Norwegen U21 – Italien U21 1:1

Norwegen und Italien ziehen bei der U21-EM ins Halbfinale ein. Das direkte Aufeinandertreffen dieser sehr starken Teams war aufgrund beidseitiger Personalrotation besonders von den verschiedenen Einzelspielern geprägt.

Im Gegensatz zum italienischen Team war es rechnerisch zwar noch nicht sicher, doch im Grunde genommen bestand für die Norweger keine ernsthafte Gefahr mehr, doch noch in der Gruppenphase auszuscheiden. Deshalb bot Trainer Skollerud in diesem Spiel um den Gruppensieg bei weitem nicht seine Bestbesetzung auf und ließ zentrale Stützen wie Torwart Nyland, Kapitän Strandberg, Mittelfeldmann Eikrem oder Stürmer Pedersen nur auf der Bank.

Dem neuen Mittelfeld fehlt die Konsequenz

u21-em-2013-ita-norSo traten die Skandinavier mit einer neu durchgewürfelten Mannschaft an. In der Innenverteidigung wurde neben Thomas Rogne der Gladbacher Nordtveit eingesetzt und auf links kehrte Freiburgs Hedenstad nach Rotsperre wieder zurück. Für Johansen rückte mit AZ Alkmaars Markus Henriksen ein sehr physisch starker Sechser in die Mannschaft, der mit einigen Ballgewinnen und Übersicht glänzte, allerdings nicht an die organisatorischen Fähigkeiten seines Konkurrenten herankam und durch eine leicht unambitionierte Ausrichtung nicht so viel Kreatives nach vorne beisteuern konnte.

Davor agierten Konradsen und der bei RB Salzburg spielende Berisha als eine Doppel-Acht, die gute Ansätze demonstrierte, allerdings auch nicht vollends überzeugte. Einige Male starteten die beiden ordentliche Kombinationsversuche und wollten die Mitte oder den Halbraum überladen, doch fehlte es besonders dem etwas monotonen Konradsen an Konsequenz, diese Ansätze dann durch durchzuziehen. Besonders aufgrund seiner beiden Partner wirkte sich dies stärker aus – Henriksen hinter ihm war eben eher auf Absicherung und Funktionalität ausgerichtet, während der dynamische Berisha zwar zu gefallen wusste, einige nette Bewegungen und vielseitige Aktionsmuster aufwies, als sehr offensiver Spielertyp in seine Rolle aber nicht vollends hineinpasste und daher oftmals voreilig agierte. So fehlte dem norwegischen Mittelfeld etwas die Balance im Rhythmus sowie die strategische Umsicht, die beispielsweise ein Eikrem einbringen kann.

Norwegische Harmlosigkeit

Auf den Außen zeigte Nielsen einige Male gute einrückende Läufe, konnte alleine damit aber kaum etwas bewegen – neben besagten Mittelfeldproblemen zeigte sich der rechts spielende de Lanlay erneut als Schwachstelle und der neu gebrachte Mittelstürmer King konnte ebenfalls kaum überzeugen. Trotz einiger ausweichender Bewegungen insbesondere auf die linke Seite spielte er nicht gut mit und ließ darüber hinaus häufig das Timing und ein ausgewogenes Gespür für die Räume vermissen. Schließlich agierten auch die beiden Außenverteidiger deutlich vorsichtiger als in den ersten Begegnungen und waren bei ihren seltenen Offensivaktionen wenig durchschlagend – eine vorsichtigere Spielweise war generell bei der ganzen Mannschaft auffällig, die angesichts der Ausgangssituation ziemlich risikolos auftrat.

Somit hatte die gewohnt solide italienische Verteidigung leichtes Spiel und konnte mit einer disziplinierten Ausrichtung sowie effektiver Raumverengung die norwegischen Angriffsbemühungen komplett ausschalten. Aus all diesen Gründen kamen die Skandinavier kaum einmal gefährlich nach vorne, hatten bis kurz vor der Pause keinen Abschlussversuch und verbuchten letztlich nur einen Schuss auf das Tor – ein umstrittener Elfmetertreffer in der 90. Minute.

Italien knackt das norwegische 4-5-1

Bei all den Offensivveränderungen im norwegischen Team blieb ein Aspekt, der bei diesem Turnier bisher besonders positiv herausstach, allerdings erhalten – ihre 4-5-1-Defensivformation mit herausrückenden Achtern. Auch wenn die Verteidigungsbemühungen nicht mit der allerletzten Eingespieltheit und Konsequenz ausgeführt wurden, war es interessant, wie gut die Italiener dennoch Lücken in der gegnerischen Defensive fanden – und das, obwohl Norwegen individuell defensivstarke Leute spielen ließ und bei der jungen „Squadra Azzurra“ ebenfalls viele Wechsel vorgenommen worden waren.

Besonders die beiden äußeren Mittelfeldspieler – der bereits gegen Israel positiv aufgefallene Saponara auf rechts und der für Insigne ins Team gerückte Nicola Sansone – rückten immer wieder weit ein und suchten die Zwischenräume, was durch Norwegens Defensivformation eigentlich verhindert werden soll. Teilweise waren Saponara und Sansone etwas zu überengagiert im Anbieten und variierten ihr grundlegendes Bewegungsspiel zu selten, weshalb das Einrücken längst nicht immer funktionierte und sie einige Male im Deckungsschatten des herausschiebenden Achters verschwanden. Wenn sie allerdings – und das war überraschend häufig der Fall – frei und für Pässe von Donati, Rossi oder Caldirola anspielbar waren, konnten sie sehr gefährliche Aktionen starten.

Nicola Sansone – ein Traum von einem Offensivspieler

Mit gewitzten Bewegungen und seinem generell unorthodoxen Auftreten konnte sich Saponara in diese Positionen hineinbringen und löste sich einige Male antizipativ stark aus norwegischen Verteidigungsaktionen, doch der eindeutige Star im italienischen Spiel war Sansone. Der aus der Jugend des FC Bayern stammende und in München geborene Offensivspieler durfte unter Louis van Gaal bereits vor drei Jahren Profi-Luft schnuppern, ehe er im Sommer 2011 zu Parma wechselte, wo er in dieser Spielzeit 26 Ligaeinsätze und sechs Treffer verbuchte.

In seltenen Fällen blieb Sansone breit und suchte das individuelle Dribbling oder öffnete Linksverteidiger Biraghi den diagonalen Laufweg, der gegen 4-5-1-Formationen sehr effektiv sein kann. Doch meistens rückte er ins Zentrum ein, wo er fast übermotiviert das Zusammenspiel suchte und kombinativ Räume überladen wollte. Auf den ersten Blick mag Sansone wie ein typischer Flügeldribbler mit viel Tempo wirken, doch findet er sich auch sehr gut in Zwischenräumen zurecht und fungiert mit seinem Spielverständnis und seiner engagierten, aktiven Ausrichtung als antreibender Pol für das Zusammenspiel. Dabei sind es die überaus druckvollen, präzisen und koordinierten Bewegungen und Aktionen, die Sansone so besonders machen. Auch beim Triplesieger aus München hätte Sansone definitiv das Potential gehabt, sich als Stammspieler zu etablieren.

Italiens Angriffsspiel

In dieser Partie war er der entscheidende Offensivspieler, der bei Italien die Torchancen einleitete, von denen sie einige vielversprechende hatten. Über Saponara und besonders Sansone konnten sie mehrmals effektiv in die Halbräume der Norweger, die diese eigentlich besonders zu schützen gedachten, hineinkommen und von dort aus ihre Balldominanz weiter nach vorne in oder an den Strafraum tragen.

Hier halfen auch die weiteren italienischen Offensivspieler gut mit – besonders Mattia Destro, der in dieser Begegnung seine Beweglichkeit ausspielen konnte und einige gute Ablagen in den Kombinationen zeigte (wobei er viel zu viele Chancen liegen ließ). Sein etwas tiefer spielender Sturmpartner Paloschi agierte unauffällig, konnte mit zur Spielrichtung entgegengesetzten Läufen aber Räume öffnen und situativ balancegebend agieren. Darüber hinaus halfen die anpassungsfähigen Außenverteidiger und der vielseitige, bissige Rossi mit nachrückenden Aktionen dabei, dass Italien ausgehend von Saponara und Sansone viele Optionen hatte, um zu Torchancen zu kamen – nur der Treffer fehlte.

Zweite Halbzeit, Fazit und Ausblick

In der Pause stellte Italien um – Saponara raus, Rossi rechts offensiv eingerückt und Einwechselspieler Bertolacci ins zentrale Mittelfeld, wodurch eine asymmetrische Mischformation aus 4-3-3 und 4-4-2 mit Destro als nach rechts versetztem Stürmer entstand. Bertolacci sorgte für mehr Bälle aus dem zentralen Mittelfeld und die Asymmetrie produzierte die beste Chance des Spiels, als der eingerückte Rossi und der nach außen gehende Destro mit einer Rochade den für Paloschi gekommenen Gabbiadiani freispielten. Ohne Saponara wurde aber zu viel kombinative Verantwortung auf Sansone abgeladen, weshalb sich die überlegenen Italiener nicht signifikant steigern konnten. Aufgrund durchwachsener Chancenverwertung blieb es lange beim torlosen Remis – bis zum angesprochenen Elfmeter in der 90. Minute, den Bertolacci mit dem Ausgleich in der Nachspielzeit nach Torwartfehler aber noch egalisieren konnte.

Damit hat sich Norwegen wie erwartet souverän für das Halbfinale qualifiziert, woran auch Israels knapper Sieg im Parallelspiel gegen England nichts ändern konnte – selbst eine Niederlage hätte wegen des Torverhältnisses für die Skandinavier gereicht. Italien sicherte sich mit dem Last-Minute-Treffer den Gruppensieg, welchen sie für vier Minuten verloren hatten. Es ist davon auszugehen, dass beide Trainer im Halbfinale wieder auf ihr bestes Potential zurückgreifen werden: Dann ist Norwegen auch gegen Spanien oder die Niederlande kein wirklicher Außenseiter und kann im Mittelfeld defensiv wie offensiv mithalten, während Italien insbesondere dann extrem gefährlich werden würde, wenn Sansone und Insigne (aktuell verletzt) zusammen auflaufen könnten.

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*