FC Augsburg – Borussia Dortmund 1:3
Koo und Baier starten Augsburgs Saison. Nach toller Leistung verliert das Liga-Schlusslicht unglücklich gegen den Meister.
Gegen den Tabellenletzten aus Augsburg hatte der BVB mit einem ungewöhnlichen Problem zu kämpfen: Dem Spielplan. Der elfte Spieltag war nämlich der erste, an dem Augsburgs überragender Techniker Ja-Chael Koo nach seiner Verletzung wieder in der Startelf beginnen konnte. Außerdem rückte der spielstarke Baier auf die Zehnerposition, wodurch der FCA seine schwerwiegenden Probleme im Kreativspiel in den Griff bekam und das bisher beste Saisonspiel ablieferte.
Der BVB spielte sein übliches System, wobei das erste Mal in der laufenden Saison die Doppelsechs Gündogan-Bender auflief. Außerdem startete Santana für den zuletzt formstarken Subotic und Großkreutz belegte die dritte Position der Offensivreihe neben Götze und Reus. Dabei spielte Reus meist links und Großkreutz rechts, über kurze Phasen wurden die Positionen auch mal getauscht.
Wie angedeutet, war das System des Tabellenletzten hier jedoch deutlich spannender. Mit Baier spielte ein Achter hinter bzw. neben Sturmspitze Oehrl, wodurch sich immer wieder Ansätze eines 4-3-3-Systems ergaben. Baier fiel oft zurück, während Ottl halbrechts aufrückend agierte. So war Augsburg flexibel und konnte im Pressing auf verschiedene Arten vor- und zurückstoßen, um Dortmund situativ unter Druck zu setzen.
Durch Baiers halblinke Grundposition spielte Augsburg mehr über diesen Kanal und der starke Koo auf rechts war sogar etwas isoliert. Das konnte er aber mit seiner technisch starken Ballbehauptung im Raum aber oft kompensieren (wie schon gegen Hannover), was Ottl, Oehrl und Baier Zeit gab, ihm zu helfen. Zudem spielte der nominell defensive Callsen-Bracker als Rechtsverteidiger überraschend angriffslustig und sorgte immer wieder hinter Koo für Breite, wodurch der Südkoreaner in den Halbraum einrücken konnte. Somit hatte Augsburg insgesamt eine gute Grundbalance im Spiel.
Augsburgs neue Stärke im Angriffsdrittel
Ein großes Grundproblem der Augsburger war in der gesamten bisherigen Saison, dass sie ihr ordentlich strukturiertes Aufbauspiel aus der ballsicheren Viererkette kaum in die Offensivräume bringen konnten. Daniel Baier war im Mittelfeldspiel stark auf sich gestellt und der jeweilige zweite Stürmer fand keine Bindung zum Spiel, egal ob der nominelle Zehner Moravek oder die Stürmer Hain und Oehrl diese Rolle bekleideten. Indem Baier nach vorne rückte und Koo die lange vermisste Unterstützung vom Flügel ins Zentrum brachte, konnte Augsburg dieses Problem weitgehend auflösen und war trotz der defensiver besetzten Doppelsechs deutlich spielstärker als in den vergangenen Monaten.
Da sich Ottl und Oehrl klug halbrechts bewegen, um die beiden Kreativzentralen zu verbinden und Werner wie üblich intelligent einrückte oder in die Spitze stieß, wodurch Baier Freiheiten bekam, fanden Koo und Baier einige Male Unterstützung für schnelle Kombinationen, mit der sie die berüchtigte Dortmunder Defensive vor ungewohnte Schwierigkeiten stellen konnten. Sie fanden einen guten Rhythmus, um das erzeugte Momentum aus diesen Aktionen schnörkellos und effektiv in den Strafraum zu tragen – ob mit Lochpässen oder überraschenden Flanken – und generierten einige gute Chancen.
Dortmunds Pressingprobleme
Dass sie ihre neue Qualität im letzten Drittel überhaupt entfesseln konnten und nicht wie viele Gegner des BVB schon in der ersten Linie des Aufbaus reihenweise hängen blieben, hatte zwei Gründe. Zum einen verhielten sie sich im Aufbauspiel klug, indem sie die Außenverteidiger kontrolliert vorschoben und die Innenverteidiger etwas auffächerten, wodurch sie dem direkten Zugriff von Lewandowski und Götze entgingen. Vogt und vor allem Ottl schoben dann zentral etwas mit dem Ball mit und erzeugten in einigen Situationen leichte Überzahl außen vor dem aufgefächerten Innenverteidiger. Daher hatte die Borussia nicht den gewohnten Zugriff im offensiven Mittelfeld und Augsburg kam öfters mal außen bzw. halbaußen mit leichten Kombinationen in die höheren Mittelfeldräume.
Der zweite und wohl etwas relevantere Faktor war die enge und gut gestaffelte Stellung im Zentrum bei vielen langen Bällen. Die gekippte Dreiecksanordnung von Baier, Vogt und Ottl hatte dort oft Überzahl gegen Gündogan und Bender, da diese beiden in Halbzeit eins zu wenig Unterstützung von den aufgerückten Offensivspielern bekamen. Daher holte Augsburg in den ersten 45 Minuten einen hohen Anteil der zweiten Bälle und kam über diese dann leicht in die offensiven Mittelfeldräume, um ihre Kombinationsstärke auszuspielen.
Flexibilität und Aggressivität in Augsburgs Pressing
Ein dritter Faktor war die meist recht hohe Stellung, die Augsburg gegen den Ball beibehielt. In dieser konnten sie ein paar Bälle schon hoch erobern und bei tieferen Balleroberungen konnten sie sich besser mit langen Bällen aus Dortmunds Gegenpressing befreien. Dieses hatte Klopp vor dem Spiel als entscheidendes Mittel angekündigt, was sich aber kaum bewahrheiten sollte, da Augsburg eben nicht so tief stand, wie zu erwarten gewesen war.
Dabei spielten sie ein Mittelfeldpressing aus einer 4-4-2-Grundstellung, was Dortmund normalerweise gut zu knacken vermag. Meist überlädt der BVB dann das Zentrum über die einrückenden Flügel und umspielt die Stürmer über ein Herauskippen der Sechser hinter die aufrückenden Außenverteidiger. Diese beiden wichtigen Elemente konnten Markus Weinzierls Elf aber zumindest teilweise entschärfen.
Dem Überladen der Mitte wirkten sie mit Manndeckungen in der Abwehr entgegen. Lewandowski und Reus wurden einige Male von ihren nominellen Gegenspielern auch tatsächlich in tiefere Räume verfolgt und konnten, sodass keine Überzahl im Zentrum entstand. Zudem orientierte sich Vogt an Götze, um dem wendigen Kreativspieler nicht zu viel Zeit in den Zwischenräumen zu lassen. In den sehr engen, aggressiven Mannorientierungen kam Augsburg teilweise gut in die Zweikämpfe, was den eher technisch als physisch veranlagten Borussen wiederholt nicht gut zu Gesicht stand.
Dadurch, dass die Abwehrspieler sich um die Bewegungen im Rücken der Sechser kümmerten, bekam außerdem Ottl defensive Freiheiten und konnte sich verstärkt nach vorne orientieren. Somit konnte er je nach Situation etwas aufrücken oder ballorientiert aus seinem Raum herausschieben, was Augsburg wandlungsfähig im Defensivspiel machte. Auch Baier bewegte sich flexibel und Oehrl arbeitete reaktiv mit, sodass Augsburg beim Pressing eine gute Schwarmintelligenz entwickelte. Die diagonal versetzten Grundpositionen der zentralen Pressingspieler fingen die Bewegungen der Dortmunder Sechser sehr oft auf und verhinderten, dass der BVB kontrolliert ins defensive Mittelfeld kam.
Zudem zeigten Baier und Oehrl einige Male ein hervorragendes Rückwärtspressing, wenn sie überspielt wurden, was zusätzlichen Stress bei Dortmund verursachte. In der Summe bekam Dortmund keine spielerische Dominanz in die Partie und hatte nicht die Kontrolle über die Partie. Am Ende hatte gar der Tabellenletzte ein leichtes Ballbesitzplus gegen den amtierenden Meister.
Mannorientierte Lücken und Dortmunds Dualität
Allerdings sorgte der ungewöhnlich hohe Zugriff, den Augsburg im Pressing hatte, nur bedingt für nachhaltige defensive Stabilität. Phasenweise konnten sie die Borussen zwar aus dem eigenen Abwehrdrittel heraushalten, aber die optische Dominanz war auf recht wackeligen Beinen errichtet.
So öffneten sich durch die Mannorientierung der Viererkette immer wieder Lücken in letzter Linie und zudem war Augsburg im Sechserraum nicht immer kompakt. Dadurch wurde der BVB in den relativ wenigen Offensivszenen dafür relativ oft gefährlich und konnte seine individuelle Stärke ausspielen. In der Summe erspielten sie sich trotz der mangelnden Spielkontrolle eine ordentliche Anzahl an teils sehr hochwertigen Chancen.
Ein wichtiges Element dafür waren die langen Bälle, die bei den Dortmundern die zweite wichtige Säule des Spielaufbaus darstellen. Wie schon gegen Real konnten sie auf diese Weise das Aufrücken des Gegners ausnutzen. Der Treffer zum 0:2 war ein Musterbeispiel für die Qualität, die der BVB in solchen Szenen entwickeln kann.
Diese Dualität aus gut strukturiertem flachen Aufbauspiel gegen tiefstehende Gegner und schnellen Attacken mit hohen Bällen macht es so schwer, gegen die Dortmunder ein effektives Pressing zu finden – tiefstehend wird man geduldig ausmanövriert, hochstehend wird die fehlende Kompaktheit von den starken Einzelspielern ausgenutzt. Aus diesem Dilemma erwächst die offensive Konstanz der Borussen.
Ein weiterer Faktor dieser Konstanz sind natürlich flache Schnellangriffe nach Ballgewinnen. So einen nutzen die Dortmunder dann zum vorentscheidenden 0:3, nachdem sie einen zweiten Ball im Mittelfeld eroberten. Diese holten sie in der zweiten Halbzeit deutlich öfter, da sich Großkreutz und Reus tiefer und enger neben den Sechsern positionierten und somit die Kompaktheit der drei Augsburger Zentrumsspieler beantworteten.
Fazit
Die Augsburger machten wohl ihr klar bestes Saisonspiel und dürften auf diesem Fundament nun wesentlich mehr Stärke im Abstiegskampf zeigen als bisher. Gegen die Dortmunder Borussia fanden sie sehr gute Mittel, wenn diese Mittel am Ende auch nicht gut genug waren. Mit einer besseren Chancenverwertung hätte es aber verdiente Punkte geben können. Zum Schluss hatten die Gastgeber nicht nur mehr Ballbesitz, sondern auch einen leichten Vorteil in den Schüssen auf’s Tor.
Die Dortmunder besiegten einen überraschend starken Gegner letztlich durch den hauseigenen Plan B; die langen Bälle und die individuelle Qualität zündeten, als man mal kollektiv keine Überlegenheit entwickeln konnte. Zwei Problemfelder sollten die Borussen dabei aber im Auge behalten: Wie bereits in Freiburg hatte man Probleme beim Kampf um die zweiten Bälle, die erst nach der Halbzeitpause behoben werden konnte. Außerdem zeigte sich erneut eine Anfälligkeit für Mannorientierung im Zentrum, auf die Dortmund zwar besser reagierte als noch beim 1:1 in Nürnberg, die aber weiterhin ein größeres Problem für Klopps Elf zu sein scheint als kompakte Raumdeckungen.
5 Kommentare Alle anzeigen
BeSt 12. November 2012 um 23:30
Ich bin absolut begeistert von dem was ich da am Samstag im Stadion von den Augsburgern gesehen habe.
Der Grund für die Leistungssteigerung liegt für mich eindeutig im gestärkten Zentrum. Trotzdem stelle ich mir die Frage wieso der Ball nur einmal im Netz landete. Das Augsburger Spiel ist schon in der gesamten Saison sehr auf Flanken ausgelegt. Das lag an den vorhergegangenen Spielen sicher an der Unterbesetzung an Kreativspielern im Zentrums aber auch an den Stürmertypen Oehrl und Bance die, wenn es schnell gehen soll nie in die Tiefe geschickt werden konnten. Ach in diesem Spiel konnte Baier keine Steilpässe in die Spitze spielen, er hat alle seine Bälle auf die Flügel verteilt. Die Flanken die dann geschlagen wurden konnte Oehrl kaum gezielt auf Tor bringen. Vieleicht ist Mölders durch sine Anrittsstärke ein geeigneterer Empfänger von Steilpässen und bringt mehr Variabilität ins Spiel.
B 12. November 2012 um 19:36
Ich finds sehr löblich, dass ihr mal bei einem Spielbericht auch mal den Fokus auf den FCA legt.
Im Endeffekt fehlt dem FCA ein richtiger Torjäger. Ich bin sehr häufig im Stadion und letztlich hab ich bisher kein Spiel diese Saison gesehen bei dem sie richtigen Murks zusammengespielt haben. Sicher ist da mal ein Fehlpass drin, aber der FCA spielt teils Kombinationen, die einen fragend zurücklassen, warum denn diese Mannschaft so weit unten steht, aber sobald der FCA mit einem Spieler vorm gegnerischen Tor steht weiß man warum. Ich hoffe, Mölders & Koo können da Abhilfe schaffen. Sehr bitter, dass sie gegen die schlagbaren Gegner (Nürnberg, Hoffenheim, Wolfsburg, Hamburg) noch nicht dabei waren.
King_Cesc 12. November 2012 um 17:44
Die interessante Frage ist, ob Augsburg den Klassenerhalt schafft?
Ohne das Spiel komplett gesehen zu haben: Mit Koo als kreativen Spieler erhöht sich die Wahrscheinlichkeit anscheinend.
Die Zeit der hohen Bälle auf Bancé scheint vorüber?
MR 12. November 2012 um 18:31
Diese Zeit hat ja nie so richtig angefangen. Augsburg versucht mE die ganze Saison schon recht kreativen Fußball zu spielen, aber bisher fehlten einfach die Mittel. Ich fand sogar, sie hätten eigtl konsequenterweise „schlechteren“ Fußball spielen sollen als sie versuchten.
Wenn sie die Leistung vom Samstag konservieren, seh ich sie deutlich stärker als Düsseldorf und Fürth. Und dass ihnen das gelingt, bin ich eigentlich ziemlich optimistisch, zumal Verhaegh noch zurück kommt, den ich als optimalen Partner für Koo sehe. Vielleicht sind sie dann auch stärker als Nürnberg, Hoffenheim oder Wolfsburg, das muss man dann sehen. Möglich ist es wohl.
King_Cesc 12. November 2012 um 18:42
Ja so meinte ichs auch 😉
Die Mannschaft hat in der letzten Rückrunde gezeigt, dass sie durchaus mitspielen kann. Weinzierl hat seine Mannschaft zu Beginn wohl unterschätzt und wird nun die richtigen Maßnahmen ergreifen…