Werder Bremen – Greuther Fürth 2:2
Werder Bremen kommt nicht in Tritt: Gegen Greuther Fürth lässt Thomas Schaaf in der ersten Halbzeit zu defensiv und in der zweiten zu offensiv agieren.
Werder Bremen wollte nach dem 1:1 in Gladbach vergangenes Wochenende gegen Greuther Fürth die Trendwende perfekt machen. Thomas Schaaf stellte sein Team in einem 4-4-2 auf. Seine Personalwahl war dabei eher defensiv, sowohl auf den Flügeln wie auch auf der Sechserposition. So mussten Arnautovic und Hunt zunächst auf der Bank Platz nehmen, dafür begannen Junuzovic und Ignjovski auf den Flügeln. Fürths neuer Coach Frank Kramer hielt dem Bremer System ein 4-1-4-1 entgegen.
Fürth kauft Bremen im Zentrum den Schneid ab
Von Beginn weg konnten die Bremer ihren Gegner nicht so dominieren, wie sie es sich erhofft hatten. Die Fürther nutzten ein klassisches Mittelfeldpressing: Sobald die Bremer sich an die Mittellinie vorkombinierten, stießen die Achter hervor, um den ballführenden Bremer unter Druck zu setzen. Das Fürther Mittelfeld machte dabei das Zentrum eng, indem die Außenspieler etwas einrückten. Bremens Doppelsechs war dadurch durchgehend in der Unterzahl und aus dem Spielaufbau genommen.
Bremen blieb wenig anderes übrig, als den Spielaufbau über die Außenverteidiger zu suchen. Hier rückte Fürth jedoch weit auf die ballnahe Seite ein. Mit einem Achter und dem Außenstürmer doppelten sie die gegnerischen Außenverteidiger. Gleichzeitig konnten sie mit dem tiefen Sechser und dem zweiten Achter verhindern, dass Bremen das Spiel über einen Sechser auf den anderen Flügel verlagert. Bremen spielte sich so fest. Zu selten konnten sie sich gegen das Fürther Pressing befreien, gerade schnelle Spielverlagerungen waren Mangelware. Erschwerend hinzu kam, dass ihre Aufstellung reichlich kreativarm war, um sich aus solchen Situationen zu befreien. Kein Bremer riss das Spiel an sich.
Fürths Verteidigung hielt Bremen in Schach, war aber nicht makellos: Ihre Abwehrreihe stand für ein Mittelfeldpressing etwas zu tief. Dadurch entstanden in den Halbräumen neben dem Sechser Lücken, sobald das Mittelfeld etwas höher attackierte. Am stärksten war Werder immer dann, wenn de Bruyne sich in solchen Situationen in die Halbräume fallenließ. Jedoch reagierten die Fürther oft, indem sie das Mittelfeld zurückzogen; so erhielten sie die Kompaktheit, ließen aber die Chance auf noch mehr potentiell gefährliche Ballgewinne liegen.
Spotlight: Bremens Viererkette
Fürth hatte trotzdem noch genügend gute Ballgewinne, um Bremen gefährlich zu werden. Sie konnten den Bremer Sechsern das ein oder andere Mal den Ball abluchsen und mit schnellen Gegenstößen Chancen einleiten. Besonders gefährlich wurde es, wenn die Fürther Achter früh den Ball gewannen und alleine auf die gegnerische Viererkette zuliefen. Sararer versuchte, unbemerkt am Rande der Viererkette zu agieren, während die beiden Außenstürmer in die Schnittstellen starteten.
Mit dieser Taktik fuhren die Fürther gut, vor allem weil Bremen diese Situation schlecht verteidigte. Eine Viererkette hat in solchen Situationen zwei Möglichkeiten: Schulbuchmäßig müsste ein Verteidiger rausrücken und den Gegner attackieren. Dabei kann er nicht nur aktiv den Ball erobern, sondern auch passiv das Sichtfeld des Gegners behindern. Alternativ kann sich die gesamte Kette fallen lassen, um mögliche Schnittstellenpässe zu erschweren. Im Falle eines gegnerischen Sprints kann man so leichter das Tempo aufnehmen, gleichzeitig können die Mittelfeldspieler zurückrücken und den gegnerischen Angreifer unter Druck setzen.
Das Problem: Bremens Viererkette wählte keine der Varianten. In manchen Situationen spielte die gesamte Viererkette auf Abseits und musste mit ansehen, wie die Gegner im Vollsprint hinter die Abwehr starteten. In anderen Situationen rückte Rechtsverteidiger Selassie heraus, was aber wenig brachte – schließlich versperrt er beim bogenförmigen Anlauf den Sichtweg für den Gegner kaum und ließ gleichzeitig Räume hinter sich für die startenden Außenstürmer. Fürth kam gleich dreimal in der ersten Halbzeit alleine vor Mielitz‘ Kasten, einzig die Chancenverwertung stimmte (mal wieder) nicht.
Schaafs Systemwechsel zur Pause
Nach 45 drögen Minuten, in denen sich Werder kreativarm präsentierte, änderte Schaaf sein System. Er brachte Hunt und Arnautovic für Selassie und Trybull und ließ sein Team nun in einem rechtslastigen 4-3-3 agieren. Hierdurch kam Bremen besser in die Halbräume. Hunt postierte sich auf halbrechts hoch. Gleich wenige Sekunden nach dem Anpfiff kam er frei neben Fürths Sechser Pevkovic an den Ball, einen Doppelpass später war er im Strafraum und holte einen Elfmeter raus, den er selbst versenkte (47.).
Dennoch konnte Werder auch nach der Führung den Gegner nicht dominieren. Ihr System war äußerst rechtslastig, Hunt, Arnautovic und Sokratis orientierten sich allesamt auf diese Seite. Mit dieser Asymmetrie fuhren sie gegen Fürths eingerücktes System nicht gut. Es fehlten immer noch die Spielverlagerungen. Warum Bremen dezidiert über rechts angreifen wollte, erschließt sich beim Blick auf Fürths Personal nicht: Mit Rahman Baba und Schmidtgal spielten hier zwei gelernte Außenverteidiger, welche ihre defensive Arbeit die meiste Zeit gut erledigten. Ab und an kam Arnautovic zu Flanken, meist spielte sich Werder aber fest.
Im Gegenzug kamen die Schwächen des neuen, alten Werder-Systems zum Vorschein. Junuzovic war als alleiniger Sechser auf verlorenem Posten und bekam wenig Absicherung von den Spielern vor sich; selbst Rechtsverteidiger Ignjovski orientierte sich nach vorne. Gerade auf der eben erwähnten rechten Seite stimmte die Rückwärtsarbeit nicht immer. Fürth konnte hier zu Gegenstößen kommen und leitete auch den Ausgleich über diese Seite ein. Hiernach orientierte sich Werder noch offensiver, ohne aber große Chancen herauszuspielen. Der Fürther Führungstreffer war zwar glücklich, weil er auf einer Fehlentscheidung des Schiedsrichters beruhte – er negierte aber nicht unbedingt den Verlauf des Spiels (70.).
Im Rückstand bließen die Werderaner zum Angriff. Es entstand ein chancenreiches, schnelles Spiel. Die Bremer taten nun gut daran, de Bruyne öfter ins Spiel einzubinden. Über die linke Seite konnten sie die gefährlicheren und genaueren Angriffe spielen, auch wenn de Bruyne nur wenig Unterstützung fand. Auch nach Hunts Ausgleich (per Elfmeter, 70.) spielte der Gastgeber weiter nach vorne. Im Gegenzug taten sich Kontermöglichkeiten für Fürth auf, welche ihre schnellen Außen einsetzen wollten. Ein Tor fiel jedoch nicht mehr, es blieb beim 2:2.
Fazit
Frank Kramer darf sich in seinem ersten Spiel über einen Punktgewinn freuen. Dieser war nicht einmal unverdient: Fürth war über 90 Minuten hinweg bissig. Dabei spiegelte die Partie die bisherige Saison halbwegs wieder: Offensiv sind sie zwar bieder, dafür stehen sie defensiv gut. Gegen ihr 4-1-4-1 konnte Werder nie das Zentrum dominieren. Werder kam so gut wie gar nicht in den gegnerischen Strafraum – und wenn, dann holte Fürth sie von den Beinen. Dass es am Ende Unentschieden ausging, zeigt die Fürther Misere: In den entscheidenden Situationen sind sie nicht abgezockt genug. Zwei unnötige Elfmeter und drei vergebene Riesenchancen in Halbzeit Eins sprechen eine deutliche Sprache.
Werder Bremen schafft es weiter nicht, die richtige Balance aus Defensive und Offensive zu finden. In Halbzeit Eins fehlte die Kreativität, in Halbzeit Zwei funktionierte die Rückwärtsarbeit nicht. Nach dem Spiel äußerte sich Thomas Schaaf bei NDR 2 zur Kritik: „Wir alle müssen uns mal entscheiden, was wir wollen… Einmal sind wir zu defensiv, einmal sind wir zu offensiv!“ Es mag löblich sein, dass Schaaf auf die allgemeinen Defensivprobleme der vergangenen Wochen reagiert. Aber zu Hause gegen den Tabellenletzten, der bekannt ist für sein reaktives Spiel, in Halbzeit Eins die eher kreativarme und defensive Variante zu wählen, ergibt selbst auf den zweiten Blick wenig Sinn. Schaaf wird sich dieses Remis ans Revers heften müssen.
10 Kommentare Alle anzeigen
ribas 19. März 2013 um 08:23
Eine Aufstellung mit der man meiner Meinung nach die Balance zwischen Defensive und Offensive ganz gut hinbekommen würde:
————–Miele—————–
-Selassie-Luki-Sokratis-Schmitz—–
——Junuzovic—Iggy————–
-Arnautovic—de Bruyne—-Elia—–
————-Petersen—————
Eventuell noch Hunt für Elia rein, aber grundsätzlich wäre man damit meiner Meinung nach defensiv stabil, hätte aber gleichzeitig mit Arni, Juno, de Bruyne, Elia/Hunt und Petersen gute Offensivkräfte.
Selassie und Schmitz würde es sicherlich auch gut tun von einer Doppelsechs abgesichert zu werden.
Tom 19. März 2013 um 14:08
Doppelsechs hin oder her, was nutzt die wenn dann gleich beide sich mit nach vorne einschalten oder einer der Sechser sich kaum auf der Position sehen lässt. Oder der Sechser auf der Seite des nach vorne stoßenden AVs nicht absichert. Deshalb meine ich, dass die beste Taktik (Aufstellung) nicht hilft, wenn die zugeteilten Rollen zu frei interpretiert werden.
Man kann über alle möglichen Aufstellungen diskutieren wie man will, letztendlich entscheidet die Feinjustierung und das jeder seine Rolle auch erfüllt.
So etwas funktioniert in Mainz und Freiburg, weil die Spieler sich dem System unterordnen. Bei Bremen eben zur Zeit nicht. Hier halten sich einige für höhere Aufgaben befähigt. Einfach nur streng nach Vorgabe zu agieren geht halt nicht. Bei einer Führung sich mal zurück zu halten und nicht mit einschalten bei den Angriffen und lieber absichern, ist da nicht drin. Man will ja Tore machen. Jeder will für sich selber glänzen.
ribas 18. März 2013 um 08:32
Wirklich traurig was aus Werder geworden ist. Mit den vorhandenen Spieler müsste man doch normalerweise um den internationalen Wettbewerb mitspielen können oder nicht? Oder sind die einfach nicht besser?
Ich habe das Gefühl, dass viele Teams mit vermeintlich schwächeren Spielern durch clevere Taktik und besserem Zusammenspiel viel mehr aus sich rausholen (Bsp: Mainz oder Freiburg)
Tom 18. März 2013 um 09:16
Clevere Taktik. Da gibt es eher ein Disziplinproblem. Manche nutzen die Freiheiten zu sehr aus. Arnautovic arbeitet kaum mit zurück, obwohl er erst zur Halbzeit kam.
CF 18. März 2013 um 09:40
Ich muss Ribas wirklich zu stimmen. Die Spieler sind von der Klasse verglichen mit Mainz, Freiburg etc. echt überlegen. Aber gerade an der Taktik fehlt es mit dem Spielerpotenzial könnte man einen erfrischenden Angriffsfußball spielen. Viele junge Trainer würden mit diesem Team eine innovative und moderne Taktik spielen lassen.
AlexF 18. März 2013 um 15:55
Sehe ich genauso. Da ich kein Werderfan will ich mir hier jetzt nicht anmaßen die „Schaaf-Raus“ Rufe zu initieren, jedoch fand ich seine, auch oben erwähnte Kritik, recht unpassend, da es doch genau darum geht, die richtige Balance für den nächsten Gegner zu finden. Und das ist nun mal Sache des Trainers.
blobbo 17. März 2013 um 13:45
Eigentlich hat der Spielverlauf uns mit dem 1:0 in die Karten gespielt, doch leider stellt sich die Mannschaft selbst in solchen Situationen noch zu ungeschickt an. Entweder verwaltet man proaktiv Ball und Spielstand oder man zieht sich zurück, überlässt dem Gegner die Pflicht und versucht reaktiv zu spielen. Werder hat es aber mal wieder geschafft Option 3 zu wählen, nämlich nach Ballgewinn risikoreiche Konter mit weitaufgerücktem Mittelfeld. So spielt man den Gegner wieder stark und hat sich folgerichtig den Ausgleich gefangen.
Uncle Jack 17. März 2013 um 06:32
Ich habe das Spiel nicht sehen können, aber irgendetwas stimmt mit der Grafik „Grundformation zweite Halbzeit“ nicht: Laut anderen Berichten war Selassie in der zweiten Halbzeit nicht mehr mit dabei – Ignjovski (wie Ihr im Text ja auch erwähnt) aber sehr wohl.
Ansonsten … wie immer … vielen Dank!
TE 17. März 2013 um 11:59
Danke für den Hinweis. Ich habe vergessen, Selassie auszuwechseln 😉 Jetzt stimmt es wieder!
theboss 17. März 2013 um 00:23
thomas schaaf taktikgott