Spanien U21 – Norwegen U21 3:0
Mit einer überragenden Vorstellung dominiert Spaniens U-21 das Überraschungsteam aus Norwegen und zieht ins Finale ein.
Bilderbuchvorstellung gegen das 4-5-1
Auf dem Papier hatten die Norweger eine gute Waffe gegen Spaniens typisches Ballbesitzspiel. Das etwas zurückgezogene 4-5-1-Mittelfeldpressing hat sich schon bei mehreren Gelegenheiten als passende Antwort auf ein dominantes und fluides Spiel im Mittelfeldzentrum erwiesen. Zudem zeigten die Norweger vor allem gegen England, wie stark sie diese Strategie beherrschen. Mit Henriksen wurde die zweite Achterposition neben Eikrem auch noch defensivstärker besetzt als zuvor mit Konradsen.
Der spanische Nachwuchs lieferte aber eine brillante Vorstellung ab und zeichneten mit ihren Rochaden beinahe eine Blaupause davon, wie man die Defensivbewegungen des 4-5-1-Systems ausspielen kann. Die Eckpfeiler: Halbraumüberladungen, kurzes Diagonalspiel und technische Qualität im Zwischenlinienraum.
Basis ihres Bewegungsspiels war dabei das System, mit welchem sie schon die deutsche Auswahl aus dem Turnier kegelten: Während Tello rechts die Breite hielt, rochierte Isco von der linken Seite völlig frei durch die Mittelfeldräume. In der sehr ausgewogenen Fluidität, welche die Rollenverteilung im Zentrum dann erzeugt, fanden sie die richtigen Bewegungsmuster.
Halbraumnutzung par excellence
So ließen sie den Ball immer wieder im defensiven Halbraum nach außen rochieren, wo sich vor allem Koke (links) und Thiago (rechts) nach außen bewegten, um den Ball diagonal vor dem gegnerischen Mittelfeld abzuholen. Die Außenverteidiger drückten den gegnerischen Flügelspieler nach hinten, oder eröffneten alternativ selber das Spiel durch diagonale Pässe in die Halbräume.
So wurden immer wieder die norwegischen Achter zum Herausrücken verleitet, was sie durch die breiten Stellungen nicht sehr kompakt machen konnten. Besonders der zweikampforientierte Henriksen löste sich teilweise sehr weit aus dem Verbund, um gegen Koke (ohne Erfolg) Zugriff zu bekommen.
Balancespieler Illarramendi, Thiago und vor allem der dominante Isco postierten sich währenddessen frühzeitig im Rücken der Achter, um das entstehende Loch nutzbar zu machen. Gleichzeitig bauten sie sehr gute Verbindungen zwischen dem defensiven und offensiven Halbraum auf, indem sie sich aufmerksam in die zentralen Räume bewegten.
Immer wieder konnten sie sich somit schnell in die Halbraumlöcher hineinspielen. Sie zwangen die ballfernen Sechser zum Nachschieben, generierten weitere Löcher, über die vorstoßenden Flügelspieler und die zentralen Verbindungsspieler konnten sie sich gut aus entstehenden Engstellen befreien. Mit Verlagerungen innerhalb des Zentrums und auf den ballfernen Außenverteidiger scheuchten sie die Norweger durch das Mittelfeld. Kurz gesagt: Sie spielten einfach ganz starken Ballbesitzfußball. Verbindungen, Überladungen, Raumnutzung, Kombinationsspiel, Gegenpressing – alles da.
Seltene Defizite werden aufgebrochen
Norwegen fand auf dieses Spiel keine Antwort und die kleinen taktischen Schwächen der Mannschaft wurden offen gelegt. Normalerweise schafft es ihr 4-5-1 den Gegner aus dem Offensivzentrum fernzuhalten; nun, wo ein Gegner immer wieder in diese Räume eindringen konnte, zeigten sich Defizite in der gruppentaktischen Abstimmung und Dynamik beim Pressing auf diese Bereiche zwischen den Linien.
Besonders Iscos Treffer zum 2:0 zeigte diese Probleme: Nordtveit ging davon aus, dass er auf der Außenseite gedoppelt wird, und blockierte den Schussweg auf der Innenbahn. Sein Hintermann blockierte aber den gleichen Weg und Isco konnte außen vorbeigehen und völlig ungestört abziehen.
Abgesehen davon konnten die Spanier immer wieder kleine norwegische Fehlerchen nutzen, um das entscheidende Momentum im Kombinationsspiel aufzubauen oder freie Schusswege zum Tor aufzuschieben. Zahl des Spiels: Isco erreichte eine unglaubliche Passquote von 98%, trotz der ständigen Präsenz in anspruchsvollen, engen Situationen.
Letztendlich blieben die Norweger nur wegen Ørjan Haskjold Nyland bis kurz vor Schluss noch in der Partie. Ihr Torwart zeigte, dass er nicht nur in seiner großen Qualität am Ball seinem Gegenüber de Gea ähnelt, sondern ebenfalls in der Antizipation von Distanzschüssen überragend ist. Etliche starke Abschlussversuche aus schwer einsehbaren Positionen konnte er parieren. So gelang den Spaniern bis zur 87. Minute nur ein Treffer.
Norwegen findet nicht in den Ballbesitz
Der lange Zeit ausbleibende zweite Treffer unterstreicht aber vor allem die Bedeutung des Spieles gegen den Ball, welches bei dieser EM wieder einmal die noch größere Säule des spanischen Erfolges bildet. Nach diesem vierten Spiel haben sie weiterhin kein Gegentor bekommen und de Gea musste erst sechs Schüsse parieren. Norwegen blieb ohne Schuss auf’s Tor.
Zum einen liegt das an ihrer hervorragenden Absicherung gegen Konter. In diesem Spiel war diese durch den Halbraumfokus besonders effektiv. Der Mittelstürmer, der im 4-5-1 gezwungenermaßen Fixpunkt des Umschaltspiels ist, verblasste im Schatten der zentralen Verbindungsspieler. Pedersen konnte seine Qualität im Kombinationsspiel dadurch fast nie einbringen. Außerdem gab es eben kaum taugliche Balleroberungen im Mittelfeld für die Skandinavier.
Zum anderen fand Norwegen lange Zeit nicht den richtigen Ansatz gegen Spaniens Pressing. Durch das kluge Herausrücken aus der 4-3-3 oder 4-2-3-1-Grundordnung konnten die Spanier meistens schon Norwegens erste Aufbauspieler zustellen und zwangen sie oft zur Eröffnung über den langen Ball. Nylands angesprochene Qualität mit dem Fuß brachte diese Bälle zwar oft in gute Bereiche, aber Spanien dominierte trotzdem den Kampf um die zweiten Bälle.
Dabei war es weniger eine Problematik des Nachsetzens auf die Abpraller oder der Raumaufteilung. In dieser Hinsicht war das Spiel wohl relativ ausgeglichen, beide Mannschaften zogen sich gut um die herunterfallenden Bälle zusammen. Die Spanier konnten sich jedoch einfach viel besser aus diesen kompakten Szenen befreien. Wenn einem Thiago Alcántara der Ball auf den Fuß fällt, hat er diesen Ball unter Kontrolle – da kann der Gegner eng stehen, wie er will. Somit boten sich Norwegen viel weniger Gelegenheiten, den zweiten Ball zu holen, während sie selber viele eroberte Bälle direkt wieder wegschenken mussten.
Spanien würgt den aufkommenden Gegner ab
Die fehlende Ballpräsenz der Norweger ging so weit, dass Nyland nach der ersten Hälfte mit Abstand die meisten Ballkontakte seiner Elf zu verbuchen hatte. Im Laufe der zweiten Halbzeit versuchten die Norweger daher konsequenter und risikoreicher den geordneten Spielaufbau zu finden, was ihnen in kurzen Phasen auch gelang.
Zu diesem Zweck formierten sie sich bei eigenem Ballbesitz verstärkt im 3-4-3-System; Hedenstad und Elabdellaoui rückten risikoreich auf, Johansen kippte klarer zwischen die breiter auffächernden Innenverteidiger ab. Gegen die breite Dreierkette rückten die Spanier nicht mehr so frühzeitig heraus und ließen den Innenverteidigern etwas mehr Zeit am Ball. Zum Schluss überholte zumindest Kapitän Strandberg seinen Torwart noch in der Ballkontakt-Statistik.
Allerdings bekamen die Skandinavier dadurch kaum Präsenz ins Zentrum, wo Spanien sehr kompakt die formative Überzahl ausspielte. Daher kam auch Eikrem weiterhin kaum in die Partie, der in der leichten spanischen Asymmetrie zwischen Illarramendi und Thiago unterging. Henriksen agierte eher ausweichend, um den rechten Flügel zu überladen, sodass Norwegen auch kaum Wechselwirkungen im Zentrum zustande bekam. Allerdings kamen sie vereinzelt auf den Flügeln durch und generierten Mitte der zweiten Halbzeit etwas Offensivpräsenz.
Sie bekamen aber keine Zeit, um in dieser Präsenz den richtigen Rhythmus für Durchbrüche zu finden, da sich Spanien erdrückend zurückmeldete. Nachdem die Norweger die ersten Aktionen ins Angriffsdrittel brachten, erspielten sich die spanischen Passmonster einige sehr lange Ballbesitzphasen, in denen sie mit besonders wenig Risiko den Ball zirkulieren ließen. Zudem zogen sie vereinzelt die Pressingintensität an. So brachten sie wieder mehr Hektik in das Spiel des Gegners und das Aufbäumen der Norweger verblasste zum Strohfeuer.
Fazit
In der chaotisch werdenden Endphase zeigten sich die Spanier eiskalt und erzielten die verdienten Tore zwei und drei, als Norwegen das Risiko noch erhöhte. Somit erzielten sie zum Schluss das Ergebnis, was diesem Spiel angemessen war, und ziehen mit insgesamt 8:0 Toren ins Finale ein. Spätestens nach dieser Leistung sind sie dort auch gegen die guten Italiener der klare Favorit. Die taktische Reife ihres Spiels beeindruckte in vollem Umfang und auch individuell überzeugten sie. Besonders die Leistung von Isco kann man wohl getrost als Weltklasse bezeichnen, obwohl wir eigentlich nur bei einem Nachwuchsturnier sind.
Den taktisch so starken Norwegern wurden in diesem Spiel all ihre Grenzen aufgezeigt. Ihre defensiven Stärken wurden beeindruckend ausgehebelt, ihre Schwächen dadurch offen gelegt und so fanden sie auch offensiv nicht ins Spiel. Etwas schade ist zum Schluss, dass sie nicht früher und konsequenter versuchten, die eigenen Qualitäten im Ballbesitz durchzudrücken. Die Personalwahl der etwas limitierteren King und Henriksen zahlte sich nicht aus. Dennoch spielte der Außenseiter ein starkes Turnier und war eine Mannschaft, die in vielen Dingen zum taktischen Vorbild taugt; außer man muss gegen Thiago, Isco und Co. ran.
19 Kommentare Alle anzeigen
C 26. Juni 2013 um 00:35
Schade dass keine Analyse zum Endspiel kam, ich hätte gerne RM’s Kommentar zu den Toren nach Flanken gehört. Er hat ja mal gemeint „die italiener wackeln (aufgrund ihrer individualtaktischen Schulung) bei Flanken kein bisschen“ warum auf einmal doch?
C 26. Juni 2013 um 00:40
Sorry gemeint war natürlich MR
Fred 20. Juni 2013 um 10:29
Das Finale konnte ich leider nicht verfolgen, jedoch alle anderen Spiele der spanischen U21. Insbesondere in den von dir angesprochenen Gruppenspielen, hat mich Thiago nicht überzeugt. Obwohl er überragende Statistiken hatte, was sich natürlich auch in den Ratings auf whoscored.com wiederspiegelt, hat er mich in gewisser Weise enttäuscht: In meinen Augen fehlte Thiago das gewisse Etwas auf der 8er Position, insbesondere wenn ich den Vergleich zu einem Spieler Gündogan ziehe, dessen Aktionen schon in jungen Jahren Hand und Fuss haben. Thiago ist durchaus ein spezieller Spieler, aber dieses Spezielle kann er, zumindest in meinen Augen, besser in der Offensive zur Geltung bringen.
RM 20. Juni 2013 um 10:32
Also ich fand Thiago mit Illarramendi und Moreno in den ersten Spielen überragend und auch besser als z.B. eben Isco (oder sonstwen auf dem Platz). Da gab’s einige schöne Sachen wie das hier.
Zusammenfassung seines Spiels gegen Russland.
king_cesc 20. Juni 2013 um 18:04
Moreno hat mir nicht ganz so gut gefallen.
Natürlich war er ballsicher und defensivstark, aber sein Laufwege war doch ziemlich „normal“. Vielleicht lag es daran, dass er manchmal die Breite gab, wenn Isco sich im Zentrum aufhielt, aber dennoch fehlt mir die Kreativität eines genialen AV.
RM 20. Juni 2013 um 18:55
Moreno erfüllte halt seine taktischen und spielerischen Aufgaben relativ unspektakulär, aber der Typ war in den ersten Spielen, die ich ansah, unfassbar fehlerfrei und pressingresistent.
VS 18. Juni 2013 um 17:38
Isco ist mMn der beste Spieler der je bei einem solchen Turnier gespielt hat. Was der am Ball kann ist unfassbar und erinnert mich immer ein wenig an einen direkteren Iniesta.
RM 18. Juni 2013 um 17:52
Ich weiß nicht, ich finde Thiago besser und womöglich auch Illarramendi. Isco ist der Auffälligste, aber der beste? Und das auch noch jemals? Was ist mit Sandro Wagner?
Fred 19. Juni 2013 um 20:12
Ich habe leider das Finale nicht gesehen und habe auch wenig Fussballsachverstand, deswegen will ich meine Meinung eigentlich als Frage formulieren: Ich war von Thiago ehrlich gesagt enttäuscht. Für mich war er weder Denker und Lenker und ich bezweifle mitlerweilen stark, ob er überhaupt jemals eine Rolle wie Xavi ausführen kann. Natürlich hat er unglaubliche technische Fähigkeiten und seine Schnittstellenpässe sind teilweise magisch, aber für mich war er vom Mittelfeldtrio Illarramendi und Koke der „Schwächste“. Was hat ihn denn in deinen Augen so glänzen lassen?
RM 19. Juni 2013 um 22:29
Thiago spielte ja zu Beginn des Turniers nicht als Zehner, sondern tiefer, was meiner Meinung nach seine Idealposition darstellt, wenngleich vielleicht nicht die ideale Position für dieses U21-Team in diesem Turnier; ähnlich wie Schweinsteiger unter Van Gaal auf der Zehn, als Gomez Mittelstürmer spielte (im 4-2-3-1). Gleiches gibt es auch bei Banega zu sehen und auch Gündogan kam ja schon einige Male auf die Zehn. Dort sind sie dann klasse, aber nicht so durchgehend stark. Wäre bei Xavi dasselbe, nicht wahr? Schade eigentlich, dass Thiago auf die Zehn kam. Lustig, dass er im Finale (und im Halbfinale auch) nicht so stark spielte, wie in der Vorrunde, weil er eben woanders spielte, aber noch medial noch stärker wegen seines Hattricks gefeiert wird.
Gegenfrage: Wieso genau fandest du Thiago enttäuschend? Hast du nur die Partie gegen Norwegen gesehen? Das war seine schwächste Partie, positionell bedingt eben, gleichzeitig war es Iscos beste. In der Vorrunde, insbesondere in der ersten Partie (glaube ich?), fand ich Isco sogar schwach.
Das statistisch erstellte WhoScored-Rating des Turniers hat ja Thiago als besten Spieler des Turniers ausgewiesen, zusätzlich schreiben sie Folgendes:
„Thiago completed the second most passes at the tournament with 395, maintaining 93.3% accuracy. His roaming forward was where he did most damage, laying off to team-mates and darting between defensive lines. He hit 2 key passes per game as well as 8.2 accurate long balls showing the variation and vision in his game. There was of course that samba-infused dribbling; he was successful with that on 2.4 occasions per game.“
In diesen letzten Spielen war er auch nicht in der Rolle des Oganisators, sondern weiter vorne und sollte als Kreativspieler im letzten Drittel dienen; was, wie erwähnt, meiner Meinung nach nicht seine beste Position ist. Isco wäre ja auch als RA nicht so stark gewesen und Illarramendi als Mittelstürmer wohl auch nicht, oder?
Kurz noch was Statistisches, bevor ich meine eigene Meinung zu Thiago poste: Thiago hatte vergangene Saison die höchste Passgenauigkeit in der gesamten spanischen Liga (92,4%), vor Xavi, diese Saison liegt er auf Platz 4 (91,8%) hinter Xavi, Busquets und Song. In der Saison vor zwei Jahren kam er ebenfalls auf 93,1% und landete ebenfalls nur hinter Xavi. Für einen Spieler in seinem Alter ist eine solche Quote unfassbar.
Wieso ich ihn so gut finde? Weil ich glaube, dass er als zentraler Mittelfeldspieler exakt auf der Xavi-Position besser sein kann, als Xavi. Zumindest hat er meiner Meinung nach mehr Talent. Im reinen Passspiel dürfte Xavi zwar (noch?) etwas überlegen sein, dafür ist Thiago wendiger, beweglicher und im Dribbling stärker, was ihn zu einem besseren Nadelspieler machen sollte. Gepaart mit seiner Spielintelligenz ist er für mich eigentlich der einzige Fußballer, der Xavi wirklich 1zu1 beerben kann. Iniesta und Fabregas hingegen würden einen anderen Spielstil provozieren; einzig Iniesta würde ich noch zutrauen, dass er es so ähnlich wie Xavi spielen könnte, wozu er aber seine Entscheidungsfindung verändern müsste.
Wie gesagt, man stelle sich Xavi in einem 4-2-3-1 auf der Zehn vor, hinter ihm spielen dann zum Beispiel Thiago und Gündogan oder vielleicht Pirlo und Scholes. Auf dem rechten Flügel hätte dann Messi seine Freirolle und würde hereinziehen, um kreativ zu wirken. Ob Xavi dann auch wie der beste der Drei wirken würde? Und wie ein Denker und Organisator? Ich wage es zu bezweifeln.
P.S.: Bevor jetzt jemand mit der spanischen A-Nationalmannschaft und der Doppelsechs Busquets-Alonso kommt, möchte ich kurz noch sagen, dass die formative Anordnung nicht die Rollenverteilung wiederspiegelt.
Tank 20. Juni 2013 um 00:14
Das Thema Thiago und inwiefern er Xavi 2.0 werden kann, wurde übrigens auch im letzten Barcelona-Podcast besprochen. Dass Thiago der neue Xavi wird, war da, wenn ich mich recht erinnere, die Minderheitenposition. Ich glaube, dass Xavis Spielverständnis von Thiago nie erreicht wird. Die bewusste oder unbewusste Gabe zu wissen, wann das Spiel der eigenen Mannschaft welche Bahn nehmen soll, verbunden mit dieser Metronom-gleichen Zuverlässigkeit, das kann Thiago noch nicht so wie Xavi.
Aber andererseits, wer kann das schon?
Ich sehe Thiago allerdings auch eher als modernen 10er mit ordentlich Torgefahr. So würde ich die kleinen „unnötigen“ Schnörkel in seinem Spiel auch eher kultivieren und schulen, statt sie auszutreiben.
RM 20. Juni 2013 um 09:52
Minderheitenposition -> Ich glaube, ich war der Einzige, der es sagte. Bin nachwievor der Meinung. Vielleicht kommt ja Thiago zu Bayern und macht es dann unter Pep. Bei United unter Moyes wäre er wohl verschwendet. Bei Barcelona unter Vilanova müsste man wohl noch Jahre warten. Ich glaube aber wirklich nicht, dass er Xavi groß in puncto Spielverständnis nachsteht.
Die bewusste oder unbewusste Gabe zu wissen, wann das Spiel der eigenen Mannschaft welche Bahn nehmen soll, verbunden mit dieser Metronom-gleichen Zuverlässigkeit, das kann Thiago noch nicht so wie Xavi.
Aber andererseits, wer kann das schon?
Richtig, kann wohl keiner. Aber: Konnte das Xavi schon in dem Alter?
Ich sehe Thiago allerdings auch eher als modernen 10er mit ordentlich Torgefahr. So würde ich die kleinen “unnötigen” Schnörkel in seinem Spiel auch eher kultivieren und schulen, statt sie auszutreiben.
Ich würde sie ihm auch auf der defensiven Acht nicht austreiben. Wäre meiner Meinung nach genau das, was ihn auf der Position so toll machen könnte.
Tank 20. Juni 2013 um 00:17
Inwiefern Thiagos Spielverständnis dem von Xavi nachsteht, ist allerdings schwer zu zeigen. Ziemlich subtiler Kram. Lässt sich nicht einfach auf Passquoten oder Key-passes runterbrechen.
Insofern kann ich meine These nur so in den Raum werfen.
MR 20. Juni 2013 um 10:33
https://spielverlagerung.de/2013/01/30/sv-podcast-nr-115-barcelonas-erste-hinrunde-nach-guardiola/ Hier der angesprochene Podcast.
Um die Minderheitenmeinung (das war ja nur 2:1 mit Enthaltung meinerseits 😉 ) auszugleichen: Ich teile Renes Begeisterung bzgl Thiago. Möchte ergänzen, dass ich in ihm einen leicht anderen Charakter sehe als Xavi, was mir sehr gefällt. Er hat nicht den gleichen, ausgeglichenen Perfektionismus, sondern hat eine gewisse Lässigkeit in seinem Spiel, die mMn nicht nur Altersfrage ist. Bei ihm kommt so eine Art der Arroganz durch, die ich aber extrem nice finde, vergleichbar vielleicht mit der Ausstrahlung von Di Stefano: Nicht egoistisch, egozentrisch oder engstirnig-aggressiv, sondern mit einer konstruktiven, selbstverständlichen Dominanz, aus der eine Art Zug und Unberechenbarkeit ins Spiel kommt, die es selten gibt.
Das ist für mich durchaus ein Element, welches Xavi ein wenig fehlt. Er ist so glatt in seiner Perfektion, dass sein Spiel auf einer gewissen Ebene vorhersehbar und monoton wird. Eventuell ist das sogar ein Faktor dabei, dass Barca oft diese „Langweiligkeit“ vorgeworfen wird. Ich bin mir jedenfalls recht sicher, dass das in manchen Phasen (Chelsea-Rückspiel, manchmal gegen Real, gegen Bayern) dem Gegner die Rhythmusfindung erleichtert und Barca mit Thiago in einigen Situationen eher in der Lage wäre, Dinge zu erzwingen.
So gesehen wird Thiago die Strategiefindung vielleicht nicht auf Xavis Level bringen, hat dafür aber in dieser Disziplin eine größere Spannweite zur Verfügung. Und ich traue ihm durchaus zu, diesbezüglich der Perfektion sehr nahe zu kommen, vielleicht nur marginal von Xavi entfernt.
RM 20. Juni 2013 um 10:47
Möchte ergänzen, dass ich in ihm einen leicht anderen Charakter sehe als Xavi, was mir sehr gefällt. Er hat nicht den gleichen, ausgeglichenen Perfektionismus, sondern hat eine gewisse Lässigkeit in seinem Spiel, die mMn nicht nur Altersfrage ist.
Bezweifelt jemand, dass er ein anderer (Spieler-)Charakter ist? Ich denke dennoch, dass er mit einem höheren Alter in seiner Entscheidungsfindung (noch) erfolgsstabiler wird; ich denke sogar, er könnte perfekter als Xavi werden, ohne so perfekt und perfektionistisch zu werden. Durch seine Technik, seine Spielweise und seine Art Pässe zu spielen bzw. zu denken, hat er eine vertikalere und diagonalere Spielauslegung, wodurch er stärker sein könnte; nicht so omnipräsent, aber eventuell noch prägender im letzten Drittel und im direkten Kombinationsspiel. Dies könnte besonders dann wichtig werden, wenn die Gegner zwischen hohem Pressing und dem Versperren des zweiten Drittels variieren, anstatt zwischen wahnsinnigem Pressing und dämlichem Tief-Stehen, wie es in den letzten Jahren ja sehr oft der Fall war. Für mich verbindet er Aspekte von Ronaldinho (Bewegungsablauf), Iniesta (Nadelspieler, tlw. Entscheidungsfindung) und Xavi (Passstärke, Idealposition), wodurch er mit einem Spieler wie Iniesta neben sich und einem im Aufbauspiel präsenteren Busquets hinter sich eine neue und imo ansehnlichere Spielweise zutage förder könnte, die womöglich etwas weniger stabil ist, dafür aber an besten Tagen noch eine Ecke spektakulärer, zwingender, etc. Ich finde ja Thiago auch im Pressing ganz toll.
Bei ihm kommt so eine Art der Arroganz durch, die ich aber extrem nice finde, vergleichbar vielleicht mit der Ausstrahlung von Di Stefano: Nicht egoistisch, egozentrisch oder engstirnig-aggressiv, sondern mit einer konstruktiven, selbstverständlichen Dominanz, aus der eine Art Zug und Unberechenbarkeit ins Spiel kommt, die es selten gibt.
Schön. Der extrovertierte Iniesta irgendwo.
Das ist für mich durchaus ein Element, welches Xavi ein wenig fehlt. Er ist so glatt in seiner Perfektion, dass sein Spiel auf einer gewissen Ebene vorhersehbar und monoton wird. Eventuell ist das sogar ein Faktor dabei, dass Barca oft diese “Langweiligkeit” vorgeworfen wird. Ich bin mir jedenfalls recht sicher, dass das in manchen Phasen (Chelsea-Rückspiel, manchmal gegen Real, gegen Bayern) dem Gegner die Rhythmusfindung erleichtert und Barca mit Thiago in einigen Situationen eher in der Lage wäre, Dinge zu erzwingen.
So gesehen wird Thiago die Strategiefindung vielleicht nicht auf Xavis Level bringen, hat dafür aber in dieser Disziplin eine größere Spannweite zur Verfügung. Und ich traue ihm durchaus zu, diesbezüglich der Perfektion sehr nahe zu kommen, vielleicht nur marginal von Xavi entfernt.
Sehe ich auch so, weswegen ich Thiago seine Art und Weise nicht austreiben würde, sondern sie ihn selbst verfeinern und auf die Spielmacher-Position transkribieren würde. Fände es darum sehr interessant, wenn er zu Bayern gehen würde. Ich denke, dort könnte er zu dem werden, was er werden könnte.
Nachtrag: Ich empfinde Thiago dynamischer in der Pass- und Raumfindung, als Xavi, ich denke, das gefällt mir so sehr an ihm. Dass er dabei in dem Alter so passsicher bleiben kann, finde ich ebenfalls hervorragend.
Tank 20. Juni 2013 um 13:28
So, nun sind wir glaube ich soweit, dass sich unsere Positionen nur noch marginal unterscheiden.
Begeistert bin ich von dem Jungen ja auch. Sage ich nicht im Podcast, dass ich ihm einen Balon d’Or zutraue? Er könnte so zwischen 2017-2020 ein Kandidat sein.
Und Rene hat natürlich Recht, wenn er anmerkt, dass sein junges Alter bedeutet, dass seine spätere Entwicklung mit vielen Fragezeichen verknüpft ist.
Ich denke auch, dass Thiago, wenn er denn die Xavi-Position übernehmen sollte, zu einer mittelmäßig signifikanten Änderung der Spielweise des Barcelona-Mittelfeldes beitragen würde. Vertikaler, trickreicher, weniger steril, spontaner, etc..
Ich persönliche liebe ja Xavis Perfektionismus. Auf diesen Spieler kann man einfach bauen.
Man muss aber dazu sagen, dass Xavi erst seit 2010-11 weitestgehend auf Risikopässe verzichtet. Davor hätten solche Begriffe wie „Sterilität“ keinesfalls zu ihm gepasst. Warum er diese Entwicklung vollzogen hat, würde ich nur zu gern wissen. Mir fallen einige Gründe ein, aber so richtig überzeugt bin ich von keinem. Denn eins ist klar: Er wird’s wohl kaum im Sommer 2010 verlernt haben.
Goalimpact 20. Juni 2013 um 15:28
Thiago ha für sein Alter eine unfassbare gute 148. Isco, bei allem unbestreitbaren Talent, erst 108. Ich habe keine Zweifel, dass Iscos Wert stark steigen wird, aber Thiago ist doch auf absehbare Zeit vorne.
blub 18. Juni 2013 um 10:57
Danke.
Konnte das spiel nicht sehen, und hab nur später von der erdrückenden dominanz der Spanier gelese, was ich unter unwissendem Mediengestammel abgelegt hatte. war wohl nicht so.
Lino 18. Juni 2013 um 10:53
Dem ist nichts hinzuzufügen 😉 Einzige Möglichkeit für Norwegen wäre es gewesen, die Zwischenlinienräume durch extreme vertikale Kompaktheit unbespielbar zu machen. Ob das erfolgreich gewesen wäre, ist aber fraglich, da die Spanier sich auch individuell im Flügelspiel durchsetzen können und mit Rodrigo bzw. Morata da auch im Zentrum Abnehmer bereitgestanden hätten. Zudem hätte das vermutlich das norwegische Umschaltspiel, welches ja eh kaum vorhanden war, noch weiter erschwert.