VfL Wolfsburg – SV Werder Bremen 1:1
Thomas Schaafs Bremer trafen auf Wolfsburg und ihren ehemaligen Manager. Taktisch hat das wenig zu bedeuten, denn das Duell hieß Schaaf gegen Köstner. Dieses entschied Ersterer für sich, konnte aber dennoch nicht drei Punkte holen.
Wechselwirkungen der jeweiligen Formationen
Werder Bremen begann mit ihrem 4-3-3, in dem Marko Arnautovic und Eljero Elia auf den Flügeln aufliefen. Zentral war es abermals Nils Petersen, der im Sturmzentrum spielte und dahinter gab es wie gewohnt die offensive Doppelacht aus Kevin de Bruyne und Aaron Hunt. Diese sollten die Flügelstürmer unterstützen, in die Spitze stoßen und auch noch Defensiv- wie Pressingarbeit verrichten. Dahinter schoben die Außenverteidiger situativ mit nach vorne, was von den Innenverteidigern, dem ballfernen Außenverteidiger und natürlich Rennmaus Zlatko Junuzovic aufgefangen werden sollte.
Die Wölfe starteten mit ihrem 4-2-3-1-System, in welchem Diego als hängende Spitze auflief, Makoto Hasebe und Ivica Olic spielten auf den jeweiligen Flügeln. Dazwischen startete Bas Dost als Mittelstürmer. Diese Formation wurde von zwei absichernden Sechsern komplettiert. Dies bedeutete auch, dass Diego wieder der einzige Kreativposten in der Offensivabteilung war. Mit Olic und Hasebe auf den Flügeln hat man zwei Arbeiter, mit Bas Dost einen zentralen Anspielpunkt, während Polak und Josué sich primär um die Defensive und die Ballzirkulation kümmern sollten.
Dadurch gab es oft eine Aufteilung der Mannschaft in ihre jeweiligen Offensiv- und Defensivteil, in welchem die Außenverteidiger als Bindeglied fungieren sollten. Das klappte aber nur unzureichend, denn die Bremer schnitten die Passmöglichkeiten ab und zeigten sich sehr laufstark. Immer wieder variierten sie ihre Abwehrspielweise und stellten Wolfsburgs betont vertikale Spielweise vor Probleme.
Werders Pressing
Die Bremer begannen besser und aggressiver, doch aus taktischer Sicht war das wichtigste Element die flexible Bewegung innerhalb ihrer Grundformation. Sie versuchten nämlich nicht nur Wolfsburg hoch zu pressen, sondern dies auch möglichst sicher zu machen. Dabei gab es sehr lose Mannorientierungen der Mittelfeldspieler auf ihre jeweiligen Gegenüber sowie der Außenverteidiger auf Makoto Hasebe und Ivica Olic.
Aus dieser losen Orientierung wichen sie aber immer wieder heraus, Hunt und de Bruyne unterstützen die Stürmer beim Presssing, während Junuzovic als alleiniger Sechser entstehende Lücken füllte. Damit bekamen sie die Wolfsburger gut in den Begriff, denn die Anspielstationen auf den Außen waren versperrt und die Zeit am Ball in der Mitte des Feldes eingeschränkt.
Wolfsburg hatte unter Lorenz-Günther Köstner deswegen überzeugt, weil sie eine simple Spielweise verfolgten und diese dank des Gegners einigermaßen passend umsetzen konnten. Diego bewegte sich sehr viel, wich immer wieder nach hinten oder auf die Seite und spielte lange Bälle in den Raum über die Flügel. Dort gab es mit Hasebe und insbesondere Olic zwei schnell umschaltende Akteure, die aber auch die Defensive nicht vernachlässigten.
Darum stand Wolfsburg defensiv relativ gut, hatte gleichzeitig die nötigen Löcher in der gegnerischen Formation, die sie dann mit Überladungen über der Seite und Konter bespielten. Gegen Bremen klappte dies nicht so, weil diese die Räume gut versperrten und die richtige Balance zwischen flexiblem Pressing und einer defensivstabilen, kompakten, klassischen Verteidigungsspielweise fanden.
Auffällig war dabei, wie gefährlich die Wolfsburger sofort wurden, wenn sie kontern konnten oder Junuzovic sich zu offensiv positionierte. Besonders in der Phase zwischen der 25. und 35. Minute verlor Bremen öfters wegen überhasteter Angriffe den Ball und Wolfsburg konnte gegen nicht formierte Gäste angreifen. Dabei kam aber ein paar Mal ein anderes taktisches Mittel der Bremer zu tragen.
Herausrückende Innenverteidiger
Insbesondere in der Anfangsphase zeigten sich Sokratis und Prödl beweglich. Sie schoben sehr stark mit, der ballnahe rückte etwas heraus oder verfolgte Bas Dost, wenn sich dieser fallen ließ. Dadurch konnten sie entweder Bas Dost als zusätzliche Anspielstation abschneiden oder Diego unter Druck setzen, wenn Junuzovic zu offensiv stand oder andere Spieler verfolgte.
Diese Aktivität der Werder-Verteidiger öffnete zwar Schnittstellen, doch es war ein bereitwillig in Kauf genommenes Risiko. Einerseits konnte man die Kompaktheit erhöhen, andererseits waren es nicht die zentralen Schnittstellen, die von den Wölfen gesucht werden, sondern jene auf Außen.
Zwei gefährliche Angriffe konnten dabei gleich zu Spielbeginn unterbrochen worden, als Diego im Lauf effektiv gestört wurde und Wolfsburg dadurch nach hinten umschalten musste. Im Gegensatz zu ihrer enormen Stärke im offensiven Umschaltspiel, sind sie hier eher durchschnittlich, was Bremen nutzen wollte.
Mangelnde Kreativität bei Wolfsburg
Wie zu Beginn schon angeschnitten, hatten die Wölfe nur einen wirklichen Kreativspieler in Mittelfeld und Angriff, nämlich Diego. Dieser wurde aber von dem extrem laufstarken und Räume zustellenden Zentrum bedrängt, wodurch Wolfsburg im Aufrücken nicht nur weniger strukturiert, sondern auch langsamer wurde.
Sie versuchten über Diego zu kommen, mussten diesen dann umspielen und in dieser Zeit konnte Bremen von ihrem Pressing zu einer kompakteren und passiveren Formation umschalten, wenn es erforderlich war. Wenn das nicht klappte, hatte Wolfsburg zwar hochwertige Chancen, wirklich viele waren es aber nicht.
Nach der Führung wurde auch ersichtlich, dass ihnen ein zweiter kreativer Spieler fehlt. Die Schnittstellen wurden nicht bespielt, wenige Räume geöffnet und trotz Rückstand mangelte es an präzisen Kombinationen an vorderster Front. Josué versuchte zwar das ein oder andere Mal mit vertikalen Läufen seinen Landsmann zu entlasten und befreien, allerdings waren diese Vorstöße nicht ordentlich getimt und kamen zu selten.
Im Gegensatz dazu stand die Spielweise der Gäste, wo es deutlich mehr Bewegung, Kreativität und Rochaden gab. Dabei schafften es die Bremer auch, dass sie einige der kleineren Offensivprobleme effektiv bekämpften, wodurch sie ihre Gefahr erhöhten.
Bremen in der Offensive
Dieses Problem war, dass die gegnerische Viererkette durch eine horizontal kompakte Spielweise die Außenspieler ineffektiv machen konnte. Bisweilen agierten Bremens Flügelstürmer zu breit, wurden gut bedrängt und selbst wenn sie sich im Dribbling durchsetzten, fanden sie keine bespielbaren Räume vor.
Wolfsburg schnitt die Offensivspieler aber nicht ausreichend voneinander ab, außerdem suchten die Bremer die Nähe zueinander. Elia und Arnautovic spielte manchmal vertikal, manchmal diagonal oder verließen gänzlich ihre Position, um stärker in die Mitte zu ziehen. Gleichzeitig gingen Hunt und de Bruyne öfters Richtung Flügel, unterstützten die zwei Flügelstürmer und überluden den Flügel, manchmal sogar mit einem dritten Mann, und sorgten für Gefahr.
Auch halfen die beiden defensiv öfters statt der Flügelstürmer auf den Seiten aus, was sie dank der mangelnden Kreativität und Vertikalität der Wolfsburger Sechser auch problemlos machen konnten. Bis auf einen Weitschuss entstand wenig daraus und die Wölfe konnten die Flügel noch seltener bespielen, als schon durch die taktische Grundausrichtung der Gäste.
Die rote Karte
Nur kurze Zeit nach dem Platzverweis für Lukas Schmitz fiel das Tor für Wolfsburg. Dabei stand Werder in einer 4-4-1-Formation (mit sehr hohen und freien Flügelstürmern) da, in welcher sich Diego relativ unbedrängt mit Sichtfeld nach vorne vor der gegnerischen Doppelsechs befand.
Ein wunderbarer Lochpass, exakt in die Schnittstelle, wo zuvor noch Schmitz neben Sokratis gespielt hatte, kam der Ball und mündete letztlich im Tor. Ob Schmitz oder ein Dreiermittelfeld diesen Ball hätten verhindern können, ist zwar fraglich, möglich wäre es.
Die klarere Veränderung betraf aber das gesamte Spiel, denn Wolfsburg war nun überlegen und hätte gleich nach ihrem Treffer noch ein zweites Tor erzielen können, als sie über die Außen marschierten – Bremens Defensivspielweise mit den beweglichen Achtern war nun zerrissen.
Sie spielten mit dem eingewechselten Ignjovski auf links, de Bruyne übernahm die Position Elias und Hunt bildete eine Doppelsechs mit Junuzovic. Gleichzeitig wurde Arnautovic instruiert, wieder weniger zu zocken und damit mit de Bruyne Defensivarbeit auf Außen zu verrichten.
Dennoch: ein Mann weniger in der Mitte bedeutete, dass Räume frei werden und diese konnte Diego nun (endlich) besetzen. Mit viel Bewegung tauchte er in den Halbräumen auf, kombinierte mit den Flügelspielern und setzte diese ein. Auch Vieirinhas Einwechslung statt Hasebe sorgte für mehr Kombinationssicherheit und Offensivfreudigkeit, womit sich Bremen schwer tat.
Die Werderaner hielten gut dagegen, aber sie taten sich sichtlich schwer dabei. Flanken über die Außen, Kombinationen und ein bärenstarker Diego sind eine ungünstige Kombination für jede Bundesligamannschaft, die zu zehnt dagegen vorgehen „darf“. Schaaf brachte letztlich noch Fritz als zusätzliche Stärkung der Defensive auf rechts, womit man das Unentschieden knapp halten konnte.
Fazit
Letztlich ein verdientes Unentschieden. Wolfsburg hatte ein paar sehr gute und gefährliche Chancen, war aber bis zur roten Karte, abgesehen von einer kurzen Phase vor dem Rückstand, die schwächere Mannschaft. Danach hatten sie mehr vom Spiel, griffen viel an, konnten dies aber nicht mehr in einen Sieg umwandeln.
4 Kommentare Alle anzeigen
Axtschwinger 25. November 2012 um 10:43
Treffende Analyse, danke.
Ich habe mich auch sehr über den Platzverweis geärgert. Weniger weil er gegen Bremen ging, sondern mehr weil mich brennend interessiert hätte, wie Köstners Versuche ausgesehen hätten, das Bremer System doch noch auszuhebeln. Köstner wird zwar im moment in den medien ziemlich hochgejubelt, aber bisher hat er in meinen Augen seine tauglichkeit noch nicht bewiesen. Er hat ein passables system, das, wenn es funktioniert wie gegen Leverkusen, beeindruckend simpel aussieht. Aber wenn es nicht funktioniert, konnte er bisher nicht durch Umstellungen oder taktische Kniffe den Hebel umlegen. Und auch gestern sah er lange Zeit ziemlich ratlos aus, wenn ihr mich fragt.
Wie hätten Köstners Versuche denn aussehen können? Hat er denn noch einen weiteren Kreativmann auf der Bank? Eher nicht…Vierinha ist da schon das höchste der gefühle und der startet vielleicht in die schnittstellen, bespielt sie aber auch nicht.
Holgr 25. November 2012 um 20:26
Köstner ist mMn aber auch nicht der große Taktiker, sondern eher ein Trainertyp wie del Bosque, der es gut versteht aus stars eine Mannschaft zu formen und diese bei Laune zu halten.
RP 25. November 2012 um 00:02
Bei „Werders Pressing“ ist dir ein Fehler unterlaufen: Sie versuchten nämlich nicht nur Wolfsburg hoch zu pressen, müsste es wohl heißen.
Ansonsten toller Artikel, und schade das so ein ungerechtfertigter Platzverweise die Partie beinflußt hat.
RM 25. November 2012 um 00:07
Stimmt, danke!