Werder Bremen – 1899 Hoffenheim 2:2

Werder Bremen und die TSG Hoffenheim teilen sich im Duell um den Nichtabstieg die Punkte. Bremen vermasselt in der Schlussphase den Sieg, nachdem sie 85 Minuten lang Hoffenheim neutralisierten.

Grundformationen in Halbzeit Eins.

Grundformationen in Halbzeit Eins.

Nur wenige hätten vor der Saison erwartet, dass sich Bremen und Hoffenheim drei Spieltage vor Saisonende ein waschechtes Kellerduell liefern. Und doch war die Ausgangsposition klar: Beide Teams brauchten einen Sieg. Thomas Schaaf schickte seine Mannschaft in einem 4-2-3-1 auf das Feld, das defensiv zu einem 4-4-2 wurde. Markus Gisdol ließ mit demselben System spielen.

Ein früher Treffer prägte das Spiel: Bereits in der zweiten Minute verwandelte Hunt einen Elfmeter. Mit der Führung im Rücken konnte Bremen eine reaktive, abwartende Strategie angehen. Kern ihres Spiels war ihre enge 4-4-2-Formation gegen den Ball. Die beiden vordersten Akteure postierten sich derart eng, dass sie zu jeder Zeit die vertikalen Passwege im gegnerischen Spielaufbau schlossen.

Duelle auf dem Flügel

Hoffenheim konnte sich zwar ungestört mit Vestergaard, Abraham und dem leicht abkippenden Rudy die Bälle zuspielen – das vertikale Spiel war jedoch blockiert. Dieses ist jedoch ihre große Stärke. Unter Gisdol setzen sie auf schnelle Spielzüge durch das Zentrum, wo sie die spielerischen Qualitäten von Salihovic und Firmino einsetzen wollen. Auch ihre Außenstürmer Johnson und Volland sind nicht auf ein klassisches Flügelspiel geeicht, sondern sprinten oft in die Schnittstellen zwischen gegnerischem Außen- und Innenverteidiger.

werder hoffenheim kompaktheit im zentrum

Bremens kompakte Verteidigung verhinderte Zuspiele der Hoffenheimer ins Zentrum.

Dadurch dass Bremen das Zentrum mit vier Spielern dicht machte, war Hoffenheim zum Spiel über die Flügel gezwungen. Dies kam ihnen wenig entgegen: Die Außenverteidiger taten sich mit dem Spielaufbau merklich schwer. Salihovic musste weit abkippen, um überhaupt den Ball zu bekommen – und wenn er ihn hatte, dann nur in peripheren Räumen, von wo aus er keine gefährlichen Schnittstellenpässe spielen konnte. Weder Johnson noch Volland konnten ihre Geschwindigkeit einsetzen. Auch lange Bälle hinter die Viererkette von Bremen, die weit aufrückten, waren mangels Zielspieler keine Option. Nur in zwei, drei Umschaltsituationen konnte Hoffenheim zu ihrem schnellen Vertikalspiel ansetzen. Ansonsten war Bremen immer schnell genug hinter dem Ball.

Bremen spielte dieses flügellastige Spiel in die Karten. Sie waren auf beiden Seiten individuell überlegen. Auch ihre eigenen Angriffe fuhren sie fast ausschließlich über die Flügel. Hunt zog praktisch in jeder Offensivsituation nach links oder nach rechts. Selbst Petersen unterstützte seine Kollegen auf der Seite. Bremen stellte klug Überzahlen auf einem Flügel her und zog Hoffenheim dorthin. Dann verlagerten sie das Spiel auf die freie Flanke und liefen zügig auf das gegnerische Tor zu. In der ersten Halbzeit erzwang Bremen die entscheidenden Duelle auf dem Flügel – und gewann sie. Ihre beiden Tore fielen nach Angriffen über die Seiten.

Wechsel nach der Pause

Gisdol steuerte in der Pause entgegen: Er brachte mit Andreas Ludwig für Fabian Johnson einen geradlinigeren Flügelspieler. Er agierte fortan auf der rechten Seite, Linksfuß Volland ging nach links. Hoffenheim nahm nun das Spiel über die Flügel stärker an und versuchte ihrerseits, sich über die Seiten in das Zentrum zu kombinieren. Bremen stand allerdings weiterhin kompakt und konzentrierte sich auf die richtigen Abstände in ihrem 4-4-2-System. Gegen die konzentriert verteidigenden Werderaner gab es für Hoffenheim kein Durchkommen. Zugegeben: Sie glänzten nicht mit kreativen Ideen oder ausgefeilten Spielzügen.

Werder hatte in dieser Phase die besseren Chancen. Nadelstichartig setzten sie ihre Konter. De Bruyne agierte dabei etwas offensiver als Yildirim und zockte manches Mal bei gegnerischem Ballbesitz, sprich: er blieb vorne. Zwei-, dreimal konnte Bremen ihn hinter dem aufrückenden Theske freispielen. Er zog in die Mitte und kam zu Abschlüssen, ein Tor gelang ihm jedoch nicht.

Gisdol versuchte seinem Team mit weiteren Wechseln neuen Offensivgeist einzuhauchen. Nach und nach nahm er die beiden Sechser raus und brachte Angreifer. Zunächst kam Schipplock für Weis (66.) und übernahm die Stürmerposition. Hoffenheim pendelte nun zwischen einer 4-1-4-1-Formation und einer Raute, in der Volland neben Schipplock in den Sturm ging.

Hoffenheim warf in der Schlussphase alles nach vorne. Die Positionen interpretierten sie dabei sehr frei, sodass die Grafik hier nur eine etwaige Orientierung gibt.

Hoffenheim warf in der Schlussphase alles nach vorne. Die Positionen interpretierten sie dabei sehr frei, sodass die Grafik hier nur eine etwaige Orientierung gibt.

Verrückte Schlussphase

Als kurze Zeit später auch noch de Camargo für Rudy kam (76.), war die totale Offensive komplett. Salihovic verteilte als einziger Sechser die Bälle aus dem Zentrum. De Camargo pendelte zwischen eigenem und gegnerischem Sechzehner. Seine Rolle war wohl das Erobern und Halten von zweiten Bällen. Firmino ging etwas tiefer. Dennoch konnte Hoffenheim weiter keine nennenswerten Angriffe durch das Zentrum fahren – zwischen der 61. und der 85. Minute schossen sie kein einziges Mal auf das gegnerische Tor.

Am Ende schaffte Hoffenheim den Ausgleich nicht unbedingt aufgrund ihrer mutigen Wechsel, sondern aufgrund Bremer Unkonzentriertheiten: Die Werderaner wirkte in der Schlussphase komplett ausgelaugt, sie hatten sich 80 Minuten lang im Spiel gegen den Ball verausgabt. Dies sorgte auch dafür, dass sie keine eigenen Konter mehr setzen konnten – und das, obwohl Hoffenheim praktisch nur mit den beiden Innenverteidigern absicherte. Doch Bremen bolzte die Bälle dem Gegner in die Füße. Der Ballbesitz ging meiste sofort wieder auf die Hoffenheimer über.

Zudem mussten Schaaf zwei seiner defensiv dominantesten Spieler vom Feld nehmen: Fritz hatte die rechte Seite unter Kontrolle, musste aber gelb-rot gefährdet raus. Kroos plagten Krämpfe, er konnte ebenfalls nicht weiterspielen. Direkt nach seiner Auswechslung taten sich erstmals Lücken im Zentrum auf, die Hoffenheim eiskalt ausnutzte. Nur wenige Minuten später kam Hoffenheim erneut durch die Mitte – es waren ihre einzigen zwei Angriffe durch das Zentrum, die durchkamen, und beide wurden mit einem Tor belohnt. Am Ende jubelten die Hoffenheimer über den späten Punktgewinn.

Fazit

Wirklich schlau werde ich aus diesem Spiel nicht, obwohl ich mir die Schlussphase dreimal angeschaut habe. Eigentlich hatte Werder die Partie 85 Minuten lang im Griff. In ihrem engen, kompakten 4-4-2 zeigten sie eine ihrer stärksten Defensivleistungen dieser Saison. Besonders in der zweiten Halbzeit neutralisierten sie Hoffenheim. Von diesen war bis auf zwei, drei Chancen vor der Pause nichts zu sehen. Ihre große Schwachstelle dieser Saison machte sich bemerkbar: Sie können mit ihrem Spielaufbau keinen Gegner knacken, der defensiv sicher steht.

Und dann kamen die Schlussminuten, die das komplette Spiel auf den Kopf stellte. Werder passte nur zweimal im Zentrum nicht auf – und schon waren zwei Punkte weg. Im Abstiegskampf wird es nun noch einmal richtig eng. Hoffenheim darf nach den Niederlagen von Augsburg und Düsseldorf wieder hoffen. Bremen muss weiter um den Klassenerhalt zittern.

Fabian 6. Mai 2013 um 16:36

Liegt es an mir, dass ich die Artikel nur im „Mobile Theme“ sehen kann oder bastelt ihr im Hintergrund gerade an der Seite rum?

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Fabian 6. Mai 2013 um 16:38

Ok, hat sich gerade wieder geändert, war wohl nur ein Bug?!

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UncleJack 6. Mai 2013 um 05:34

Vielen Dank, wie immer, für die Analyse!

Ich habe das Spiel nicht sehen können, aber die Verausgabung und das ausgelaugt sein (Kroos‘ Krämpfe!) scheinen mir die relativ plausibelste Erklärung für diesen späten, dramatischen Einbruch bei Werder zu sein. Meine Frage: War die herausragende Defensivleistung so laufintensiv, daß man sie einfach nicht über 90+ Minuten durchhalten kann, oder deuten sich hier Konditionsprobleme, die es so eigentlich nicht geben sollte, an?

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Fabian 6. Mai 2013 um 16:59

Bremen (121.5) ist hier laut den Daten von bundesliga.de nicht mehr gelaufen als Hoffenheim (121.9), sie hatten insbesondere weniger intensive Läufe (8km : 10,3km) und weniger Sprints (519 : 627).
Klar, es ist das Ende der Saison, aber so einen brutalen Einbruch aufgrund von Konditionsproblem darf es eigentlich im Profigeschäft nicht geben. Es ist auch schon länger her, dass ich einen Profi vor der 90sten Minute mit Krämpfen gesehen habe und Kroos hat von den Trackingdaten her nichts Überdurchschnittliches gerissen. Vielleicht hat er in einem Zweikampf was abbekommen?
Aber konditionel spricht das eigentlich weniger gegen die Spieler als gegen die Trainer. Es war keine englische Woche und da sollte das Team am Samstag bei mäßigem Klima schon fit für 90 Minuten Bundesliga sein, das is doch mittlerweile keine Kunst mehr die Trainingseinheiten so zu dosieren.

Ich glaube aber auch, dass es eine Frage der Mentalität war (wie es so schön heißt). Wer in der 85sten verdient mit 2:0 führt will halt nur noch über die Zeit kommen. Selbst nach dem vermeintlichen „Ehrentreffer“ fällt es wohl schwer sich nochmal zusammenzureißen, umso mehr, wenn die Beine eigentlich leer sind.

Fazit: Bremen hat den Abstiegskampf nie angenommen und bekommt das nun deutlich zu spüren. So toll wie ich die Einstellung der Fans finde, so sehr muss man die Charakterschwächen des Teams kritisieren. Eigentlich wird in diesem Spiel alles deutlich was Bremen diese Saison ausmacht, das gesamte Potential aber auch das traurige Unvermögen damit zu punkten. Thomas Schaaf hat seine besten Jahre sowohl taktisch als auch trainingstechnisch offenbar hinter sich, mit einem frischen jungen Trainer könnte Bremen aber sehr schnell wieder für Überraschungen sorgen.

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Inf 6. Mai 2013 um 20:39

Kroos spielt normalerweise nur in der 2ten Mannschaft. Die Intensität ist sicher nicht mit einem Bundesligaspiel zu vergleichen. Ignjovski laboriert schon seit Wochen mit Muskelproblemen rum und hatte auch noch einen schweren Magen-Darm Infekt zwischen durch.

Ich denke auch nicht das man davon sprechen kann das Schaaf hier taktisch versagt hat. Seine Mannschaft hatte über 85 Minuten alles unter Kontrolle, bevor individuelle Schwächen und Unkonzentriertheit den Hoffenheimern, die zu dem Zeitpunkt bereits minimal taktisch mit der Brechstange agierten, noch den Ausgleich ermöglichten.

Allerdings bin ich persönlich sowieso der Meinung, dass die Unterscheidung zwischen den vermeintlich „modernen“ und „alten“ Trainern arg hoch gehangen wird auf SV.

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Fabian 6. Mai 2013 um 23:14

Ok, da hast du mehr Informationen als ich hatte. Sowas kann natürlich in so einer Phase eine Rolle spielen.

Mein Kommentar auf Thomas Schaaf war eher auf die gesamte Saison hin gesehen. In diesem Spiel hat er wohl zugegebenermaßen ziemlich viel richtig gemacht, wenn man ihm nicht eine Teilschuld an den konditionellen Problemen geben kann. Aber Bremen sucht schon lange nach einer vernünftigen Balance zwischen Offensive und Defensive, soweit wie ich das mitbekommen habe zumindest. Wie oft waren sie denn in dieser Saison chancenlos unterlegen? Sowas muss man auch am Trainer festmachen. Genauso wie die physische Fitness. Die Trainingslehre entwickelt sich beständig weiter, der Fußball wird immer professioneller, komplexer und dabei auch die Laufleistung immer wichtiger, wer da taktisch und physisch nicht mehr mitkommt wird schnell nach hinten durchgereicht.

Es ist egal, ob ein Trainer 30 oder 67 Jahre alt ist, wichtig ist, dass er ein schlüssiges Konzept hat, das zumindest Erfolg verspricht. Wenn ich diese Saison mal Spiele von Bremen gesehen habe, war das leider allzu oft einfallsloses Gekicke, bei dem man auf Einzelspieler gesetzt hat. Hunt hatte seine genialen Momente, aber ihm mangelt es dabei an Konstanz. Das trifft auch auf die gesamte Mannschaft zu, unglaublich wie unkonstant man sich über die Saison hin präsentiert hat. Insgesamt hat Bremen eher wie ein Aufsteiger als wie ein Aspirant auf die EL gespielt. Augsburg wäre in der momentanen Verfassung sicher reifer für die erste Liga als Bremen. Ich sehe aber eben auch, dass dort großes Potential herrscht, sowohl an talentierten Spielern als auch im Umfeld, vielleicht kann Bremen mit ein paar frischen Ideen das neue Freiburg werden, vielleicht reicht Schaaf auch die Sommerpause um selbst wieder aufzuladen und den Wandel voranzutreiben. Ich würde mich freuen, wenn Bremen wieder ein Wörtchen mehr in der BuLi mitzureden hätte.

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Tom 13. Mai 2013 um 10:30

Was die Charakterschwäche der Mannschaft angeht: Derzeit sind zwei Spieler suspendiert. Gerade weil sie die Situation nicht ernst nehmen. Das war so ein Lust und Laune Prinzip bei einigen Spielern. Als dann die Plätze für die internationalen Wettbewerbe außer Reichweite kamen, ging sicher auch ein Stück die Motivation dahin.
Das große Problem für Schaaf war aber vor allem, dass er sich um zu viele Spieler intensiv hätte kümmern müssen. Es gab zu wenige die konstant ihre Leistung brachten. Zu viele mit Perspektive und/oder schwierigem Charakter. Zu viel was er vielen taktisch erst beibringen musste. Zu wenig auf das er aufbauen konnte. Zu viele Spieler, die die Erwartungen in sie nicht erfüllten, wodurch das taktische Konzept nicht mehr passte, weil auch keine anderen die Position gut spielen konnten.

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Fabian 5. Mai 2013 um 20:05

Danke für die Analyse. Ich finde aber, dass Klopp mit seinem Kommentar schon alles gesagt hat: http://www.youtube.com/watch?v=oUh6lcxEeFI

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