Borussia Dortmund – Real Madrid: Fünf Fragen
Wieder BVB gegen Real – ein Taktikduell für die Geschichtsbücher?
Der zweite Deutschland-Spanien-Clash im Halbfinale der Königsklasse verspricht das Gegenstück zum FCB-Duell zu werden: Im Kontrast zu den beiden Ballbesitz-Mannschaften aus Bayern und Katalonien treffen hier zwei Teams aufeinander, die sich besonders über das schnelle Umschalten und direktes Spiel in die Spitze definieren.
Zudem ist das Duell durch den Schatten der Gruppenphase geprägt. Dort konnte sich der BVB als Erster vor den Königlichen durchsetzen und erreichte dabei ein überzeugendes 2:1 im heimischen Stadion und kassierte im Santiago Bernabeu erst kurz vor Schluss das 2:2. Dabei gestalteten die Westfalen drei Halbzeiten relativ überlegen, doch in den jüngsten 45 Minuten des Duells schlug Real zurück eindrucksvoll zurück.
Beide Mannschaften demonstrierten also schon das Potential zur Dominanz. Die Frage wird sein, wer seine bisher erfolgreichen Spielelemente wieder effektiv nutzen kann, und, wie sich die Entwicklungen der letzten Monate auf das Kräfteverhältnis auswirken.
- Kann Dortmund erneut Xabi Alonso ausschalten?
Dortmunds größter taktischer Vorteil betraf dabei das Pressing gegen Madrids wichtigsten Spielmacher Xabi Alonso. Der konnte besonders beim Hinspiel-Sieg hervorragend isoliert werden, wie in unserer Analyse dazu beleuchtet:
„Bereits vor dem Spiel hatte Klopp einen zentralen Schauplatz des Spiels angekündigt: Vor allen anderen spanischen Starspielern nannte er Spielmacher Xabi Alonso als die wichtige Schaltzentrale Reals, den es aus dem Spiel zu nehmen galt.
(…) so brachte Klopps Elf dann auch eine ihrer größten Stärken nachhaltig in das Duell ein: Die Isolierung der gegnerischen Sechser über das Zustellen der Passwege und das flexible Anlaufen der gegnerischen Innenverteidigung. Götze bewegte sich clever im Dunstkreis von Alonso und schnitt ihn dadurch von Pepe ab.
(…) das, was Dortmund im Pressing so besonders macht: Die hohe Kollektivität, die enorm intelligente und flexible Arbeit mit Passwegen, Deckungsschatten und Bewegungsmustern im Zentrum und die Positionierung im Raum für das schnelle Umschalten. Über diese Faktoren konnte der BVB in unterschiedlichen Anordnungen gegen Xabi Alonso vorgehen, der viel umherdriftete, um doch irgendwie die Bälle zu fordern. Real fand dabei aber kaum Sicherheit und letztlich auch kein Mittel, um Alonso im Mittelfeld anspielen zu können.
Erst als Alonso vermehrt begann, sich nach links hinter Essien oder in die Mitte zwischen die Innenverteidiger zurückfallen zu lassen, bekam er Bälle in den Fuß. Allerdings blockierten Götze und Lewandowski nun ohne große Probleme, die flachen Wege ins Mittelfeld, da Real auch nicht konsequent mit den Innenverteidigern auffächerte. Das spanische Aufbauspiel blieb daher vom Mittelfeld meist abgeschnitten, wo nun auch meist Unterzahl für Madrid herrschte. Die langen Bälle von Alonso mussten über zwei Reihen gespielt werden, wodurch Dortmund zusätzliche Zeit zum Verschieben kam.“
Der Borussia ist prinzipiell zuzutrauen, diese Leistung zu wiederholen, zumal sich gerade die Kompaktheit zwischen offensivem und defensivem Mittelfeld in der Rückrunde stabilisiert hat. Doch ein Mourinho lässt sich erfahrungsgemäß nicht auf der Nase herumtanzen. „The Special One“ weiß nun genau um diese Dortmunder Qualität und wird seine Mannschaft in irgendeiner Form darauf vorbereiten.
Mourinho, der Schelm
Passend dazu: Auf unsere Nachfrage bei der Pressekonferenz zum Spiel (ab 19:05), wo Mourinho denn die Besonderheiten des BVB-Pressings sähe, wollte er keine Antwort geben, um taktische Überlegungen nicht offen zu legen; er bestätigte nur, dass er Dortmunds Stärken auch im Pressing sieht. Nun hat es mich zwar gefreut, dass er meine Frage als eine sehr gute bezeichnete, aber ich hatte doch vermutet, wenigstens ein paar Grundcharakteristiken aus seinem Mund beschrieben zu bekommen. Dass er nicht das kleinste Zugeständnis machte, zeigt, dass er dieses Thema sehr genau nimmt. Wie er seine Mannschaft aufzustellen gedenke, verriet er hingegen freizügig, obwohl der nachfragende Kollege nur nach der Torwart-Position fragte. Man darf also spekulieren, dass sich Mourinho ein paar eher überraschende taktische Feinheiten überlegt hat.
Dafür gibt es verschiedene Varianten, die der Borussia trotz der weitestgehend gleichen Personalwahl vom Sieg aus dem ersten Gruppenspiel Probleme bereiten können. Abgesehen von der veränderten, offensiveren Besetzung von Reals Linksverteidiger-Position betreffen diese vor allem diverse gruppentaktische Details.
Özils Rolle
Zum einen könnte sich Mesut Özil tiefer positionieren, um mehr Zugriff auf das Spiel zu bekommen. Im enorm stark verteidigten Mittelfeldzentrum von Dortmund haben es die gegnerischen Zehner öfter schwer Bälle zu bekommen und selbst Raumsucher Özil fand in den Gruppenspielen kaum Lücken – oder zumindest keine, in denen er anspielbar gewesen wäre.
Daher ist gut vorstellbar, dass er vermehrt ins Sichtfeld der Dortmunder Sechser zurückfällt, eventuell auch gezielt in den Rücken von Götze. So könnte sich entweder der Zehner des BVB nicht mehr so sauber an Alonso orientieren, oder die Sechser werden zum Herausrücken provoziert. Nun könnten sich entweder Freiräume für Khediras Vorstöße und einrückende Läufe der Flügelspieler öffnen, oder Alonso würde kleine Freiheiten bekommen – im Optimalfall beides.
Dreierkette im Aufbau?
Damit kombinierbar wäre eine Umpositionierung der aufbauenden Spieler. Die Viererkette könnte sich mit dem vorstoßenden Coentrao stärker auffächern als gewöhnlich und eine breite Dreierkette bilden, die Lewandowski nicht mehr effektiv stören kann. Die äußeren Verteidiger könnten dann relativ ungestört diagonal ins Mittelfeld spielen, gerade auf der überladenen linke Seite gäbe es diverse Möglichkeiten.
Daher ist auch gut möglich, dass Varane und Pepe die Positionen tauschen, sodass Varane seine starken Vertikalpässe ungestört von links spielen kann. Pepe, welcher beim 2:1 der spielerische Schwachpunkt war, auf den das Aufbauspiel im geleitet wurde, könnte sich auf simples seitlich umherschieben konzentrieren.
Rechts könnte dadurch auch Dortmunds linker Mittelfeldspieler weggezogen werden, um Ramos zu pressen. So könnte di Maria nach simplen Pässen entlang der Seitenlinie nicht sofort gedoppelt werden und vermehrt seine starken Dribblings anbringen, die der Borussia in den bisherigen Spielen mit die größten Schwierigkeiten machten.
Alonsos Grundposition
Mit diesen Maßnahmen könnten Alonsos Aufbau-Impulse ersetzt werden, oder der Spielmacher würde selber freikommen, wenn Dortmunds Offensivspieler im Pressing reagieren. In der Konsequenz wird Alonsos Positionierung entscheidend.
Prinzipiell könnte es sein, dass Real einfach eine zusätzliche „Ecke“ in den Spielaufbau integriert: Alonso wird nicht mehr direkt gesucht, sondern bewusst wird erst mal von ihm weggespielt. So könnte man die Dortmunder eventuell zu einer Reaktion zu verleiten, mit der sie Alonso „stehen lassen“. Alonso läuft sich währenddessen in ballfern entstehenden Räumen frei und mit schneller Zirkulation durch die Abwehr, wird er dann gefunden.
Zudem ist auch möglich, dass Alonso einfach seine Grundposition mit Khedira tauscht, wie zum Beispiel schon gegen Galatasary. Das würde zum einen dazu führen, dass Dortmund grundlegend umjustieren muss: Normalerweise spielt Lewandowski gerne etwas linksseitig, Götze rechts, nun müssten sie tauschen. Zudem wäre der Spielaufbau dann eher auf Varane gezogen, anstatt auf Pepe, sodass Dortmunds diagonales 1-1 in der Spitze nicht mehr so effektiv wäre. (Gleicher Effekt natürlich, wenn Varane und Alonso zusammen linksseitig stehen.) Da Özil lieber halbrechts zurückfällt, um dann mit seinem linken diagonal zur Mitte zu spielen, ergäbe so ein Positionswechsel auch eine bessere Raumaufteilung mit Khedira, der diese rechtsseitigen Räume nicht mehr „verstopfen“ würde.
Das 4-3-3 als Clown aus der Box?
Zudem hat Mourinho auch formative Möglichkeiten, seiner Mannschaft neues Pulver zu verleihen. Angesichts seiner bereits bekanntgegebenen Personalwahl, wäre das auch die größte und damit vielleicht effektivste Überraschung.
Das könnte er auch damit verbinden, die Aufstellung doch noch einmal zu variieren: Er kündigte nämlich an, dass Angel di Maria aufgrund der Geburt seines Kindes möglicherweise aus emotionalen Gründen doch nicht zur Verfügung stehe. Denkbar, dass er gar nicht wirklich mit dem Argentinier plant und diese Anmerkung nur Strategie war, um die angekündigte Aufstellung doch noch zu verändern, ohne sich „lächerlich“ zu machen.
Di Maria wäre nämlich ohnehin das nahliegendste Bauernopfer, falls Real sein Ausweichsystem 4-3-3 auspackt. In diesem würde Luka Modric neben Khedira eine Doppelacht aufziehen, die Alonso auf andere Weise entlasten könnte. Beim 3:0-Sieg gegen das manndeckende Athletic Bilbao baute Real viel über die linke Seite auf, wo Modric dann den zurückfallenden Verbindungsspieler im Halbraum gab. Er löste so Drucksituationen und konnte vereinzelt auf den dadurch freigeschobenen Alonso verlagern oder selber ins offensive Mittelfeld spielen, wo Ronaldo und di Maria von den Flügeln einrückten.
Problem bei der Geschichte: Modric hat sich am Wochenende verletzt. Die Verletzung ist aber nicht schwerwiegend, weshalb seine Einsatzmöglichkeit unklar ist. Beim öffentlichen Training im Signal-Iduna-Park war das kroatische Genie zumindest dabei, aber beschäftigte sich damit, Ronaldo und Varane beim jonglieren zuzuschauen. Auch das muss aber nichts heißen; je überraschender seine Aufstellung wäre, umso schwerer könnten sich die Dortmunder noch darauf einstellen – von daher ist hier durchaus etwas Spielraum für kleine, taktische Verschwörungstheorien. Falls diese daneben liegen, gilt die Überlegung jedenfalls für das Rückspiel.
- Holt Mourinho die „Brücke“ raus und kann Klopp reagieren?
Darüber hinaus bietet sich Mourinho eine zweite, grundlegend andere Herangehensweise an das Spiel, mit welcher er auch die bisher stärkste Phase gegen die Borussia heraufbeschwören konnte. Im Rückspiel wechselte er in der Pause auf eine Art 4-2-0-4, in der seine Mannschaft nicht mehr versuchte das schwer zugängliche offensive Mittelfeld zu bespielen. Stattdessen wurde es aggressiv mit langen Bällen überbrückt und anschließend gingen die vier Dribbler in der Offensive – di Maria, Callejon, Ronaldo als Mittelstürmer, Özil rechts – direkt eins gegen eins mit den physisch unterlegenen Dortmunder Abwehrspielern.
Durch diese Isolationsstratgie mit einer „Brücke“ über Dortmunds stärksten Bereich, gelangen die Borussen eine Zeit lang so stark ins Wanken wie fast (?) nie in den letzten zwei, drei Jahren und hätten in 20 Minuten mehrere Gegentreffer kassieren können. Von daher ist anzunehmen, dass beide Trainer ein Augenmerk auf diesen Ansatz haben.
Rhythmusfrage für Mourinho
Für Mourinho wird dabei entscheidend sein, wie stark er diesen Ansatz ausreizen kann, ohne dass er sich abnutzt. Bereits im letzten Spiel beruhigte sich das Spiel nach rund 20 Minuten wieder etwas, da die anfangs überraschten Borussen sich besser anpassten. Anfangs hielten sie etwas zu stark ihre Positionen und versuchten noch, irgendwie Überzahlen herzustellen. Später gingen sie aggressiver gegen die Ballannahmen der Angriffsspieler vor und antizipierten das extrem schnelle Weiterspielen in die Spitze besser.
Mourinho muss daher dosieren, um den Überraschungseffekt dieser ganz anderen Spieldynamik möglichst effizient zu nutzen und zu verhindern, dass Dortmund sich so einschleift, dass sie die ungedeckten Sechserräume für Konter nutzen können. Die erzeugte Hektik und Reals Offensivpräsenz verhinderten letzteres beim 2:2 noch.
Auftrennung der Doppelsechs
Die logische schwarzgelbe Antwort auf diese Aufgabenstellung wäre eine „Gegenisolation“: Die absichtliche Isolation der gegnerischen Mannschaftsteile wird duch eine Trennung der eigenen Defensive gekontert. Der tote Bereich im defensiven Mittelfeld wird etwas leergeräumt – wobei man aufpassen muss, das man keine zu konstanten Löcher lässt, die der Gegner dann wieder durch fluide Umpositionierungen ausnutzen kann.
Im Hinspiel versuchte Klopp dieses Problem so zu lösen, dass Bender neben Kehl eingewechselt wurde und Gündogan die Zehnerposition etwas linksseitiger übernahm. Bender spielte dann sehr aggressiv aufrückend und unterstützte Gündogan im offensiven Mittelfeld, während sich Kehl eher tief vor der Abwehr positionierte und die Viererkette dann unterstützen konnte. Zudem waren auch die Flügelspieler tiefer, um schneller doppeln zu können. So erzeugte Dortmund fluid eine Art 4-3-2-1 mit breiter „3“ und konnte die Isolation der eigenen Doppelsechs ansatzweise kompensieren.
So richtig stabil wurde Dortmund dadurch allerdings auch nicht, weil Bender beim Herausrücken öfter zu spät kam und Kehl nicht in der ganzen Breite unterstützen könnte. Am Ende konnte Real dann verdientermaßen auch noch ausgleichen. So muss Klopp die Auftrennung vielleicht noch konsequenter vornehmen, falls Mourinho wieder zur „Brücke“ greift.
5-4-1 als temporäre Lösung?
Eine logische Lösung des Problems wäre eigentlich ein 5-4-1-System, beziehungsweise eine Art 5-0-4-1, um die Bezeichnung 4-2-0-4 aufzugreifen. Darin wäre eine Überzahl gegen die vier Offensivspieler garantiert und würde sogar in der Breite bestehen; Dortmund könnte also entlang der ganzen Defensive gut absichern und doppeln.
Durch den zusätzlichen Verteidiger könnten die Abwehrspieler auch noch früher und riskanter herausrücken, was ohnehin eine Stärke der Dortmunder Defensive ist. So könnten der „tote“ Bereich im defensiven Mittelfeld intelligent flexibel besetzt werden, ohne dass dort konstant positionierte Spieler isoliert werden können.
Die Sechser könnten sich wegen dieser herausrückenden Defensive höher positionieren und hätten direkteren Zugriff auf die gegnerischen Sechser, auch die Flügelspieler könnten höhere Positionen halten, da die gegnerischen Flügelstürmer aus der Mitte heraus gedoppelt werden. Die 4-1-Offensive hat sich übrigens schon bewährt; gegen Frankfurt und Hamburg stand Dortmund trotz Unterzahl sehr kompakt, da die Sechser sich im 4-4-1 sehr intelligent bewegten.
So könnten sie im 5-4-1 zum einen die langen Bälle besser verhinden und zum anderen das besser verteidigen, was dann noch durchrutscht. Außerdem könnten die Abwehrspieler nach Balleroberungen mit Gesicht zum Feld in die Lücke des Sechserraumes vorstoßen, sodass das potentiell problematische Gegenpressing Reals in dieser Formation konsequenter ausgehebelt werden kann.
Personell wäre das für die Borussen relativ leicht zu machen, auch aus dem laufenden Spiel heraus: Blaszczykowski und Großkreutz brachten in der laufenden Saison bereits gute Leistungen in der Außenverteidigung und könnten einfach zurückgezogen werden mit Götze außen. Schmelzer und Piszczek sollten beide keine großen Probleme haben, eine etwas eingerücktere Stellung in einer verlängerten Kette einzunehmen. Schmelzer ist ohnehin Spezialist für das Einrücken, was er als Absicherung für Hummels‘ Herausrücken regelmäßig demonstriert.
Diese radikale Umstellung mag so kurzfristig unwahrscheinlich erscheinen, doch Klopp bewies in der Saison schon den Mut zu schwerwiegenden Änderungen: Im Ruhrpott-Derby stellte er kurz vor dem Spiel überraschend auf eine Dreierkette um. Dass dieses einmalige Scheitern die grundlegende Philosophie des Dortmunder Trainerteams ins Wanken gebracht haben könnte, ist nicht anzunehmen; zumal ein ähnlich plötzlicher Systemwechsel auf ein 4-5-1 gegen Manchester City durchschlagend funktionierte.
Taktische Schachzüge mit zwei Spielern
Da beide Mannschaften also aus dem laufenden Spiel variieren können, ist es möglich, dass gleich mehrere Systemmöglichkeiten vorbereitet werden und diese nur in kurzen Phasen hin- und zurückgewechselt werden; potentiell eine der spektakulärsten taktischen Storys der Fußballgeschichte.
Weiter gedacht, könnte Mourinho sich sogar eine Gegenmaßnahme auf die Gegenmaßnahme überlegt haben, denn er hat ja Klopps Reaktion im Rückspiel bereits beobachtet. Es könnte dadurch ein Schachspiel zwischen den Trainerbänken entstehen – wie bereits im Hinspiel leise angedeutet. Dort reagierte der BVB ganz schnell auf einen Positionstausch Ronaldos und negierte ihn dadurch:
„Besonders spannend waren die Außenbahnen zwischen der 10. und 20. Minute, als es dort vier aufeinanderfolgende Umstellungen gab, die möglicherweise ein ganz wichtiges und übersehenes Trainerduell darstellten. So tauschten beide Teams ihre Flügelspieler hin und zurück: In Minute zehn ging Ronaldo auf die rechte Seite von Schmelzer, zwei Minuten später folgte ihm Reus auf diesen Flügel. Zwar geschah zweiteres nach einer Ecke, die Reus von dort hereinbrachte, aber er blieb dort auch in den folgenden Minuten. In der 17. Minuten ging Ronaldo dann zurück auf seine Stammposition – und erneut folgte zwei Minuten danach der Wechsel von Reus und Großkreutz. Reus folgte also Ronaldo.
(…)
Dass es jeweils nur zwei Minuten brauchte, bis Dortmund auf diesen Kniff reagierte, lässt vermuten, dass Klopp sich dieser Gefahr bewusst und darauf vorbereitet war. In der Phase mit Reus links kamen die Borussen dann auch vermehrt über diese Seite und konterten Mourinho damit konsequent. Dieser zog seine entschärfte Waffe zurück und ließ sein Team in der gewohnten Konstellation zu Ende spielen. Gut vorstellbar, dass das Spiel bei einer weniger vorausschauenden Trainerleistung auf Dortmunder Seite anders verlaufen wäre.“
Man darf gespannt sein. Zumal es auch fernab dieser Überlegung allerhand Variationsmöglichkeiten gibt.
- Provoziert Coentrao das Dortmunder 4-3-3?
Die grundlegendste Änderung des Spiels betrifft den linken Flügel Reals, wo Fabio Coentrao hinter Ronaldo auflaufen wird. Mit offensiven Außenverteidigern hat der BVB „traditionell“ Probleme und Real ist außergewöhnlich stark darin, diese auf der linken Seite zu nutzen.
Dabei wäre wohl der Spielaufbau entlang der linken Seite nicht das große Problem. Wenn Real frühzeitig nach links spielt und dann einfach den Flügel runterspielt, kann der BVB früh verschieben und dort Überzahl herstellen. Problematisch sind vor allem Seitenwechseln.
Die bösen Kinder der Raumverknappung
So offenbarte sich schon in den Gruppenspielen ein potentielles Problem, wenn Real über die rechte Seite angriff.
Über das Zusammenspiel von di Maria, Özil und Khedira bzw. Modric konnten sie ein paar Mal durch den halbrechten Raum Momentum aufbauen und einige Dortmunder aussteigen lassen und di Maria zeigte besonders in der Endphase einige gelungene Dribblings.
Die kollektiv agierenden Dortmunder sichern sich in solchen Situationen ab, sodass meist nicht der Weg zum Tor offen wird, allerdings dafür die ballfernen Räume, da die Formation auf den dribbelnden Spieler nachschieben muss. Real erkannte diese potentielle Schwachstelle oft und verlagerte in den richtigen Momenten, was den BVB arg ins Wackeln hätte bringen können – wenn Real dann konsequent weitergespielt hätte.
Gerade Essien verhielt sich aber oft zu defensiv in diesen Szenen: Anstatt konsequent zu hinterlaufen oder frei am Ball kreativ zu werden, verschleppte er das Tempo und rückte in einigen Szenen auf seinen rechten Fuß ein. So wurde Ronaldo, der ebenfalls über rechts nach innen ziehen will, von ihm eher behindert als unterstützt und Piszczek konnte die Szenen verzögern, sodass die weggezogenen Dortmunder Zeit bekamen um wieder zurückzuschieben.
Doch Coentrao ist nicht nur Linksfuß, er ist besonders für diese Verlagerungssituationen ein absoluter Spezialist – das war sogar ein entscheidender Punkt für Portugals Halbfinal-Einzug bei der EM.
Dementsprechend muss der BVB diese Situationen unbedingt in den Griff bekommen, sonst könnten sie dicke Probleme bekommen. Die nahliegende Lösung: Das 4-3-3 bzw. 4-5-1, mit dem Dortmund gerne auf sehr offensive Außenverteidiger reagiert und außerdem mehr Beweglichkeit im Zentrum erzeugt.
Spezialsystem?
Dadurch würde aber der so wichtige Zehner im Pressing fehlen. So könnte Reals zentral-defensivem Mittelfeld viel mehr Platz für Xabi Alonso entstehen, was die herausrückenden Achter wohl zu langsam kompensieren würden. Daher scheint das 4-5-1 ebenso große Probleme zu bekommen wie das 4-2-3-1.
Vielleicht zeigt das Dortmunder Trainerteam deswegen besonderes Geschick und lässt eine Art Mischsystem spielen. Da Reals Rechtsverteidiger meist deutlich zurückhaltender spielt, könnte Dortmund auf dieser Seite eher auf die Breite verzichten. So wäre eine lose Manndeckung auf Coentrao möglich, während Götze etwas tiefer steht oder die Mittelfeldspieler einrücken.
Lange Bälle hinter Piszczek
Bei allen Varianten muss Dortmund auf einen Spielzug enorm aufpassen, den Real sehr stark spielen kann. Gegen hohe Abwehrreihen – wozu die des BVB ja zu zählen ist – schlagen sie auch gerne vom linken Flügel weite Bälle in die Tiefe. Die schnellen Stürmer sprinten diese früh an und sind dann kaum noch zu halten von den Verteidigern.
Dortmund hat in der Rückrunde besonders mit Bällen entlang der rechten Seite Probleme, was Real fokussieren könnte. Entweder Varane oder Coentrao könnten diese Bälle stark bringen und Real kann sie auf verschiedene durchschlagskräfte Arten anlaufen: Özil kann aus der Mitte ausweichen und dann mit seinem linken Fuß direkt zur Grundlinie gehen. Ronaldo positioniert sich neben dem aufrückenden Linksverteidiger vermehrt in den Halbräumen und kann von dort unterschiedliche Wege in die Spitze nehmen und seine wahnsinnige Dynamik dann aus vollem Lauf ausspielen. Auch die Stürmer können ausweichen, was Higuain in den Gruppenspielen zwar erfolglos versuchte, aber auch nicht mit dem richtigen Timing. Wenn er dabei vermehrt diagonal hinter Piszczek geht anstatt zur Seitenlinie, könnte ein weiterer Gefahrenherd entstehen.
- Dominiert der BVB noch einmal die zweiten Bälle und wie presst Real?
Doch nachdem der BVB in der Gruppe vier Tore erzielte, muss sich auch Real sehr in acht nehmen. Mourinho betonte zwar auf der Pressekonferenz individuelle Fehler seiner Spieler, aber ist sicher bewusst, dass beispielsweise Pepes Fehlpass zum 1:0 im Hinspiel eine logische Folge von Dortmunds Pressing war und die Vertikalangriffe der Borussen regelmäßig Gefahr erzeugten.
Reals Pressinghöhe
Entscheidendes Element dabei ist die Kompaktheit Reals, die nicht immer optimal ist. Die vier Offensiven gehen normalerweise separat ins Angriffspressing und kommen relativ langsam zurück. Dortmund nutzte diese Charakteristik für eine sehr fokussierte Nutzung langer Bälle:
„Letzteres war wohl das zweite Kernelement der Borussen, die sehr konsequent in der Vermeidung von frühen Ballverlusten gegen Reals Pressing waren. Dieses ist zwar ähnlich aggressiv wie das der Dortmunder, aber nicht ebenso kompakt. Besonders die Flügelspieler stehen aufgerückter und der Stürmer agiert aus höherer Grundposition, wodurch die gegnerische Viererkette direkter unter Druck gesetzt werden kann, aber das Mittelfeld ist nicht so dicht, wie dies auf Dortmunder Seite der Fall ist.
Diesen Faktor nutzte der BVB zusammen mit der Überzahl, die seine Innenverteidiger gegen Higuain hatten. Anstatt (wie beim Dortmunder Pressing) die Wege ins Mittelfeld zu blockieren, steht der Stürmer bei Real eher zwischen den Innenverteidigern und läuft sie seitlich an, um horizontale Ballzirkulation zu verhindern. Daher hatten Hummels und Subotic zwar nicht viel Zeit am Ball, aber doch genug Raum um einen schnellen ungestörten Pass zu spielen und dabei ein freies Sichtfeld ins Mittelfeld. Auf diese Situation waren sie offenbar vorbereitet und spielten sehr konsequent vorwärts, ohne den Ball vorher innerhalb der Viererkette laufen zu lassen.
Da Subotic mittlerweile ebenfalls ein sehr hohes Level bei seinen langen Bällen erreicht hat, konnten beide zuverlässig die Pässe verteilen. Je nach Situation schlugen sie diese auf den Flügel, wo Dortmund dann die angesprochenen Überladungen auspackte, oder sie spielten zwischen die Linien in Richtung Lewandowski, der ablegen sollte. Hier konnte Dortmund die zweikampfstarke Doppelsechs und die kompaktere Grundstellung ausspielen, um einen großen Anteil der zweiten Bälle zu sichern. Götze konnte die engen Szenen dann oft auflösen und so überführte die Borussia die langen Bälle in kontrollierte Spielsituationen – die zweite Säule des Dortmunder Offensivpotentials, über welche die Königlichen ihre angestrebte Überlegenheit einbüßten.“
Um dieses Element zu vermeiden hat Real zwei wesentliche Möglichkeiten: Noch höher stehen, um die langen Bälle direkt zu ersticken bzw. weniger präzise zu machen, oder kompakter stehen, um gegen die zweiten Bälle besser auszusehen.
Mögliche Umsetungen sind ein tieferes und dann situativ aufrückendes 4-2-3-1, wie es Real teilweise gegen Barcelona spielte. So könnte Dortmund überfallartig überrascht werden, sodass sie vielleicht Bälle überambitioniert verlieren oder in falsche Räume nach vorne schlagen. Gegen solche Überraschungsmomente ist Dortmund aber normalerweise relativ stabil, da die „geistige Verbindung“ in die Spitze immer besteht als Sicherungsnetz.
Auch ein 4-4-2 oder gar ein 4-2-4-0 wäre möglich. Malaga hatte damit ja im Rückspiel eine durchaus stabile Ordnung, Real könnte die Konterstärke beibehalten, bei höherer Grundkompaktheit. Zudem würden sie Dortmund den Spielaufbau verstärkt aufdrängen, eventuell würden dann die schwarzgelben Sechser auch zurückfallen und die Präsenz auf die zweiten Bälle ein wenig verlieren.
Im 4-3-3 hätte Real naturgemäß einen Spieler mehr gegen die zweiten Bälle und die vorderen drei könnten ähnlichen Grunddruck erzeugen. Die Frage wäre dann, wie gut Dortmund die Sechser einbinden kann und wie sich diese gegen das Herausrücken von Reals Achtern bewähren – hier könnten Gündogan oder Khedira die entscheidenden Akteure werden.
Zwischen Druck und Hektik: Der Rhythmus des Vertikalspiels
Aus Dortmunds Erfolgen in der Gruppenphase könnte sich außerdem ein kleines psychologisches Moment ergeben: Reals Defensivspieler könnten nach zweimaliger Demonstration des Dortmunder Umschaltspiels ein wenig vorsichtiger werden, eher zurückweichen und die Dortmunder Angriffe vermehrt ausbremsen.
Umgekehrt wäre auch denkbar, dass die Borussen wegen gesteigerten Selbstbewusstseins das notwendige Risiko im Direktspiel leicht zurückschrauben, in der Überzeugung, den Gegner auch etwas kontrollierter knacken zu können – so, wie es ihnen in den letzten Ligaspielen auch gut gelang. Das könnte dann aber wiederum auch gut passen, wenn Real sich tatsächlich stärker auf die Verteidigung des direkten Vertikalspiels fokussiert. Von daher stellen wir hier die psychologische Kristallkugel zurück in den Schrank und halten einfach fest, dass solche Kleinigkeiten den Spielrhythmus entscheidend beeinflussen könnten – in beide Richtungen.
Taktisch gesehen ist jedenfalls gerade das Thema der Dortmunder Fähigkeiten in Ballbesitz sehr interessant, welches eng mit der Frage nach dem richtigen Rhythmus verknüpft ist. Tatsächlich hatten die Borussen nämlich selbst bei ihrem Sieg nicht immer den richtigen Gang im Getriebe, wenn es um das Spiel aus dem Mittelfeld in die Spitze ging.
Manchmal fehlte ihnen das Tempo in der horizontalen Ballzirkulation, sodass sie Reals Lücken in den ballfernen Halbräumen nicht schnell genug nutzen konnten und somit das Zocken von Ronaldo unbestraft ließen. In anderen Momenten versuchten sie überfrühte Steilpässe in Laufduelle gegen die unheimlich schnellen Verteidiger Madrids, wobei vor allem Pepe einige vielversprechende Angriffe dann einfach ablaufen konnte. Mit klareren Laufwegen und besserer Entscheidungsfindung (Tagesform) könnte Dortmund in diesem Punkt sogar noch einiges an Luft nach oben erschließen. Dabei wird auch die Personalwahl entscheidend werden.
- Kann Sahin Nutznießer der Ronaldo-Freiräume werden?
Personelle Änderungen könnten auch defensiv relevant wären für Real, bei denen Ronaldos bekanntes Zocken auf der linken Seite ein großes Problem des Hinspiels war. Dortmund nutzte die entstehenden Lücken aber auch nicht konstant gut. In diesem Punkt haben also beide Mannschaften Luft nach oben.
Bleibt Mourinho beim Risiko?
Grundlegend stellt sich die Frage, ob Ronaldo überhaupt zocken darf. Angesichts Higuains Aufstellung erscheint es all zu wahrscheinlich – umso merkwürdiger wirkt wiederum Mourinhos Bekanntgabe der Aufstellung. Es gibt aber durchaus auch andere Möglichkeiten.
So wäre ein 4-4-2 möglich, in dem Ronaldo eine defensiv unanspruchsvolle Rolle neben Higuain übernimmt und offensiv wie im Umschaltspiel die Lücken auf außen sucht. Özil und di Maria könnten hingegen einrücken und Dortmund hätte schwierige Übergabemomente, viel Gefahr von Kontern und keine fest bespielbaren Räume im Zentrum.
Auch ein 4-2-3-1 mit Higuain als pressendem Zehner wäre denkbar. So könnte sich Real nach langen Bällen in ein 4-4-1-1 zurückziehen und Ronaldo kann von vorne ausweichen und die Konterlücken suchen. Higuain würde mit Tempo in die Spitze nachstoßen – ein System, was für Dortmund sehr unangenehm abzusichern wäre.
Und dann gibt’s natürlich noch die simple Möglichkeit, dass sich Ronaldo einfach stärker am Defensivspiel beteiligt. Es gab ja auch schon Clasicos, bei denen er gegen Alves eine durchaus gute Figur machte und konstant zurückarbeitete. Die Laufstärke hat er im Prinzip.
Die richtige Nutzung der Räume
Ob Dortmund die Freiräume auf rechts findet, oder nicht, enorm wichtig wird sein, wie sie das Spiel von den Sechserpositionen gestalten, wenn der Ball dort ist. Bei Angriffen über rechts ist die rechte Sechserposition die wichtigste Verbindungsstation, falls Real tiefer steht, müssen die Sechser intelligent reagieren und versuchen, sich im Aufbauspiel einzuschalten.
In den Gruppenspielen fehlte auf dieser Position zuweilen der richtige Angriffsinstinkt, um die Bälle von dort auch gefährlich zu machen. Dortmund ließ den Ball zwar gut durch die Freiräume zirkulieren, aber fand die entstehenden Lücken bei Real gelegentlich zu langsam oder zu unpräzise. Bender und Kehl fehlte die letzte Passstärke, während Gündogan für diese Rolle nicht so gemacht ist. Dortmunds wohl wichtigster Akteur agiert lieber ruhig und kurz unter Druck, entscheidende Angriffspässe aus größeren Freiräumen zu spielen ist nicht seine ganz große Qualität.
Nuri Sahin als Joker
Entscheidend für Dortmund könnte daher die Leihe von Real werden. Nuri Sahin ist besonders für diese entscheidenden Pässe der Spieler schlechthin. Er überzeugte auch in den vergangenen beiden Ligaspielen, ein Mal hinter und ein Mal neben Gündogan. Beide taktische Varianten könnten eine Reaktion auf ein verändertes Pressing bei Real sein.
Falls Real tief steht, kann das Zurückfallen eines Sechsers entscheidend für den Spielaufbau werden, während dann der Zehner klug zurückfallen müsste, um die Verbindung nach vorne herzustellen und das Zentrum abzusichern – wie gegen Fürth demonstriert, käme vor allem zweitere Rolle Gündogan eher entgegen als Götze, welcher dann wiederum seine Kombinationsstärke auf rechts vermehrt einbringen könnte.
In einem Extremfall wäre es sogar denkbar, dass Klopp tatsächlich die spielerische Doppelsechs auspackt, die gegen Mainz ohnehin das erste Mal gut balanciert wirkte. Wenn der BVB so gar keine Kontrolle ins Spiel bekommt, wäre dieses Risiko vielleicht ein notwendiges, um auch die Defensive über die Offensive zu stabilisieren.
Individuelle Klasse gegen „grüppische“ Klasse
Dabei wird in jedem Fall wichtig, dass sich die Borussen gruppentaktisch clever verhalten und sich nicht separieren und zu Einzelaktionen drängen lassen. Dortmund ist vor allem (oder sogar nur) dann auf Topniveau, wenn ihr Zusammenspiel stimmt, sie schnell kombinieren und die Räume ausreichend geduldig ausspielen.
Wenn sie gegen die brutal dynamische Viererkette von Real wieder verfrühte Pässe in die tiefe Spielen oder in unnötige Einzelaktionen gehen, lassen sie Potential liegen. Falls es ihnen aber gelingt, konstant den richtigen Rhythmus einzuschlagen und bestimmte Zonen mit drei, vier Mann zu überladen und durchzukombinieren, dann können die Madrilenen ihre physische Überlegenheit nicht einbringen und Dortmund könnte noch gefährlicher werden als in den bisherigen Spielen. Dass das Siegtor im ersten Heimspiel nach einer gut getimeten Überladung der rechten Seite fiel, steht symbolisch für diesen wichtigen Aspekt.
Fazit
Was soll man noch sagen? Es gibt so viele interessante Elemente in diesem Spiel, dass man sich kaum entscheiden kann, worauf man besonders gespannt ist. Das Spiel kann sich in viele Richtungen entwickeln, ein Haufen Akteure können zu Schlüsselspielern werden und die Trainer könnten enormen Einfluss nehmen.
Wir freuen uns auf ein Spiel, das eines für die Ewigkeit werden kann. Auf dass der Fußball die kindischen Transferstreitereien dieser Tage vergessen machen möge.
28 Kommentare Alle anzeigen
Koom 25. April 2013 um 10:44
Interessantes Spiel, das sich „ausgeglichener“ anfühlte als das vorige Spiel der FCBs. Real war fit und auch willig, das strahlte Barca gegen die Bayern zu keinem Zeitpunkt aus. Aber Real spielte auch „irdischer“, als es die Blaugrana machte, die sich sehr in ihrer Ballbesitzspielweise gefielen, ohne damit wirklich das Spiel zu kontrollieren.
Man sieht wirklich gut, wie die Spielweisen ähneln von Madrid und Dortmund: Beide setzen auf ein gewolltes Chaos beim Gegner, das man mit schnellem Antizipieren nutzt. Dortmund gelang das gestern eindrucksvoll besser. Mir erschien es so, als ob Reals Indivualistenfußball, den Mourinho zwar in vernünftige Bahnen gelenkt hat, hier die eigentliche Leistungsstärke der Spieler unterdrückte. Ronaldo, Özil & Co. wirkten isoliert vom Rest der Mannschaft. Khedira gab einen mittelmässigen Aussenbahnspieler, während Dortmunds Offensive ent- und geschlossen zusammen wirbelte und kompakter auf das Tor zu ging.
Bevor man die Sektkorken knallen lässt, sollte man sich aber im Klaren sein, das gerade spanische Mannschaften auswärts oft nur die Hälfte wert sind (überspitzt gesagt).
TW 25. April 2013 um 10:05
Es ist wirklich schade, dass Real nicht das taktische Niveau aufwies, um dieses Spiel auf das Level zu heben, das es verdient hätte. Mit Ronaldo und Özil auf Außen war Real dort extrem anffällig. Immer wieder musste das Mittelfeld die fehlende Defensivbereitschaft Ronaldos oder die schlechte Positionierung Özils durch improvisierte Formationen auffangen. Die Überzahl im Mittelfeld, insbesondere durch Götzes Fokussierung auf die Außen, konnte so nie ernsthaft genutzt werden.
Auch Reals Pressing wirft Fragen auf. Anstatt wie sonst, die IV direkt unter Druck zu setzen, wurde diesmal ein etwas passiveres Mittelfeldpressing gespielt. Hummels wurde also freigelassen und konnte in Ruhe seine langen Bälle spielen. Gleiches galt für Gündogan, wenn dieser zwischen die AV abkippte. In Kombination mit der fehlenden physischen Präsenz von Modric und Özil waren die zweiten Bälle immer wieder gefährlich.
blub 25. April 2013 um 10:42
Mit di Maria statt Özil hätte die idee ja zukunft, aber Özil hatte es auch schwerer als wenn er sonst Ra spielt: Schmelzer hatte einen echten Sahne-tag.
Ja, mit der passiven Variante hat Real die Spielkontrolle völlig aus der Hand gegeben[im Gegensatz zu bayern die spielkontrolle mit signifikant weniger ballbesitz hatten). sobald Higuain mal aktiv geworden ist hat Dortmund doch signifikant mehr Probleme gehabt. wenn Mou das geplant hatte muss man ihm (imho) ankreiden das der passive Ansatz gegen Hammels/Subotic als zu erfolgversprechend bewertet hat.
Der Ansatz das Spiel etwas hektischer zu gestalten um die eigenen Individualisten ins Spiel zu bekommen ist dann an Bender zerschellt, so wie die Titanic am Eisberg.
TW 25. April 2013 um 10:50
Da hast Du Recht. Im Vorbericht hieß es, dass Real versucht, das Spiel hektisch zu machen, um dann seine individuelle Qualität auszuspielen. In der Umsetzung war Real jedoch grad in den hektischen Phasen anfällig, da die Positionierung extrem chaotisch war, während Dortmund es immer wieder schaffte kontrolliert ballnah Überzahlen zu erzeugen ohne die Kompaktheit zu verlieren. Darüberhinaus war die individuelle Zweikampfqualität von Bender und Gündogan einfach Welten über der von Khedira und Modric. Ich denke hier spielt auch rein, dass Letztere immer wieder ihre Position suchen mussten und Angst hatten, beim Herausrücken Lücken zu lassen. Im Gegenzug wussten B+G, dass das Kollektiv die Herausrückbewegungen abfängt und sie konnten sich somit ohne Nachzudenken in die Zweikämpfe werfen.
BenSchreck 25. April 2013 um 01:04
Schade eigentlich… an den mühsam zusammengeklaubten Graphiken stimmte keine einzige…. so ein Pech aber auch…
Hätte ja keiner ahnen können, dass Dortmund derart agil und dynamisch presst, Kuba so hoch steht, Reus alles zwischen Verteidiger und Außen spielt etc… Pech halt.
MR 25. April 2013 um 04:30
Kein all zu großes Pech, wenn man 10 verschiedene Varianten aufzählt und nur zur Hälfte Grafiken macht. Dafür steht die korrekte Möglichkeit im Text, obwohl Mourinho diese quasi ausschließen wollte.
Abgesehen davon, dass die erste Grafik zu Reals Brücke eigentlich recht gut zur Endphase passt.
GoalImpact 25. April 2013 um 00:05
Vielleicht wollte Mourinho Deine Frage nach dem Rezept gegen Dortmunds Lessing nicht beantworten, weil er die Antwort nicht kannte.
BenSchreck 25. April 2013 um 01:45
Dortmunds „Lessing“? Hmmm…
Ich vermute, dass Mourinhos „Ring der Weisen“ Dortmunds „Sturm und Drang“ nicht gewachsen war…. höhö
Hans 25. April 2013 um 00:02
Sorry, aber Real hatte ja nichtmal Kreisklasseniveau. Was die abgeliefert haben, war einfach nur schlecht. Das 1:1 war ein Gastgeschenk von Hummels. Ohne diesen Bock geht das Spiel genau so aus wie gestern.
Dortmund wußte aber auch die Schwäche des Gegners eiskalt auszunutzen und hat sich nicht vor dem „großen Namen“ vor Angst in die Hose gemacht. Also auch in der Höhe ein völlig verdienter Sieg.
blub 25. April 2013 um 00:15
was für ein quatsch.
Real war nicht schlecht. Dortmund war nur besser.
Hans 25. April 2013 um 19:13
Klar, wenn man „dem Gegner im eigenen Strafraum jedesmal 10 Meter Platz lassen“ als „nicht schlecht“ bezeichnen will, dann waren sie tatsächlich „nicht schlecht“.
Man hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass Real irgendwas reißen könnte. Schon in den ersten 10 Minuten lief nicht viel zusammen, das frühe Tor der Dortmunder nur folgerichtig.
Rasengrün 25. April 2013 um 04:07
Dortmund war so gut, dass Real nicht eine ihrer zahlreichen Stärken ausspielen konnte. Das trifft es wohl eher als Kreisklasse.
Schlicke 24. April 2013 um 20:07
Einer der besten Artikel die ich hier je gelesen habe. Perfekte Einstimmung auf das Spiel und als Sahnehäubchen noch deine Frage an „The Special One“.
Berni 24. April 2013 um 19:52
Modric spielt, DiMaria nicht. Na gutes Näschen, MR! 🙂
MR 24. April 2013 um 19:54
Hahaha, ich bin der Mourinho-Flüsterer!!
TW 24. April 2013 um 20:03
Welche der möglichen Dortmunder Formationen wäre denn nun aus Deiner Sicht am effektivsten?
Mit Modric ist im Spielaufbau ein Abkippen von Alonso zwischen die IV mit Dreierkette zu erwarten. Durch Khedira und Modric hat Real dann im Zentrum trotzdem noch Gleichzahl. Ist die tiefere Rolle Götzes nun ein (der) Schlüssel? Eventuell ein 4-3-3 Pressing ala Bayern gegen Juve?
TW 24. April 2013 um 20:16
Ist es unter diesen Umständen gar möglich, dass Real mit einer Raute spielt, also Özil als 10er und Higuain und Ronaldo als Stürmer?
MR 24. April 2013 um 20:21
Raute ist denkbar ja, wäre dann sehr, sehr eklig für Dortmund. Aber nicht unlösbar und nicht unbedingt Mou-Like. Ich denk eher, es wird das 4-3-3.
Ich glaube da wäre jetzt diese angesprochene Mischformation sogar noch effektiver. Boah, ich bin gespannt…
BenSchreck 25. April 2013 um 01:01
Das hat er wohl geahnt, das dem de Maria der Vater wegstirbt…
Nix für ungut….
datschge 25. April 2013 um 01:03
MR innovativer als Mourinho, blad hast den Job sicher!
MR 25. April 2013 um 01:10
Innovativ sein ist ja eh einfach. Da muss man ja nur irgendwas machen.
blub 24. April 2013 um 19:24
Ich wollte ja schon meckern das man den Artikel ja vor dem Spiel auch noch lesen muss, aber das hier ist eindrucksvoll.
Dieser Artikel schlägt z.B. RMs FCB-FCB preview um längen, und die war bereits auf außergewöhlich hohem Niveau.
tzu 24. April 2013 um 18:53
Und jetzt: Auf geht’s Real! Macht das Traumfinale komplett:)
Graf Zahl 24. April 2013 um 18:35
Was für ein wundervoller Vorbericht – der macht sämtliche Querelen um das Götze-wechsel-dich-Spielchen mehr als vergessen.
Das wird ein wahres Fussballfest, auf das ich mich jetzt gleich noch um einiges mehr freue! Danke für diesen unglaublich gut geschrieben Artikel mit einem Input, der die schier unerschöpflichen (taktischen) Möglichkeiten dieses Halbfinals aufzeigt. Klasse Arbeit 😉
Ruudie 24. April 2013 um 18:06
Ihr seid komplett verrückt! DANKE!
fabian 24. April 2013 um 18:02
Ich hoffe immer noch auf die selbe Mittelfeldaufstellung wie gegen Fürth. Mit Sahin auf der Sechs und Gündogan auf der 10. Gündogan könnte Alonso aus dem Spiel nehmen und Götze Coentrao beschäftigen. Mit einem abkippenden Sahin und einem spielmachenden Hummels könnte man sich auch dem Pressing entziehen und die Anbindung zum Mittelfeld bzw. die Variabilität im Spielaufbau wären somit gestärkt.
Marc 24. April 2013 um 17:47
Junge junge junge… das wird ein Fest : )
TW 24. April 2013 um 17:33
DANKE! Geile Einstimmung auf das Spiel.
Jetzt muss ich mir erstmal ’ne Mindmap machen, um die ganzen Ideen bis zum Spiel nicht zu vergessen 😉