halbfinale werden die Franzosen mit Ghana auf einen alten Bekannten aus ihrer Gruppe treffen – bereits im allerersten Turnierspiel standen sich die beiden Teams gegenüber. Nach einem hochdramatischen Sieg in der Nachspielzeit der Verlängerung gegen Chile haben die Afrikaner das Halbfinale erreicht – 41 Abschlüsse und davon 22 Torschüsse verbuchten sie in jenem Spiel.
Es ist zweifellos ihr fast schon ungezügeltes Engagement in der Offensive, das die Ghanaer in diese vorletzte Runde des Turniers gebracht hat. Entscheidender Mann ist dabei der links offensiv spielende Acheampong, der in vielen Bereichen Fähigkeiten auf gutem Niveau besitzt und vor allem geschickte Balance im Team schaffen kann. Dadurch wird einem der beiden Spieler vor der Abwehr – im Viertelfinale war es Aboagye – ein weites Aufrücken in offensiver Rolle ermöglicht, was Aboagye mit guten Bewegungen im Halbraum zurückzahlte. Meistens taucht er halbrechts auf, wo Odjer und Assifuah viel Unruhe stiften – Ersterer überzeugt mit Instikt für die Situation, agiert aber etwas übereifrig, während bei Assifuah neben seiner Torgefahr besonders seine hervorragenden Läufe in der Diagonale auffallen. Aufgrund dieser Vielzahl an guten Akteuren pendelt Ghanas vielleicht größter, bisher aber nicht restlos überzeugender Star – der in Italien aktive Richmond Boakye – nur zwischen Bank und Spielfeld.
Auf den Seiten verfügen die Ghanaer mit Nketiah und dem bei Greuther Fürth spielenden Baba Rahman über zwei Außenverteidiger mit unbändigem Offensivgeist, die ihre Vorderleute engagiert unterstützen, wenngleich sie zum Beispiel bei Hereingaben viel zu selten effektiv sind. Dies ist generell ein Problem bei den Ghanaern, die gute Situationen schlecht ausspielen und etwas zu früh abschließen – sonst könnten sie gar noch gefährlicher werden. Zweites großes Problem ist beim Weltmeister von 2009 die Arbeit in der Defensive, wo sie insgesamt etwas chaotisch und nicht immer antizipativ genug agieren – die abgeklärte und taktisch geschickte Arbeit der Innenverteidiger kann das nicht auffangen.
Wenn sie das zweite Treffen mit Frankreich erfolgreicher – das Gruppenspiel ging mit 1:3 verloren – gestalten wollen, müssen die Ghanaer trotz aller Offensivwucht noch etwas tun. Daneben sind sie vor allem durch eine ganze Reihe an schmerzhaften Gelbsperren geschwächt, die das Team ziemlich durcheinanderwirbeln dürfte. Für die personell breit aufgestellten Ghanaer, die oft ohnehin früh abschließen, sollte geringere Eingespieltheit im letzten Drittel allerdings nicht ganz so gravierend problematisch sein, wie man das sonst bei vielen Teams sieht. Da die Franzosen ebenso inkonstant sind, ist die Partie aber äußerst schwer zu prognostizieren – ein verrücktes Spiel, wie so viele im Turnier, ist erneut sehr gut möglich.
Irak
Von verrückten Spielen können die Iraker ziemlich viel berichten, denn ihr Viertelfinale gegen Südkorea war eine besondere Begegnung für das wohl größte Überraschungsteam. Schon im Finale um die U20-Asienmeisterschaft trafen die beiden aufeinander – Südkorea glich in der Nachspielzeit der Verlängerung aus und gewann dann das Elfmeterschießen. Beim Rematch wiederholte sich Ersteres, doch der Ausgang vom Punkt war dann genau andersherum.
Auch von der Spielweise und der Formation her unterscheidet sich der Irak von einigen anderen Teams – aus einem 4-1-4-1/5-4-1 heraus praktizieren sie viele aggressive und teilweise chaotische Mannorientierungen, während das Gros der Teilnehmer ziemlich strikt die Orientierung an Raum und Position durchzieht. Einer der Schlüsselspieler ist der nominelle Sechser Saif Salman, der sich intelligent bewegt, defensiv sehr häufig in die Abwehr fallen lässt und eine Fünferkette herstellt, wenngleich er natürlich auch mannorientiert verfolgend spielt. Bei eigenem Ballbesitz agiert er dann im Mittelfeld, doch fehlt ihm hier die Weitläufigkeit aus der defensiven Spielphase – er müsste noch aktiver auftreten. So sind die Verbindungen zu den Offensivspielern nicht ideal.
Da die Iraker aber über ihre Präsenz in den vorderen Räumen kommen, ist dies nicht so schlimm – Saifs Passivität kann über längere Bälle oder die vertikalen Bewegungen von zwei sehr interessanten Akteuren aufgefangen werden. Zum einen ist da der offensive und athletische Linksverteidiger Ali Adnan, der mit vielen mutigen und intelligenten Läufen und Bewegungen das Spiel seiner Mannschaft nach vorne trägt und vertikaler Verbindungsgeber ist. Diese wichtigen Aspekte merzen es aus, dass er noch zu undifferenzierte und –reflektierte Entscheidungen im letzten Drittel trifft. Zum anderen nimmt der meist rechts offensiv spielende Humam Tariq eine entscheidende Rolle ein – dieser gilt als eines der größten irakischen Talente, beherrscht auf engem Raum einige beeindruckende Dribblings, zeigt allerdings auch immer wieder fahrige Aktionen. Generell ist sein Spielstil ziemlich wild, was mit einer seltsamen Geschmeidigkeit und einer sehr dominanten Präsenz kombiniert wird – alles in allem ein hochinteressanter Akteur, der seine Mannschaft antreibt. In seiner Karriere müsste er vielleicht als arbeitsamer Balancespieler mit einzelnen genialen Szenen eingesetzt werden, aktuell sorgt er mit seinen besonderen Charakteristika für ein recht spezielles Offensivspiel beim Irak.
Die teilweise sehr starken, teilweise aber auch zerfahrenen oder limitierten Spieler sind die klar tonangebenden Figuren, während die technisch und spielerisch saubersten Akteure, die man gemeinhin für die „Spielmacher“ halten würde, eher unauffällig oder im positiven Sinne mitmachend sind. Beispielsweise sieht man sowohl den anpassungsfähigen und recht blassen Mahdi Kamil als auch Mohammed Shwkan, der effektive Bewegungen und saubere Weiterleitungen zeigt, weniger als einige präsentere und nicht ganz so spielstarke Kollegen – was aber gut und erfolgreich sein kann.
Uruguay
Komplettiert wird das Halbfinale von einer südamerikanischen Mannschaft – Uruguay sorgt dafür, dass vier Teams aus vier Konföderationen sich in der vorletzten Runde messen werden. Dabei gibt es zwei besonders entscheidende Punkte für den Erfolg der Himmelblauen – der eine ist 19 Jahre jung, war zunächst nicht einmal Stammspieler und heißt Nicolás López, der andere ist eine äußerst stabile Defensive. Beim überraschenden Viertelfinalsieg gegen Europameister Spanien kam diese Stärke der Uruguayer besonders zum Tragen – sie hielten die Spanier in Schach und untermauerten ihre beeindruckende Bilanz von bisher nur zwei Gegentoren in 8 Stunden Fußball.
Eine starke 4-4-2-Grundformation mit verschiedenen vertikalen Verschiebungen, ein situatives 4-1-3-1-1, arbeitsame Offensivspieler und hervorragende Nutzung von Deckungsschatten machen neben guten Einzelspielern diese defensive Sicherheit aus. Interessant auch, dass sich die breite Viererkette nur recht wenig zusammenzieht, wodurch gerade die Spanier aus dem Halbraum oft zu direkten Dribblings in diese scheinbaren Lücken provoziert wurden. Durch die Sechser konnte man dann die Verbindung zu den Mitspielern in der Mitte kappen, während die Außenverteidiger situative Manndeckungen aufnahmen – häufig liefen die Spanier somit ziellos in ein offenes, aber isoliertes Dreieck aus Gegnern (Innenverteidiger, Außenverteidiger, Sechser), die dann bei Beibehaltung des Deckungsschattens attackieren konnten.
Damit kamen die Iberer nie wirklich zurecht. Formativ spielten sie ähnlich wie die erfolgreiche U21 mit einem breiten Flügel und einem engen Mittelfeldspieler auf den Seiten, doch es traten beim Europameister des Vorjahres nicht nur die gleichen Leute an wie damals, sondern neben den gleichen Stärken auch die gleichen Schwächen auf. So musste Jesé zu viel ausweichen, Oliver Torres zu häufig Deulofeu auf dem Flügel absichern bzw. ersetzen und aus dem Mittelfeld fehlte es an Aufrücken, was insgesamt die zentrale Präsenz vorne verringerte. Dadurch wurde die generelle Torgefahr geringer und Uruguay konnte die Unterzahldribblings leichter erzwingen – letztlich betonten die Himmelblauen also erfolgreich die spanischen Schwächen und kamen nicht unverdient weiter.
Auch wenn gegen Spanien der eingewechselte Avenatti das Siegtor nach einer Standard köpfte, ist Nico López doch etwas wie die Torgarantie er Uruguayer – er war schon in der Qualifikation der beste Schütze und liegt auch bei diesem Turnier auf dem zweiten Rang. Genau diese Treffer zeigern auch den besonderen Wert des Roma-Angreifers – neben den bei Supertalenten gerne beschrienen Fähigkeiten wie Schnelligkeit, Dynamik und Dribbelstärke hat López eine besondere Durchsetzungsfähigkeit nach vorne. Im wichtigen Bereich, dem gegnerischen Strafraum, verfügt er über druckvolles Timing, konsequente Entscheidungsfindung und damit eine Effektivität, wie man sie nicht häufig sieht – er macht dann einfach das Richtige und häufig ein Tor.
Dafür braucht er aber auch ein funktionierendes System, das auf ihn zugeschnitten ist. Der rechte Offensivspieler – entweder der vielseitige País oder der bullige, in einer Halbposition agierende und mit viel Potential ausgestattete Diego Rolán – geht häufig etwas höher, um López im Schatten dahinter Freiheiten zu verschaffen. So kann dieser lauern und mit Instinkt auf den richtigen Moment für Läufe oder Aktionen warten. Für diese Asymmetrie ist der links dann tiefer spielende Diego Laxalt der wichtigste Schlüsselakteur – und ein besonderer Spielertyp, der eigentlich genauso wertvoll ist wie López.
Immer wieder rückt er auf verschiedene Arten ein, ermöglicht die offensivere rechte Seite und treibt das Spiel nach vorne, wofür dann einer der Stürmer nach außen ausweicht und damit zentral wieder Räume für López schafft. Insgesamt könnte man Laxalt als spielstärkeren und dominanteren Petr Jiracek bezeichnen. Mit viel Engagement und einer ungewöhnlichen Spielintelligenz zeigt er ballschleppende Dribblings für Verbindungen der Mannschaftsteile, startet sowie leitet geschickt Kombinationen und wühlt sich häufig irgendwie durch. Wenn man denkt, das Dribbling oder der Spielzüg seien längst gestoppt und unmöglich weiterzuführen, bleibt Laxalt doch noch in Ballbesitz oder bringt noch einen Pass an. Manche Bewegungsabläufe erinnern an Marcelo, insgesamt könnte Laxalt in etwas tieferer Position als Flügelläufer groß rauskommen – gut, dass bei seinem Klub Inter, die über zwei Millionen für Laxalt bezahlten, neuerdings Walter Mazzari auf der Bank sitzt.
Der Veranstalter
Als Gastgeber spielte die Türkei um Hamburgs Hakan Calhanoglu eine durchaus vielversprechende Vorrunde, schied dann allerdings im Achtelfinale gegen die starken Franzosen aus – ein etwas unglücklicher Gegner für das erste K.O.-Spiel. Trotz der deutlichen Niederlage konnten die Türken dabei durchaus überzeugen. Insbesondere Calhanoglu, der einem dominanteren Mesut Özil ähnelt, trieb seine Mannschaft an und zeigte schöne Kombinationsansätze in Zwischenräumen.
Auch Taskin Calis, Enver Sahin und Alpaslan Öztürk zeigten sich spielstark und intelligent, so dass Salih Ucan, der als das eigentliche Supertalent keinen guten Tag hatte, fast noch der schwächste Mittelfeldspieler war und einige Male die Aktionen seiner Kollegen nicht effektiv genug weiterspielte. Am Ende war es ein Verlust, dass das kollektiv gute Raumgefühl des türkischen Mittelfelds bereits so früh ausschied. Ein bisschen ähnlich lief es für die Portugiesen, die trotz ihres Toptorschützen Bruma (5 Turniertore) und eines kontrollierten Mittelfelds um Edgar Ié und Andre Gomes bereits im Achtelfinale die Segel streichen mussten.
Die Enttäuschten I: Der Sekundentod
Das wohl bitterste Ausscheiden hatten im Viertelfinale die Chilenen zu verkraften – über weite Strecken der Verlängerung in Führung liegend, kassierten sie in der 121. Minute einen ziemlich unglücklichen und tollpatschigen Gegentreffer zum 3:4 gegen Ghana. Insgesamt beeindruckten die bissigen Südamerikaner bei diesem Turnier mit ihrer aggressiven Ausrichtung.
In einem nominellen 4-3-3 wurde einer ihrer Topspieler – der vielseitige Andrés Robles, den man als kantigen, etwas weniger dynamischen Arturo Vidal bezeichnen kann – als situativ herausrückender Innenverteidiger eingesetzt und die Rechtsverteidigerposition durch den vorschiebenden Campos sehr offensiv interpretiert, während die Sturmreihe von drei hochstehenden und direkten Spielertypen besetzt war. Mit Manchester Uniteds Angelo Henriquez, dem durchsetzungsfähigen und bulligen Castillo sowie Bravo – einem typisch einsatzfreudigen und dynamischen chilenischen Außenstürmer – hatten sie viel Tempo in der Tiefe und erzielten fast alle Tore aus Pässen hinter die Abwehr oder direkt an diese letzte Linie.
Dazu kam noch der junge Bryan Rabello von Sevilla, der im Mittelfeld als wichtiger Verbindungs- und Zwischenraumspieler fungierte. Bei seinen Kombinationsversuchen hatte er allerdings nicht immer Erfolg. Fuentes oder Baeza halfen ihm einige Male gut, doch alles in allem agierten die vorwärts denkenden Chilenen in diesen Szenen zwar eng, aber meistens zu flach. Dies beeinträchtigte nicht nur die Staffelungen entscheidend, sondern auch die Kompaktheit nach hinten – symbolisch waren es beim Ausscheiden gegen Ghana vier Gegentore.
Die Enttäuschten II: Das Leid des Elfmeterschießens
Scheinbar haben die Südkoreaner eine besondere Beziehung zur finalen Entscheidung vom Punkt. Nach einem dramatischen Spiel wurden sie im Elfmeterschießen Asienmeister gegen den Irak, bei diesem WM-Turnier waren sie zwei Mal dabei – und damit bei allen Spielen, in denen diese Disziplin ihre Anwendung fand. Zunächst kassierten sie im Achtelfinale gegen Kolumbien in der Nachspielzeit den Ausgleich, gewannen aber dennoch das Elfmeterschießen, ehe es im erwähnten Duell mit dem Irak jeweils genau umgekehrt lief – so waren Kolumbien und die Südkoreaner am Ende beide die bitter Enttäuschten.
Neben dem sehr präsenten Torwart Lee Chang-Keun waren bei den Asiaten die beiden Mittelfeldakteure Kim und Kwon absolute Schlüsselspieler. Letzter spielte als nomineller Zehner eine etwas seltsam nach außen hängende Rolle, zeigte neben einem soliden Gesamtpaket, großer Spielstärke auf engem Raum und intelligenten Bewegungen aber auch einige seltsame Punkte in seinem Stil: Teilweise spielte er zu verzögernd, hatte keine ideale Ballmitnahme und auch bei guten, freien Situationen war er manchmal überfordert, so dass es an der nötigen Konsequenz mangelte. Bei schwierigeren Situationen scheint er besser aufgehoben, denn auf engem Raum entwickelt er starkes Zusammenspiel mit seinen Kollegen – besonders mit Kim.
Wie von einigen koreanischen Mittelfeldspielern gewohnt, zeigte dieser ebenfalls ein recht breites Spektrum an Fähigkeiten, saubere Technik und geschickte Antizipation – dieser letzte Aspekt war definitiv der auffälligste. Kim dachte mehrere Schritte im Voraus und fing einmal sogar einen Pass vor einem Mitspieler ab, den dieser eigentlich abfangen wollte, dann aber in einer etwas schwierigeren Situation gewesen wäre, was Kim präventiv auflöste. Nicht ganz so intelligent, aber dennoch interessant präsentierte sich Kims Mittelfeldpartner Lee Chang-Min, bei dem eine deutliche Differenz zwischen dem Spiel mit und ohne Ball auffiel. Sein defensives Stellungsspiel und sein offensives Freilaufen mit verbindenden sowie ausweichenden Bewegungen waren sehr ansehnlich, doch wenn er das Leder hatte, agierte er bei weitem nicht so geschickt und war darüber hinaus auch zu abschlussfixiert.
Defensiv setzten die Südkoreaner auf ein etwas steriles, aber arbeitsames 4-4-2, in dem unter anderem Ryu Seung-Woo und Song Jo-Hoon mit defensiver Intelligenz überzeugten und das die seltsame Partie gegen Kolumbien recht gut widerspiegelte. Mit sehr passiver Haltung ließen sie Kolumbien bei deren Ballbesitz viel Zeit und versuchten, Angriffe vorhersehbar zu machen. Weil die Südamerikaner kaum aufrückten, mit vielen Spielern absicherten und Verantwortung auf Starspieler Quintero abluden, funktionierte dies auch. Kolumbien konnte viele Ansätze nicht durchbringen: So bewegten sich die wenigen Offensivspieler ambitioniert, aber nicht druckvoll genug, während beim Übergang ins letzte Drittel immer wieder schöne Wechselpässe eingesetzt, aber zu häufig zu falschen Zeitpunkten verwendet wurden. Letztlich schöpften sie ihr Potential nicht aus und hingen damit zu viel von Quintero ab, der mit herausragender Präzision auf engem Raum auch bei hoher Verantwortung in letzter Minute zu überzeugen wusste und sie damit in die Verlängerung brachte.
Es war symbolisch, dass erst ein langwieriges Elfmeterschießen (8:7) für eine Entscheidung sorgen konnte, denn auch die Südkoreaner hatten Probleme mit der Konsequenz. Ihre Außenverteidiger waren interessanterweise invers aufgestellt, zeigten sich in Sachen Effektivität aber zu schwankend, während Kim im Mittelfeld zu wenig ballfordernd agierte, so dass sein Talent nicht genügend zum Tragen kam. Schließlich spielten sie phasenweise auch noch mit abkippendem Sechser, was ihnen wegen Kwons hoher und seitlicher Rolle an Zugriff auf das Mittelfeldzentrum raubte. Obwohl dies im folgenden Match mit Lees Einbau ins Team besser wurde und gegen den offensivstärkeren Irak die südkoreanische Defensive sich mehrmals auch geschickt aus dem geordneten 4-4-2 löste, um in Überzahlbildungen überzugehen, ereilte sie in jener Runde das gleiche Schicksal wie Kolumbien zuvor.
Anmerkung: Da wir nicht alle Spiele verfolgen konnten, sind bei nur einige der weiteren Mannschaften behandelt, aber einige sicherlich interessante Teams wie beispielsweise Usbekistan leider nicht mit dabei.
Hinweis: Am morgigen Mittwoch steigen die beiden Halbfinals zwischen Frankreich und Ghana (17 Uhr) sowie Irak und Uruguay (20 Uhr). Beide Partien werden live von Eurosport übertragen.
5 Kommentare Alle anzeigen
JG 19. Juli 2013 um 22:58
Bitte macht was zur U-19 EM,falls diese bei Eurosport übertragen wird.Muss ich mich noch selbst schlaumachen 😀
mrb 13. Juli 2013 um 13:31
Wertes Spielverlagerung- Team,
möchtet Ihr auch Analysen von der Fußball- EM der Frauen schreiben, oder kümmert Ihr Euch in diesem Sommer lieber um Fußball, den auch Mario Basler „Fußball“ nennen würde?
Herzliche Grüße
mrb
TR 13. Juli 2013 um 18:20
Kollege TE wollte die DFB-Spiele zunächst einzeln beschreiben, doch ist nun aus Zeitgründen die Entscheidung darauf gefallen, dass wohl eine Art Überblick (wie dieser hier) zur Gruppenphase erscheinen wird/soll. Wie es danach weitergeht, wird man sehen. 😉
mrb 14. Juli 2013 um 13:34
Danke für die schnelle Beantwortung!
pb 9. Juli 2013 um 14:08
Bei Ghana sind die beiden Innenverteidiger und Mittelfeldmann Odjer gesperrt. Bezüglich der beiden Abwehrspieler könnte man hämisch anmerken, dass das angesichts ihrer bisherigen Turnierleistung sicherlich keine Schwächung ist…
Ich wundere mich ein wenig, dass Du die überragende Athletik der Franzosen nicht erwähnst. Die sind in keinem Bereich wirklich schlecht und das ist wohl auch das Erfolgsrezept dieser Mannschaft, richtig gut und der Konkurrenz klar überlegen sind sie aber nur physisch. Jede andere afrikanische Mannschaft würde da sofort wieder auf breiter Front des Altersbetrugs verdächtigt.