Hamburger SV – Eintracht Frankfurt 0:2
Eintracht Frankfurt nutzt die Lücken auf dem linken Flügel der Hamburger und siegt 2:0. Dem Hamburger SV mangelt es vor der Pause an Kreativität, erst in Halbzeit Zwei kamen sie zu Torszenen.
Die Verfolger haben alle gepatzt, und somit gewann das Topspiel am Samstagabend zusätzlich an Brisanz: Der Sieger durfte einen großen Satz in Richtung Europa-League-Qualifikation machen. Thorsten Fink schickte seine Mannschaft im lieb gewonnen Rautensystem auf das Feld, Armin Veh wählte ein 4-4-1-1-System. Frankfurts Neuzugang Lakic kam zu seinem Debüt als Sturmspitze.
Hamburgs Schwächen im Spielaufbau
Zu Beginn des Spiels warteten beide Teams ab. Die Frankfurter setzten auf schnelle Konter, so dass Hamburg eine Ballbesitzhoheit erspielen konnte. Da Frankfurt nur phasenweise auf ein hohes Pressing setzte, konnte die hinterste Hamburger Reihe den Ball zirkulieren lassen. Badelj ließ sich stets in die Abwehr fallen, auch van der Vaart startete einige Angriffe aus der eigenen Hälfte. Diekmeier und besonders Jansen rückten weit auf.
In der Theorie ist Frankfurt mit einem geordneten Spielaufbau durchaus zu knacken. Vehs Team besitzt nicht die stärkste Verteidigung der Liga: Die Spieler agieren in den zwei Viererketten relativ frei, sodass sie leicht aus den Positionen gezogen werden können. Sie haben zudem Probleme mit Spielverlagerungen, da Frankfurt sehr weit einrückt, wenn der Ball auf einem Flügel ist.
Allerdings konnten die Hamburger nie durch intelligente, kollektive Läufe Gegner aus ihren Positionen ziehen. Die offensiven Spieler machten diffuse, improvisierte Läufe diagonal oder vertikal auf dem Feld – wirklich abgestimmt wirkten diese nicht.
Hamburg lässt Lücken auf links
Ein viel größeres Problem war jedoch, dass erneut die Anspielstationen im Zentrum fehlten. Van der Vaart fällt tief zurück, und die beiden Halbfeldspieler zogen oft in Richtung der Flügel. Der HSV musste daher stets auf die Seiten spielen. In diesem Spiel war dies besonders schwierig, da der HSV im Spielaufbau – um es norddeutsch zu formulieren – lahmarschig war. Ein Querpass hier, ein Rückpass dort – und ehe der Ball auf einem der Flügel landete, waren auch schon drei Frankfurter dort. Es empfiehlt sich ein Blick auf die Passdiagramme von Bundesliga.de (unter Zuspiele); fast alle Pässe der Hamburger Verteidiger landeten bei ihren Nebenmännern.
Am erfolgreichsten war der HSV, wenn sie Angriffe über den linken Flügel initiieren konnten. Jansen schaltete sich oft in die Angriffe ein, er bekam Unterstützung von Son und Aogo. Ein häufig gesehener Angriff: Jansen schickt vom Flügel aus einen Mitspieler an die Ecke Sechszehner/Torauslinie, von dort folgt eine scharfe Flanke in den Strafraum. Frankfurt verteidigte diese Bälle im Sechszehner jedoch stark.
Zudem hinterließ Jansen bei seinen Vorstößen Räume für Gegenangriffe. Frankfurt war clever genug, die Anfangsphase in Ruhe abzuwarten und dann diese Lücken zu nutzen. Aigner agierte breiter als gewohnt und brachte vom rechten Flügel Flanken in den Strafraum auf den Kopf von Lakic. Für einen Strafraumstürmer wie Lakic ist ein Debüt gegen den HSV eine dankbare Aufgabe, verteidigen diese Hereingaben doch eher schlecht als recht. Dass er zwei Treffer nach Flanken von Aigner machen durfte (22., 36.), war kein Zufall.
Nach der Pause: Mut der Verzweiflung
Fink warf nach der Pause Rincon (für Badelj) und Beister (für Arslan) auf das Feld. Rincon spielte noch tiefer als sein Vorgänger Badelj, sodass fast durchgehend eine Dreierkette in der Abwehr entstand. Unterstützt wurden die drei Akteure im Spielaufbau durch den tief stehenden Aogo und den zurückfallenden van der Vaart. Diekmeier und Jansen fungierten mehr als Außenstürmer denn als Flügelverteidiger, während Son und Beister die Halbpositionen im Angriff besetzten.
Die Formation des HSV lässt sich hierbei nur schwer beziffern; am passendsten kann man den Ansatz als 3 tief postierte Spieler, zwei pendelnde Spieler und fünf hoch postierte Spieler bezeichnen. Auf gut Deutsch: Der HSV kannte nur noch Abwehr und Angriff, ein Mittelfeld gab es kaum mehr. So seltsam es zunächst klingen mag, doch diese unorthodoxe Aufteilung funktionierte besser als in Halbzeit Eins.
Der HSV konnte durch die schiere Zahl ihrer Angreifer Überzahlsituationen entstehen lassen. Dies ist nicht unerheblich gegen eine Frankfurter Eintracht, die ungewohnt lethargisch nachrückte. Gerade auf dem Flügel fanden die Hamburger Räume. Auch rückten die Frankfurter nur langsam aus dem Sechszehner, wenn sie Flanken erfolgreich verteidigt haben. Die Folge: Hamburg gewann viele gefährliche zweite Bälle am gegnerischen Sechszehner.
Aogo und Diekmeier überzeugen
Dass der HSV seine Angreifer überhaupt einsetzen konnte, lag auch an Aogo: Er wusste in seiner Rolle als Verbindungsspieler zu gefallen. Er lief die Mittellinie rauf und runter und bot sich immer wieder an. Er wusste seine Kollegen, speziell van der Vaart, klug einzusetzen. Zusammen mit Rincon sorgte er dafür, dass das Hamburger Spiel variabler angelegt wurde. Angriffe durch die Mitte waren zwar noch immer Seltenheit, dafür entdeckten sie aber nun den rechten Flügel. Diekmeier schlug mehrere gute Flanken, unter anderem zu einer großen Son-Chance (51.).
Frankfurt half aber auch kräftig mit, Hamburg zurück ins Spiel finden zu lassen. So gut Lakic Debüt in der Offensive war, sein Pressing war eher lethargisch und lud Aogo ein, ins Spiel zu finden. Zudem spielten die Frankfurter die riesigen Konterräume selten schnell genug aus, sodass der HSV in eine 4-4-2 Ordnung zurückkehren konnte – und wenn sie gute Konter setzten, scheiterten sie an Adler. Auch die hohe Positionierung von Außenverteidiger Jung, der wohl hinter Jansen kommen sollte, war Gift für das Spiel, er hatte wenige offensive Aktionen, hinterließ aber Lücken für Jansen.
Trotz zweier großer Druckphasen direkt nach der Pause und kurz vor dem Abpfiff verpasste der HSV den Anschlusstreffer. Die Einwechslung von Berg (78. für Aogo) verschob das Ungleichgewicht weiter zugunsten der eigenen Offensive, doch auch der Stürmer traf das Tor nicht. Trotz 16:7 Torschüssen in Hälfte Zwei blieb es beim 0:2.
Fazit
Eintracht Frankfurt überzeugte in Halbzeit Eins mit schnellen Angriffen über die Flügel und einem eiskalten Lakic. Nach der Pause zeigten sich die alten Defensivschwächen, besonders die Kompaktheit und das Herausrücken aus dem eigenen Sechszehner waren große Probleme. Am Ende war es Kevin Trapp, der den Sieg festhielt und sich ein Sonderlob verdient hat.
Der HSV scheiterte erneut an der schwachen Verteidigung auf dem Flügel und dem mangelhaften Spielaufbau. Mehr und mehr wird die Schieflage des HSV-Kaders deutlich. Um es passend zum Superbowl in Football-Sprache zu sagen: Der HSV besitzt mehrere starke Quarterbacks, die grandiose Pässe werfen, haben aber keine guten Receiver. Oder anders gesagt: Der HSV ist abhängig von Flügelangriffen und hohen Bällen in die Spitze, Flachpasskombinationen fehlen fast gänzlich. So dürfte der HSV gegen abwartende, konterstarke Teams Rückschläge im Kampf um die Europa-League-Ränge hinnehmen.
13 Kommentare Alle anzeigen
Christopher 6. Februar 2013 um 17:38
Eine alles in allem gute Analyse, der man in vielen Punkten zustimmen kann, wobei ich finde, dass die 2. Halbzeit des Hamburger SV doch etwas überschätzt wird. Natürlich rollte Angriff auf Angriff Richtung Tor der Eintracht, doch wirklich gefährlich wurde es nur beim Kopfball von Son (eine Muss-Parade für den Torwart) einem Distanzschuss, der knapp vorbei ging und dann noch den eigentlich bedeutungslosen Abschlüssen von Berg.
In der 1. Halbzeit kam der HSV gar nicht erst über Ansätze hinaus! Erschreckend: Wie langsam der Bundesligadino spielt. van der Vaart, Badelj und die Verteidigung waren mit dem Tempo der Eintracht völlig überfordert. Das wurde etwas zu wenig thematisiert. Das Spiel der Rautenträger ist statisch und basiert sehr auf der Wucht Rudnevs und genialen Momenten Son’s. Aber das fehlende Tempo macht es den Hamburgern ganz ganz schwer wirklich mal die EL Plätze anzugreifen.
Bundesligagucker 6. Februar 2013 um 01:39
Was die Eintracht in dieser Saison auf die Beine gestellt hat, ist schon mehr als beachtlich. Ich denke, kaum jemand dürfte sie nach dem Aufstieg auf dem Zettel gehabt haben. Die Leistungen werden auch nicht dadurch geschmälert, dass die Konkurrenz vielleicht etwas schwächelt (s. Werder oder Schalke). Das Bewerberfeld um die Europaplätze ist viel größer als noch vor 3-4 Jahren, als sich immer die selben Teams in den Top 5 getummelt haben. Die vermeintlich Kleinen haben mächtig aufgeholt und der diesjährige Lauf der einstigen Fahrstuhlmannschaft aus Frankfurt bestätigt das einmal mehr. Als Heißblutfan, der gerne auch mal mit den nicht so großen und reichen Mannschaften sympathisiert, weil sie immer 90 Minuten fighten, um am Ende im Mittelfeld der Tabelle zu landen, sehe ich diese Entwicklung natürlich gern.
DPhil 4. Februar 2013 um 12:06
Schon während des Spiels fiel mir auf, dass Frankfurt fast gar nicht versuchte, das Spiel von hinten aufzubauen. Dies zeigt auch die Passstatistik auf bundesliga.de:
http://www.bundesliga.de/de/liga/matches/2012/index.php?bmi=138403&reiter=a&tag=20
Von Trapps 22 Abspielen gingen 13 als lange Abschläge an Meier und Lakic, nur jeweils eines an die Innenverteidiger Anderson und Zambrano und je zwei an die 6er Rode und Schwegler.
Steckte dahinter ein Plan? Hat die SGE den Ball absichtlich hergeschenkt (denn das war der Effekt der vielen langen Abschläge), um den HSV zu etwas zu nötigen, was er nicht kann: das Spiel machen und ihn dann durch Balleroberungen und schnelles Umschalten in Bedrängnis zu bringen?
Dafür spräche, dass Jung, über dessen Seite viel lief, insgesamt 31 Pässe gespielt aber nur 22 erhalten hat.
Dieses Plus der gespielten gegenüber den erhaltenen Pässen kann man ja wohl nur mit Balleroberungen erkären, oder? Und das hieße: Jung hat sich fast ein Drittel der Bälle, die er gespielt hat beim Gegner geholt. Dagegen erhielt er keinen einzigen (!) Ball von Trapp und nur einen von Zambrano.
Wenn das ein Plan war, dann muss ich sagen, ist er sehr gut aufgegangen. Hätte die Eintracht in der 2. Halbzeit eine ihrer Konterchancen genutzt, dann wäre er sogar perfekt aufgegangen. Denn bei o:3 hätte sich der HSV nicht mehr gewehrt und Frankfurt hätte das Ding locker herunter spielen können.Da bin ich sicher.
Aber die Frage ist halt. War es ein Plan? Und da würde mich Eure Meinung interessieren
AlfredPfaff 4. Februar 2013 um 13:50
Im Interview nach dem Spiel sagte Armin Veh: „Wir standen tiefer als in den bisherigen Spielen, haben erst ab der Mittellinie attackiert. Auf dem Platz und gegen diesen Gegner hat das aus meiner Sicht auch Sinn gemacht. Normalerweise agieren wir mehr, gehen früher drauf. Gegen den HSV wollten wir unsere Kontersituationen nutzen.“
Zumindest zu einem gewissen Teil kann das also durchaus Absicht gewesen sein.
mutiger 4. Februar 2013 um 10:29
„Der HSV ist abhängig von Flügelangriffen und hohen Bällen in die Spitze, Flachpasskombinationen fehlen fast gänzlich.“
Ich sehe das auch im Zusammenhang mit der Formschwäche von van der Vaart, Arslan und Badelj begründet. Wenn diese drei Spieler ritt sind, sehe ich schon gute Möglichkeiten für Flachpasskombinationen. Für mich daher ein temporäres und kein grundsätzliches Problem beim HSV.
TaunusT 4. Februar 2013 um 10:16
„So dürfte der HSV gegen abwartende, konterstarke Teams Rückschläge im Kampf um die Europa-League-Ränge hinnehmen. “
Dem stimme ich zwar grundsätzlich zu, aber man muss zumindest für dieses Spiel festhalten: Der HSV hat kein Kontertor kassiert. Beide Tore fielen, als die Defensive schon stand (bzw. hätte stehen müssen 🙂 ) Die Schwächen bei Kontern waren hier nicht spielentscheident, sondern allegemeine Schlafmützigkeit in der Abwehr. Oder, wie seht ihr das?
Zur zweiten Halbzeit: Da war die EIntracht ungewohnt passiv, das sehe ich auch so. Aber die Hamburger haben meines Erachtens nur viele Schusschancen, gefährlich waren sie eigentlich nur bei Sons Kopfball und als Rudnevs (war er es?) seinen Mitspieler angeschossen hat. Alles in allem kann man die Hamburger Offensivbemühungen unter dem Motto „Sie waren stets bemüht“ zusammenfassen. Quantität ja, Qualität nein.
Mal was anderes: Ist euch mal aufgefallen was der Lehmann und sein „Betreuer“ auf Sky für einen Mist gelabert haben? Das war ja teilweise schon heftig.
mananski 4. Februar 2013 um 15:06
Der Jens ist in meinem Freundeskreis schon Kult! Mit so qualifizierten Kommentaren oder eher Beschreibungen wie „Das war ein toller Kopfball“ oder „Der Schuss war schwer zu halten“ ist er immer wieder fürn Lacher gut, der Experte.
Billy 8. Februar 2013 um 09:09
Mir sind vor allem die vielen völlig ungefährlichen Schussversuche von Son aufgefallen, mit denen er viele Angriffe viel zu verfrüht abgeschlossen und so zerstört hat.
Dem Lehmann hätte ich am liebsten den Kopf umgedreht. Das war ja unterträglich, was jemand der so so lange auf hohem Niveau gespielt hat, für einen Blödsinn erzählen kann..
SebSwo 4. Februar 2013 um 10:05
War auch mein Eindruck, dass der HSV in Halbzeit 1 viel zu viele Lücken in der Rückwärtsbewegung aufwies. Im Gegensatz dazu hat die Eintracht die Räume gut zugestellt und die paar Offensiv-Aktionen der Hamburger, waren eher Zufallsprodukte, weil wenig einfallsreich vorgetragen.
Fink war eigentlich nur am auf und ab laufen und getobt!
firedo 3. Februar 2013 um 23:10
ich konnte den armin veh eigentlich noch nie leiden. besonders als er bei hansa war war er schon verdammt unsympatisch. aber was er mit Frankfurt auf die beine stellt ist schon toll anzusehen und wirklich erstaunlich. dafür verdient er respekt.
mrb 3. Februar 2013 um 16:10
Konnte man nicht zuletzt und auch schon vor der Winterpause erwarten, dass ein Team dem HSV eine Ohrfeige verpasst, wenn es gezielt die linke Abwehrseite der Rothosen attackiert?
Ließen die Auftritte des HSV darauf schließen, dass Thorsten Fink und sein Team an jenem wunden Punkt bereits arbeiten?
Ron 3. Februar 2013 um 14:41
Lakic hat nur einen Kopfballtreffer vorzuweisen.;-) Aber ansonsten wie immer guter Artikel. Man sieht bei Hamburg, dass LV weder Aogos noch Jansens Idealposition ist, wobei ich es mir bei Jansen immer gewünscht habe, dass er mal einen Trainer bekommt, der ihn als LV besser macht. Alleine schon für die NM.
TE 3. Februar 2013 um 15:48
Stimmt natürlich, ich habe es geändert, vielen Dank.